Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.07.2011, Az. 19 W (pat) 4/08

19. Senat | REWIS RS 2011, 4835

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Winkelmesseinrichtung" - zur Zulässigkeit von ursprünglich nicht erfindungszugehörig offenbarten Merkmalen, deren Streichung den Schutzbereich des Patents erweitert


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 195 43 372

hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.], des [X.] [X.]. [X.], der Richterin [X.] und des [X.] Dipl.-Ing. Groß

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der [X.] vom 26. September 2007 aufgehoben und das Patent 195 43 372 beschränkt mit folgenden Unterlagen aufrechterhalten: Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung und 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, nach Patentschrift.

2. Die weitergehende Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

1. Das streitige Patent mit der Bezeichnung "Winkelmesseinrichtung" ist auf die am 21. November 1995 eingereichte (Stamm-)Anmeldung 195 43 372.6, aus der am 14. Dezember 2004 die [X.] 49 795.3 abgeteilt wurde, mit geänderten Unterlagen erteilt worden. Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung:

2

dadurch gekennzeichnet, daß

3

- innerhalb der Öffnung (22) eine Vorrichtung (15) zur Zugentlastung dieses Kabels (9) angeordnet ist, und

4

- in diese Vorrichtung (15) zur Zugentlastung die Hülse (18) von der Stirnseite des Gehäuses (10) her unter Bildung eines Formschlusses (16, 17) einlegbar ist und dadurch unabhängig von der Stellung des Deckels (23) das Kabel (9) fixiert und eine am Kabel (9) auftretende Zugkraft auf das Gehäuse (10) und nicht auf die Steckverbindung (8) übertragen wird."

5

Auf den gegen die Erteilung eingelegten Einspruch hat das [X.] durch Beschluss der [X.] vom 26. September 2007 das Streitpatent beschränkt aufrechterhalten.

6

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der [X.], mit der sie weiterhin den Widerruf des angegriffenen Patents begehrt, da der Gegenstand des der Aufrechterhaltung zugrunde liegenden Patentanspruchs 1 sowie auch des geltenden Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe und im Übrigen auch durch den Stand der Technik nahegelegt sei (S. 12 der Beschwerdebegründung vom 8. Januar 2008, eingeg. am 11. Januar 2008).

7

Zur Begründung verweist die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen auf ihren schriftlichen Vortrag.

8

Die Einsprechende beantragt,

9

den Beschluss der [X.] vom 26. September 2007 aufzuheben und das Patent 195 43 372 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der [X.] das Patent weiter beschränkt mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung,

Beschreibung und 2 Blatt Zeichnungen, [X.]uren 1 und 2, nach Patentschrift,

sowie die weitergehende Beschwerde der [X.] zurückzuweisen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet mit einer entsprechend dem aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 eingefügten Gliederung:

"[X.] mit einem elektrisch leitenden Gehäuse (10),

2. das an einem axialen Ende des Gehäuses stirnseitig eine mit einem Deckel (23) verschließbare Öffnung (22) aufweist,

3. wobei innerhalb des Gehäuses (10) eine Steckverbindung (8) zum elektrischen Anschluß eines Kabels (9) vorgesehen ist,

4. die von der verschließbaren Öffnung (22) her zugänglich ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

5. das Kabel (9) eine elektrisch leitende Hülse (18) aufweist, welche mit dem Schirm des Kabels (9) elektrisch verbunden ist,

6. innerhalb der Öffnung (22) innerhalb des Gehäuses eine Vorrichtung (15) zur Zugentlastung dieses Kabels (9) angeordnet ist, welche integraler Bestandteil des Gehäuses ist, und

7. in diese Vorrichtung (15) zur Zugentlastung die Hülse (15) von der verschließbaren Öffnung des Gehäuses (10) her unter Bildung eines Formschlusses (16, 17) einlegbar ist,

8. wodurch die Vorrichtung (15) zur Zugentlastung und die Hülse (18) formschlüssig ineinandergreifen,

9. so dass unabhängig von der Stellung des Deckels (23)

10. eine am Kabel (9) angreifende Zugkraft auf das Gehäuse (10) und nicht auf die Steckverbindung (8) übertragen wird."

Der geltende Patentanspruch 6 lautet mit einer eingefügten Gliederung:

dadurch gekennzeichnet, daß

1. über die verschließbare Öffnung (22) ein Verbindungselement (2)

1.1 in Form einer Schraube

2. der Winkelmeßeinrichtung zugänglich und betätigbar ist,

3. wobei eine Welle (1) der Winkelmeßeinrichtung,

3.1 an der eine Codescheibe (4) befestigt ist,

4. mit einem zu messenden Körper verbindbar ist."

Soweit der nun geltende Anspruch 1 Merkmale enthalte, die in den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart seien, handele es sich nach Auffassung der Patentinhaberin um Konkretisierungen von ursprünglich offenbarten Merkmalen, so dass das Patent im beantragten Umfang aufrechterhalten werden könne.

Die unzulässigen Erweiterungen im erteilten Patentanspruch 9 (jetzt: Patentanspruch 6) auf beliebige Verbindungselemente bzw. auf eine Welle, die die Codescheibe lediglich "trage", sieht die Patentinhaberin durch die Einfügung der entsprechenden ursprünglich offenbarten Merkmale als geheilt an.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als - unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses - das Streitpatent mit dem geltenden Patentanspruch 1, dem geltenden Patentanspruch 6 und den erteilten Patentansprüchen 2 bis 5 beschränkt aufrechtzuerhalten war.

1. Als für die Beurteilung des in den ursprünglichen Unterlagen und im Streitpatent [X.], des in den geltenden Patentansprüchen Beanspruchten sowie zur Beurteilung der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Dipl.-Ing. (FH) der Elektrotechnik mit Kenntnissen der Feinwerktechnik und mit Berufserfahrungen in der Entwicklung und dem Einsatz von Messgebern, insbesondere Winkelmesseinrichtungen, an.

2. Der geltende Patentanspruch 1 ist im Rahmen des ursprünglich [X.] beschränkt.

Soweit er Merkmale enthält, welche in den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart sind, konkretisieren diese jeweils eine ursprünglich offenbarte Anweisung zum technischen Handeln (vgl. [X.]. v. 21. Oktober 2010, [X.] = GRUR 2011, 40 - Winkelmesseinrichtung, insbes. Leitsätze a) und b)).

2.1 Im Streitpatent enthält der Patentanspruch 1 in seiner geltenden Fassung mehrere Merkmale, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart entnimmt, die aber ohne Erweiterung des Schutzbereichs des Patents gegenüber der erteilten Fassung (§ 22 Abs. 1 Halbsatz 2 [X.]) nicht gestrichen und auch nicht durch ursprünglich offenbarte Merkmale ersetzt werden können.

Zu jedem dieser Merkmale sind im geltenden Patentanspruch 1 nun sachlich zugehörige und auch ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen, die den Patentanspruch 1 insoweit zulässig beschränken. Die im Anspruch verbliebenen, ursprünglich nicht erfindungszugehörig offenbarten Merkmale konkretisieren zusammen mit den sachlich zugehörigen hinzugefügten Merkmalen die dem Fachmann in den ursprünglichen Unterlagen gegebene Anweisung zum technischen Handeln, und führen nicht dazu, dass der Patentanspruch eine andere Erfindung zum Gegenstand hat als die ursprüngliche Anmeldung ("[X.]").

Die in Rede stehenden Merkmale können daher in dem Patentanspruch verbleiben, sind aber bei der Prüfung der Patentfähigkeit insoweit außer Betracht zu lassen, als sie nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden dürfen. Um sicherzustellen, dass aus dem Verbleib dieser Merkmale im Patentanspruch keine Rechte hergeleitet werden, bedarf es insoweit auch keines entsprechenden Hinweises in den Ansprüchen oder in der Beschreibung (sog. "Disclaimer"), da sich diese Rechtsfolge aus dem Gesetz ergibt (vgl. [X.] (Nr. 16-18; 21-23; 34-37) - Winkelmesseinrichtung).

2.1.1 [X.] "stirnseitig" für die verschließbare Öffnung 22 im Merkmal 2 ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart.

Diese bereits in der erteilten Fassung aufgenommene Angabe schränkt den ursprünglich offenbarten Gegenstand der Erfindung ein und kann folglich ohne Schutzbereichserweiterung nicht gestrichen werden.

Im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel ist jedoch eine verschließbare Öffnung "an einem axialen Ende des Gehäuses" offenbart (S. 5 Z. 9 bis 11 der u. U.), worunter der Fachmann das Gehäuseende versteht, das der für eine Winkelmeßeinrichtung mitzulesenden Welle gegenüberliegt.

Mit der Aufnahme dieser sachlich zugehörigen Lageangabe in das Merkmal 2 des geltenden Anspruchs 1 ist die Lage der Öffnung im Rahmen des ursprünglich [X.] beschränkt.

Die in Merkmal 2 verbliebene Angabe "stirnseitig" konkretisiert die ursprünglich offenbarte Lageangabe.

Denn eine am axialen Ende des Gehäuses angeordnete Öffnung kann - wie bei der in [X.] 43 04 032 [X.] gezeigten Winkelmeßeinrichtung - sowohl einen Teilbereich der Gehäusestirnseite als auch einen Teilbereich des Gehäuseumfangs freigeben, oder aber - wie in [X.]ur 1 und 2 der Streitpatentschrift dargestellt - lediglich auf der Stirnseite vorgesehen sein, d. h. "stirnseitig".

2.1.2 Die Angabe "innerhalb der Öffnung" für die Lage der Vorrichtung zur Zugentlastung im Merkmal 6 findet sich in den ursprünglichen Unterlagen nicht. Sie ist auch nicht den beiden [X.]uren 1 und 2 als zur Erfindung gehörend offenbart entnehmbar.

in Draufsicht gemäß [X.]ur 2 der Streitpatentschrift innerhalb der Öffnungsumrandung bleibt, jedoch gemäß [X.]ur 1 in der Tiefe des Gehäuses vor der Öffnungsumrandung liegt.

Auch eine hier nicht als Ausführungsbeispiel dargestellte Anordnung der Vorrichtung auf Höhe des [X.] fällt darunter, zu der ein nach außen gewölbter Deckel gehören würde, sowie ebenfalls eine lediglich durch die Öffnung zugängliche Vorrichtung, die vom [X.] teilweise verdeckt sein kann.

Im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel ist jedoch eine "innerhalb des Gehäuses" angeordnete Zugentlastung offenbart (urspr. Anspr. 1).

Mit der Aufnahme dieser Lageangabe in das Merkmal 6 hat die Patentinhaberin den geltenden Anspruch 1 beschränkt ohne ein [X.] zu schaffen.

Das ursprünglich nicht offenbarte, in die erteilte Fassung aufgenommene und den ursprünglich offenbarten Gegenstand einschränkende Merkmal "innerhalb der Öffnung" konnte ohne Erweiterung des Schutzbereichs nicht gestrichen oder ersetzt werden.

Da aber die beiden ersten der drei vorgenannten Bedeutungen des nicht offenbarten Merkmals Konkretisierungen der in Merkmal 6 aufgenommenen sachlich zugehörigen ursprünglich offenbarten Angabe "innerhalb des Gehäuses" betreffen, und die dritte lediglich eine Merkmalswiederholung mit anderen Worten, jedoch kein "[X.]" betrifft, kann die ursprünglich nicht offenbarte Angabe im Merkmal 6 verbleiben.

2.2. Darüber hinaus enthält der geltende Anspruch 1 keine Merkmale, die in den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart sind. Auch führen sonstige in dem Anspruch gegenüber der erteilten Fassung vorgenommenen Änderungen nicht zu einer Schutzbereichserweiterung.

2.2.1 Die ursprünglich nicht offenbarte, in der erteilten Fassung enthaltene Angabe in Merkmal 4, dass die Hülse "von der Stirnseite des Gehäuses her" einlegbar ist, konnte im geltenden Anspruch 1 ohne Erweiterung des Schutzbereichs ersetzt werden durch die ursprünglich offenbarte engere Angabe "von der verschließbaren Öffnung des Gehäuses her" (urspr. Anspr. 1 i. V. m. S. 5 Z. 20 und 21 der u. U.; s. hierzu [X.] (Nr. 15) - Winkelmesseinrichtung).

2.2.2 Die Einfügung im Merkmal 6 des geltenden Anspruchs 1, dass die Vorrichtung "integraler Bestandteil des Gehäuses ist", findet sich im ursprünglichen Anspruch 1 und im Ausführungsbeispiel gemäß [X.]uren 1 und 2 als erfindungswesentlich offenbart.

2.2.3 Entgegen der in der Beschwerdebegründung vom 8. Januar 2008 (S. 3 Abs. 6 bis S. 4 Abs. 6) vorgetragenen [X.] ist der Patentanspruch 1 im Merkmal 9 nicht dadurch unzulässig erweitert, dass die im erteilten Anspruch 1 an dieser Stelle enthaltenen Worte "das Kabel fixiert…" nicht in den geltenden Anspruch 1 übernommen sind.

Denn das Ziel jeder Zugentlastung ist eine Fixierung des Kabels gegenüber dem Gehäuse, um Zugkräfte auf die am Kabelende vorhandenen Verbindungsstellen abzufangen.

Wenn nun Merkmal 7 angibt, dass beim Einlegen der Hülse ein [X.] gebildet wird, so versteht der Fachmann hierunter selbstverständlich einen quer zur Einlegerichtung wirksamen [X.], d. h. eine in dieser Richtung wirksame Fixierung des Kabels gegenüber dem Gehäuse.

Da das Einlegen bei geöffnetem Deckel erfolgt, ist der [X.] und die damit verbundene Kabelfixierung auch unabhängig von der Deckelstellung wirksam, wie in Merkmal 9 angegeben ist.

Mit diesem fachmännischen Verständnis der Merkmale 7 und 9 erweisen sich die Worte "das Kabel fixiert..." als Beschreibung des anspruchsgemäßen Formschlusses mit anderen Worten, die deshalb gestrichen werden konnten.

2.2.4 Wenn gemäß Merkmal 7 des geltenden Anspruchs 1 die Hülse in die Vorrichtung "unter Bildung eines Formschlusses" einlegbar ist, wird vom Fachmann hier selbstverständlich mitgelesen, dass die Hülse fest mit dem Kabel verbunden ist. Denn nur dann wird eine am Kabel angreifende Zugkraft vom Gehäuse abgefangen und die Anschlussstelle des [X.] bleibt unbelastet.

Entgegen dem Vortrag der [X.] ([X.]. Abs. bis S. 5 Abs. 3 des Schriftsatzes vom 19. August 2009) brauchte deshalb die feste Verbindung zwischen Hülse und Kabel nicht in den Anspruch 1 aufgenommen zu werden.

2.2.5 Dass der Fachmann das Merkmal 8 im geltenden Anspruch 1 dahingehend verstehen könnte, dass sein Bedeutungsinhalt über die mit Merkmal 7 gegebene Lehre hinausgeht, vermag der Senat nicht zu erkennen, da beide den Formschluss lediglich mit unterschiedlichen Worten beschreiben (zu S. 3 Abs. 4 und 5 der Eingabe vom 8. Januar 2008).

Deshalb kann dahingestellt bleiben, dass das Merkmal 8 im Einspruchsbeschwerdeverfahren noch hätte gestrichen werden können.

3. Auch bei Außerachtlassung der konkretisierenden Merkmale ergibt sich, dass sich der neue Gegenstand (§ 3 [X.]) gemäß dem geltenden Anspruch 1 nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (§ 4 [X.]).

3.1 Nachdem der geltende Patentanspruch 1 im Merkmal 2 eine mit einem Deckel verschließbare Öffnung aufweist, ist der [X.] gegenüber dem aus den beiden - als ältere Anmeldungen zu berücksichtigenden - Druckschriften [X.] 195 23 795 C1 bzw. der [X.] 195 28 735 [X.] Bekannten schon aus den im Beschluss der [X.] (S. 5 Abs. 1 und 2) genannten Gründen neu.

Dies wurde im Beschwerdeverfahren nicht mehr bestritten.

Auch keine der weiteren Druckschriften zeigt - wie sich aus den Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit ergibt - einen Gegenstand mit allen ursprünglich offenbarten Merkmalen des geltenden Anspruchs 1.

3.2 Aus der [X.] 43 04 032 [X.] als nächstkommender vorveröffentlichter Stand der Technik ist mit den Worten des geltenden Anspruchs 1 (konkretisierende Merkmale sowohl im [X.] als auch im übrigen Text durchgestrichen, da sie außer Betracht bleiben müssen) bekannt eine

[X.] (Titel) mit einem elektrisch leitenden (mitzulesen in [X.]. 2 Z. 31 bis 34 im Blick auf die HF-dichte Abschirmung) Gehäuse 4,

stirnseitig eine mit einem Deckel 8 verschließbare Öffnung 5 aufweist,

3. wobei innerhalb des Gehäuses 4 eine Steckverbindung 6 zum elektrischen Anschluß eines Kabels 17 vorgesehen ist,

4. die von der verschließbaren Öffnung 5 her zugänglich ist.

Abweichend von Merkmal 5 weist das Kabel 17 keine elektrisch leitende Hülse auf, welche mit dem Schirm 20 des Kabels 17 elektrisch verbunden ist. Vielmehr ist das Kabel unter Zwischenlage des Schirms beim Schließen der Haube 5 geklemmt, wodurch sowohl eine Zugentlastung als auch eine Kontaktierung des Schirms verwirklicht wird ([X.]. 2 Z. 35 bis 40).

innerhalb der Öffnung 5 innerhalb des Gehäuses 4 auch keine Vorrichtung zur Zugentlastung dieses Kabels angeordnet, welche integraler Bestandteil des Gehäuses ist (Merkmal 6) und folglich auch die beiden folgenden Anspruchsmerkmale nicht verwirklicht, nach denen

7. in diese Vorrichtung zur Zugentlastung die Hülse von der verschließbaren Öffnung des Gehäuses her unter Bildung eines Formschlusses einlegbar ist,

8. wodurch die Vorrichtung zur Zugentlastung und die Hülse formschlüssig ineinandergreifen.

Da - wie dargelegt - beim Stand der Technik das Kabel erst durch das Schließen der Haube 5 geklemmt wird, unterscheidet sich der geltende Anspruch 1 schließlich auch durch die beiden letzten Merkmale,

9. so dass unabhängig von der Stellung des Deckels

10. eine am Kabel angreifende Zugkraft auf das Gehäuse und nicht auf die Steckverbindung übertragen wird.

Ausgehend von der aus der [X.] 43 04 032 [X.] als nächstkommender Stand bekannten Winkelmeßeinrichtung mag sich zwar dem Fachmann die in den geltenden Unterlagen angegebene Aufgabe, eine Winkelmeßeinrichtung zu schaffen, die kompakt aufgebaut ist und flexibel einsetzbar ist (Abs. [0006] der [X.]), in der Praxis von selbst stellen.

Denn eine breite Verwendbarkeit und einfache Montierbarkeit sind vom Fachmann bei der Weiterentwicklung bekannter Anordnungen regelmäßig zu beachtende Gesichtspunkte, um den Markterfolg eines Produkts zu sichern und zu verbessern.

Darüber hinaus mag der Fachmann aus seinem Fachwissen heraus auch noch daran denken, anstelle der direkten Klemmung des [X.] an dieser Stelle eine elektrisch leitende Hülse vorzusehen, die mit dem Schirm des Kabels elektrisch leitend verbunden ist, wie in Merkmal 5 des geltenden Anspruchs 1 angegeben ist.

Denn freigelegte Abschirmgeflechte können beim Montieren des Kabels an der Winkelmeßeinrichtung und beim Schließen der Haube leicht verrutschen und/oder beim Klemmen durch Schließen der Haube 5 beschädigt werden, was nach dem Schließen der Haube nicht mehr erkennbar wäre.

Dem Fachmann fehlt aber aus seinem Fachwissen heraus jeder Anlass oder jede Anregung, anstelle der Klemmung zwischen der Haube 5 und dem Rand der Gehäuseausnehmung 5 innerhalb des Gehäuses eine Vorrichtung zur Zugentlastung als integraler Bestandteil des Gehäuses vorzusehen (Merkmal 7) und durch Einlegen der Hülse in diese Vorrichtung einen unabhängig von der Deckelstellung zugentlastend wirksamen [X.] zu bilden, wie in den weiteren Anspruchsmerkmalen 7 bis 10 angegeben ist.

Zwar offenbart die [X.] 91 03 155 [X.] bei einem [X.] eine Zugentlastung mit einer elektrisch leitenden Hülse 7, die insbesondere formschlüssig (S. 3, [X.]. Zeile) über eine hohle Schwenkbuchse 4 mit dem Gehäuse verbunden ist.

Jedoch ist dort keine Öffnung mit einem Deckel am Gehäuse gezeigt, durch die die Hülse zur Bildung eines Formschlusses einlegbar ist.

Selbst wenn man bei der [X.] 84 18 848 [X.] den Steckerteil 7 als Deckel des Gehäuses 1 ansehen würde, ist dort weder das Einlegen einer Hülse noch der anspruchsgemäße [X.] durch Einlegen derselben offenbart.

Die Druckschrift [X.] 38 72 315 T2 offenbart zwar das formschlüssige Einlegen von mit [X.] verbundenen [X.], jedoch nicht bei einem mit Deckel versehenen Gehäuse und innerhalb desselben angeordneten Mitteln zum einfachen Einlegen bei offenem Deckel. Vielmehr werden alle für den [X.] verantwortlichen Bauteile in ein ringförmiges Steckergehäuse eingefädelt (in [X.]. 4, 7 und 8 jeweils von links).

Die [X.]-PS 854 543 betrifft eine bei [X.] seit Jahrzehnten übliche Zugentlastung durch Einklemmen des zu entlastenden Kabels in einer geteilten Schelle. Es fehlen alle wesentlichen Merkmale des Patentgegenstandes.

Entgegen den Ausführungen der [X.] bezeichnet der Fachmann ein isolierendes Gehäuse nicht als elektrisch leitend, wenn in dem Gehäuse leitende Bauteile verlegt sind (S. 7 Abs. 2 der Beschwerdebegründung vom 6. Dezember 2007).

Auch ist das Kabel dort nicht unter Bildung eines Formschlusses einlegbar (a. a. O. S. 8 Abs. 2); denn nach dem Einlegen in das Unterteil 5 der Schelle ist das Kabel nicht fixiert. Eine Zugentlastung, die sich dort in erster Linie als Kraftschluß und nicht als [X.] darstellt, wird erst durch Auflegen des Bügels 4 und Verschrauben desselben erreicht.

In ihren Ausführungen zur [X.] 40 13 963 C2 ([X.]. Abs. bis S. 7 Abs. 8 der Eingabe vom 17. August 2009), die das Problem der Abschirmung und Zugentlastung bei einem metallischen Gehäuse für einen elektrischen Verbinder (Titel, Anspruch 1) betrifft, verknüpft die Einsprechende im Rahmen der Neuheitsbetrachtung einzelner Anspruchsmerkmale in unzulässiger Weise zwei verschiedene Ausführungsbeispiele ([X.]. 1, 2 und 4 bzw. [X.]. 3).

Zwar zeigen beide Ausführungsformen elektrisch leitende Hülsen, welche mit dem Kabelschirm elektrisch leitend verbunden sind. Jedoch wird die Zugentlastung dort jeweils durch Verschrauben der in eine rückseitige Gehäuseöffnung von innen eingesteckten Hülse verwirklicht. Erst danach können die freien Leiterenden des Kabels 29 mit entsprechenden [X.] versehen werden.

Die Ausführungsform gemäß [X.]ur 3 weist sogar zwei verschiedene elektrisch leitende Hülsen 17, bzw. 39 auf.

Nach Ansicht des Senats kann der Fachmann deshalb nicht ohne Kenntnis der Erfindung in [X.] - und deshalb unzulässiger - Betrachtung in Kenntnis der Erfindung größere Gemeinsamkeiten mit den Gegenstand des geltenden Anspruch 1 aufzeigen.

In den dann folgenden Ausführungen zur - nach [X.] - naheliegenden Übertragung der als bekannt angesehenen Merkmale auf eine Winkelmeßeinrichtung mit Gehäuse, Steckverbindung und Deckel vermisst der Senat Ausführungen zu Anlass und Umfang der bei einer - beispielsweise aus der [X.] 43 04 032 [X.] - bereits bekannten Winkelmeßeinrichtung vorzunehmenden Änderungen.

Schon aufgrund der grundverschiedenen Anschlußsituationen von Kabeln in Winkelmeßeinrichtungen bzw. elektrischen Verbindern und ferner unter Berücksichtigung der vorhandenen konstruktiven Unterschiede kann der Fachmann nicht ohne erfinderisch tätig zu werden die in den beiden vorgenannten Druckschriften jeweils offenbarten Konstruktionen zu einem Gegenstand kombinieren, der die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 aufweist.

Dies gilt entsprechend auch für die übrigen von der [X.] als in naheliegender Weise zum Gegenstand des Streitpatents führend angesehenen Druckschriftenkombinationen.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihren schriftlichen Vortrag weder zu den vorgenannten Druckschriften ergänzt noch zu den übrigen im Verfahren bisher genannten Druckschriften, die vom Gegenstand des nunmehr Beanspruchten weiter abliegen.

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 6 schließen sich in zulässiger Weise als Unteransprüche an den gewährbar erscheinenden Anspruch 1 an.

Meta

19 W (pat) 4/08

13.07.2011

Bundespatentgericht 19. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.07.2011, Az. 19 W (pat) 4/08 (REWIS RS 2011, 4835)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4835

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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