Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.07.2012, Az. 27 W (pat) 540/12

27. Senat | REWIS RS 2012, 4248

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Liegnitzer" – geografische Herkunftsangabe - Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 064 385.7

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] durch [X.] [X.], [X.] und die Richterin [X.] am 26. Juli 2012

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Anmeldung der Wortmarke

2

[X.]er

3

hat die Markenstelle für Klasse 43 des [X.] teilweise, nämlich für die folgenden Waren der

4

Klasse 32:

5

Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; [X.] und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;

6

Klasse 33:

7

Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);

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mit Beschluss vom 5. März 2012 zurückgewiesen.

9

Das hat sie auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] gestützt und damit begründet, die Prüfung geographischer Herkunftsangaben auf mögliche Schutzhindernisse richte sich vor allem nach den [X.], die der [X.] in der [X.] vorgegeben habe. Danach sei die Eintragung auch zu versagen, wenn die Benutzung des angemeldeten Zeichens als Sachangabe noch nicht zu beobachten sei, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen könne. Es komme darauf an, ob eine beschreibende Verwendung vernünftigerweise zu erwarten sei.

Bei "[X.]" handle es um den Namen einer [X.] in [X.], der als Herkunftsangabe in Betracht komme. Das angemeldete Zeichen sei sprachregelgerecht als adjektivische Form des Städtenamens gebildet. Es stehe bei den versagten Waren für "aus [X.] stammend". Aufgrund seiner Größe mit mehr als 100.000 Einwohnern sei anzunehmen, dass in [X.] mehrere Betriebe der Getränkeindustrie ansässig seien.

Dass es sich um den [X.] Namen der [X.] [X.] handle, sei unerheblich. Fremdsprachige geographische Herkunftsangaben würden sowohl in der Sprache des Herkunftslandes, als auch in der Sprache des Abnehmerlandes verwendet.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde vom 10. April 2012.

Er vertritt die Auffassung, [X.], zu Deutsch [X.], sei wie [X.] und [X.] den [X.] Verbrauchern kaum bekannt, so dass es ebenso wie deren Namen als Marke schutzfähig sei. Keinesfalls werde der Ort [X.] mit Getränken in Verbindung gebracht. Die adjektivische Form sei dafür aber als Markenform üblich. Zudem könne "[X.]er" in einer markenmäßigen Form verwendet werden; Unterscheidungskraft sei damit nicht ausgeschlossen.

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 43 des [X.] vom 5. März 2012 aufzuheben

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Angesichts der Größe, Struktur und Bedeutung der [X.] handelt es sich bei "[X.]er" um eine geografische Herkunftsangabe im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] und damit um eine freihaltungsbedürftige Angabe, die einer markenrechtlichen Registrierung entgegensteht.

Denn bei den hier beanspruchten zum täglichen Bedarf zählenden Getränken haben die Verbraucher Anlass anzunehmen, die beanspruchten Waren stammten aus [X.].

1.

§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] schließt von der Eintragung als Marke u. a. Angaben aus, die zur Bezeichnung der geographischen Herkunft dienen können.

Mit dem Ausschluss solcher Angaben vom Markenschutz verfolgt der Gesetzgeber das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass alle Marktteilnehmer alle unmittelbar [X.] Angaben, einschließlich solcher über die geographische Herkunft, frei verwenden können. Die Zurückweisung einer Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] setzt nicht voraus, dass die Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung bereits tatsächlich für die fraglichen Waren und Dienstleistungen oder für ihre Merkmale beschreibend verwendet werden. Es genügt vielmehr, wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, dass die Angaben zu diesem Zweck verwendet werden können ([X.]. 2004, 28, 29 – [X.]). Bei der Prüfung der Frage, ob eine Ortsangabe zur Bezeichnung der geografischen Herkunft bestimmter Waren und Dienstleistungen dienen kann, sind nicht nur die aktuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Maßgeblich ist vielmehr auch, ob eine beschreibende Verwendung der fraglichen Angabe vernünftigerweise in Zukunft zu erwarten ist, wobei ein Ausschluss von der Eintragung nicht voraussetzt, dass ein konkretes, aktuelles oder ernsthaftes Freihaltungsbedürfnis besteht ([X.] [X.], 723, 726, Rn. 35 - [X.]). Notwendig, aber zugleich ausreichend sind insoweit Feststellungen zu den gegenwärtigen Verhältnissen und möglichen, nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklungen, die eine beschreibende Verwendung der betreffenden Ortsangabe vernünftigerweise erwarten lassen ([X.] a. a. [X.] Rn. 31 und 37 - [X.]). Bei Namen von Ländern, Regionen, Großstädten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geografische Herkunftsangaben zur freien Verwendung benötigt werden können, denn eine Eignung, als geografische Herkunftsangabe zu dienen, kommt insbesondere den Namen bekannter Orte zu, bei denen nicht unwahrscheinlich ist, dass das Publikum eine Verbindung zu den beanspruchten Waren herstellen kann ([X.] a. a. [X.] Rn. 32 – [X.]; [X.], 905, 907 – [X.]; [X.] GRUR 2002, 351, 352 f. – [X.]; [X.]; Beschluss vom 16. November 2005, [X.].: 26 W (pat) 155/03 - New York).

Dabei ist demnach maßgeblich, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung von Betrieben zur Produktion der beanspruchten Waren vernünftigerweise zu erwarten ist.

Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist nur dann nicht gegeben, wenn die betroffenen Waren mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise nicht in Verbindung gebracht werden können (vgl. [X.], [X.], 723, 726, Nr. 25, 31 - 34 - [X.]; [X.] GRUR 2006, 509, 510 - [X.]; [X.], [X.], 666, 672).

[X.] steht für [X.], einer [X.] in der [X.] in [X.]. Bedeutende Industriezweige sind die Textil- und Metallverarbeitung. [X.] mit über 100.000 Einwohnern ist Kreisstadt des [X.] sowie Sitz des Bistums [X.]. Bis 1945 war [X.] Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks in der [X.] [X.] und weist die Geschichte jedenfalls dreier größerer Brauereien aus ([X.]er Aktienbrauerei [X.], 1858 - 1945; Brau-Commune [X.], 1345 - 1945; Brauerei Robert Rothkirch).

Entsprechend den genannten rechtlichen Anforderungen (vgl. auch [X.] GRUR 2010, 534, 536, Rn. 26 ff. - [X.]) können die angesprochenen Verbraucher bei "[X.]" sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug hinsichtlich der geographischen Herkunft sowie zwischen dem Zeichen und den beanspruchten Waren herstellen.

Wie die Markenstelle zutreffend ermittelt hat, verfügt [X.] über eine entsprechende Infrastruktur, für die bei Getränken ja keine besonders schwierigen Kriterien zu erfüllen sind.

Somit handelt es sich - auch unabhängig von der Brauereigeschichte der [X.] - nicht um eine bloße theoretische Möglichkeit, dass sich in [X.] (weitere) Brauereien oder sonstige Unternehmen zur Getränkeherstellung ansiedeln können oder von dort diese Waren beziehen oder einführen.

Die angesprochenen Verbraucher kennen jedenfalls den [X.] Namen "[X.]", in einem entscheidungserheblichen Umfang, zumal noch Vertriebene in der [X.] leben, die in ihrer Kindheit in [X.] gelebt haben. Über sie wissen auch Nachkommen, die nach 1945 geboren sind, um [X.].

Dass es Getränkemarken gibt, die ein entsprechendes Bildungsprinzip aufweisen ([X.], [X.], [X.], [X.] etc.), führt nicht dazu, dass jedes entsprechend adjektivisch gebildete Zeichen auf der Basis einer geographischen Angabe als Marke anzusehen ist. Viele der vom Anmelder zitierten Marken dürften nur über Verkehrsdurchsetzung Schutz erlangt haben (vgl. [X.], Urteil v. 17. Januar 2012 - 1 O 192/11, zur Schutzunfähigkeit von "[X.]").

Soweit der Anmelder auf die Registrierung vergleichbarer Angaben verweist, ergibt sich hieraus auch kein Anspruch auf Eintragung.

Zwar kann eine uneinheitliche Entscheidungspraxis des [X.], die dazu führt, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wesentlich gleiche Sachverhalte ohne nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt worden sind, grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG darstellen. Dies setzt aber voraus, dass sich die bisherige [X.] als willkürlich herausstellt und nicht erkennen lässt, welche der vorangegangenen Entscheidungen rechtmäßig und welche rechtswidrig waren ([X.], Beschluss vom 10. Januar 2007, [X.].: 29 W (pat) 43/04, BeckRS 2007, 12252 - [X.]). Allein aus vorangegangenen Entscheidungen lässt sich nämlich noch nicht der Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung ableiten, zumal es sich um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen oder Eintragungen vor Eintritt einer Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln kann. Außerdem kann sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen ([X.] GRUR 2009, 667, 668 Rn. 18 - Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und Schwabenpost).

Die genannten Marken enthalten andere Wörter und damit auch andere Bedeutungen, die die im Übrigen allgemein bekannte durchgehend strenge [X.] nicht willkürlich erscheinen lässt.

Ohnehin verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise, da jeder Fall unter Einbeziehung seiner Besonderheiten, insbesondere der Marke selbst, der Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, und des beteiligten Publikums, zu beurteilen ist. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage und selbst Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken führen nach ständiger Rechtsprechung somit nicht zu einem Anspruch auf Eintragung.

2.

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 [X.]) besteht kein Anlass.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 574 ZPO) sieht der [X.] keinen Anlass. Der Fall wirft keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Der [X.] weicht mit dieser Entscheidung nicht von Entscheidungen anderer [X.]e oder Gerichte ab. Die Entscheidung erschöpft sich vielmehr in einer einzelfallbezogenen Anwendung höchstrichterlich geklärter Beurteilungsgrundsätze.

Meta

27 W (pat) 540/12

26.07.2012

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.07.2012, Az. 27 W (pat) 540/12 (REWIS RS 2012, 4248)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4248

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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