Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.12.2013, Az. II R 55/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 169

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Erbschaftsteuer auf Erwerb eines Anspruchs aus einer Direktversicherung


Leitsatz

Der Erwerb eines Anspruchs aus einer vom Arbeitgeber zugunsten des Erblassers mit dessen Einverständnis abgeschlossenen Direktversicherung unterliegt der Erbschaftsteuer, wenn der Bezugsberechtigte nicht die persönlichen Voraussetzungen für eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Erblassers erfüllt.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Alleinerbe seines im Januar 2003 verstorbenen "[X.]ebensgefährten" ([X.]) und erhielt darüber hinaus aus [X.]ebensversicherungen, die dessen Arbeitgeber als Versicherungsnehmer bei einem Versicherungsunternehmen (V) zugunsten des [X.] als Versicherten abgeschlossen hatte, insgesamt 39.605,98 €, da ihn [X.] für den Todesfall als Bezugsberechtigten benannt hatte. Die Versicherungsbeiträge für diese Direktversicherungen im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung ([X.]) waren im Wege der Entgeltumwandlung durch einvernehmliche Herabsetzung des laufenden Gehalts des [X.] aufgebracht worden.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) nahm an, dass der vom Kläger erworbene Anspruch auf die Versicherungsleistung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 des [X.] (ErbStG) der Erbschaftsteuer unterliege, und setzte gegen den Kläger durch Bescheid vom 3. November 2003 Erbschaftsteuer in Höhe von 3.077 € fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

3

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 378 veröffentlichte Urteil mit der Begründung statt, der Erwerb von Hinterbliebenenbezügen, die auf einem Arbeits- oder Dienstverhältnis des Erblassers beruhten, unterlägen nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer. Dies gelte auch für Einmalzahlungen aus einer Direktversicherung im Sinne des [X.] an Bezugsberechtigte, die keine beamten- oder rentenversicherungsrechtliche Hinterbliebenenversorgung beanspruchen könnten.

4

Mit der Revision rügt das [X.] Verletzung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Der vom Kläger erworbene Anspruch auf die Versicherungsleistung unterliege der Erbschaftsteuer.

5

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der [X.]orentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, dass der vom Kläger mit dem Tod des L erworbene Anspruch gegen [X.] auf die vereinbarte [X.]ersicherungssumme nicht der Erbschaftsteuer unterliege.

8

1. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] gilt als Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) jeder [X.]ermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen [X.]ertrags bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Diese [X.]orschrift ist auch auf den Erwerb eines Anspruchs auf eine Einmalzahlung aus einer vom Arbeitgeber als [X.]ersicherungsnehmer zugunsten des Erblassers mit dessen Einverständnis abgeschlossenen Direktversicherung anwendbar, wenn der Bezugsberechtigte nicht die in §§ 46 bis 48 des [X.] (SGB [X.]I) bestimmten persönlichen [X.]oraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Erblassers erfüllt.

9

a) Die Besteuerung kann in diesem Fall allerdings nicht unmittelbar auf den [X.]ersicherungsvertrag gestützt werden. Diesen hat nämlich bei der Direktversicherung nicht wie von § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] vorausgesetzt der Erblasser abgeschlossen. Maßgebend ist vielmehr der vom Erblasser abgeschlossene Arbeitsvertrag, der aufgrund des Einverständnisses des Erblassers mit dem Abschluss der Direktversicherung eine Änderung erfahren hat, die ihrerseits [X.]oraussetzung für den Abschluss der Direktversicherung durch den Arbeitgeber und für die Begründung des Leistungsanspruchs aus der [X.]ersicherung war. Dies genügt, um § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] anwenden zu können.

b) Der Erwerb des Anspruchs aus einer Direktversicherung unterliegt der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.], wenn der Bezugsberechtigte die in §§ 46 bis 48 SGB [X.]I bestimmten persönlichen [X.]oraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Erblassers nicht erfüllt.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) unterliegen Ansprüche auf eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung, die Hinterbliebenen eines Arbeitnehmers zustehen, nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] der Erbschaftsteuer, und zwar unabhängig davon, ob die Ansprüche durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, eine Ruhegeldordnung, betriebliche Übung, den Gleichbehandlungsgrundsatz oder Einzelvertrag begründet wurden ([X.]-Urteile vom 20. Mai 1981 II R 11/81, [X.]E 133, 426, [X.] 1981, 715, und vom 20. Mai 1981 II R 33/78, [X.]E 134, 156, [X.] 1982, 27; seither ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteile vom 13. Dezember 1989 II R 31/89, [X.]E 159, 223, [X.] 1990, 325; vom 13. Dezember 1989 II R 23/85, [X.]E 159, 228, [X.] 1990, 322; vom 15. Juli 1998 II R 80/96, [X.]/N[X.] 1999, 311; vom 16. Januar 2008 II R 30/06, [X.]E 220, 518, [X.] 2008, 626, unter [X.], und vom 5. Mai 2010 II R 16/08, [X.]E 230, 188, [X.] 2010, 923, Rz 15; [X.]-Beschluss vom 24. Mai 2005 II B 40/04, [X.]/N[X.] 2005, 1571).

Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung erbschaftsteuerrechtlich nicht anders behandelt werden sollen als die Bezüge, die Hinterbliebene kraft Gesetzes erhalten, wie insbesondere die Bezüge, die den Hinterbliebenen von gesetzlich rentenversicherten Arbeitnehmern und von Beamten, Berufssoldaten und Richtern zustehen und bereits dem Wortlaut nach nicht dem § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] unterfallen. Der (möglicherweise) zu weite Wortlaut der [X.]orschrift ist ggf. entsprechend einzuschränken (teleologische Reduktion). Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ist mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar (Beschlüsse des [X.] vom 9. November 1988  1 [X.], B[X.]erfGE 79, 106, [X.] 1989, 938, und vom 5. Mai 1994  2 BvR 397/90, [X.] 1994, 547).

bb) Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] kann nicht auf einen Anspruch aus einer Direktversicherung erstreckt werden, wenn der Bezugsberechtigte die in §§ 46 bis 48 SGB [X.]I bestimmten persönlichen [X.]oraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des verstorbenen Arbeitnehmers nicht erfüllt. In einem solchen Fall ist es unter Berücksichtigung der Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht gerechtfertigt, den Anspruch aus der Direktversicherung aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] auszunehmen. [X.]ielmehr ist es in diesem Fall geboten, den Anspruch nicht anders zu behandeln als den Anspruch aus einer vom Arbeitnehmer selbst abgeschlossenen Lebensversicherung. [X.]on einem berechtigten, die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ausschließenden Interesse des Erblassers an der [X.]ersorgung des Bezugsberechtigten kann in diesem Fall nämlich aufgrund der typisierenden Betrachtungsweise, die der Abgrenzung der zum Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung berechtigten Hinterbliebenen gemäß §§ 46 bis 48 SGB [X.]I zugrunde liegt, nicht ausgegangen werden.

c) Da das [X.] eine andere Ansicht vertreten hat, war die [X.]orentscheidung aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig. Der vom Kläger mit dem Tod des L erworbene Anspruch gegen [X.] auf die vereinbarte [X.]ersicherungssumme unterliegt der Erbschaftsteuer. Der Anspruch war aufgrund des Einverständnisses des L mit dem Abschluss der Direktversicherung durch seinen Arbeitgeber auf den Arbeitsvertrag des L zurückzuführen. Der Kläger erfüllt als bloßer Lebensgefährte des L nicht die in §§ 46 bis 48 SGB [X.]I bestimmten persönlichen [X.]oraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des L.

Meta

II R 55/12

18.12.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 31. Oktober 2012, Az: 3 K 24/12, Urteil

§ 3 Abs 1 Nr 4 ErbStG 1997, § 46 SGB 6, §§ 46ff SGB 6, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.12.2013, Az. II R 55/12 (REWIS RS 2013, 169)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 169

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II R 29/11 (Bundesfinanzhof)

Teilweise Rückzahlung des von einem Ehegatten gezahlten Einmalbeitrags für eine vom anderen Ehegatten abgeschlossene Rentenversicherung …


II R 4/14 (Bundesfinanzhof)

Abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen wegen des Ausfalls von Rentenzahlungen


II R 51/14 (Bundesfinanzhof)

Berücksichtigung einer in den USA gezahlten Quellensteuer auf Versicherungsleistungen bei der Erbschaftsteuer


II R 34/09 (Bundesfinanzhof)

Zur Erbschaftsteuerpflicht der Abfindung an einen weichenden Erbprätendenten


4 K 498/17 (FG Nürnberg)

Besteuerung einer depotgebundenen Lebensversicherung im Rahmen der Erbschaftsteuer


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.