Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.08.2014, Az. AnwZ 3/13

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2014, 3380

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AnwZ 3/13
vom

20. August 2014

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Zulassung als Rechtsanwalt bei dem [X.]

hier: Befangenheit

-
2
-
Der [X.], [X.],
hat durch den Vorsitzenden [X.] Basdorf, den [X.] [X.], die [X.]in Dr.
Fetzer sowie die Rechts-anwälte Prof. Dr. Stüer und Dr. Martini
am 20. August 2014

beschlossen:
Die Selbstablehnung der Präsidentin des [X.] L.

wird für begründet erklärt.

Gründe:
I.
Die Kläger gehören zu den Bewerbern um die Zulassung zur Rechtsan-waltschaft bei dem [X.], die der Wahlausschuss für Rechtsan-wälte bei dem [X.] nach der am 29.
Juli 2013 durchgeführten Wahl der Bundesministerin der Justiz gemäß §§
164, 169 [X.] benannt hat. Diese ließ nach der Wahl acht neue Rechtsanwälte bei dem [X.] zu und teilte den Klägern mit gleichlautenden Schreiben vom 19.
September 2013 mit, deren Zulassungsanträgen werde nicht entsprochen.
Mit ihren vom Senat zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen, gegen das [X.] gerichteten Klagen erstreben die Kläger jeweils die Aufhebung des [X.] vom 19.
September 2013 einschließlich der zugrundeliegenden [X.] und die Verpflichtung des Beklagten,
sie jeweils als Rechts-1
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anwalt bei dem [X.] zuzulassen. Sie machen geltend, die Auf-fassung der Bundesministerin der Justiz und des zuvor befassten [X.] für Rechtsanwälte bei dem [X.], es bestünde ein [X.] von nur acht neu zuzulassenden Rechtsanwälten, sei fehlerhaft. Bei ord-nungsgemäßer Bedarfsbemessung hätte die Bundesministerin der Justiz den jeweiligen Kläger als Rechtsanwalt bei dem [X.] zulassen müs-sen. Ferner beanstanden die Kläger die Auswahl der zugelassenen Bewerber. Der Kläger zu
1 ist der Auffassung, mit der vom Wahlausschuss aufgestellten Rangfolge habe dieser den Beurteilungsspielraum zu seinem Nachteil über-schritten. Der Kläger zu
2 rügt, der Beklagte habe sich ohne eigene Prüfung der vom Wahlausschuss -
seiner Ansicht nach ohne Rechtsgrundlage
-
aufgestell-ten Rangfolge angeschlossen und somit den ihm eingeräumten Beurteilungs-spielraum nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Der Kläger zu
1 meint zudem, die angefochtene Entscheidung leide an Verfahrensfehlern, die dem Wahlaus-schuss unterlaufen seien.
Mit dienstlicher Äußerung vom 10.
Juli 2014 hat die mit Wirkung zum 1.
Juli 2014 ernannte Präsidentin des [X.] darauf hingewiesen, dass ihre Funktion als Vorsitzende des Wahlausschusses für Rechtsanwälte bei dem [X.] geeignet sein könnte, im vorliegenden Rechtsstreit ihre Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Die [X.]en er-hielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Hiervon haben sie keinen Gebrauch gemacht.
II.
Auf die dienstliche Äußerung der Präsidentin des [X.], mit der diese auf einen Umstand hingewiesen hat, der ihre Ablehnung [X.] könnte, hat
der Senat entsprechend der nach §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.], 3
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4
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§
54 Abs.
1 VwGO sinngemäß anzuwendenden Vorschrift des §
48 Alt.
1 ZPO in Verbindung mit §
45 Abs.
1, §
46 ZPO darüber zu entscheiden, ob -
wie von ihr angezeigt
-
ein Grund besteht, der die Besorgnis der Befangenheit begrün-det. Dies ist zu bejahen.
1. Nach §
42 Abs.
2 ZPO findet die Ablehnung eines [X.]s wegen
der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht einer [X.] bei vernünftiger Würdigung aller Umstände [X.] gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des [X.]s zu zweifeln (st.
Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 10.
Juni 2013 -
AnwZ
([X.]) 24/12, NJW-RR 2013, 1211 Rn.
6 und vom 15.
März 2012 -
V
ZB 102/11, [X.], 1890 Rn.
10, jeweils m.w.[X.]). Nicht erforderlich ist dagegen, dass tatsächlich eine Befangenheit vorliegt. Vielmehr genügt es, dass die auf-gezeigten Umstände geeignet sind, der [X.] Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben; denn die Vorschriften über die Befangenheit von [X.]n [X.], bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreinge-nommenheit und Objektivität zu vermeiden (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
März 2012, aaO; BVerfGE
108, 122, 126).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Ablehnungsgrund vor.
Die Präsidentin des [X.] ist kraft Gesetzes Vorsitzende des Anwaltssenats beim [X.] (§
106 Abs.
2 [X.]) und führt nach der geltenden Geschäftsverteilung in dem vorliegenden Verfahren den Vorsitz. Zugleich ist sie Vorsitzende des Wahlausschusses für Rechtsanwälte bei dem [X.] (§
165 Abs.
2 [X.]). In dieser Eigenschaft ist sie vom Ausgang des Rechtsstreits potentiell betroffen.

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Die Möglichkeit eines Interessenskonflikts wäre insbesondere dann ge-geben, wenn die Kläger zwar eine Aufhebung der Entscheidung der Bundesmi-nisterin der Justiz, nicht aber einen Ausspruch zur Verpflichtung des Beklagten zu ihrer Zulassung als Revisionsanwälte (§
170 Abs.
1 [X.]) erreichen [X.]. Denn der Beklagte könnte in diesem Falle vor
einer neuen Zulassungsent-scheidung eine Wiederholung des Wahlverfahrens -
unter Beteiligung der Prä-sidentin des [X.]
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für erforderlich halten. Dies käme insbeson-dere in Betracht, sofern die Kläger mit den gegen die Rechtmäßigkeit der Ent-scheidung des Wahlausschusses vorgebrachten Einwänden durchdringen soll-ten.
Die sich daraus möglicherweise ergebenden Interessenkollisionen [X.] aus Sicht einer [X.] bei vernünftiger Würdigung Anlass zu Zweifeln an der Unparteilichkeit der Präsidentin des [X.] geben und [X.] daher deren Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Ohne die Selbstablehnung wäre die Präsidentin des [X.] dazu berufen, den Vorsitz über den vorliegenden Rechtsstreit zu führen (§
106 Abs.
2 [X.]) und darüber -
gemeinsam mit den weiteren Mitgliedern des Spruchkörpers
-
zu entscheiden. Von dem derzeit offenen Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits hängt aber auch ab, ob eine erneute Befassung des Wahlausschusses mit den Zulassungsbegehren der Kläger veranlasst sein wird. Im Falle ihrer Mitwirkung im hiesigen Verfahren hätte die Präsidentin
des [X.] daher als Vorsitzende des Anwaltssenats bei dem [X.] darüber zu befin-den, ob der Wahlausschuss, dessen Vorsitzende sie ebenfalls ist, erneut tätig zu werden hat. In Anbetracht dieser Umstände ist zur Vermeidung des bösen Scheins einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Neutrali-tät die Selbstablehnung der Präsidentin des [X.] für begründet zu erklären.
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Dies entspricht auch der Wertung des §
54 Abs.
3 VwGO, wonach die Besorgnis der Befangenheit nach §
42 ZPO stets dann begründet ist, wenn der beteiligte [X.] der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden. Zwar ist §
54 Abs.
3 VwGO vorliegend in Anbetracht der mangelnden Rechtsfähigkeit des Wahlausschusses nicht unmit-telbar anwendbar. Der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Rechtsge-danke lässt sich aber ohne weiteres auf die vorliegende Fallgestaltung übertra-gen. Denn dem Wahlausschuss, in dem die Präsidentin des [X.] den Vorsitz führt, kommt nach den berufsrechtlichen Bestimmungen eine eigenständige Rolle zu. Ihm wird vom Gesetz eine eigene, teilweise für den [X.] bindende (vgl. §
164 [X.]) Entscheidungszuständigkeit bei der Vorbe-reitung der streitgegenständlichen Zulassungsentscheidungen zugewiesen.
Basdorf
[X.]
Fetzer

Stüer
Martini

10

Meta

AnwZ 3/13

20.08.2014

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.08.2014, Az. AnwZ 3/13 (REWIS RS 2014, 3380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3380

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