Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2015, Az. VII ZB 60/14

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 11516

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 60/14
vom

6. Mai 2015

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 Satz 1 B, [X.], § 85 Abs. 2
Ein Rechtsanwalt, der Mitglied einer aus mehreren Rechtsanwälten bestehenden Sozietät ist, ist
nicht verpflichtet, in Bezug auf die Berufungsbegründungsfrist eine von der üblichen Vorfrist unabhängige weitere Frist zu notieren, um die Bearbeitung der Sache durch ihn im Hinblick auf seinen anstehenden Jahresurlaub sicherzustel-len.
[X.], Beschluss vom
6. Mai 2015 -
VII ZB 60/14 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
6. Mai 2015
durch [X.]
Eick, die
Richter
Halfmeier und
Dr.
[X.] sowie
die Richt[X.]nen [X.] und Sacher
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der [X.] wird der Beschluss des 22.
Zivilsenats des [X.] vom 13.
Oktober 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Gegenstandswert: 15.921,43

Gründe:
I.
Der
Kläger
hat nach Beendigung des mit der Rechtsvorgäng[X.] der [X.] zu
1 geschlossenen Handelsvertretervertrags eine Stufenklage gegen die [X.] erhoben, um
nach Erteilung eines Buchauszuges noch offene Provisionsansprüche und einen Ausgleichsanspruch geltend zu machen. Die [X.] zu
2 und 3 waren persönlich haftende Gesellschafter der Rechtsvor-gäng[X.] der [X.] zu
1.

1
-
3
-
Das [X.] hat die [X.] als Gesamtschuldner mit Teilurteil vom 10.
März 2010 zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der [X.] ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben. Nach Erteilung des
Buchauszuges hat der Kläger die Zahlung rückständiger Provisionen
im Umfang von zuletzt 85.885,87

gefordert.
Mit [X.] vom 9. Mai 2014 hat das [X.] die [X.] als Gesamtschuldner unter
Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 15.921,43

12.
Mai 2014 zugestellte Urteil haben die [X.]
mit am 11.
Juni 2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 7.
Juli 2014 haben
die Prozessbevollmächtigten der [X.]
beantragt, die Frist für die Berufungsbegründung um einen Monat bis zum 14.
August 2014 zu verlängern. Mit Verfügung des
stellvertretenden Vorsitzenden vom 8.
Juli 2014
ist die Berufungsbegründungsfrist "auf insgesamt drei Monate"
verlängert wor-den
unter
Hinweis darauf, dass der Zeitpunkt der Zustellung des angegriffenen Urteils, die Zulässigkeit der Berufung, die Rechtzeitigkeit des Verlängerungsan-trags sowie die Zulässigkeit der Verlängerung nicht geprüft werden könnten, weil die Akten noch nicht vorlägen. Den Prozessbevollmächtigten der [X.] ist eine beglaubigte Abschrift dieser Verfügung zugeleitet worden. Nachdem eine Berufungsbegründung der [X.] nicht eingegangen war, sind die Pro-zessbevollmächtigten mit gerichtlichem Schreiben vom 19.
August 2014 dar-über in Kenntnis gesetzt worden, dass die Berufungsbegründungsfrist am 12.
August 2014 abgelaufen sei und das Gericht mangels fristgerechten [X.] der Berufungsbegründung beabsichtige, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Mit Schriftsatz vom 5.
September 2014, der am gleichen Tage bei [X.] eingegangen ist, haben die [X.] die Berufung begründet und bean-2
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4
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tragt, ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begrün-dung des Wiedereinsetzungsantrags haben sie
vorgetragen, dass sämtliche Post, gleich ob auf dem Postwege oder per Telefax übermittelt, der zuständigen Büroangestellten
ihrer Prozessbevollmächtigten, der Rechtsfachwirtin
[X.], [X.] werde. Diese sei allgemein angewiesen, sämtliche sich aus der Post er-gebenden
Fristen, gleich welcher Art, in einem eigens hierfür vorhandenen Fris-tenkalender zu notieren, der in Papierform und parallel hierzu auch auf elektro-nischem Wege geführt werde. Der Büroangestellten
[X.] sei die Verfügung des Berufungsgerichts vom 8.
Juli 2014
am 14.
Juli 2014 zur Fristennotierung vor-gelegt worden. Sie
habe die mit der gerichtlichen Verfügung genehmigte Ver-längerung der Frist "auf insgesamt drei Monate" sowohl in den
in Papierform gehaltenen
Fristenkalender als auch in den
elektronischen Kalender auf den 14./15.
September 2014 eingetragen. Dabei sei sie irrtümlich davon ausgegan-gen, dass der Fristlauf mit dem Ablauf der Berufungseinlegungsfrist beginne. Dem mit der Sachbearbeitung betrauten Rechtsanwalt
sei die Akte erst wieder am 25.
August 2014 mit Eingang des gerichtlichen Schreibens vom 19.
August 2014 vorgelegt worden, mit dem auf die Versäumung der Berufungsbegrün-dungsfrist hingewiesen worden sei.
Bei der Büroangestellten
[X.] handele es sich
um eine geschulte und zu-verlässige Bürokraft, die, wie regelmäßige Kontrollen ergeben hätten, den [X.] seit Mai 2014 sorgfältig und fehlerlos geführt habe. Bereits seit Januar 2013 habe sie
diesen vertretungsweise in [X.] sonstigen Verhinde-rungszeiten derjenigen Büroangestellten, der die Führung des Kalenders
zum damaligen Zeitpunkt
übertragen gewesen sei, in gleicher Weise sorgfältig und fehlerfrei geführt. Sie
habe im Jahr 2008 die Ausbildung zur [X.] und im Jahr 2011 die Ausbildung zur Rechtsfachwirtin erfolg-reich
abgeschlossen. Seit Beginn ihrer Ausbildung im September 2005 sei sie ununterbrochen in ihrem
Beruf
tätig gewesen.
Zur Glaubhaftmachung haben die 5
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5
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[X.]
eine eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten [X.] und
eine anwaltliche Versicherung des mit
der Bearbeitung der Sache befassten [X.] vorgelegt, die sich auf diejenigen Vorgänge beschränkt, die [X.] unmittelbaren Wahrnehmung unterliegen.
Das Berufungsgericht hat den Antrag der [X.] auf Wiedereinset-zung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungs-frist zurückgewiesen. Die Berufung der [X.] gegen das [X.] des [X.]s vom 9.
Mai 2014 hat es als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden sich die [X.] mit der Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde der [X.] führt zur Aufhebung des
angefoch-tenen Beschlusses
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt.
1. Die gemäß §
238 Abs.
2 Satz
1, §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerde-gerichts erfordert,
§
574 Abs.
2 Nr.
2 Alt.
2 ZPO. Das Berufungsgericht hat den [X.] mit fehlerhafter Begründung
die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verwehrt. Die darauf beruhende Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt die [X.] in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art.
103 Abs.
1 GG und auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. [X.], [X.] 2002, 1004; NJW 1989, 1147).
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-
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann den [X.] die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht versagt werden.
a) Die [X.] haben zwar die am 12.
August 2014 endende Beru-fungsbegründungsfrist versäumt. Entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts kann ein Verschulden der
Prozessbevollmächtigten der [X.], wel-ches die
[X.]
sich nach §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen müssten, nicht daraus abgeleitet werden, dass der mit der Sache befasste Rechtsanwalt
bei
Stellung eines Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
zugleich
eine besondere Vorfrist hätte notieren müssen, um sicherzustellen, dass ihm die Akte noch rechtzeitig vor Antritt seines Jahresurlaubs, der am 31.
Juli 2014 begann, zur Anfertigung einer Rechtsmittelbegründung vorgelegt werden würde,
weil er
in diesem Fall die fehlerhafte Eintragung des Fristendes
der Berufungsbegründungsfrist noch rechtzeitig hätte bemerken müssen. Die
Notierung einer solchen -
von der üblichen Vorfrist unabhängigen
-
weiteren
Frist zur Sicherstellung der Bearbeitung
der Sache
durch den mit der Sachbe-arbeitung betrauten Rechtsanwalt
ist nicht geboten, wenn es sich wie hier um eine Rechtsanwaltssozietät mit mehreren Mitgliedern handelt. Da der sachbe-arbeitende Rechtsanwalt
durch die anderen Sozietätsmitglieder vertreten wer-den
kann, ist in einem solchen
Fall die allgemeine Anweisung über die Eintra-gung einer üblichen Vorfrist
bei Eintragung des für die Berufungsbegründungs-frist
maßgeblichen Fristendes ausreichend.
Eine Verletzung dieser Pflicht steht indes nicht in Rede.
b) Die
Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
beruht vielmehr da-rauf, dass die mit der Fristenkontrolle betraute Büroangestellte [X.] das Fristende der Berufungsbegründungsfrist falsch
in den Fristenkalender eingetragen hat. Ob den
Prozessbevollmächtigten der
[X.]
insoweit ein
den [X.]
9
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7
-
gemäß §
85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden
trifft,
hat das Berufungsgericht nicht geprüft.
aa) Ein Rechtsanwalt kann die Berechnung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen und die Fristenkontrolle einer gut ausgebildeten, als zuverlässig
erprobten
und sorgfältig überwachten Büroangestellten in eigener Verantwortung übertragen, soweit nicht besondere Gründe gegen deren Zuver-lässigkeit sprechen
(st. Rspr.;
vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Januar
2011

VII
ZB
95/08, [X.], 1080 Rn. 9; Beschluss vom 5. Februar 2003

VIII
ZB 115/02, NJW 2003, 1815, 1816 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über die Wiedereinsetzung in den [X.] Stand gemäß §
236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft zu machen.
bb) Die [X.] haben zwar hinreichend dargelegt, dass es sich bei der Büroangestellten [X.] um eine gut ausgebildete und seit knapp zwei Jahren im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten tätigen Mitarbeit[X.] gehandelt hat, die sich in der Vergangenheit
bei entsprechenden Kontrollen
als zuverlässig erwie-sen und den Fristenkalender bislang fehlerfrei geführt hat. Dieses Vorbringen haben die [X.] jedoch durch die eidesstattliche Versicherung der Büroan-gestellten [X.] und die anwaltliche Versicherung des mit der Sachbearbeitung betrauten Rechtsanwalts [X.] nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der eides-stattlichen Versicherung der Büroangestellten [X.] lässt sich nicht entnehmen, dass sie in der Vergangenheit den Fristenkalender ohne Beanstandungen ge-führt hat. Hierzu hat die Büroangestellte [X.] keine Erklärung abgegeben. Die anwaltliche Versicherung des mit der Sache betrauten Rechtsanwalts [X.] bezieht sich lediglich auf Vorgänge, die seiner
eigenen
Wahrnehmung unterla-gen. Aufgrund seiner anwaltlichen Versicherung
ergibt sich jedoch nicht, dass sich die Büroangestellte [X.] auch in der Zusammenarbeit mit den übrigen [X.] der Sozietät in der Vergangenheit als zuverlässig
und sorgfältig arbei-12
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tend erwiesen hatte.
Gegen ihre Zuverlässigkeit könnte sprechen, dass sie
die Berechnung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist nach eigenem Be-kunden des Prozessbevollmächtigten der [X.] dergestalt vorgenommen hat, dass sie den Beginn der verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit dem Ablauf der Berufungseinlegungsfrist gleichgesetzt hat (Bl. 715 d.A.).
3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Da den [X.] nach § 236 Abs. 2 Satz 1
2. Halbs.
ZPO Gelegenheit zu geben sein kann,
die erforderliche Glaubhaftmachung der von ihnen behaupteten [X.] noch im Verfahren über die Wiedereinsetzung
zu ergänzen, kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden, § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO. Der an-gefochtene Beschluss ist vielmehr
aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Eick
Halfmeier
[X.]

[X.]

Sacher
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.05.2014 -
20 [X.]/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 13.10.2014 -
22 [X.] -

14

Meta

VII ZB 60/14

06.05.2015

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2015, Az. VII ZB 60/14 (REWIS RS 2015, 11516)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11516

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZB 60/14

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