Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2011, Az. II ZR 106/10

2. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6134

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Überschuldung der GmbH & Co. KG: Verjährung des Anspruchs auf Erstattung des Wertes einer Gesellschaftersicherheit nach den sog. Rechtsprechungsregeln


Leitsatz

Der Anspruch auf Erstattung des Wertes einer Gesellschaftersicherheit nach den sogenannten Rechtsprechungsregeln verjährt gemäß § 31 Abs. 5 GmbHG in fünf Jahren. Auf diesen Anspruch ist § 146 InsO auch dann nicht anwendbar, wenn zugleich der Tatbestand des § 32b GmbHG a.F. erfüllt ist .

Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 26. Mai 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 157.071,32 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung der Überschuldung der M.                 Bauunternehmen [X.] (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

2

1. Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass auf den Fall §§ 32a, 32b [X.] und die so genannten Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden [X.]erleistungen zur Anwendung kommen, weil das Insolvenzverfahren vor dem 1. November 2008 eröffnet worden ist ([X.], Urteil vom 26. Januar 2009 - [X.], [X.]Z 179, 249 Rn. 9 ff. - Gut [X.]). Nach diesen Regeln wird eine Sicherheit für eine [X.]sverbindlichkeit u.a. dann wie Eigenkapital behandelt, wenn der [X.]er diese Sicherheit außerhalb einer Krise bestellt hat und bei Eintritt der Krise weder entzieht, obwohl dies möglich ist, noch die [X.] in die Liquidation führt. Eine Krise in diesem Sinne liegt vor, wenn die [X.] oder kreditunwürdig ist ([X.], Urteil vom 11. Januar 2011 - [X.], [X.], 328 Rn. 21). Bei einer [X.] - wie hier - gilt gemäß § 172a HGB dasselbe, wenn ein [X.]er der Komplementär-GmbH oder ein Kommanditist eine Sicherheit zugunsten der Kommanditgesellschaft bestellt ([X.], Urteil vom 27. September 1976 - [X.], [X.]Z 67, 171, 182 f.; Urteil vom 13. Juli 1981 - [X.], [X.]Z 81, 252, 255 ff.).

3

2. Das Berufungsgericht hat jedoch jedenfalls bei seiner Annahme, eine Insolvenzreife in Form einer Überschuldung könne nicht festgestellt werden, Vortrag des [X.] außer Acht gelassen.

4

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats trägt der Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast für den objektiven Tatbestand einer haftungsbegründenden Insolvenzverschleppung und damit auch für die Überschuldung der [X.]. Für die Feststellung, dass die [X.] insolvenzrechtlich überschuldet ist, bedarf es grundsätzlich der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz, in der die Vermögenswerte der [X.] mit ihren aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerten auszuweisen sind. Hingegen kommt einer Handelsbilanz für die Frage, ob die [X.] überschuldet ist, lediglich indizielle Bedeutung zu. Legt der Anspruchsteller für seine Behauptung, die [X.] sei überschuldet gewesen, nur eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er jedenfalls die Ansätze dieser Bilanz darauf zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind. Ist der Anspruchsteller diesen Anforderungen nachgekommen, ist es Sache des beklagten [X.]ers, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind ([X.], Urteil vom 15. März 2011 - [X.], [X.], 1007 Rn. 33 m.w.N. für den vergleichbaren Fall des Geschäftsführers).

5

Danach reicht der Vortrag des [X.] hier aus, um eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne darzulegen. Der Kläger hat eine - von ihm gefertigte - Handelsbilanz zum 31. Dezember 2003 vorgelegt. Weiter hat er sowohl in der Klageschrift als auch später behauptet, es seien bei der Insolvenzschuldnerin keine stillen Reserven vorhanden gewesen.

6

Die vom Kläger erstellte Handelsbilanz weist allerdings die rechnerische Überschuldung nicht offen aus. Die [X.]erdarlehen in Höhe von rund 1,5 Mio. € sind unzutreffend auf der Aktivseite gebucht. Richtig müssen sie entweder auf der Passivseite aufgeführt werden oder - bei einem qualifizierten Rangrücktritt - bei der Feststellung der Überschuldung unberücksichtigt bleiben. In beiden Fällen ist das bereinigte Aktivvermögen aber geringer als die Summe der Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Es liegt also eine rechnerische Überschuldung vor.

7

3. Der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ist auch entscheidungserheblich.

8

a) Für die Annahme einer Überschuldung kommt es hier nicht darauf an, ob eine Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich war. Davon hängt nach § 19 Abs. 2 [X.] in der bis zum17. Oktober 2008 geltenden und hier zur Anwendung kommenden Fassung nur ab, ob die rechnerische Überschuldung anhand der Fortführungs- oder der Liquidationswerte zu ermitteln ist. Der Kläger hat eine Handelsbilanz vorgelegt, also Fortführungswerte zugrunde gelegt. Da diese regelmäßig höher sind als die Liquidationswerte, ist damit die Überschuldung unabhängig von der Fortführungsprognose dargelegt.

9

Im Übrigen obliegt dem in Anspruch genommenen [X.]er, die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen trotz der rechnerischen Überschuldung fortzuführen ([X.], Urteil vom 15. März 2011 - [X.], [X.], 1007 Rn. 31). Dieser Darlegungslast, deren Erfüllung eine umfassende Einschätzung der [X.] voraussetzt (vgl. zu den Substantiierungsanforderungen [X.], Urteil vom 18. Oktober 2010 - II ZR 151/09, ZIP 2010, 2400 Rn. 13 - Fleischgroßhandel), ist die Beklagte nicht nachgekommen.

b) Dass die Beklagte als Mehrheitsgesellschafterin der Komplementär-GmbH die Insolvenzreife zumindest hätte erkennen können, ist ohne weiteres anzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Dezember 1995 - [X.], [X.], 273, 275).

c) Weiter müsste die Beklagte die Möglichkeit gehabt haben, in der [X.] zwischen dem 1. Januar 2004, als Insolvenzreife eintrat, und dem 20. Februar 2004, als der Insolvenzantrag gestellt wurde, die Grundschuld an ihrem Grundstück zu "kündigen" oder die Kommanditgesellschaft in die Liquidation zu führen. Eine Kündigungsmöglichkeit ist nicht festgestellt und erscheint auch fern liegend. Die Beklagte hätte aber durch [X.] ihres [X.] oder durch Anweisung an die GmbH-Geschäftsführer darauf dringen können, dass ein Insolvenzantrag gestellt wird. Dazu hatte sie auch eine ausreichend lange Überlegungszeit, nämlich mehr als die insoweit anzusetzenden höchstens drei Wochen ([X.], Urteil vom 11. Dezember 1995 - [X.], [X.], 273, 275).

d) Der Erstattungsanspruch ist nicht verjährt.

Dabei kann offen bleiben, ob die für den Anspruch aus § 32b GmbHG geltende zweijährige Verjährungsfrist gemäß § 146 Abs. 1 [X.] in der bis zum 14. Dezember 2004 anzuwendenden Fassung [X.]. § 32b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GmbHG aF abgelaufen ist (für einen Verjährungsbeginn erst nach Insolvenzeröffnung bei - wie hier - Verwertung der [X.]ssicherheiten erst während des Insolvenzverfahrens: von [X.], Festschrift [X.], 2003, S. 1293, 1301 f.). Denn jedenfalls der parallele Anspruch nach den so genannten Rechtsprechungsregeln verjährt in entsprechender Anwendung des § 31 Abs. 5 GmbHG in fünf Jahren. Insoweit findet § 146 [X.] keine Anwendung ([X.]/[X.], GmbHG, 10. Aufl., §§ 32a, 32b Rn. 84; [X.] in [X.][X.], GmbHG, 6. Aufl. § 32b aF Rn. 5 f.; ebenso für die Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO: [X.], Urteil vom 20. September 1993 - [X.], [X.]Z 123, 289, 294; Beschluss vom 20. Dezember 1993 - [X.], [X.], 31).

Die fünfjährige Verjährungsfrist hat mit dem Freiwerden des Grundstücks der Beklagten aufgrund der Verwertung der [X.]ssicherheiten in der [X.] ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. April 2004 begonnen und ist durch die Klageerhebung am 17. Januar 2009 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.

Bergmann                Strohn                Reichart

           Drescher                  Born

Meta

II ZR 106/10

31.05.2011

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 26. Mai 2010, Az: 1 U 1065/09, Urteil

§ 31 Abs 5 GmbHG, § 32b GmbHG vom 05.10.1994, § 146 Abs 1 InsO, § 172a HGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2011, Az. II ZR 106/10 (REWIS RS 2011, 6134)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6134

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.