Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.07.2017, Az. III ZB 76/16

III. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 7284

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:270717BIIIZB76.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 76/16
vom

27. Juli 2017

in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat am 27. Juli
2017
durch [X.]
[X.], [X.], [X.] und [X.] sowie die Richterin Pohl

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des [X.]
gegen den
Beschluss des 4.
Zivilsenats des [X.] vom 18. Oktober 2016 -
4 U 1695/16 -
wird auf seine Kosten als unzulässig verwor-fen.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis 3.000

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung geltend. Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom 13.
Juli 2016, welches den
vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des [X.] am 14.
Juli 2016 zugestellt worden ist, abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger mit
am Dienstag, den 16.
August 2016
bei dem [X.] eingegangenem
Schriftsatz
Berufung eingelegt. Am Gerichtsort [X.] ist Montag, der 15.
August 2016 ([X.]) kein
Feiertag, wohl aber am Kanzleisitz der
Prozessbevollmächtigten des [X.] in A.

.
1
-

3

-

Das Oberlandesgericht
hat den Kläger mit
am 24.
August 2016 bei seinen Prozessbevollmächtigten eingegangenem
Schreiben darüber
informiert, dass die Berufungsfrist nicht eingehalten worden sei. Mit Schriftsatz vom 30.
August 2016 -
am selben Tag bei Gericht eingegangen -
hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er
-
unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen
-
vorgetragen, die Versäumung der Frist beruhe auf einem Versehen der berufserfahrenen und zuverlässigen Rechtsfachwirtin
und Bürovorsteherin O.

. Montag, der 15.
August 2016 sei auf dem Wandkalender, anhand dessen die Frist
berechnet worden sei, als Feiertag grün gekennzeichnet gewesen. Aufgrund der Fehleinschätzung, dass es sich um einen bayernweit geltenden gesetzlichen Feiertag handele, habe sie das Fristende auf den 16.
August 2016 berechnet. Da die Berufungseinlegung im
Falle der Kostenübernahme durch den [X.] bereits abgesprochen gewesen sei, sei die Rechtsfachwirtin angewiesen worden, eigenverantwortlich eine Kostenübernahme durch den [X.] einzuholen. Nach Eingang der Deckungszusage habe sie die Berufungsschrift im Entwurf vorbereitet und diese erst am 16.
August 2016 der Vertreterin der sachbearbeitenden Rechtsanwältin zur Unterschrift vorgelegt.

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hierge-gen richtet
sich die Rechtsbeschwerde des [X.].
2
3
-

4

-

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbe-schwerde ist unzulässig. Der
Kläger hat weder Gründe aufgezeigt, aus denen sich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben könnte, noch erfolgreich dargetan, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdege-richts erfordert

574 Abs. 2 ZPO).

1.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, es könne dahin-stehen, ob die Prozessbevollmächtigten des [X.] die Berechnung der Beru-fungsfrist der Rechtsfachwirtin O.

hätten überlassen dürfen, da sich der Sachverhalt wegen des nicht bayernweit geltenden [X.] nicht als einfach zu beurteilen dargestellt habe. Jedenfalls falle ihnen deshalb ein eigenes [X.] zur Last, weil sie ihren Angestellten für die Fristberechnung einen Wandkalender zur Verfügung gestellt hätten, der die erforderliche Unterschei-dung, dass [X.] nicht in ganz [X.] Feiertag sei,
nicht treffe. Darüber hinaus liege anwaltliches Verschulden auch darin, dass der Anwalt, der seiner Angestellten die Einholung der Deckungszusage der [X.] eigenverantwortlich übertragen habe, keine Vorsorge dafür getroffen habe, dass ihm die Akten erneut vorgelegt würden. Zwar sei die Notierung einer Vorfrist für die Frist zur Berufungseinlegung nicht zwingend erforderlich. Etwas anderes gelte aber, wenn von der Angestellten noch weitere Maßnahmen zu treffen seien. Dies sei hier der Fall gewesen, da gegebenenfalls noch eine Rücksprache mit der Rechtschutzversicherung erforderlich gewesen sei. Wäre eine Vorfrist notiert worden, wäre die Akte dem zuständigen Rechtsanwalt spä-4
5
-

5

-

testens am 11.
August 2016 vorgelegt worden; die fehlerhafte Berechnung der Frist hätte rechtzeitig überprüft werden können und müssen.

2.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der [X.] Beschluss weder den Justizgewährungsanspruch
des
KIägers
aus Art. 2 Abs.
1
GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip noch sein
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.

a) Insbesondere ist die Würdigung des
Berufungsgerichts nicht zu bean-standen,
ein dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes eigenes Verschulden seiner
Prozessbevollmächtigten
liege darin, dass sie ihren
Ange-stellten zur
Berechnung von Fristen einen hierfür nicht geeigneten Wandkalen-der zur Verfügung stellten.

aa) Dabei ist der erstmals
mit der Rechtsbeschwerde
vorgebrachte Um-stand
nicht zu berücksichtigen, dass
entgegen der Feststellung des Berufungs-gerichts der zur [X.] verwendete Wandkalender einen Vermerk hinsichtlich der uneinheitlichen Geltung des 15. August als Feiertag enthalten
habe.
Neben dem grün gedruckten
Datum habe sich der Zusatz "Mariä
Himmelf.*)"
befunden. Als Erläuterung
des "*)"
sei am Ende der Kalenderüber-sicht auf
der rechten Seite ausgeführt: "*) Feiertag im [X.] und teilweise in [X.]".

6
7
8
-

6

-

Nach § 234 Abs. 1
Satz 1, § 236 Abs. 2
Satz 1
ZPO hat ein Beschwerde-führer alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen [X.] vorzutragen. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Anga-ben, deren Aufklärung nach §
139 BGB geboten gewesen wäre, dürfen noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (Senatsbeschlüsse vom 24. Juni 2010 -
III ZB 63/09, juris Rn. 14 und vom 20. Dezember 2012 -
III
ZB 47/12, juris Rn. 9; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 6. Mai 1999 -
VII ZB 6/99, NJW 1999, 2284; vom 4. März 2004 -
IX ZB 71/03, BeckRS 2004, 06830 und vom 10. Mai 2006 -
XII [X.], [X.], 2269 Rn. 10). Jedenfalls nachdem der gegnerische Prozessbevollmächtigte darauf hingewiesen hatte, bei [X.] der berufsständischen Fristenkalender hätte der [X.] bei Eintragung der Frist der dort typischerweise befindliche Hinweis auf die nicht einheitliche Geltung des [X.] auffallen müssen, und das Berufungs-gericht die Prozessbevollmächtigten des [X.] zur ergänzenden Stellung-nahme aufgefordert hatte, hätten diese zu der genauen Gestaltung des Wand-kalenders vortragen können und müssen. Eines weiteren Hinweises durch das Berufungsgericht bedurfte es nicht.

Ohne Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags ist der Entscheidung die Feststellung des Berufungsgerichts zugrunde zu legen, dass der in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigen des [X.] zur Berechnung von Fristen verwendete Kalender keinen Hinweis auf die nur teilweise Geltung von
[X.] in [X.] enthielt. Ein solcher
Kalender ist zur Berechnung von Fristen ungeeignet, so dass es ein
anwaltliches Organisationsverschulden dar-stellt, ihn für diesen Zweck verwenden zu lassen.

9
10
-

7

-

bb) Ungeachtet dessen würde
selbst bei Berücksichtigung
des neuen Vortrags in der
Beschwerdebegründung dieser
Vorwurf nicht entfallen, denn der vorgetragene und mit der Vorlage des Kalenderblatts in Originalgröße und
-farbe
belegte Verweis
auf die nur für Teile
[X.]s geltende [X.] für [X.]
ist nicht hinreichend deutlich, um nicht übersehen zu werden. Der Hinweis besteht aus einem winzigen, im Durchmesser maximal einen halben Millimeter großen Sternchen
mit einer entsprechend kleinen Klammer
an der senkrecht
zur Leserichtung neben der Zahl 15 angebrachten abgekürzten, in etwa zwei Millimeter großen Buchstaben
gehaltenen [X.] des Feiertags. Das Sternchen verweist auf den unten auf dem Kalender-blatt, ebenfalls nur in etwa zwei Millimeter
Schriftgröße
gehaltenen Vermerk zur nicht bayernweiten Geltung des Feiertags. Es liegt auf der Hand, dass ein solch
unauffälliger Hinweis -
insbesondere auf
einem Wandkalender, der üblicher-weise aus einer
größeren
Leseentfernung als ein Tischkalender betrachtet zu werden pflegt
-
leicht
zu übersehen
ist, woraus sich das auch in diesem Fall verwirklichte erhebliche Risiko ergibt, dass bei der Fristberechnung eine Orien-tierung allein anhand der farblichen Hervorhebung des [X.] als Feiertag er-folgt.

11
-

8

-

b) Auf die Frage, ob das
Berufungsgericht ein eigenes Verschulden der
Prozessbevollmächtigten des [X.] zu Recht auch daraus gefolgert
hat, dass keine
Vorfrist zur Aktenvorlage an die sachbearbeitende Rechtsanwältin notiert wurde, kommt es hiernach nicht mehr an.

[X.]
[X.]
Remmert

[X.]
Pohl

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.07.2016 -
14 O 314/16 -

OLG [X.], Entscheidung vom 18.10.2016 -
4 U 1695/16 -

12

Meta

III ZB 76/16

27.07.2017

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.07.2017, Az. III ZB 76/16 (REWIS RS 2017, 7284)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7284

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III ZB 76/16 (Bundesgerichtshof)

Rechtsanwaltsverschulden bei Versäumung der Berufungsfrist: Verwendung eines Wandkalenders ohne Unterscheidung der in Bayern nicht allgemein …


8 K 1075/19 (FG Nürnberg)

Klagefrist


VII ZB 60/14 (Bundesgerichtshof)


II ZB 3/11 (Bundesgerichtshof)


VII ZB 60/14 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist: Sorgfaltspflichten des sozietätsverbundenen Rechtsanwalts hinsichtlich der Fristennotierung bei anstehendem Jahresurlaub


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III ZB 76/16

14 O 314/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.