Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2012, Az. II ZB 3/11

II. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9893

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 3/11
vom
24. Januar 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 D
Bei der Beurteilung, ob ein Fehler für die Versäumung einer Frist ursächlich gewor-den ist, darf kein weiteres, nicht aufgetretenes Fehlverhalten hinzugedacht werden, sondern es ist von einem ansonsten pflichtgemäßen Verhalten auszugehen.

[X.], Beschluss vom 24. Januar 2012 -
II ZB 3/11 -
OLG Nürnberg

LG Amberg

-
2
-

Der II. Zivilsenat des [X.] hat am 24. Januar 2012
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, [X.] Strohn, die Richterin [X.] sowie die Richter Dr.
Drescher und Born

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 14. Februar
2011 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
[X.]: 8.000

Gründe:

I.
Der beklagte Verein begehrt Wiedereinsetzung in die Berufungsbe-gründungsfrist. Mit [X.] vom 11.
Oktober 2010 hat der Pro-zessbevollmächtigte des Beklagten bestätigt, das Urteil des [X.] vom 4.
Oktober 2010 erhalten zu haben. Mit Telefax vom 3.
November 2010 hat er gegen die Entscheidung Berufung eingelegt. Am 14.
Dezember 2010, einem Dienstag, hat der Beklagte beantragt, ihm Wiedereinsetzung in die Berufungs-begründungsfrist zu gewähren,
und die Berufung begründet.
Zur Begründung seines [X.] hat er zunächst vor-getragen: Üblicherweise notiere eine
in der Kanzlei seines [X.] tätige Rechtsfachwirtin bei [X.] sofort sowohl die Berufungsfristen als auch die Berufungsbegründungsfristen. Sie habe in dieser Sache
zwar die Berufungsfrist für den 11. November 2010 im Fristenka-lender notiert, es aber unterlassen, die Berufungsbegründungsfrist unter dem
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13. Dezember 2010 einzutragen. Es könne nicht mehr nachvollzogen werden, aus welchen Gründen die Berufungsbegründungsfrist nicht notiert worden sei.
Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2011 hat der Beklagte
weiter
angeführt:
Bei Einlegung der Berufung am 3. November 2010 sei nicht überprüft worden, ob
die
Berufungsbegründungsfrist
ordnungsgemäß oder
überhaupt im [X.] eingetragen worden sei. Auf der Ausfertigung des
Urteils des Landge-richts, die seinem Prozessbevollmächtigten vorgelegt
worden sei,
habe sich auf einem Post-it-Zettel

eine Notiz der Rechtsfachwirtin befunden, dass
die dort richtig vermerkten Fristen, die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungs-frist,
eingetragen seien. Am 30. November 2010 habe sein [X.]r angeordnet, ein Anschreiben des Berufungsgerichts mit einem
Schriftsatz
eines der beiden
gegnerischen Prozessbevollmächtigten an ihn, den Beklagten, weiterzuleiten. Hierbei habe sein
Prozessbevollmächtigter verfügt, ihm die Akte spätestens nach Ablauf von zwei Wochen wieder vorzulegen; dies sei
am 14.
Dezember 2010 geschehen.
Als er am 1.
Dezember 2010 ein weiteres Schreiben des Berufungsgerichts vom 26.
November 2010 mit einem gegneri-schen
Schriftsatz weitergeleitet habe, habe sein Prozessbevollmächtigter keine neue [X.] verfügt.
Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinset-zung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechts-beschwerde des Beklagten.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf 3
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noch erfordert sie eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts
zur Fort-bildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
1.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Beklagte habe bereits nicht vorgetragen, dass hinsichtlich der Berufungsbe-gründungsfrist eine Vorfrist nach allgemeiner Büroanweisung habe notiert wer-den sollen. Auch ergebe sich weder aus der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten noch aus der
vorgelegten [X.], dass eine Vorfrist eingetragen worden sei oder
nach Anweisung habe eingetragen werden sollen. Das Fehlen einer Vorfrist sei auch ursächlich für die Versäu-mung der Berufungsbegründungsfrist. Außerdem
hätte der [X.] des Beklagten bei Anordnung einer [X.] von zwei
Wochen am 30. November 2010 und am
1. Dezember 2010 erneut selbständig prüfen müssen, wann die Berufungsbegründungsfrist ablaufe. Denn bei den beiden Schriftsätzen, die am 30. November 2010 und
am 1. Dezember 2010 vorgelegt worden seien, habe es sich jeweils um die Anträge der beiden Kläger gehan-delt, die Berufung zurückzuweisen. In diesem Zusammenhang hätte daher bei Anordnung der [X.] vom Prozessbevollmächtigten nachvollzogen werden müssen, ob die von ihm angeordnete [X.] der laufenden Berufungsbegründungsfrist ausreichend Rechnung trage. Dies sei nicht der Fall gewesen. Die Berufungsbegründungsfrist habe knapp zwei Wochen später ge-endet. Falls eine [X.] angesichts dieses Umstands überhaupt sachgerecht gewesen sei, hätte diese entwedem-tes Datum lauten müssen, damit die Berufungsbegründung rechtzeitig hätte erstellt werden können. Auch dieses Versäumnis sei ursächlich für die Versäu-mung der Begründungsfrist.

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2.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung
stand.
Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung zu Recht versagt, weil bereits nach dem [X.] ein dem Beklagten nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumnis nicht auszuschließen ist. Der Beklagte hat zum einen nicht dargetan, dass
im Büro seines Prozessbevollmächtigten eine den Anforderun-gen an eine ordnungsgemäße Organisation des [X.] genügende Fristenkontrolle vorhanden ist.
Aus seinem Vorbringen ergibt sich zum anderen ein
für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächlicher
individuel-ler Fehler seines Prozessbevollmächtigten.
a)
Der Beklagte hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass im Büro seines Prozessbevollmächtigten die allgemeine Anweisung besteht, für die Rechtsmittelbegründung eine Vorfrist zu notieren. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] erforderlich.
aa)
Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in [X.] verlangt zu-verlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen ([X.], Beschluss vom 8.
Februar 2010

II
ZB
10/09, [X.], 533 Rn.
7; Beschluss vom 22. März 2011

II
ZB
19/09, NJW 2011, 1598 Rn.
12,
beide m.w.N.). Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist ist deswegen

im Gegensatz zur Berufungsfrist

nicht nur durch die Eintragung der Hauptfrist, sondern zusätzlich durch eine ausreichende [X.] ([X.], Beschluss vom 15.
August 2007

XII
ZB
82/07, NJW-RR 2008, 76 Rn.
14 m.w.N.).
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6
-

Der Beklagte hat
innerhalb der [X.] (§
234 Abs.
1, §
236 Abs.
2 Satz
1 ZPO)

und auch
danach

nicht
vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter die in seinem Büro für das Fristenwesen verantwortli-chen Mitarbeiter angewiesen hat, bei [X.] außer dem Datum des Ablaufs
der Begründungsfrist
eine Vorfrist zu notieren. Er hat ledig-lich angegeben, es könne nicht nachvollzogen werden, warum eine Berufungs-begründungsfrist ebenso wenig notiert worden sei wie eine Vorfrist.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch aus den vorgelegten Unterlagen
nicht, dass im Büro des Prozessbevollmächtigten des Beklagten die allgemeine Anweisung bestand, für Rechtsmittelbegründun-gen auch eine Vorfrist zu notieren.
Die eidesstattliche Versicherung der Rechts-fachwirtin enthält keinen Hinweis auf die allgemeine Weisung,
[X.] zu no-tieren. Sie verhält sich nur zur Berufungsfrist und zur Berufungsbegründungs-frist. Auf dem an der Ausfertigung des
landgerichtlichen Urteils
angebrachten Klebezettel sind auch nur diese beiden Fristen vermerkt. Die vorgelegten Foto-kopien aus dem [X.] lassen zwar erkennen, dass in der Spalte Vor-fristen

Eintragungen
vorgenommen wurden. Diesen
Eintragungen
lässt sich aber bereits nicht entnehmen, dass es sich hierbei um [X.] zugeordnete [X.] handelt.
Aus etwaigen vereinzelten Einträgen
könnte im Übrigen auch nicht auf eine allgemeine Anweisung geschlossen wer-den, [X.] zu Berufungsbegründungsfristen einzutragen.
Es bestand für das Berufungsgericht auch keine Pflicht, den anwaltlich vertretenen
Beklagten auf die nicht ausreichende Begründung
seines Wieder-einsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Tra-gen die
zur Begründung des [X.] gemachten Angaben
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diesen Anforderungen
nicht Rechnung, gibt dies keinen Hinweis auf [X.] oder Lücken
des Vortrags, die aufzuklären oder
zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben (ebenso [X.],
Beschluss
vom 23.
Oktober
2003

V
ZB
28/03, [X.], 367, 369).

bb)
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war die
mangelhaf-te Organisation des [X.] für die Fristversäumung
ursächlich. Wäre die Vorfrist
im [X.] eingetragen worden, so hätte der Prozessbe-vollmächtigte des Beklagten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei an-sonsten pflichtgemäßem Verhalten die Berufungsbegründungsfrist gewahrt. Die Eintragung der Vorfrist bietet eine zusätzliche Fristensicherung. Sie kann die Fristwahrung in der Regel selbst dann gewährleisten, wenn, wie hier, die Ein-tragung der Berufungsbegründungsfrist versehentlich unterblieben ist (vgl. zur Kausalität [X.], Beschluss vom 13.
Juli 2010

VI
ZB
1/10, NJW 2011, 151 Rn.
9 und 12;
Beschluss vom 22.
März 2011

II
ZB
19/09, NJW 2011, 1598 Rn.
14).
Es
kann auch nicht

wie die Rechtsbeschwerde
aber meint

unterstellt werden, dass die Kanzleiangestellte des Prozessbevollmächtigten des [X.] bei bestehender Anweisung auch vergessen hätte, eine Vorfrist einzutra-gen. Für die Beurteilung, ob ein Organisationsfehler für die Versäumung der Frist ursächlich geworden ist, ist von einem
ansonsten pflichtgemäßen
Verhal-ten auszugehen
und darf kein weiterer Fehler hinzugedacht werden. Aus der von der Rechtsbeschwerde angeführten Entscheidung des [X.] vom 25. Juni 1997 ([X.], NJW-RR 1997, 1289) ergibt sich nichts [X.]. Im dort entschiedenen Fall hatte
die Kanzleiangestellte nicht nur verges-sen,
eine Vorfrist zu notieren, sondern
sie hatte
überhaupt keine Frist notiert und weitere zur Fristkontrolle angeordnete Schritte unterlassen. Dies ist mit 13
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dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen, bei dem mehrere Fristen (Beru-fungsfrist, Vorfrist und Berufungsbegründungsfrist) gleichzeitig zu vermerken gewesen wären und aus Unachtsamkeit die Notierung einer Frist unterblieben ist.
b)
Unabhängig davon muss sich der Beklagte einen weiteren, [X.] Fehler seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen.
Der Prozessbe-vollmächtigte des Beklagten
hat die an einen Anwalt zu stellende Sorgfalts-pflicht bei der Beachtung von Fristen verletzt, als er am 30. November 2010 die Wiedervorlage der Akten in zwei Wochen und damit nach Ablauf der Beru-fungsbegründungsfrist verfügt hat.
Der Prozessbevollmächtigte des
Beklagten hat eine eigene
Ursache für die Fristversäumung gesetzt, indem er am 30. November 2010 eine Frist zur Wiedervorlage von spätestens zwei Wochen verfügt
hat. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte er prüfen und erkennen müssen, dass das verfügte Fristende nach Ablauf der auf der
Urteilsausfertigung
vermerkten Berufungsbe-gründungsfrist
am 13. Dezember 2010 lag,
und hätte eine entsprechend frühere Wiedervorlage anordnen müssen. Dieser
Fehler war jedenfalls mitursächlich für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Hätte der [X.] des Beklagten eine frühere Wiedervorlage verfügt, wäre ihm die Akte nach

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dem gewöhnlichen Lauf der Dinge

unabhängig von einem etwaigen weiteren Verschulden seiner Kanzleiangestellten bei der Notierung der Berufungsbe-gründungsfrist

rechtzeitig vorgelegt worden.

Bergmann

Strohn

Reichart

Drescher

Born
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.10.2010 -
22 O 632/10 -

OLG Nürnberg, Entscheidung vom 14.02.2011 -
2 U 2244/10 -

Meta

II ZB 3/11

24.01.2012

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2012, Az. II ZB 3/11 (REWIS RS 2012, 9893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9893

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZB 3/11

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