Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2011, Az. 8 AZR 699/09

8. Senat | REWIS RS 2011, 9120

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Gegenstand

Betriebsübergang - fehlerhafte Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 26. August 2009 - 7 (12) [X.]/06 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz darüber, ob zwischen ihnen über den 1. November 2004 hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht und ob dem Kläger gegen die Beklagte Vergütungsansprüche für den Zeitraum 1. September 2005 bis 31. März 2006 zustehen.

2

Der Kläger war seit 1989 bei der [X.] im Geschäftsbereich [X.] ([X.]) beschäftigt.

3

Dieser Geschäftsbereich verzeichnete seit mehreren Jahren Umsatzrückgänge, welche die Beklagte zu Personalabbaumaßnahmen veranlassten.

4

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 informierte die Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs [X.] auf die [X.] In diesem Schreiben heißt es ua.:

        

„...   

        

die [X.] plant, den Geschäftsbereich [X.] ([X.]) mit Wirkung zum 1. November 2004 auf die [X.] zu übertragen.

        

Für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich [X.] zugeordnet sind, führt diese Übertragung zu einem automatischen Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse. Dies ist in § 613 a BGB geregelt, dessen Bestimmungen auf den Übergang zwingend anwendbar sind. § 613 a Absatz 5 BGB sieht eine schriftliche Information des von einem solchen Übergang betroffenen Arbeitnehmers vor, der nach § 613 a Absatz 6 BGB dem Übergang auch widersprechen kann.

        

Diese Bestimmungen lauten:

                 

‚Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

                 

1.    

den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,

                 

2.    

den Grund für den Übergang,

                 

3.    

die rechtlichen, wirtschaftlichen und [X.] Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und

                 

4.    

die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

        

Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.’

        

Ihr Arbeitsverhältnis ist dem Geschäftsbereich [X.] zugeordnet und würde deshalb mit dem 1. November 2004 auf [X.] übergehen.

        

...     

        

1.    

Zum geplanten Zeitpunkt des Übergangs:

                 

Das Datum des geplanten Übergangs ist der 1. November 2004.

        

2.    

Zum Grund für den Übergang:

                 

Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbständigung des Geschäftsbereichs [X.] in der [X.] und deren anschließende Veräußerung an N GmbH.

                 

[X.] mit Sitz in [X.] umfasst das gesamte bisherige [X.]-Geschäft der [X.], also die Geschäftsfelder Film, Finishing und [X.]aborgeräte. [X.] übernimmt das Vermögen von [X.]. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.

                 

...     

                 

Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe [X.]iquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.

        

3.    

Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und [X.] Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer:

                 

Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs [X.] tritt [X.] in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten haben [X.], [X.], Gesamtbetriebsrat der [X.] sowie die örtlichen Betriebsräte am 24. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung ‚zur Klärung der rechtlichen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv-rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen’ abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:

                 

-       

Die bei der [X.] verbrachten und/oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei [X.] anerkannt.

                 

-       

Die Zugehörigkeit zu den Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie wird auch bei [X.] bestehen, d.h. es bleibt bei den [X.].

                 

...     

        

…       

        
        

5.    

Zu Ihrer persönlichen Situation:

                 

Ihr Arbeitsverhältnis wird nach unserer Planung von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 betroffen sein. Die Zustimmung des Betriebsrats zu Ihrer Aufnahme in die Namensliste liegt derzeit noch nicht vor. Insofern sind Verhandlungen mit dem Betriebsrat noch nicht abgeschlossen. Sie müssen jedoch damit rechnen, nach Abschluss dieser Verhandlungen mit oder ohne Ihre Aufnahme in die Namensliste der zur Kündigung vorgesehenen Mitarbeiter eine Kündigung zu erhalten.

                 

Zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile stehen Ihnen dann die in unserem Sozialplan vorgesehenen [X.]eistungen zu.

                 

Die geplante Kündigung wirkt sich auf den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses nicht aus.

                 

Ihr Arbeitsverhältnis geht trotzdem über und Sie sind verpflichtet, Ihre Tätigkeit bei [X.] fortzuführen. Die nachfolgend dargestellten Konsequenzen eines eventuellen Widerspruchs treffen auch in Ihrem Falle zu.

        

6.    

Zum Widerspruchsrecht:

                 

Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die [X.] binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen. Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.

                 

Sollten Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle [X.] richten Sie bitte ausschließlich an:

                 

...     

        

7.    

Zu den Folgen eines Widerspruchs:

                 

Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bei der [X.] und geht nicht auf die [X.] über.

                 

Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs [X.] auf [X.] Ihr bisheriger Arbeitsplatz bei [X.] nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch [X.] rechnen.

                 

Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der [X.] und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht, weder gegenüber der [X.], noch gegenüber [X.] Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle [X.]eistung zu verlieren. Außerdem sind bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre Ansprüche auf [X.]eistungen der Agentur für Arbeit in Frage gestellt.

                 

Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.

                 

...“   

5

Mit Wirkung zum 1. November 2004 wurde der Geschäftsbereich [X.] ausgegliedert und auf die neu gegründete [X.] übertragen. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH zunächst nicht.

6

Die [X.] kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 aus betriebsbedingten Gründen zum 30. Juni 2005. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und bat wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen um eine Terminlosstellung.

7

Nach den auf Wunsch des [X.] eingeleiteten Vergleichsverhandlungen schlossen der Kläger und die [X.] am 11. April 2005 einen gerichtlichen Vergleich. Dieser sah eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2005 und die Zahlung einer Abfindung durch die [X.] an den Kläger vor. Die [X.] widerrief am 26. April 2005 diesen Vergleich innerhalb der für beide Parteien vereinbarten Widerrufsfrist. Der Kündigungsrechtsstreit wurde dann [X.] gestellt. Vorsorglich sprach die [X.] gegenüber dem Kläger am 24. März 2005, 27. August 2005 und 24. November 2005 weitere Kündigungen aus. Die gegen diese eingeleiteten Kündigungsschutzverfahren sind nach § 148 ZPO ausgesetzt.

8

Im Mai 2005 stellte die [X.] Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am 1. August 2005 eröffnet wurde.

9

Der Kläger widersprach mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Juli 2005 gegenüber der [X.] dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] wegen fehlerhafter und unvollständiger Unterrichtung über den Betriebsübergang, nachdem er die Beklagte bereits am 4. Juli 2005 schriftlich darauf hingewiesen hatte, dass er sich über den Betriebsübergang nicht ausreichend unterrichtet fühle und nach Eingang der vollständigen und wahrheitsgemäßen Informationen entscheiden werde, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen werde. Im Schreiben vom 20. Juli 2005 erklärte er außerdem hilfsweise die Anfechtung des Einverständnisses hinsichtlich des Übergangs seines Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung über die finanziellen Hintergründe des Betriebsübergangs.

Der Kläger meint, er habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] noch im Juli 2005 wirksam widersprechen können, weil er bis dahin nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet worden sei. So rügt er insbesondere die fehlende Information über die Haftungsverteilung zwischen der [X.] und der [X.]

Der Kläger hat - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 33.549,36 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 13.707,20 Euro netto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz von 15.399,32 Euro brutto abzüglich 5.931,99 Euro netto seit dem 29. Dezember 2005, von 13.612,53 Euro brutto abzüglich 5.799,20 Euro netto seit dem 15. März 2006 und von 4.537,51 Euro brutto abzüglich 1.977,00 Euro netto seit dem 12. April 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie beruft sich darauf, ihr Informationsschreiben vom 22. Oktober 2004 habe den Erfordernissen des § 613a Abs. 5 BGB genügt. Der Widerspruch des [X.] sei verspätet, da er nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach Zugang des [X.] erhoben worden sei. Zumindest sei das Widerspruchsrecht des [X.] jedoch verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage in vollem Umfange und der auf Zahlung von Arbeitsvergütung gerichteten Zahlungsklage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.]andesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom [X.]andesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Zwischen den Parteien besteht seit dem 1. November 2004 kein Arbeitsverhältnis mehr.

I. Das [X.] hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Das Schreiben der Beklagten vom 22. Oktober 2004, mit dem sie den Kläger über den [X.] unterrichtet habe, genüge zwar nicht den Anforderungen des § 613a [X.]. Jedoch sei das Arbeitsverhältnis des [X.] auf die [X.] gemäß § 613a [X.] übergegangen, weil er dem Übergang nicht wirksam widersprochen habe. Zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerspruchs sei das Widerspruchsrecht verwirkt gewesen. Da zwischen dem Zugang des [X.] und der Ausübung des Widerspruchs neun Monate lägen, sei das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche [X.] erfüllt. Auch das nötige Umstandsmoment liege vor. Der Kläger habe durch den Abschluss des gerichtlichen Vergleichs mit der [X.] über den „Bestand“ seines Arbeitsverhältnisses „verfügt“. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die [X.] diesen Vergleich widerrufen habe, weil der Kläger seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan habe, um sein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Vergleichs zu beenden.

II. Die Ausführungen des [X.]s halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Die Feststellungsklage ist nicht begründet.

Zwischen den Parteien hat ab dem 1. November 2004, dem Zeitpunkt des Übergangs des Geschäftsbereichs CI auf die [X.] im Wege eines [X.]s (§ 613a [X.]), ein Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden, weil der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] nicht wirksam widersprochen hat.

a) Die Unterrichtung des [X.] durch die Beklagte mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 über den am 1. November 2004 erfolgenden [X.] entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 [X.] (vgl. Senat 22. April 2010 - 8 [X.] -; 27. November 2008 - 8 [X.] - [X.] 128, 328 = AP [X.] § 613a Nr. 363 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 106 und 12. November 2009 - 8 [X.] - NJW 2010, 1302 zu im Wesentlichen gleich gelagerten Unterrichtungen). Daher war dessen Widerspruch im Juli 2005 nicht verspätet, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.] nicht mit Zugang der Unterrichtung zu laufen begonnen hatte (st. Rspr., vgl. Senat 22. April 2010 - 8 [X.] -; 27. November 2008 - 8 [X.] - aaO und 12. November 2009 - 8 [X.] - aaO).

b) Der Kläger hatte sein Widerspruchsrecht allerdings verwirkt.

Die Begründung des [X.]s, mit welcher dieses eine Verwirkung des Widerspruchsrechts bejaht hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 [X.]). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat ([X.]). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

bb) Nach der Rechtsprechung des Senats kann das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (Senat 22. April 2010 - 8 [X.] -; 15. Februar 2007 - 8 [X.] - mwN, [X.] 121, 289 = AP [X.] § 613a Nr. 320 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 64).

cc) Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des [X.]s nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei ([X.]. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs (27. Januar 2000 - 8 [X.] -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Erforderlich ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat 22. April 2010 - 8 [X.] -; 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP [X.] § 613a Nr. 347).

dd) Diese Voraussetzungen für die Annahme der Verwirkung liegen nach Ansicht des [X.]s im [X.] vor. Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, unterliegt nach der Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des [X.] vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Gericht der Tatsacheninstanz alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (17. Januar 2007 - 7 [X.] Nr. 38; abweichend zur Prozessverwirkung: 20. Mai 1988 - 2 [X.] - AP [X.] § 242 Prozessverwirkung Nr. 5 = EzA [X.] § 242 Prozessverwirkung Nr. 1).

Nach diesen Überprüfungsmaßstäben sind die Ausführungen des [X.]s nicht zu beanstanden, insbesondere ist ihm kein Rechtsfehler unterlaufen.

Zwischen der Unterrichtung des [X.] mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 über den bevorstehenden [X.] und seinem Widerspruch mit Schreiben vom 20. Juli 2005 liegt ein Zeitraum von etwa neun Monaten. Damit ist, wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, das so genannte [X.] erfüllt (vgl. Senat 22. April 2010 - 8 [X.] - [X.] 2010, 368 und 21. Januar 2010 - 8 [X.]). Die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche [X.] beginnt nicht erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zu laufen, insbesondere nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung oder Kenntnis des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und dessen Folgen. Bei dem [X.] handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgegebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, die in den §§ 186 ff. [X.] geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, immer eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei welcher das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind. Wie der Senat am 15. Februar 2007 (- 8 [X.] - [X.] 121, 289 = AP [X.] § 613a Nr. 320 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 64) entschieden hat, ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen, was zur Folge hat, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers möglicherweise erst nach einer längeren Untätigkeit verwirken können. Erfolgt die Prüfung der Verwirkung nach diesen Grundsätzen, so ist es nicht geboten, ähnlich wie bei gesetzlichen, gerichtlichen oder vertraglichen Fristen für das so genannte [X.] einen bestimmten Fristbeginn, wie etwa die Kenntnis des Berechtigten von bestimmten Tatsachen festzulegen. Vielmehr ist immer darauf abzustellen, ob der Verpflichtete aufgrund des Zeitablaufes, in dem der Berechtigte sein Recht nicht ausgeübt hat, und den Umständen des Einzelfalles, zu denen auch die [X.] des Berechtigten von den für die Geltendmachung seines Rechts bedeutsamen Tatsachen gehört, darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (Senat 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP [X.] § 613a Nr. 347).

Zutreffend nimmt das [X.] weiter an, als ein Umstand, der das Vertrauen des bisherigen Arbeitgebers in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 [X.] rechtfertigen kann, sei anzusehen, wenn der Arbeitnehmer über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses dadurch disponiert hat, dass er einen Aufhebungsvertrag mit dem [X.] geschlossen oder eine von diesem nach dem Betriebsübergang erklärte Kündigung hingenommen hat (vgl. Senat 22. April 2010 - 8 [X.] - [X.] 2010, 368, - 8 [X.] - und - 8 [X.] -; 21. Januar 2010 - 8 [X.]; 20. März 2008 - 8 [X.], 1354 und 27. November 2008 - 8 [X.]/07 -). Das [X.] hat im Rahmen der ihm zustehenden eigenverantwortlichen Würdigung das Verhalten des [X.] im Zusammenhang mit dem Abschluss des widerruflichen gerichtlichen Vergleichs vom 11. April 2005 mit der [X.] über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im Ergebnis mit einer Disposition des [X.] über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses durch Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung gleichgesetzt. Es stellt keinen Rechtsfehler dar, wenn das [X.] in der Tatsache, dass der Vergleich durch die [X.] widerrufen wurde, keinen Umstand gesehen hat, der die Annahme der Disposition des [X.] über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses ausschließt. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang in nicht zu beanstandender Weise entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger, obwohl ihm das möglich gewesen wäre, einen Vergleichswiderruf nicht erklärt oder zumindest in die Wege geleitet hatte.

Zutreffend nimmt das [X.] auch an, dass die Erklärungen des [X.] im Schreiben vom 4. Juli 2005 der Bejahung des Verwirkungstatbestandes nicht entgegenstehen, weil zu diesem Zeitpunkt das Widerspruchsrecht bereits verwirkt war.

Die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts ist nicht ausgeschlossen, wenn nur der [X.], nicht aber der Beklagten alle vom Kläger verwirklichten [X.] bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen [X.] und [X.] sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der [X.] als neuer Arbeitgeber auf [X.] berufen könnte, diese auch der [X.] als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.

Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen, eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (st. Rspr.: Senat 22. April 2010 - 8 [X.] -; 27. November 2008 - 8 [X.] - [X.] 128, 328 = AP [X.] § 613a Nr. 363 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 106).

2. Die Zahlungsklage ist ebenfalls unbegründet. Dem Kläger stehen keine Vergütungsansprüche für den Zeitraum 1. September 2005 bis 31. März 2006 gegen die Beklagte zu, weil in dieser Zeit zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestand.

III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Wankel    

        

    Lüken    

                 

Meta

8 AZR 699/09

24.02.2011

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Solingen, 1. Juni 2006, Az: 1 Ca 2647/05 lev, Urteil

§ 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 BGB, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2011, Az. 8 AZR 699/09 (REWIS RS 2011, 9120)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9120

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