Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2022, Az. II R 4/20

2. Senat | REWIS RS 2022, 2680

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Gegenstand

Verminderung des Anteils am Vermögen einer KG


Leitsatz

Eine Anteilsminderung i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG liegt vor, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand gemindert wird. Das kann durch Veräußerung des Gesellschaftsanteils selbst bewirkt werden oder auch durch anderweitige Vereinbarungen erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks kommt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom [X.] - 5 K 1953/16 insoweit aufgehoben, als es die Feststellung über den Umfang der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes betrifft.

Der Bescheid des Beklagten über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 13.11.2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23.06.2016 wird hinsichtlich der Feststellung zum Umfang der Steuervergünstigung dahingehend geändert, dass die Steuervergünstigung für den Erwerbsvorgang nur in Höhe von 94 % versagt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 90 % und der Beklagte zu 10 % zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Am Vermögen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer KG, war [X.] zu 100 % beteiligt. Mit Kaufvertrag vom [X.] erwarb die Klägerin diverse Grundstücke von insgesamt zehn [X.], deren Kommanditanteile von den leiblichen Kindern des [X.] gehalten wurden. Die veräußernden [X.] hatten den Grundbesitz in diesem [X.]eitpunkt über einen [X.]eitraum von mehr als fünf Jahren gehalten.

2

Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 31.10.2008 (Feststellungsbescheid) stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) fest, dieser Erwerbsvorgang sei nach § 3 Nr. 6 i.V.m. § 6 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes ([X.]) steuerfrei.

3

Mit [X.] veräußerte [X.] 94 % seiner Kommanditanteile an der Klägerin mit sofortiger Wirkung an E. Außerdem unterbreitete [X.] am selben [X.] ein bis zum 30.06.2014 für [X.] unwiderrufliches notariell beurkundetes Angebot auf Abschluss eines Kauf- und [X.] über den ihm verbliebenen Kommanditanteil von 6 %. Am [X.] trat [X.] seine Gewinn- und Verlustbeteiligung für die bei ihm verbliebenen 6 % bis zum 31.12.2013 an E ab.

4

Nach einer Betriebsprüfung kam das [X.] zu dem Ergebnis, dass die Steuervergünstigung für den Vertrag vom [X.] angesichts der Vorgänge vom xx./[X.] gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] vollumfänglich rückwirkend zu versagen sei. Es erließ am 13.11.2015 einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid gegenüber der Klägerin und wies den dagegen gerichteten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23.06.2016 als unbegründet zurück.

5

Die Klage vor dem [X.] ([X.]) hatte nur dahingehend Erfolg, dass die Bemessungsgrundlage für den Erwerbsvorgang antragsgemäß herabgesetzt wurde. [X.]ur Begründung der rückwirkenden Versagung der Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 [X.] führte das [X.] im Wesentlichen aus, der Anteil des [X.] an der Klägerin habe sich innerhalb der [X.] 3 Satz 2 [X.] um 100 % verringert. Die [X.] sei nicht um die [X.]eiten zu verkürzen, in denen die Kinder des [X.] an den veräußernden Gesellschaften beteiligt gewesen seien. § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] sei auch dann nicht restriktiv auszulegen, wenn die Vorgänge vom xx./[X.] ihrerseits der Grunderwerbsteuer unterlegen haben sollten. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2020, 1701 veröffentlicht.

6

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] müsse einschränkend ausgelegt werden, wenn der Rechtsakt, der die Anteilsminderung bewirke, seinerseits der Grunderwerbsteuer unterliege. In einer solchen Konstellation scheide eine Steuerumgehung objektiv aus, so dass eine teleologische Reduktion der §§ 5 Abs. 3 und 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 [X.] geboten sei. Im Streitfall habe ein nach § 1 Abs. 2a [X.] steuerbarer 100%iger Gesellschafterwechsel bei der Klägerin vorgelegen.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung, den geänderten Feststellungsbescheid vom 13.11.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 23.06.2016 aufzuheben, soweit sie die Feststellung über den Umfang der Steuervergünstigung betreffen.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Das [X.] hält eine teleologische Reduktion des § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] in Anlehnung an die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend die Anwendung der §§ 5 und 6 [X.] vom 12.11.2018 (BStBl I 2018, 1334) nur bei einem Gesellschafterwechsel in einem Rechtsakt für geboten, der unmittelbar zu einem steuerbaren Tatbestand i.S. des § 1 Abs. 2a [X.] führt, nicht jedoch bei einem sukzessiven Gesellschafterwechsel. Hier erfolge der Ausgleich über die Anrechnung nach § 1 Abs. 2a Satz 7 [X.]. Im vorliegenden Fall sei der Tatbestand des § 1 Abs. 2a [X.] nicht erfüllt. Die Voraussetzungen der Nachversteuerung i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] seien zwar nicht --wie bisher vertreten-- zu 100 %, dafür aber zu 94 % erfüllt, da nur insoweit von einem Gesellschafterwechsel auszugehen sei.

Entscheidungsgründe

II.

[X.]ie Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Änderung des angefochtenen Bescheids. Gegenstand der Revision ist allein die Feststellung des Umfangs der Steuervergünstigung. Anders als vom [X.] entschieden ist die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht vollständig, sondern nur in Höhe von 94 % der Bemessungsgrundlage des streitgegenständlichen [X.]rwerbs rückwirkend nicht zu gewähren.

1. In Fällen, in denen sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke bezieht, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen, stellt das Finanzamt, in dessen Bezirk der wertvollste Grundstücksteil oder das wertvollste Grundstück oder der wertvollste Bestand an Grundstücksteilen oder Grundstücken liegt, die Besteuerungsgrundlagen gesondert fest (§ 17 Abs. 2 Alternative 2 [X.]).

a) [X.]u den Besteuerungsgrundlagen gehören u.a. die verbindliche [X.]ntscheidung über die Steuerpflicht des jeweiligen [X.]rwerbsvorgangs dem Grunde nach (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 04.03.2020 - II R 35/17, [X.], 545, [X.] 2020, 514, Rz 15, zu § 17 Abs. 3 [X.]) sowie über eine etwaige Steuerbefreiung oder Nichterhebung der Steuer dem Grunde und der Höhe nach (vgl. [X.] Hamburg, Urteil vom 07.01.2011 - 3 K 60/10, [X.][X.]ntscheidungsdienst 2013, 232, Rz 36; gleichlautende [X.]rlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 01.03.2016, [X.], 282, Tz 9; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 17 Rz 83; [X.], [X.], Kommentar, 11. Aufl., § 17 Rz 17; [X.], [X.], Kommentar, 6. Aufl., § 17 Rz 33).

Beim Übergang von Grundstücken von einer [X.] auf eine andere ist Gegenstand der gesonderten Feststellung auch, ob und in welcher Höhe für den Rechtsvorgang nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] keine Steuer erhoben wird oder ob und in welchem Umfang diese Steuervergünstigung rückwirkend aufgrund der Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] entfallen ist.

b) Alle Feststellungen sind jeweils eigenständig einer Überprüfung im [X.]inspruchs- und Klageverfahren zugänglich (vgl. [X.]-Urteil vom 05.09.2018 - II R 57/15, [X.], 455, [X.] 2019, 42, Rz 13, zu § 13a Abs. 1a Satz 1 des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes).

2. Beim Übergang eines Grundstücks von einer [X.] auf eine andere [X.] wird nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] die Steuer nicht erhoben, soweit die Anteile der Gesamthänder am Vermögen der erwerbenden [X.] ihren Anteilen am Vermögen der übertragenden [X.] entsprechen ([X.] vom 05.06.2019 - II B 21/18, [X.], 1253, Rz 8).

a) Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] in der bis zum 30.06.2021 geltenden Fassung ist § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] insoweit nicht entsprechend anzuwenden, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden [X.] innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere [X.] vermindert, mit der Folge, dass die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] rückwirkend i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 der Abgabenordnung entfallen (vgl. [X.]-Urteil vom 25.09.2013 - II R 17/12, [X.], 404, [X.], 268, Rz 25).

b) Als "Anteil am Vermögen der [X.]" i.S. der §§ 5 und 6 [X.] ist die wertmäßige Beteiligung des einzelnen Gesamthänders am [X.]svermögen anzusehen (vgl. grundlegend [X.]-Urteile vom 31.05.1972 - II R 9/66, [X.], 360, [X.] 1972, 833, hier insbesondere der erste Leitsatz, und vom 05.02.2020 - II R 9/17, [X.], 511, [X.] 2020, 658, Rz 24 ff.).

aa) Soweit der [X.] auch nach dem Wandel der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zur Teilrechtsfähigkeit einer GbR und der Beteiligung eines Gesamthänders über die [X.]schaft an deren Vermögen (z.B. [X.]-Urteile vom 29.01.2001 - II [X.]R 331/00, [X.][X.] 146, 341, und vom [X.] - II [X.]R 218/05, Betriebs-Berater --BB-- 2006, 2490, unter I.2.; [X.]-Beschlüsse vom 04.12.2008 - V [X.]B 74/08, [X.][X.] 179, 102, unter [X.], und vom 20.05.2016 - V [X.]B 142/15, BB 2016, 2637, Rz 11) in [X.]usammenhang mit §§ 5 und 6 [X.] begrifflich noch an die "dingliche Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen" angeknüpft hat (z.B. [X.]-Urteile vom 29.02.2012 - II R 57/09, [X.][X.] 237, 244, [X.] 2012, 917, Rz 22, und vom 17.12.2014 - II R 24/13, [X.][X.] 248, 246, [X.] 2015, 504, Rz 21), hält er hieran nicht mehr fest.

bb) [X.]as Grunderwerbsteuerrecht sieht die Personengesellschaft seit jeher als selbständigen Rechtsträger an (Viskorf/Meßbacher-Hönsch, 20. Aufl. 2021, [X.] § 1 Rz 16). [X.]ie grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften in §§ 5 und 6 [X.] erkennen dementsprechend grundsätzlich an, dass bei einem Übergang eines Grundstücks von einzelnen Gesamthändern auf eine [X.]sgemeinschaft ein steuerbarer Rechtsträgerwechsel stattfindet, sehen jedoch von der [X.]rhebung der Steuer ab, soweit der Gesamthänder als Veräußerer zunächst [X.]igentümer des Grundstücks war und dann anteilsmäßig über das Vermögen der [X.] beteiligt ist (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 511, [X.] 2020, 658, Rz 26). [X.]em liegt der Gedanke zugrunde, dass aufgrund der gesamthänderischen Verbundenheit der Gesellschafter das Grundstück trotz [X.] in demselben grunderwerbsteuerrechtlichen [X.]urechnungsbereich verbleibt ([X.]-Urteile vom 04.04.2001 - II R 57/98, [X.][X.] 194, 458, [X.] 2001, 587, unter [X.], und in [X.][X.] 237, 244, [X.] 2012, 917, Rz 22).

c) [X.]ine Anteilsminderung i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] liegt vor, wenn die Beteiligung am Vermögen der [X.] gemindert wird. [X.]as kann durch Veräußerung des [X.] selbst bewirkt werden. [X.]ie Anteilsminderung kann aber auch durch anderweitige Vereinbarungen erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am [X.]svermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des [X.] und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks kommt.

d) Ob aufgrund derartiger schuldrechtlicher Vereinbarungen einem Gesamthänder sein Anteil am wirtschaftlichen Wert des [X.]svermögens nicht mehr zuzurechnen ist, ergibt sich nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen [X.]inzelfall (vgl. [X.]-Urteile vom 09.07.2014 - II R 49/12, [X.][X.] 246, 215, [X.] 2016, 57, Rz 20, und vom 30.08.2017 - II R 39/15, [X.][X.] 260, 87, [X.] 2018, 786, Rz 24, m.w.N.).

e) [X.]ie Feststellung und Auslegung der maßgebenden Vereinbarungen ist Teil der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das [X.] und als solche für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend (§ 118 Abs. 2 [X.]O). [X.]azu gehört auch die Würdigung, ob sie eine Minderung des Anteils am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsvermögens zur Folge haben. Voraussetzung für die Bindung des [X.] ist, dass die Vorinstanz die [X.]enkgesetze und [X.]rfahrungssätze sowie die für die Vertragsauslegung zu beachtenden Auslegungsregeln zutreffend angewandt hat (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Urteile vom 01.02.2012 - I R 57/10, [X.][X.] 236, 374, [X.] 2012, 407, Rz 22, und vom 22.04.2015 - X R 8/13, [X.]/NV 2015, 1409, Rz 20). [X.]agegen ist die rechtliche [X.]inordnung des von den Vertragspartnern Gewollten am Maßstab der jeweils einschlägigen Normen für das Revisionsgericht nicht nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindend, sondern in vollem Umfang nachprüfbare Rechtsanwendung (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Urteil vom 05.12.2019 - II R 37/18, [X.], 524, [X.] 2020, 236, Rz 15, m.w.N.).

3. [X.]ie [X.] nach § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] in der im Streitfall noch anwendbaren Fassung beginnt mit der Verwirklichung des begünstigten [X.]rwerbsvorgangs ([X.]-Urteile in [X.], 404, [X.], 268, Rz 25, und vom 17.12.2014 - II R 2/13, [X.][X.] 248, 238, [X.] 2015, 557, Rz 30), unabhängig von der Haltedauer der übertragenden [X.] oder deren Gesellschaftern. Über eine personenbezogene Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 oder Nr. 6 [X.] wird lediglich das Tatbestandsmerkmal "Gesamthänder" ersetzt. [X.]ie übrigen Voraussetzungen der Begünstigung, insbesondere die Haltefrist von fünf Jahren, sind auch von den in gerader Linie verwandten oder beschenkten Personen einzuhalten (vgl. zur [X.] des § 5 [X.] [X.]-Urteile vom 25.09.2013 - II R 2/12, [X.], 398, [X.], 329, Rz 12, und in [X.][X.] 248, 238, [X.] 2015, 557, Rz 30, m.w.N.).

4. Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] zu Unrecht entschieden, dass die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] in vollem Umfang weggefallen sei. [X.]ie Vorentscheidung ist daher aufzuheben. [X.]ie Sache ist spruchreif. [X.]er [X.] kann abschließend entscheiden und den angefochtenen Feststellungsbescheid ändern, da alle erforderlichen Feststellungen vorliegen.

[X.]ie Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist durch den [X.] zu 94 % entfallen, nicht jedoch hinsichtlich des verbleibenden Anteils von 6 % durch die Rechtsakte vom xx./[X.].

a) [X.]ie vom [X.] festgestellten Tatsachen tragen nicht die Schlussfolgerung, [X.] habe durch die Vereinbarungen mit [X.] und [X.] auch über seine restliche Beteiligung in Höhe von 6 % verfügt, so dass auch insoweit sein Anteil am [X.]svermögen i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] vermindert sei.

Weder das (für eine gewisse [X.]eit unwiderrufliche) Kaufangebot an [X.] noch die Abtretung der Gewinn- und Verlustbeteiligung an [X.] noch beide Maßnahmen in einer Gesamtschau haben zu einer Änderung der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen geführt. [X.]urch das Kaufangebot ist das Risiko einer Wertminderung nicht auf [X.] übergegangen. [X.]ie Abtretung der Gewinn- und Verlustbeteiligung hatte nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin keine Auswirkung auf die Verteilung des [X.] und des [X.]. Auch nach Verschiebung der Gewinn- und [X.] an [X.] betrug der Anteil des [X.] am [X.]svermögen der Klägerin weiterhin 6 %.

b) Hingegen ist die Steuervergünstigung durch die Veräußerung vom [X.] an [X.] zu 94 % rückwirkend entfallen. In diesem Umfang wurde der Anteil des [X.] am Gesellschaftsvermögen der Klägerin vermindert. [X.]er [X.]eitpunkt der Weiterveräußerung lag innerhalb der Haltefrist. In diese Frist ist die vorherige Beteiligung der Kinder des [X.] nicht einzurechnen.

c) [X.]ie in der Rechtsprechung des [X.] anerkannten Voraussetzungen zur teleologischen Reduktion der Missbrauchsverhinderungsvorschriften §§ 5 und 6 [X.] (vgl. [X.]-Urteile vom 07.10.2009 - II R 58/08, [X.][X.] 226, 404, [X.] 2010, 302, unter [X.]; in [X.], 404, [X.], 268, Rz 22, m.w.N., und vom 25.08.2020 - II R 23/18, [X.][X.] 270, 545, [X.] 2021, 162, Rz 19) liegen im Streitfall nicht vor. Ob --wie von der Klägerin vorgetragen-- die Verträge vom xx./[X.] insgesamt den Tatbestand des § 1 Abs. 2a [X.] verwirklichten, kann dahinstehen. Selbst dann bedürfte es keiner teleologischen einschränkenden Auslegung der Missbrauchsverhinderungsvorschriften. § 1 Abs. 2a [X.] sieht ausdrücklich Regelungen für den Fall vor, dass die Nachbesteuerung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] durch einen weiteren, nach § 1 Abs. 2a [X.] steuerbaren [X.]rwerbsvorgang ausgelöst wird. Nach § 1 Abs. 2a Satz 3 [X.] in der im Streitjahr 2008 geltenden Fassung (eingefügt durch Art. 13 Nr. 1 Buchst. a [X.]oppelbuchst. bb des [X.] 2001 vom 20.12.2001, [X.], 3794; entsprechend § 1 Abs. 2a Satz 7 [X.] in der aktuellen Gesetzesfassung) kommt es in dieser Konstellation bei dem weiteren steuerbaren Vorgang zu einer Anrechnung bei der Bemessungsgrundlage. Für eine darüberhinausgehende teleologische Reduktion, die diesen gesetzlichen Vorgaben widerspräche, ist kein Raum.

d) [X.]er [X.] kann den angefochtenen Bescheid dahingehend ändern, dass die Steuervergünstigung rückwirkend in einem anderen Umfang entfallen ist als in dem ursprünglichen Bescheid festgestellt. [X.]ass die Klägerin mit ihrem weitergehenden Klagebegehren die Aufhebung der Vorentscheidung begehrt, steht einer [X.]ntscheidung nach § 100 Abs. 2 Satz 1 [X.]O nicht entgegen, da das Gericht von der darin eingeräumten Befugnis, eine betragsmäßige Feststellung selbst zu treffen, grundsätzlich Gebrauch machen muss (vgl. [X.]-Urteil vom 20.12.2000 - III R 17/97, [X.]/NV 2001, 914, unter II.2., m.w.N.).

e) [X.]ementsprechend ist der angefochtene Feststellungsbescheid hinsichtlich des Umfangs der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] dahingehend zu ändern, dass die Steuervergünstigung im Streitfall nur in Höhe von 94 % rückwirkend versagt wird.

5. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 [X.]O. [X.]a die Revision der Klägerin teilweise [X.]rfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des [X.] keinen Bestand haben. [X.]er [X.] hatte mit Rücksicht auf den Grundsatz der [X.]inheitlichkeit der Kostenentscheidung ungeachtet der Teilrechtskraft der Vorentscheidung zur Feststellung der Bemessungsgrundlage über die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu entscheiden (vgl. [X.]-Urteil vom 21.01.1999 - IV R 40/98, [X.][X.] 188, 523, [X.] 1999, 563, unter 3.). [X.]er [X.] hat die Kostenquote auf Grundlage des jeweiligen Verhältnisses von Obsiegen zu Unterliegen der Beteiligten in den beiden Instanzen geschätzt.

Meta

II R 4/20

12.01.2022

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 27. März 2019, Az: 5 K 1953/16, Urteil

§ 6 Abs 1 S 1 GrEStG 1997, § 6 Abs 3 S 1 GrEStG 1997, § 6 Abs 3 S 2 GrEStG 1997, § 17 Abs 2 GrEStG 1997, § 100 Abs 2 S 1 FGO, § 118 Abs 2 FGO, § 3 Nr 2 GrEStG 1997, § 3 Nr 6 GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2022, Az. II R 4/20 (REWIS RS 2022, 2680)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2680

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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