Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.12.2014, Az. V ZR 84/14

5. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 125

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Selbstablehnung eines Richters: Besorgnis der Befangenheit infolge ähnlicher Lebensschicksale der Familien des Richters und der Familien der beklagten Partei in einem Verfahren der Vermögensrestitution


Tenor

Die Selbstablehnung der Vorsitzenden Richterin am [X.] Dr. S.     wird für begründet erklärt.

Gründe

I.

1

1. Die klagende [X.] war Verfügungsberechtigte über [X.] in [X.], die den Rechtsvorgängern der Beklagten verfolgungsbedingt entzogen und mit einem seit dem 13. März 2007 bestandskräftigen Bescheid des [X.] und offene Vermögensfragen restituiert wurden. Sie verlangt von den Beklagten Erstattung ihres [X.]. Ihre Klage hatte in den Vorinstanzen zum überwiegenden Teil Erfolg. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] haben die Beklagten Nichtzulassungsbeschwerde erhoben.

2

2. Mit dienstlicher Äußerung vom 7. November 2014 hat die Vorsitzende Richterin am [X.] Dr. S.    angezeigt, dass ihre - verstorbenen -Eltern mit den Beklagten zu 1 und 2, nicht zuletzt aufgrund der gemeinsamen Erfahrungen im [X.] Exil, über Jahrzehnte freundschaftlich verbunden waren. Sie selbst habe seit Jahren keinen unmittelbaren Kontakt mit den beiden Beklagten und ihren Familien, sie fühle sich den Familien der Beklagten aber über ihre Eltern von Kindheit an verbunden. Hieraus könne sich die Besorgnis ihrer Befangenheit ableiten.

3

3. Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin hat erklärt, gegen die Selbstablehnung der Vorsitzenden Richterin bestünden keine Einwände. Die Beklagten haben erklärt, sie sähen keine Notwendigkeit, einen Befangenheitsantrag zu stellen.

II.

4

Der Senat hat gemäß § 48 Alt. 1 ZPO in Verbindung mit § 45 Abs. 1, § 46 Abs. 1 ZPO darüber zu entscheiden, ob ein Grund besteht, der die Besorgnis der Befangenheit begründet. Das ist der Fall.

5

1. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht einer Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 15. März 2012 - [X.] 102/11, [X.], 1890 Rn. 10 mwN). Nicht erforderlich ist dagegen, dass tatsächlich eine Befangenheit vorliegt. Vielmehr genügt es, dass die aufgezeigten Umstände geeignet sind, der betroffenen Partei Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben; denn die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2012 - [X.] 102/11, aaO).

6

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen begründet eine Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin in dem vorliegenden Verfahren die Besorgnis der Befangenheit.

7

a) Die Parteien haben eine Befangenheit der Vorsitzenden Richterin nicht klar und eindeutig ausgeschlossen.

8

b) Gegenstand des Rechtsstreit ist die Frage, ob die Beklagten als Nebenfolge der Wiedergutmachung des Unrechts, das ihnen und ihren Rechtsvorgängern in der [X.] widerfahren ist, der Klägerin als bisheriger [X.] Aufwendungsersatz zu leisten haben. In dem bei dem Senat anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist zu prüfen, welche höchstrichterlich klärungsbedürftigen Fragen die Verurteilung der Beklagten aufwirft. Die Ersatzpflicht des [X.] ist in dem [X.] nicht ausdrücklich geregelt, sondern von dem [X.] in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 3 Satz 4 [X.] entwickelt worden und in hohem Maße von Wertungen abhängig. In diesem Zusammenhang könnten die ähnlichen Lebensschicksale zusammen mit der Verbundenheit, die die Richterin über ihre Eltern für die Familien der beiden Beklagten empfindet, trotz des fehlenden unmittelbaren Kontakts den bösen Schein möglicherweise fehlender Unvoreingenommenheit und Objektivität erwecken, dem entgegengewirkt werden soll.

[X.]

                                   Kazele                            [X.]

Meta

V ZR 84/14

18.12.2014

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 14. März 2014, Az: 1 U 802/10

§ 42 Abs 2 ZPO, § 48 Alt 1 ZPO, § 3 Abs 3 S 4 VermG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.12.2014, Az. V ZR 84/14 (REWIS RS 2014, 125)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 125

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 84/14 (Bundesgerichtshof)


AnwZ 3/13 (Bundesgerichtshof)


III ZR 160/19 (Bundesgerichtshof)


AnwZ 3/13 (Bundesgerichtshof)

Verfahren gegen die Ablehnung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof: Selbstablehnung der Präsidentin des …


AnwZ (Brfg) 46/15 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.