Bundespatentgericht, Urteil vom 01.03.2011, Az. 1 Ni 19/09 (EU)

1. Senat | REWIS RS 2011, 8971

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Verfahren zur Herstellung von dickwandigen spiraligen Kartonhülsen für die Papierindustrie (europäisches Patent)" – zur objektiven Aufgabe und erfinderischen Tätigkeit


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 071 556

([X.])

hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2011 durch den Richter [X.] als Vorsitzenden, die Richterin Friehe sowie [X.], [X.]. Baumgart und [X.]. Krüger

für Recht erkannt:

[X.] Das Patent EP 1 071 556 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

I[X.] Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die [X.]eklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] erteilten [X.] Patents 1 071 556 (Streitpatent), das am 22. Januar 1999 unter Inanspruchnahme einer [X.] Priorität vom 23. Januar 1998 angemeldet wurde. Das Streitpatent wurde am 9. Oktober 2002 in der [X.] veröffentlicht und wird beim [X.] unter der Nummer 699 03 413 geführt. Es betrifft einen Kartonkern für die Paperindustrie mit verbesserter Futterstärke und ein Verfahren zu dessen Herstellung ([X.] an improved [X.], for the paper industry, and a method of fabricating such) und umfasst 11 Patentansprüche, die sämtlich angegriffen sind.

2

Die Patentansprüche 1, 7 und 11 haben in der [X.] folgenden Wortlaut:

Abbildung

Abbildung

Abbildung

Abbildung

3

und lauten in der [X.] Übersetzung wie folgt:

Abbildung

Abbildung

4

Wegen des Wortlauts der abhängigen Patentansprüche 2 bis 6 und 8 bis 10 wird auf die Patentschrift [X.] [X.]ezug genommen.

5

Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht ausführbar. Ihm komme die in Anspruch genommene Priorität nicht zu, denn im Vergleich zur prioritätsbegründenden Schrift fehlten bei dem Gegenstand des Streitpatents die Merkmale „… mit einer verbesserten Spannfestigkeit und dicken Wänden…“ sowie „… zum Herstellen anderer Kartonhülsen ähnlicher Größe, wobei die Kartonhülsen hohe Spannfestigkeiten aufweisen…“. Dies führe zu einer Verallgemeinerung, die von der Prioritätsschrift nicht umfasst sei.

6

Der Gegenstand des Streitpatents sei des weiteren insgesamt nicht patentfähig. Zur [X.]egründung bezieht sich die Klägerin unter anderem auf folgende Druckschriften und Dokumente:

7

D2 Gerhardt, [X.]: [X.]: Theory and Experiment, Journal of Engineering Materials and Technology, 144 / Vol. 112, April 1990

8

D5 [X.] Übersetzung der [X.] Gebrauchsmusteranmeldung Nr. U970081 (Veröffentlichungsnummer FI 3004 U1)

9

D7a [X.] Gebrauchsmusteranmeldung Nr. U970081

D8 US 5,505,395

NK2 Erläuterungen zur [X.]erechnung des Wickelwinkels α, der [X.] [X.] und der Kartonkantenlänge LMP

NK7 [X.] Übersetzung der Prioritätsanmeldung FI 980145.

Die [X.]eklagte hat mit Schriftsatz vom 22. Februar 2010 Hilfsanträge vorgelegt, mit denen sie ihr Patent beschränkt verteidigt.

Hilfsantrag 1 werden die erteilten Patentansprüche 1 bis 11 mit der Maßgabe verteidigt, dass es (in der [X.] Fassung) in Patentanspruch 1 heißt:

having an improved [X.] and thick walls by winding … (weiter wie erteilt)

und in Patentanspruch 7 heißt:

having an improved [X.] and thick walls or a spiral paperboard core for other purposes but … (weiter wie erteilt).

Hilfsantrag 2 werden die erteilten Patentansprüche 1 bis 11 mit der Maßgabe verteidigt, dass es (in der [X.] Fassung) in Patentanspruch 3 heißt:

below a maximum ply width … (weiter wie erteilt)

und in Patentanspruch 4 heißt:

below a maximum ply width … (weiter wie erteilt)

und in Patentanspruch 6 heißt:

below a maximum ply width … (weiter wie erteilt)

sowie in Patentanspruch 8 heißt:

below a maximum ply width… (weiter wie erteilt)

und in Patentanspruch 9 heißt:

below a maximum ply width … (weiter wie erteilt).

Hilfsantrag 3 werden die erteilten Patentansprüche 1, 2, 5, 7, 10 und 11 mit der Maßgabe verteidigt, dass

Patentanspruch 5 in Patentanspruch 3 umnummeriert wird,

Patentanspruch 7 in Patentanspruch 4 umnummeriert wird,

in [X.], characterized in that…“ (weiter wie erteilt),

4 to 5 …“ (weiter wie erteilt).

Hilfsantrag 4 werden die erteilten Patentansprüche 1 bis 11 mit der Maßgabe verteidigt, dass Patentansprüche 1 und 7 geändert werden wie in Hilfsantrag 1 und zudem Patentansprüche 3, 4, 6, 8 und 9 geändert werden wie in Hilfsantrag 2.

Hilfsantrag 5 werden die erteilten Patentansprüche 1, 2, 5, 7, 10 und 11 verteidigt mit den Änderungen gemäß Hilfsantrag 3 und zudem Patentansprüche 1 und 7 (umnummeriert in 4) geändert wie in Hilfsantrag 1.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 1 071 556 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die [X.]eklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Patent nach den [X.] 1 bis 5 vom 22. Februar 2010 verteidigt wird.

Sie ist der Ansicht, dass der Gegenstand des Streitpatents, insbesondere auch der [X.], hinreichend offenbart, patentfähig und insbesondere durch die von der Klägerin angezogenen Druckschriften weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch nahegelegt sei.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Sie führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.], denn der Gegenstand des Streitpatents einschließlich der nachgeordneten Patentansprüche ist nicht patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 54, 56 EPÜ).

1. [X.] betrifft einen Kartonkern für die Papierindustrie mit verbesserter Futterstärke und ein Verfahren zu dessen Herstellung.

In der Papier-, Film- und Textilindustrie produzierte Bahnen werden normalerweise auf Kernhülsen für Rollen gewickelt. Aus Karton gefertigte [X.] werden hergestellt, indem [X.] übereinander geklebt und in einer speziellen [X.]wickelmaschine spiralig gewunden werden. Breite, Dicke und Zahl der [X.], die zur Bildung einer Hülse benötigt werden, variieren in Abhängigkeit von den Dimensionen und den Festigkeitsanforderungen der herzustellenden Hülse (vgl. Übersetzung der [X.], Seite 1, Zeile 19 bis 25). In der Papierverarbeitungsindustrie haben die Gewichte der in Druckmaschinen benutzten Papierrollen ständig zugenommen, was eine immer höhere Festigkeit und eine immer höhere Kapazität von [X.] erfordert (Seite 1, Zeile 33 bis 35).

2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das objektive technische Problem, ein verbessertes und effektiveres Verfahren zur Herstellung von dickwandigen [X.]n für die Papierindustrie zu schaffen (Seite 5, Zeile 4 bis 7 der [X.]) und eine [X.] anzugeben, die den durch stets zunehmende Rollengewichte gestellten Anforderungen an die Hülsen gerecht wird (Seite 5, Zeilen 16 bis 20).

3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1, eine Hülse mit den Merkmalen des Patentanspruchs 7 sowie die Verwendung einer Hülse gemäß Anspruch 11 vor.

Patentanspruch 1 weist folgende Merkmale auf:

1.1 Verfahren zur Herstellung von spiraligen [X.]n für die Papierindustrie

1.2 durch Wickeln von [X.] spiralig um eine Spindel zu einem Rohr,

1.3 welche Hülsen eine Wanddicke H von 10 mm oder mehr und einen Innendurchmesser über 70 mm haben,

1.4 welche Hülsen zur Verwendung bei Auf-/Abrollgeschwindigkeiten von zumindest ungefähr 200 m/min (3,3 m/s) vorgesehen sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

1.5 für die [X.], auf der die maximalen Zug- und Scherspannungen, d. h. ein Spannungsmaximum in z-Richtung in der Wand einer fertig gestellten [X.] vorkommen, und

1.6 in der Nähe der [X.], einschließlich des [X.]s in der Mitte der [X.]

MP <1550 mm, bevorzugt unter 1450 mm und bevorzugter unter 1300 mm,

MP, <1900 mm, bevorzugt unter 1650 mm und bevorzugter unter 1500 mm, und

MP, <2450 mm, bevorzugt 2200 bis 1500 mm und bevorzugter unter 1500 mm,

MP die Kantenlänge des [X.]s auf der Zylinderfläche pro 1 Laufmeter Kartonhülse ist.

Die [X.] nach Patentanspruch 7 weist die folgenden Merkmale auf:

7.1 Spiralige [X.] für die Papierindustrie oder spiralige [X.], die für andere Zwecke vorgesehen ist, aber hohe Spannfutterfestigkeit erfordert und

7.2 aus einer Vielzahl [X.] besteht, die spiralig zu einer Hülse gewunden sind,

7.3 welche Hülsen eine Wanddicke H von 10 mm oder mehr und einen Innendurchmesser über 70 mm haben,

7.4 welche Hülsen für den Einsatz bei Auf-/Abrollgeschwindigkeiten von zumindest ungefähr 200 m/min (3,3 m/s) vorgesehen sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

7.5 auf der [X.], auf der die maximalen Zug- und Scherspannungen, d. h. ein Spannungsmaximum in z-Richtung in der Wand einer fertig gestellten [X.] vorkommen, und

7.6 in der Nähe der [X.], einschließlich des [X.]s in der Mitte der [X.]

MP <1550 mm, bevorzugt unter 1450 mm und bevorzugter unter 1300 mm,

MP <1900 mm, bevorzugt unter 1650 mm und bevorzugter unter 1500 mm, und

MP <2450 mm, bevorzugt 2200 bis 1500 mm und bevorzugter unter 1500 mm,

MP die Kantenlänge des [X.]s auf der Zylinderfläche pro 1 Laufmeter Kartonhülse ist.

Die Klammerergänzungen der Dimension der unteren Innendurchmesserangaben ergeben sich aus der maßgeblichen [X.] Fassung der Patentansprüche.

Anspruch 11 schlägt die Verwendung einer spiraligen [X.] nach einem der Patentansprüche 9 bis 10 beim [X.] von Papierrollen vor, die zumindest 6,5 Tonnen, bevorzugt zumindest 8,5 Tonnen wiegen.

4. Zum Verständnis des Patents aus der Sicht des hier zuständigen Fachmanns, eines [X.] (FH) oder -technikers, der über langjährige Erfahrung in der Entwicklung von [X.]n verfügt, ist folgendes auszuführen:

Anspruch 7 betrifft eine spiralige [X.] für die Papierindustrie (Merkmal 7.1). Die Wandung derartiger Hülsen ist aus mehreren Lagen Karton aufgebaut. Dabei werden entsprechend der gewünschten Wanddicke mehrere [X.] zunächst mit Klebstoff versehen und dann spiralförmig zu einer Hülse gewickelt (Merkmal 7.2), vgl. nachfolgende [X.]. 3 aus der D8.

Abbildung

Die Hülsen weisen eine Wanddicke von mindestens 10 mm und einen Innendurchmesser über 70 mm auf und sollen für den Einsatz bei Aufroll- und Abrollgeschwindigkeiten von zumindest 200 m/min geeignet sein (Merkmale 7.3 und 7.4). Merkmal 7.4 i. V. m. der Verwendungsangabe im Merkmal 7.1 („für die Papierindustrie“) besagt, dass die Hülse für den genannten Zweck verwendbar sein muss ([X.], 837 - [X.]). Die relativ große Wanddicke von mindestens 10 mm deutet ebenfalls auf diesen Zweck hin (vgl. Seite 5, Zeile 35 bis Seite 6, Zeile 5 der [X.] T2).

MP, [X.]breite B und [X.] α eingetragen.

Abbildung

MP = 1000 mm / sin α) ergibt sich im Übrigen, dass sich die in den Ansprüchen genannte Kartonkantenlänge ohne Weiteres auf den normalerweise gebräuchlichen [X.] umrechnen lässt, wobei das [X.] umzukehren ist. Für den erteilten Anspruch 7 ergeben sich - in Klammern - folgende [X.]:

MP <1550 mm (α > 40,2

MP <1900 mm (α > 31,8

MP <2450 mm (α > 24,1

Das Patent schlägt somit relativ hohe [X.] vor, wobei der [X.] gemäß [X.]. 3 -nachfolgend wiedergegeben - den Winkel zwischen der Richtung quer zur [X.]nachse und der Kante der Kartonlage bezeichnet:

Abbildung

Anspruch 1 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von spiraligen [X.]n für die Papierindustrie, Anspruch 11 deren Verwendung.

II.

Das Patent nimmt die Priorität der [X.] Patentanmeldung [X.] 980145 (Übersetzung gemäß Anlage [X.]) wirksam in Anspruch. Dort ist in den nebengeordneten Ansprüchen 1 und 7 zwar angegeben, dass die Hülsen eine verbesserte Spannfutterfestigkeit und große Wanddicke aufweisen sollen (having an improved chuck strength and thick walls), was aber lediglich die Eigenschaften der nach dem Anspruch 1 hergestellten Hülsen umschreibt. Die Streichung dieser Angaben im Erteilungsverfahren war daher zulässig.

Außerdem ist die Lehre gemäß den Ansprüchen 3, 4, 6, 8 und 9 ausführbar. Das Patent schützt ein Verfahren zur Herstellung von spiraligen [X.]n und eine spiralförmig gewickelte [X.]; ein Winkel von 90

Letztlich kann dieses aber auch dahingestellt bleiben, da die dem Streitpatent in der erteilten Fassung zu entnehmenden Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1, 7 und 11 gegenüber dem Stand der Technik zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen (Art. 56 EPÜ).

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten technischen Lehre ist von der dem Streitpatent objektiv zugrunde liegenden Aufgabe auszugehen, die im vorliegenden Fall darin zu sehen ist, ein verbessertes und effektiveres Verfahren zur Herstellung von dickwandigen [X.]n für die Papierindustrie zu schaffen und eine [X.] anzugeben, die den durch stets zunehmende Rollengewichte gestellten Anforderungen an die Hülsen gerecht wird.

Die Ermittlung des technischen Problems ist Teil der Auslegung des Patentanspruchs; das technische Problem ergibt sich nämlich aus dem, was die Erfindung tatsächlich leistet ([X.], 602, [X.]. 27 - Gelenkanordnung [X.]). Das als Aufgabe der Erfindung Bezeichnete kann dabei einen Hinweis auf das richtige Verständnis der Patentansprüche geben; es gilt aber auch für die Angaben zur Aufgabe in der Beschreibung der Vorrang des Patentanspruchs gegenüber dem übrigen Inhalt der Patentschrift ([X.], 602, [X.]. - Gelenkanordnung).

Dies gilt auch für in der Patentschrift angegebene Vorteile der Erfindung und Nachteile bekannter Lösungen, da sie lediglich die Grundlage für die Formulierung der in der Patentschrift genannten Aufgabe bilden (vgl. [X.], 8. Aufl., § 1 Rdn. 63 und 65, Busse [X.], 6. Aufl., § 1 Rdn. 88, 92 bis 94, Benkard [X.], 10. Aufl., § 1 Rdn. 55a, 56; § 34 Rdn. 18 bis 20).

Vorliegend ist demzufolge zu berücksichtigen, dass die patentgemäß beanspruchte Problemlösung auf eine spiralige [X.] (siehe Patentanspruch 7) und auf ein Verfahren zur Herstellung von spiraligen [X.]n (siehe Patentanspruch 1) gerichtet ist, nicht aber allein auf eine verbesserte Spannfutterfestigkeit aufweisende [X.]. Die tatsächliche Leistung der beanspruchten Erfindung besteht folglich darin, dass mit den patentgemäßen [X.]n auch schwere Rollen in einer Druckmaschine eingesetzt werden können. Von einer Aufgabenstellung, die lediglich auf eine verbesserte Spannfutterfestigkeit gerichtet ist, wie sie die Einspruchsabteilung des [X.] bzgl. der Aufrechterhaltung des vorliegenden Streitpatents zugrunde gelegt hat, kann demzufolge nicht ausgegangen werden, da eine solche Aufgabenstellung von der in dem geltenden Patentanspruch 7 genannten [X.] und dem im Patentanspruch 1 angegebenen Verfahren nicht gelöst wird.

1) Zum Patentanspruch 7

[X.], als [X.] 3004 U1 am 13. August 1997 veröffentlicht, betrifft eine Strukturschicht einer [X.] und eine daraus hergestellte [X.], vgl. Bezeichnung gemäß der überreichten [X.] Übersetzung ([X.]). Als Anwendungsbeispiel nennt die [X.] (= Papierindustrie), vgl. Seite 1, ab Zeile 23, mit Innendurchmessern der Hülsen von 76 mm und 150 mm bei Wanddicken von 13 bis 15 mm (vgl. Seite 1, Zeile 30 bis 34). Die Merkmale 7.1 bis 7.3 sind daher verwirklicht. Auch die gemäß Merkmal 7.4 genannten Geschwindigkeiten sind in [X.] offenbart, vgl. Seite 2, Zeile 30 und Seite 3, Abs. 1. Bei den angegebenen Wanddicken von 13 bis 15 mm ergibt sich bei einem Innendurchmesser der Hülse von 150 mm ein Durchmesser von 163 bis 165 mm in der Mitte der [X.] (Merkmal 7.6). Als typische Wicklungswinkel - ebenfalls für die Anwendung bei Druckmaschinen - nennt die [X.] 15

Zwar sind den Angaben zum [X.] in der [X.] nicht direkt Durchmesserangaben zugeordnet, der [X.] ist aber unabhängig von den in der [X.] offenbarten Innendurchmessern (76 und 150 mm) genannt. Die Beklagte meint, der Fachmann ordne dem kleineren Innendurchmesser von 76 mm den Winkel 35

Sofern der Fachmann den Winkel 35

In [X.]. 1 der [X.] ist der Zusammenhang zwischen größerem [X.] und steigendem E-Modul gezeigt, der ein Maß für die Festigkeit ist. Der Elastizitätsmodul ist ein Materialkennwert, der den Zusammenhang zwischen Spannung und Verformung (meist Dehnung) bei der mechanischen Beanspruchung eines festen Körpers beschreibt. Der Zahlenwert des Elastizitätsmoduls ist um so größer je mehr Widerstand ein Material seiner Verformung entgegensetzt, was zum Fachwissen des Fachmannes gehört.

In [X.]. 1 ist zunächst auf den Einfluss des [X.] abgestellt, in dem vier unterschiedliche Kartonsorten miteinander verglichen werden (senkrechte Achse des Diagramms: [X.]). Andererseits ist auf der waagerechten Achse der mittlere Wicklungswinkel aufgetragen, der wie im Streitpatent definiert ist, was sich aus [X.]. 2 und der zugehörigen Beschreibung Seite 7, Abs. 2 ergibt. Dem Diagramm ist eindeutig und unzweifelhaft zu entnehmen, dass mit zunehmendem [X.] - weitgehend unabhängig von der Papierqualität - eine sehr hohe Zunahme des [X.] der Hülse einhergeht. Der Fachmann hatte daher die Anregung, abgesehen von einer besseren Papierqualität auch einen größeren [X.] in Betracht zu ziehen, wenn er den steigenden Anforderungen an die Festigkeit der [X.]n Rechnung tragen wollte. Die [X.] setzt zwar gemäß Anspruchsfassung allein auf die Papierqualität, was jedoch mit höheren Kosten verbunden ist. Daher hatte der Fachmann auch eine Veranlassung, den [X.] in Betracht zu ziehen, um zu [X.]n mit verbesserten mechanischen Eigenschaften zu kommen. Die Festlegung geeigneter Kartonkantenlängen - und somit letztlich der [X.] - für [X.] gemäß den Merkmalen 7.7 bis 7.9 erschöpft sich damit ausgehend von der [X.] in der Bestimmung geeigneter [X.]bereiche. Dieses liegt im Bereich des fachmännischen Könnens.

Die Beklagte begründet die erfinderische Tätigkeit im Wesentlichen mit der verbesserten Spannfutterfestigkeit der streitpatentgemäßen [X.]. Die Hülse gemäß Patentanspruch 7 des Streitpatents mag eine verbesserte Spannfutterfestigkeit aufweisen, dies ist aber nicht als eine erfinderische Tätigkeit begründender überraschender Effekt zu werten, da er sich zwangsläufig bei der naheliegenden streitpatentgemäßen Lehre einstellt. Er kann daher die Patentfähigkeit nicht begründen. Auch die Nichteignung bestehender Maschinen zur Herstellung von [X.]n mit großem [X.], die die Beklagte ebenfalls zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit angeführt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis, da die Maschine nicht Gegenstand des Streitpatents ist. Der Fachmann ist jedenfalls hierdurch nicht abgehalten, sich Gedanken über die Eigenschaften von [X.]n mit großem [X.] zu machen.

Anspruch 7 hat nach alledem keinen Bestand.

2) Zum Patentanspruch 1

Das mit Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Verfahren kann ebenso wenig als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gelten wie die hiernach hergestellte [X.] selbst. Es handelt sich bei dem Anspruch um einen Verfahrensanspruch, mit dem eine spiralige [X.] nach Anspruch 7 hergestellt werden kann. Die Lehre des Anspruchs 1 sieht über die Merkmale des Anspruchs 7 hinaus nichts vor, was eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte. Die obigen Ausführungen zur [X.] gemäß Anspruch 7 gelten für das Verfahren nach Anspruch 1 sinngemäß.

3) Zum Patentanspruch 11

MP gemäß Anlage [X.] der Klägerin.

4) Auch die [X.] weisen keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt auf. Ein solcher wurde von der [X.] auch nicht geltend gemacht.

5) Hilfsanträge

Die Einfügung des Merkmals „, having an improved chuck strength and thick walls“ in den Patentansprüchen 1 und 7 der [X.], 4 und 5 schränkt deren Gegenstände nicht ein, da bereits die streitpatentgemäßen [X.]n diese beschriebenen Eigenschaften aufweisen. Diese Patentansprüche sind daher ebenfalls nicht schutzfähig, wie sich aus den Ausführungen zum Hauptantrag ergibt.

Gleiches gilt für die nebengeordneten Ansprüche der [X.] und 3, deren Fassungen mit denen des [X.] übereinstimmen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.], § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Meta

1 Ni 19/09 (EU)

01.03.2011

Bundespatentgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 01.03.2011, Az. 1 Ni 19/09 (EU) (REWIS RS 2011, 8971)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8971

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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