Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.09.2013, Az. II R 29/11

2. Senat | REWIS RS 2013, 2691

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Gegenstand

Teilweise Rückzahlung des von einem Ehegatten gezahlten Einmalbeitrags für eine vom anderen Ehegatten abgeschlossene Rentenversicherung nach dessen Tod nicht erbschaftsteuerbar


Leitsatz

Erhält ein Ehegatte vereinbarungsgemäß einen Teil des Einmalbeitrags, den er für eine vom anderen Ehegatten abgeschlossene Rentenversicherung gezahlt hatte, von dem Versicherungsunternehmen erstattet, weil der andere Ehegatte verstorben ist, bevor die geleisteten Rentenzahlungen die Höhe des Einmalbeitrags erreicht haben, unterliegt der Erstattungsbetrag nicht der Erbschaftsteuer.

Tatbestand

1

I. [X.] (E) des [X.] und Revisionsklägers (Kläger) schloss im Juli 2003 bei der ... Lebensversicherung ([X.]) einen [X.] gegen einen einmaligen Gesamtbeitrag von 150.000 € ab. Den [X.]eitrag entrichtete der Kläger. Die Rente sollte gezahlt werden, solange E lebt. Für den Fall, dass E verstirbt, bevor die gezahlte Rente den [X.]eitrag erreicht, wurde vereinbart, dass [X.] den Unterschiedsbetrag an den Kläger zurückzahlt.

2

E verstarb im Mai 2006. Sie wurde vom Kläger allein beerbt. Er erhielt zudem von [X.] den für die Rentenversicherung gezahlten [X.]eitrag abzüglich der gezahlten Renten erstattet, und zwar einen [X.]etrag von 126.148 €.

3

Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer diesen [X.]etrag als Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 des [X.] ([X.]). Das [X.] berechnete die Steuer im [X.]escheid vom 11. April 2007 wie folgt:

4
        

Erwerb durch Erbanfall

665.006 €

Anspruch auf Prämienrückzahlung

126.148 €

Wert des Erwerbs

791.154 €

abzüglich Freibeträge nach § 16 Abs. 1 und § 17 [X.] von insgesamt

 563.000 €

steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet)

228.100 €

Erbschaftsteuer nach einem Steuersatz von 11 %

25.091 €

5

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat in dem in [X.]Entscheidungsdienst 2012, 807 veröffentlichten Urteil die Ansicht, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] seien erfüllt. Der Kläger habe aufgrund des von [X.] mit E geschlossenen Versicherungsvertrags die vereinbarte Versicherungssumme von 126.148 € erhalten. Dass der Kläger den [X.]eitrag für die Versicherung gezahlt habe, sei unerheblich. § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] setze keine Entreicherung des Erblassers voraus. Die [X.]ezugsberechtigung des [X.] sei auch nicht unwiderruflich gewesen. § 13 Abs. 1 Nr. 10 [X.] sei nicht anwendbar.

6

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.]. Die Zahlung der [X.] an ihn stelle einen nicht steuerbaren Vermögensrückfall dar. Ob seine [X.]ezugsberechtigung aus dem Vertrag unwiderruflich gewesen sei, sei unerheblich.

7

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Erbschaftsteuer unter Änderung des [X.] vom 11. April 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2008 auf 11.220 € festzusetzen.

8

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die [X.]evision ist begründet. Der Anspruch des [X.] auf [X.]ückzahlung des von ihm entrichteten [X.]eitrags abzüglich der von [X.] gezahlten [X.]enten unterliegt nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] der [X.]rbschaftsteuer. Da das [X.] dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] gilt als [X.]rwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom [X.]rblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tod von einem [X.] unmittelbar erworben wird. [X.]in Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 331 Abs. 1 des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs, bei dem die Leistung an den [X.] nach dem Tod desjenigen erfolgen soll, welchem sie versprochen worden ist, führt beim Tod des [X.] regelmäßig zu einem derartigen [X.]rwerb von Todes wegen. Allerdings setzt die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] bei einem Vertrag zugunsten Dritter voraus, dass die Zuwendung an den [X.] im Verhältnis zum [X.]rblasser ([X.]) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist. [X.]ei dem nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] steuerpflichtigen [X.]rwerb durch Vertrag zugunsten Dritter handelt es sich vom Typus her um eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.], die nur deshalb den [X.]rwerben von Todes wegen zugerechnet wird, weil die die Steuerpflicht auslösende [X.]ereicherung des [X.] erst beim Tod des [X.]rblassers als Zuwendenden eintritt. Daher verlangt auch der [X.]rwerb i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] eine objektive [X.]ereicherung des [X.]. Außerdem muss das [X.]ewusstsein der Freigebigkeit vorhanden sein (Urteile des [X.]undesfinanzhofs --[X.]FH-- vom 24. Oktober 2001 II [X.] 10/00, [X.]FH[X.] 197, 265, [X.]St[X.]l II 2002, 153, und vom 17. Oktober 2007 II [X.] 8/07, [X.]FH/NV 2008, 572).

Da eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.] eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des [X.]edachten voraussetzt ([X.]FH-Urteil vom 30. Januar 2013 II [X.] 38/11, [X.]FH[X.] 240, 287) und ein Vertrag zugunsten Dritter nur dann nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] steuerbar ist, wenn die Zuwendung an den [X.] im Verhältnis zum [X.]rblasser ([X.]) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist, muss es in den Fällen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] entgegen der Ansicht des [X.] ebenfalls zu einer Vermögensminderung auf der Seite des [X.]rblassers kommen. Der [X.]FH hat demgemäß bereits im Urteil vom 13. Mai 1998 II [X.] 60/95 ([X.]FH/NV 1998, 1485) ausgeführt, dass § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] eine [X.]ereicherung des [X.]egünstigten voraussetzt, die aus dem Vermögen des [X.]rblassers herrührt.

Für die [X.]eurteilung, ob die Zuwendung an den [X.] im Verhältnis zum [X.]rblasser alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist, kommt es nicht auf das Deckungsverhältnis zwischen dem Versprechenden (hier: [X.]) und dem [X.] (hier: [X.]), sondern auf das [X.] zwischen dem [X.] und dem [X.] (hier: Kläger) an ([X.]FH-Urteil in [X.]FH/NV 2008, 572).

2. Der von [X.] mit [X.] vereinbarte Anspruch des [X.] auf [X.]ückzahlung des von ihm entrichteten [X.]eitrags abzüglich der gezahlten [X.]enten erfüllt nicht diese Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.]. [X.]s fehlt hinsichtlich des durch den (vorzeitigen) Tod der [X.] aufschiebend bedingten [X.]ückzahlungsanspruchs an der erforderlichen Vermögensverschiebung zwischen [X.] und dem Kläger. Nicht [X.], sondern der Kläger hatte den Versicherungsbeitrag gezahlt. Dies ist nach Ansicht des erkennenden Senats entscheidend.

Der Senat teilt somit für die vorliegende Fallgestaltung die aktuelle Auffassung der Finanzverwaltung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Leistungen aus einer Lebensversicherung beim [X.]rwerb durch einen [X.]ezugsberechtigten der [X.]esteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] unterliegen. Dies ist nach [X.] [X.] 3.7 Abs. 2 Satz 1 der [X.]rbschaftsteuer-[X.]ichtlinien ([X.]rbSt[X.]) 2011 der Fall, wenn im [X.] zwischen dem [X.] (Versicherungsnehmer und [X.]rblasser) und dem [X.]egünstigten eine freigebige Zuwendung vorliegt. Hat ein [X.]ezugsberechtigter eines Lebensversicherungsvertrags die Prämien ganz oder teilweise gezahlt, ist die Versicherungsleistung gemäß [X.] [X.] 3.7 Abs. 2 Satz 2 [X.]rbSt[X.] 2011 nach dem Verhältnis der vom Versicherungsnehmer/[X.]rblasser gezahlten Versicherungsbeiträge zu den insgesamt gezahlten Versicherungsbeiträgen aufzuteilen; nur dieser Teil unterliegt der [X.]rbschaftsteuer. Diese Grundsätze gelten nach [X.] [X.] 3.7 Abs. 2 Satz 4 [X.]rbSt[X.] 2011 auch, wenn ein Anspruch aus einer noch nicht fälligen Lebensversicherung übertragen wird, bei der der [X.]rwerber die Versicherungsbeiträge bisher ganz oder teilweise gezahlt hat.

[X.]ine [X.] [X.] 3.7 Abs. 2 [X.]rbSt[X.] 2011 entsprechende [X.]egelung hatten bereits die im [X.]invernehmen mit dem [X.]undesministerium der Finanzen ergangenen gleich lautenden [X.]rlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23. Februar 2010 ([X.]St[X.]l I 2010, 194) getroffen, und zwar mit Wirkung für alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle. Diese [X.]rlasse beruhten auf den [X.]echtsgrundsätzen, die im [X.]FH-Urteil vom 1. Juli 2008 II [X.] 38/07 ([X.]FH[X.] 220, 531, [X.]St[X.]l II 2008, 876) im Hinblick auf die [X.]ereicherung des Nacherben entwickelt wurden. Danach schließt § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] beim Nacherben die steuerliche [X.]rfassung von Vermögenswerten aus, die er selbst durch [X.]aumaßnahmen auf einem nachlasszugehörigen Grundstück zu Lebzeiten des Vorerben in [X.]rwartung der Nacherbfolge geschaffen hat.

Die Finanzverwaltung hat somit die von ihr früher in [X.] 10 Abs. 2 Satz 2 [X.]rbSt[X.] 2003 vertretene Auffassung aufgegeben, nach der die Steuerpflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] grundsätzlich nicht dadurch entfällt, dass der [X.]ezugsberechtigte die Prämien ganz oder teilweise anstelle des Versicherungsnehmers gezahlt hat. Anders als in [X.] 10 Abs. 2 Satz 4 [X.]rbSt[X.] 2003 vorgesehen macht die Finanzverwaltung die Unanwendbarkeit des § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] bei dem [X.]rwerb eines Anspruchs aus einer Lebensversicherung nicht mehr davon abhängig, dass der Prämienzahler von vornherein sowohl für den [X.]rlebens- als auch für den Todesfall unwiderruflich bezugsberechtigt ist. Vielmehr kommt es nach der --zutreffenden-- Ansicht der Finanzverwaltung lediglich darauf an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die versicherte Person oder der [X.]ezugsberechtigte die Versicherungsbeiträge gezahlt hat (ebenso Urteile des [X.] München vom 26. Juli 2006  4 K 4359/03, [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte --[X.][X.]-- 2006, 1921; des [X.] Nürnberg vom 9. Februar 1967 II 308/65, [X.][X.] 1967, 354, und des [X.] [X.]heinland-Pfalz vom 16. Dezember 1993  4 K 1130/93, [X.][X.] 1994, 665; [X.] in [X.]/Jüptner/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 3 [X.]z 520; [X.] in [X.][X.], § 3 [X.] [X.]z 163; [X.] in [X.]/[X.]beling, § 3 [X.] [X.]z 269.1; [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.], § 3 [X.]z 293; a.A. Urteile des Hessischen [X.] vom 11. April 1989 X 182-183/82 u.a., [X.][X.] 1989, 518, und des Niedersächsischen [X.] vom 24. Februar 1999 III 334/94, [X.][X.] 1999, 1141, sowie vom 16. November 2005  3 K 47/04, [X.][X.] 2006, 910).

[X.]s kann demnach auf sich beruhen, ob [X.] im Innenverhältnis zum Kläger berechtigt sein sollte, über den [X.]ückzahlungsanspruch frei zu verfügen und ihn statt dem Kläger einem beliebigen [X.] zuzuwenden. [X.]ei der vorliegenden Fallgestaltung kann nichts anderes gelten als bei einer Lebensversicherung, bei der es nicht auf die unwiderrufliche [X.]ezugsberechtigung des [X.]ezugsberechtigten ankommt, sondern lediglich darauf, dass der [X.]ezugsberechtigte die Prämien für den Versicherungsnehmer gezahlt hat.

3. Die [X.]rbschaftsteuer errechnet sich danach wie folgt:

        

[X.]rwerb durch [X.]rbanfall

665.006 €

Wert des [X.]rwerbs

665.006 €

abzüglich Freibeträge nach § 16 Abs. 1 und § 17 [X.] von insgesamt

 563.000 €

steuerpflichtiger [X.]rwerb (abgerundet)

102.000 €

[X.]rbschaftsteuer nach einem Steuersatz von 11 %

11.220 €

Meta

II R 29/11

18.09.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 23. März 2011, Az: 4 K 2354/08 Erb, Urteil

§ 3 Abs 1 Nr 4 ErbStG 1997, § 7 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, R E3.7 Abs 2 S 2 ErbStR 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.09.2013, Az. II R 29/11 (REWIS RS 2013, 2691)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2691

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