Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.05.2021, Az. B 9 SB 65/20 B

9. Senat | REWIS RS 2021, 5992

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Fehlen von Entscheidungsgründen - zulässige Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Urteils - Änderung der prozessualen Beurteilungssituation - neue rechtserhebliche Tatsachen - keine geänderte Prozesslage durch späteren Arztbrief bei Anfechtungsklage


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 30. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich in der Hauptsache gegen die Herabsetzung seines mit Bescheid vom [X.] mit 50 festgestellten Grades der Behinderung (GdB) auf 30 (Bescheid des Beklagten vom 26.7.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.]). Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage hat das [X.] nach Einholung von [X.] der behandelnden Ärzte und Sachverständigengutachten abgewiesen. Zum hier allein maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom [X.] könne kein höherer GdB als 30 festgestellt werden (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat die Berufung des [X.] als unbegründet zurückgewiesen und auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen, die es sich vollumfänglich zu eigen gemacht hat (Urteil vom 30.7.2020).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim B[X.] eingelegt. Er macht als Verfahrensmängel geltend, das L[X.]-Urteil sei nicht mit Gründen versehen und verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die behaupteten Verfahrensmängel nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G).

4

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 1 [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung dieses [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargetan werden.

5

Daran fehlt es hier. Der Kläger hat den behaupteten Verstoß gegen § 136 Abs 1 [X.] 6 [X.]G iVm § 153 Abs 2 [X.]G und damit auch eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (§ 62 [X.]G, Art 103 Abs 1 GG) nicht hinreichend substantiiert dargetan.

6

Nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] zu § 136 Abs 1 [X.] 6 [X.]G (zB B[X.] Beschluss vom 21.8.2017 - B 10 EG 1/17 B - juris Rd[X.] 10 mwN) müssen die Entscheidungsgründe im Regelfall zu allen entscheidungserheblichen Streitpunkten die Erwägungen, die zum Urteilsausspruch des Gerichts geführt haben, enthalten. Zum Mindestinhalt eines Urteils, der durch eine Bezugnahme auf vorinstanzliche Entscheidungen, Akten ua Unterlagen nicht ersetzt werden kann, gehört danach grundsätzlich die Angabe der angewandten Rechtsnormen und der für erfüllt bzw nicht gegeben erachteten Tatbestandsmerkmale sowie der ausschlaggebenden tatsächlichen und rechtlichen Gründe.

7

Wie der Kläger indes nicht ausreichend berücksichtigt, gelten diese Begründungsanforderungen nicht im geschilderten Umfang, wenn das L[X.] rechtsfehlerfrei von der in § 153 Abs 2 [X.]G vorgesehenen Verweisungsmöglichkeit Gebrauch macht. Die Vorschrift soll dem Berufungsgericht "überflüssige [X.] und Schreibarbeit" ersparen, wenn und soweit das L[X.] die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurückweist, die die Beteiligten bereits kennen (vgl B[X.] Beschluss vom 21.8.2017 - B 10 EG 1/17 B - juris Rd[X.] 11 mwN).

8

Es steht im freien Ermessen des L[X.], ob es gemäß § 153 Abs 2 [X.]G verfährt. Das Berufungsgericht kann auf diese Vorschrift stets dann zurückgreifen, wenn das Urteil des [X.] ausreichende Entscheidungsgründe iS des § 136 Abs 1 [X.] 6 [X.]G enthält und es lediglich aus diesen Gründen die Berufung zurückweisen will. Dann vermeidet es, dem Normzweck der Vorschriften entsprechend, die Argumente der Vorinstanz schlicht zu wiederholen (B[X.] Beschluss vom 21.8.2017 - B 10 EG 1/17 B - juris Rd[X.] 12).

9

Nur wenn ein Beteiligter im Berufungsverfahren neue rechtserhebliche Tatsachen oder substantiierte Einwendungen gegen die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe vorgebracht oder entsprechende Beweisanträge gestellt hat, muss sich das L[X.] in jedem dieser Fälle damit auseinandersetzen (vgl B[X.] Beschluss vom 21.8.2017 - B 10 EG 1/17 B - juris Rd[X.] 13). In solchen Fällen genügt eine bloße Bezugnahme gemäß § 153 Abs 2 [X.]G nicht. Sie würde neues rechtserhebliches Vorbringen übergehen und damit das rechtliche Gehör (§ 62 [X.]G, Art 103 Abs 1 GG) des betreffenden Beteiligten verletzen (Senatsurteil vom [X.] - B 9 [X.] R - juris Rd[X.] 16; B[X.] Beschluss vom 21.8.2017, aaO).

Der Kläger behauptet nicht, das [X.]-Urteil enthalte keine ausreichenden Gründe. Ebenso wenig trägt er substantiiert vor, welche rechtserheblichen neuen Tatsachen oder stichhaltigen Einwendungen er mit der Berufung vorgebracht hat, auf die das L[X.] zwingend hätte eingehen müssen. Der Kläger verweist zwar auf einen im Berufungsverfahren vorgelegten Arztbrief vom 30.4.2020. Er setzt sich jedoch nicht mit der prozessualen Beurteilungssituation bei der hier erhobenen isolierten (reinen) Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 [X.]G) auseinander. [X.] der Rechtmäßigkeit der GdB-Herabsetzung ist hier - worauf auch bereits die Vorinstanzen zutreffend hingewiesen haben - die Sach- und Rechtslage bei der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend also die Sach- und Rechtslage beim Erlass des Widerspruchsbescheids vom [X.] (vgl Senatsurteil vom 10.9.1997 - 9 RVs 15/96 - B[X.]E 81, 50, 52 = [X.]-3870 § 3 [X.] 7 S 14 = juris Rd[X.] 11; Senatsurteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 - B[X.]E 79, 223, 225 ff = [X.]-1300 § 48 [X.] 57 S 126, 129 ff = juris Rd[X.] 14 ff). Der Kläger zeigt aber nicht auf, aus welchem Grund hierfür die im Arztbrief vom 30.4.2020 beschriebene [X.] rechtlich relevant sein sollte. Soweit er mit der vom [X.] vorgenommenen Auswertung der Sachverständigengutachten, die sich das L[X.] zu eigen gemacht hat, nicht einverstanden ist, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen nach Maßgabe des § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G, die § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G indes der Beurteilung durch das B[X.] als Beschwerdegericht entzieht.

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 [X.]G).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der entsprechender Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 9 SB 65/20 B

11.05.2021

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Landshut, 31. Juli 2019, Az: S 3 SB 49/18, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG, § 62 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, § 153 Abs 2 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.05.2021, Az. B 9 SB 65/20 B (REWIS RS 2021, 5992)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5992

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