Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2011, Az. VI ZB 59/10

6. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1658

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Gegenstand

Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens: Prüfung der Voraussetzungen einer Beteiligung des beklagten Schädigers am Sozialverwaltungsverfahren


Leitsatz

Erwägt das Gericht die Aussetzung nach § 148 ZPO unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Beteiligung des Schädigers am Sozialverwaltungsverfahren, hat es grundsätzlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Beteiligung gemäß § 12 Abs. 2 SGB X schlüssig dargelegt sind .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 12. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 7. Oktober 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

[X.]: 2.145 €

Gründe

I.

1

Die klagende Berufsgenossenschaft macht als Unfallversicherungsträgerin gegen den [X.]n aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche aufgrund eines Fahrradunfalls am 5. Juli 2006 geltend, den die geschädigte Versicherte aufgrund eines Zusammenstoßes mit dem Fahrrad des [X.]n erlitten haben will. Der [X.] stellt die Aktivlegitimation der Klägerin in Frage. Er macht geltend, es habe sich nicht um einen Wegeunfall gehandelt, für den die Klägerin leistungspflichtig sei.

2

Mit Urteil vom 26. Februar 2009 hat das [X.] einen gegen den [X.]n erlassenen Vollstreckungsbescheid über 10.179,19 € nebst Zinsen aufrechterhalten, den [X.]n verurteilt, an die Klägerin weitere 42,09 € nebst Zinsen zu zahlen, und festgestellt, dass der [X.] verpflichtet ist, darüber hinausgehende Aufwendungen der Klägerin zu zahlen. Während des Berufungsverfahrens erließ die Klägerin ohne Beteiligung des [X.]n einen an die Geschädigte gerichteten "Bescheid über Anerkennung eines Arbeitsunfalls" vom 26. Januar 2010, in dem sie den Unfall als Arbeitsunfall (Wegeunfall) anerkannte. Mit Schriftsatz vom 7. April 2010 teilte die Klägerin mit, der Bescheid sei bestandskräftig geworden. Mit [X.] vom 9. April 2010 erhob der [X.] Widerspruch gegen den Bescheid. Die Klägerin legte den Widerspruch als Antrag auf Beteiligung an dem Verwaltungsverfahren aus und lehnte eine Beteiligung des [X.]n am Sozialverwaltungsverfahren mit Bescheid vom 3. September 2010 ab. Dagegen hat der [X.] Widerspruch eingelegt.

3

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO ausgesetzt, bis über den Widerspruch des [X.]n gegen den Bescheid vom 26. Januar 2010 rechtskräftig entschieden worden ist. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Entscheidung des Rechtsstreits hänge von der Frage ab, ob der ohne Beteiligung des [X.]n erlassene Bescheid vom 26. Januar 2010 bestandskräftig sei und das Berufungsgericht gemäß § 118 [X.] binde. Insoweit seien das von dem [X.]n eingeleitete Verwaltungsverfahren und ein sich möglicherweise anschließendes sozialgerichtliches Verfahren vorrangig gegenüber dem vorliegenden Rechtsstreit. Ohne Aussetzung nach § 148 ZPO bestehe das Risiko sich widersprechender Entscheidungen der Sozial- und Zivilgerichte.

5

2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg, weil die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO nicht vorliegen.

6

a) Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Aussetzung der Verhandlung setzt die Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit oder dem Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung in dem Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus (vgl. [X.], Beschluss vom 30. März 2005 - [X.], [X.]Z 162, 373, 375; [X.], 3. Aufl., § 148 Rn. 6 ff.; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 148 Rn. 23; [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., § 148 Rn. 5).

7

b) Im Streitfall ist eine solche Vorgreiflichkeit des Sozialverwaltungsverfahrens für den vorliegenden Rechtsstreit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht wegen des vom [X.]n mit dem Ziel einer Beteiligung am Sozialverwaltungsverfahren eingeleiteten Verfahrens gegeben.

8

aa) Nach § 118 [X.] ist ein Zivilgericht, das über einen nach § 116 Abs. 1 [X.] vom Geschädigten auf einen Sozialversicherungsträger übergegangenen Anspruch zu entscheiden hat, an eine unanfechtbare Entscheidung eines Sozial- oder Verwaltungsgerichts oder eines [X.] über den Grund oder die Höhe der dem Leistungsträger obliegenden Verpflichtung grundsätzlich gebunden. Damit soll verhindert werden, dass die Zivilgerichte anders über einen Sozialleistungsanspruch entscheiden als die hierfür an sich zuständigen Leistungsträger oder Gerichte. [X.] Vorfragen sollen den Zivilprozess nicht belasten und deshalb vor den Zivilgerichten grundsätzlich nicht erörtert werden. Der im Wege des Regresses in Anspruch genommene Schädiger soll deshalb grundsätzlich nicht Einwendungen gegen die Aktivlegitimation des klagenden [X.] erheben können (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 2009 - [X.], [X.], 995 Rn. 13, 17 f.). Die danach gegebene Bindungswirkung erfasst grundsätzlich auch die Feststellung der Zuständigkeit der den Bescheid erlassenden Behörde (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 2009 - [X.], aaO, Rn. 13 mwN). Eine Bindungswirkung kann ausnahmsweise nicht bestehen, wenn ein von vornherein unzuständiger Leistungsträger in der irrtümlichen Annahme seiner Zuständigkeit Leistungen aufgrund eines zwar rechtswidrigen, ihn selbst aber bindenden Verwaltungsakts erbringt oder mehrere Leistungsträger ihre Zuständigkeit hinsichtlich gleichartiger sozialversicherungsrechtlicher oder sozialrechtlicher Leistungen beanspruchen (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2003 - [X.], [X.]Z 155, 342, 347 ff.; vom 5. Mai 2009 - [X.], aaO, Rn. 17 f. mwN).

9

§ 118 [X.] greift grundsätzlich unabhängig davon ein, ob der Schädiger am Sozialverwaltungsverfahren beteiligt worden ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2008 - [X.], [X.], 1358 Rn. 20; [X.], [X.], 418, 419; LPK-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 118 Rn. 1). Etwas anderes gilt allerdings in Fällen, in denen dieser nach § 12 Abs. 2 [X.] zu dem Sozialverwaltungsverfahren hinzuzuziehen war; in diesen Fällen setzt die Bestandskraft ihm gegenüber voraus, dass er in der gebotenen Weise beteiligt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 4. April 1995 - [X.], [X.]Z 129, 195, 200 ff.; vom 20. April 2003 - [X.], [X.]Z 158, 394, 397; vom 20. November 2007 - [X.], [X.], 255 Rn. 11, 13 mwN).

bb) Im Falle eines Wegeunfalls gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist der Unfallversicherungsträger zuständig; zugleich sind Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 11 Abs. 5 SGB V (früher § 11 Abs. 4 SGB V) ausgeschlossen. Der [X.] hat auch nicht vorgetragen, dass andere Leistungsträger ihre Zuständigkeit beanspruchen.

Er macht allerdings geltend, entgegen dem Vortrag der Klägerin sei der Bescheid vom 26. Januar 2010 nicht bestandskräftig geworden, weil er am Sozialverwaltungsverfahren nicht beteiligt worden sei. Mit diesem Vorbringen hat er keinen Erfolg, wenn eine Hinzuziehung des [X.]n als Beteiligter an diesem Verfahren nach § 12 Abs. 2 [X.] zu Recht abgelehnt worden ist, weil der Ausgang des Sozialverwaltungsverfahrens (Anerkennung des Unfalls als Wegeunfall) weder eine rechtsgestaltende Wirkung für den [X.]n hat noch dadurch dessen rechtliche Interessen berührt werden können. Ist nämlich der Schädiger - anders als in einem hier nicht vorliegenden Fall der §§ 104 ff. [X.] - durch die Entscheidung des [X.] nicht in eigenen Rechten berührt, kann er nicht mit einer erfolgreichen Anfechtung in dieses Rechtsverhältnis hineinwirken (vgl. BVerwG, NJW 1993, 1610, 1611). [X.] ein Gericht eine Aussetzung nach § 148 ZPO unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Beteiligung des Schädigers, hat es grundsätzlich im Rahmen der für eine Aussetzungsentscheidung erforderlichen Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Beteiligung am Sozialverwaltungsverfahren gemäß § 12 Abs. 2 [X.] schlüssig dargelegt sind. Ließe man für eine Aussetzung nach § 148 ZPO lediglich genügen, dass der [X.] als Schädiger seine Hinzuziehung zu dem Sozialverwaltungsverfahren betreibt, bestünde regelmäßig die Möglichkeit, den Zivilprozess mit Hilfe von Rechtsbehelfen im Sozialverwaltungsverfahren und in einem anschließenden Sozialgerichtsprozess ohne sachliche Rechtfertigung erheblich zu verzögern.

cc) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine notwendige Hinzuziehung des [X.]n gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht vor. Der Ausgang des Verwaltungsverfahrens über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls hat nämlich für den [X.]n keine rechtsgestaltende Wirkung.

(1) Rechtsgestaltende Wirkung hat der Ausgang des Verfahrens, wenn die in Betracht kommende Entscheidung unmittelbar Rechte eines [X.] begründet, ändert oder aufhebt (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 13 Rn. 40; [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 12 Rn. 36 [Stand: September 2007]; [X.]/[X.], § 12 [X.] Rn. 11 [Stand: Dezember 2003]; von [X.] in von [X.], [X.], 7. Aufl., § 12 Rn. 14). Die konkrete Möglichkeit einer rechtsgestaltenden Wirkung genügt (vgl. [X.], 75, 80; BVerwGE 18, 124, 128; von [X.], aaO). In den Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] sind auch Verwaltungsverfahren einzubeziehen, die den Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes zum Ziel haben, sofern der Verwaltungsakt die Rechtsstellung eines [X.] dergestalt berührt, dass dieser in einem anschließenden Gerichtsverfahren nach § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ([X.]) notwendig beizuladen ist (vgl. [X.], 160, 162; [X.]/[X.]/[X.], aaO, Rn. 37; [X.]/[X.], aaO). Die Beiladung ist nach § 75 Abs. 2 Fall 1 [X.] notwendig, wenn durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre des [X.] unmittelbar eingegriffen wird, wenn also die Entscheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch unmittelbar Rechte Dritter gestaltet werden (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 75 Rn. 10 mwN; [X.] Sozialrecht/[X.], § 75 [X.] Rn. 2 [Stand: 1. Juni 2011]; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 75 Rn. 4).

(2) Nach diesen Grundsätzen hat die Anerkennung des Arbeitsunfalls durch die Klägerin keine rechtsgestaltende Wirkung für den [X.]n.

Der [X.] nach § 116 [X.] führt zu keiner inhaltlichen Änderung des Anspruchs. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger geht gemäß § 116 [X.] so auf den Sozialversicherungsträger über, wie er zur [X.] besteht, nicht in Höhe etwa darüber hinaus gehender Sozialleistungen (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2010 - [X.], [X.], 550 Rn. 7; [X.]/Kater, § 116 [X.] Rn. 141 [Stand: April 2011]). Ein eigenes subjektiv-öffentliches Recht eines Unfallverursachers, dass der Unfall nicht als Arbeitsunfall anerkannt wird, ist der Rechtsordnung nicht zu entnehmen (vgl. [X.], Urteil vom 25. April 1990 - L 3 U 1/90, juris). Die Legalzession erfolgt aus seiner Sicht zufällig. Einreden verliert der Schädiger wegen §§ 404, 412 [X.] nicht (vgl. Wannagat/Eichenhofer, [X.]/3, § 116 Rn. 29 [Stand: März 2001]; LPK-[X.]/ [X.], 3. Aufl., § 118 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.], 70. Aufl., § 412 Rn. 1, Vorb. v. § 249 Rn. 120). Er soll durch den [X.] weder besser noch schlechter gestellt werden (vgl. LPK-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 116 Rn. 15).

Solange der Schädiger nicht Gefahr läuft, wegen gleichartiger Leistungen mehrfach auf Ersatz in Anspruch genommen zu werden, besteht für ihn kein Interesse daran, die Zuständigkeit gerade des betreffenden Leistungsträgers überprüfen lassen zu können. Insoweit stellt sich für den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer das System der [X.] Sicherungen mit seinen in §§ 102 ff. [X.] vorgesehenen internen Ausgleichsregelungen als Einheit dar (vgl. Senatsurteile vom 3. Mai 1960 - [X.], NJW 1960, 1452; vom 5. Mai 2009 - [X.], [X.], 995 Rn. 18). Mangels einer rechtsgestaltenden Wirkung der Anerkennung des Arbeitsunfalls ihm gegenüber scheidet eine Hinzuziehung des beklagten Schädigers zu dem Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] aus (vgl. auch [X.], Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 32 Rn. 91; [X.], NJW 2010, 2311, 2316 f.; LPK-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 118 Rn. 1 und für den ähnlich gelagerten Fall von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz [X.], NVwZ-RR 1996, 450, 451; [X.], [X.], 418, 419; [X.]/[X.], [X.], § 12 Rn. 40 [Stand: Februar 2011]).

dd) Auch die Voraussetzungen für eine einfache Hinzuziehung des [X.]n nach § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] liegen nicht vor.

(1) Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] können diejenigen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden, als Beteiligte hinzugezogen werden. Inwieweit die Behörde hiervon Gebrauch macht, steht in ihrem Ermessen. Entscheidend kommt es darauf an, ob durch die Hinzuziehung eine Verbesserung des [X.] und des [X.] erwartet werden kann (vgl. Wannagat/[X.], [X.]/1, § 12 Rn. 9 [Stand: April 2001]).

Ein rechtliches Interesse ist gegeben, wenn der Ausgang des Verwaltungsverfahrens die Rechtslage des [X.]n verbessern oder verschlechtern kann. Rechtliche Interessen können wirtschaftliche, finanzielle, sozialrechtliche und sonstige Interessen sein, wenn sie durch eine Norm des öffentlichen oder des Privatrechts geschützt sind. Bloße tatsächliche oder ideelle Interessen, die rechtlich nicht geschützt sind, rechtfertigen die Hinzuziehung nicht (vgl. [X.], 291, 293; [X.]/[X.]/[X.], aaO, Rn. 30; [X.]/[X.], aaO, Rn. 10; LPK-[X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl., § 12 Rn. 11; [X.]/[X.], aaO, Rn. 24; von [X.], aaO, § 12 Rn. 10). Es kommt darauf an, ob es im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand eine Rechtsnorm gibt, die - zumindest auch - die Interessen des eventuell [X.] schützt, und ob diese möglicherweise tangiert sind (vgl. [X.], 291, 293; [X.], 99, 100 f. mwN; LPK-[X.]/[X.]/[X.], aaO). Im Zweifel ist bei der Annahme des Berührtwerdens großzügig zu verfahren. Ausreichend ist die konkrete Möglichkeit einer Interessenberührung zu Beginn des Verwaltungsverfahrens (vgl. [X.]/[X.]/[X.], aaO, Rn. 32; LPK-[X.]/[X.]/[X.], aaO).

(2) Die Möglichkeit, dass rechtliche Interessen des [X.]n von dem Sozialverwaltungsverfahren über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls der Geschädigten berührt werden, besteht nicht.

Ein rechtlich geschütztes Interesse des [X.]n ist nicht deshalb berührt, weil ein von der Krankenkasse zu zahlendes Krankengeld in der Regel niedriger ausfällt als das von dem Unfallversicherungsträger zu zahlende Verletztengeld (vgl. dazu [X.], r+s 2002, 441, 444). Die Klägerin kann Sozialleistungen nur in dem Umfang einer sachlichen Kongruenz zu dem Schadensersatzanspruch des Geschädigten von dem Schädiger ersetzt verlangen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., [X.]. 30 Rn. 9); eine sachliche Kongruenz kann zwischen Kranken- oder Verletztengeld und Erwerbsschaden bestehen (vgl. [X.]/[X.], aaO, [X.]. 30 Rn. 25). Dem Sozialversicherungsträger steht ein übergeleiteter Anspruch nur bis zur Höhe des [X.] zu. Wenn die Sozialleistungen dahinter zurückbleiben, steht dem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz des restlichen [X.] gegen den Schädiger zu. Der Schadensersatzanspruch, dem der [X.] ausgesetzt ist, ist demnach in der Summe unabhängig davon, welcher Sozialversicherungsträger eintritt.

Das Interesse des [X.]n an einem etwaigen Verjährungseintritt gegenüber dem Krankenversicherungsträger rechtfertigt es ebenfalls nicht, den [X.]n an dem Verwaltungsverfahren über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls zu beteiligen. Dieses Interesse ist nicht durch eine Norm des öffentlichen oder des Privatrechts geschützt. § 11 Abs. 5 SGB V (früher: § 11 Abs. 4 SGB V), der Leistungen aus der Krankenversicherung ausschließt, wenn Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen, dient der klaren Abgrenzung dieser Versicherungszweige (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 3. Mai 1988, BT-Drucks. 11/2237, [X.]). Ein rechtlich geschütztes Interesse des [X.]n, das eine Beteiligungsmöglichkeit nach § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] eröffnet, liegt insoweit nicht vor (vgl. auch [X.], [X.], 418, 419).

ee) Eine Vorgreiflichkeit des Verwaltungsverfahrens ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht aus der Möglichkeit, dass die Klägerin den Bescheid vom 26. Januar 2010 auf Betreiben des [X.]n abändert (vgl. §§ 44 bis 48 [X.]). Als Durchbrechung der - jedenfalls im Verhältnis zum [X.]n bestehenden - Bestandskraft ausgestaltete Möglichkeiten zur Aufhebung oder Abänderung von Entscheidungen stehen der Unanfechtbarkeit nach § 118 [X.] nicht entgegen (vgl. [X.] Sozialrecht/[X.], § 118 [X.] Rn. 4b [Stand: 1. Juni 2011]; von [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Sozialgesetzbuch, § 118 [X.] Rn. 3.2 [Stand: November 2000]; LPK-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 118 Rn. 2).

c) Nach den vorstehenden Ausführungen liegt die für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO erforderliche Vorgreiflichkeit nicht deswegen vor, weil der [X.] am Sozialverwaltungsverfahren über die Anerkennung des Unfalls der Geschädigten als Arbeitsunfall (Wegeunfall) nicht beteiligt worden ist. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung verweist allerdings darauf, dass der [X.] auch die von der Klägerin mitgeteilte Bestandskraft des Bescheids vom 26. Januar 2010 unter Hinweis auf die von der Klägerin ursprünglich mitgeteilten Zustellungsprobleme in Frage gestellt habe. Das Berufungsgericht wird deswegen nach der Zurückverweisung der Sache zu prüfen haben, ob der Vortrag des [X.]n der Annahme einer unanfechtbaren Entscheidung im Sinne des § 118 [X.] entgegensteht und der Klägerin gegebenenfalls Gelegenheit geben müssen, die Bestandskraft des Verwaltungsakts nachzuweisen (vgl. auch § 37 Abs. 1, 2 [X.]).

Galke                                                Wellner                                            Pauge

                         [X.]                                                   von [X.]

Meta

VI ZB 59/10

08.11.2011

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 7. Oktober 2010, Az: 12 U 83/09, Beschluss

§ 148 ZPO, § 12 Abs 2 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2011, Az. VI ZB 59/10 (REWIS RS 2011, 1658)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1658

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Referenzen
Wird zitiert von

VI ZB 59/10

7 U 25/22

Zitiert

VI ZR 331/08

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