Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2022, Az. II R 16/20

2. Senat | REWIS RS 2022, 2998

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Gegenstand

Keine Zurechnung eines Anteils am Gesamthandsvermögen aufgrund einer Treuhandabrede


Leitsatz

1. Ein Anteil am Vermögen der Gesamthand i.S. des § 6 GrEStG kann auch über eine mehrstöckige Beteiligung vermittelt werden.

2. Bei Treuhandverhältnissen ist der Anteil am Vermögen der Gesamthand dem Treuhänder zuzurechnen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom [X.] - 7 K 2629/18 GE wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, erwarb von der [X.] (Verkäuferin) aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 23.12.2015 Grundstücke.

2

Alleinige Kommanditistin der Klägerin war die [X.] ([X.]). Persönlich haftende Gesellschafterin der [X.] ohne Beteiligung am Vermögen war die Verkäuferin, alleinige Kommanditistin die [X.] als Treuhänderin für die Verkäuferin (Treuhandvertrag vom 19.10.1978).

3

Mit Bescheid vom 13.01.2016 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest.

4

Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, für den Erwerb sei gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes ([X.]) die Grunderwerbsteuer nicht zu erheben, da die Kommanditbeteiligung an der --als Personengesellschaft "transparenten"-- [X.] der Verkäuferin als Treugeberin auch im Rahmen des § 6 [X.] zuzurechnen und damit die Verkäuferin mittelbar zu 100 % am Vermögen der Klägerin beteiligt sei.

5

Das [X.] wies den Einspruch am 15.08.2018 als unbegründet zurück. § 6 [X.] setze eine unmittelbare Beteiligung voraus. Zudem sei ein Treugeber nicht am Vermögen der [X.] beteiligt, sondern habe allenfalls gegen den Treuhänder schuldrechtliche Ansprüche.

6

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) ging davon aus, die mittelbar an der Klägerin beteiligte Treuhänderin -[X.]- könne als Kapitalgesellschaft im Rahmen des § 6 [X.] nicht als transparent angesehen werden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2020, 1859 veröffentlicht.

7

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] sei zu Unrecht versagt worden. Anteile einer Personengesellschaft seien auch für die Befreiungsregelungen der §§ 5 und 6 [X.] dem Treugeber zuzurechnen. Die frühere rein zivilrechtliche Betrachtungsweise der Rechtsprechung müsse angesichts der Abs. 2a, 3 und 3a des § 1 [X.] aufgrund der Einheit des [X.] auch im Hinblick auf § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] dem Transparenzprinzip weichen, und zwar unabhängig davon, dass Kapitalgesellschaften für Zwecke der [X.] als intransparent zu behandeln seien.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 13.01.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 15.08.2018 aufzuheben.

9

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und war daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass durch den Erwerb der Grundstücke am 23.12.2015 der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] verwirklicht wurde und die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht erfüllt sind.

1. Beim Übergang eines Grundstücks von einer [X.] auf eine andere [X.] wird nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] die Steuer nicht erhoben, soweit die Anteile der Gesamthänder am Vermögen der erwerbenden [X.] ihren Anteilen am Vermögen der übertragenden [X.] entsprechen (Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 05.06.2019 - II B 21/18, [X.], 1253, Rz 8).

a) Als "Anteil am Vermögen der [X.]" i.S. der §§ 5 und 6 [X.] ist die wertmäßige Beteiligung des einzelnen Gesamthänders am [X.]svermögen anzusehen (allgemeine Auffassung, vgl. grundlegend [X.]-Urteile vom 31.05.1972 - II R 9/66, [X.], 360, [X.] 1972, 833, hier insbesondere der erste Leitsatz, und vom 05.02.2020 - II R 9/17, [X.], 511, [X.] 2020, 658, Rz 24 ff.).

Soweit der [X.] auch nach dem Wandel der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zur Teilrechtsfähigkeit einer GbR und der Beteiligung eines Gesamthänders über die [X.]sgemeinschaft an deren Vermögen (z.B. [X.]-Urteile vom 29.01.2001 - II ZR 331/00, [X.]Z 146, 341, und vom [X.] - II ZR 218/05, Betriebs-Berater --BB-- 2006, 2490, unter I.2.; [X.]-Beschlüsse vom 04.12.2008 - V ZB 74/08, [X.]Z 179, 102, unter [X.], und vom 20.05.2016 - V ZB 142/15, BB 2016, 2637, Rz 11) in Zusammenhang mit §§ 5 und 6 [X.] begrifflich noch an die "dingliche Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen" angeknüpft hat (z.B. [X.]-Urteile vom 29.02.2012 - II R 57/09, [X.]E 237, 244, [X.] 2012, 917, Rz 22, und vom 17.12.2014 - II R 24/13, [X.]E 248, 246, [X.] 2015, 504, Rz 21), hält er hieran nicht mehr fest.

b) Das Grunderwerbsteuerrecht sieht die Personengesellschaft seit jeher als selbständigen Rechtsträger an (vgl. [X.] in [X.], 20. Aufl. 2021, [X.] § 1 Rz 16). Die grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften in §§ 5 und 6 [X.] erkennen dementsprechend grundsätzlich an, dass bei einem Übergang eines Grundstücks von einzelnen Gesamthändern auf eine [X.]sgemeinschaft ein steuerbarer Rechtsträgerwechsel stattfindet, sehen jedoch von der Erhebung der Steuer ab, soweit der Gesamthänder als Veräußerer zunächst Eigentümer des Grundstücks war und dann anteilsmäßig über das Vermögen der [X.] beteiligt ist (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 511, [X.] 2020, 658, Rz 26). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass aufgrund der gesamthänderischen Verbundenheit der Gesellschafter das Grundstück trotz [X.] in demselben grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich verbleibt ([X.]-Urteile vom 04.04.2001 - II R 57/98, [X.]E 194, 458, [X.] 2001, 587, unter [X.], und in [X.]E 237, 244, [X.] 2012, 917, Rz 22).

c) Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Beteiligung am Vermögen der [X.] durch die Beteiligung einer anderen [X.] an der ersteren ([X.]) vermittelt wird ([X.]-Urteil vom 24.09.1985 - II R 65/83, [X.]E 144, 473, [X.] 1985, 714, unter 1.). Bei doppelstöckigen [X.]sgemeinschaften ist daher nicht die [X.] als solche als Zurechnungssubjekt anzusehen, sondern ein Rückgriff auf die am Vermögen der [X.] beteiligten Gesamthänder geboten ([X.]-Urteile vom 03.06.2014 - II R 1/13, [X.]E 245, 386, [X.] 2014, 855, Rz 15; in [X.]E 248, 246, [X.] 2015, 504, Rz 15, und vom 17.12.2014 - II R 2/13, [X.]E 248, 238, [X.] 2015, 557, Rz 20, jeweils m.w.N.).

d) [X.] allein reicht nicht aus, um einem Treugeber im Rahmen von §§ 5, 6 [X.] eine Beteiligung am Vermögen einer [X.] --sei es unmittelbar, sei es mittelbar über eine weitere [X.]-- zuzurechnen.

aa) Zu § 5 Abs. 2 [X.] hat der [X.] bereits entschieden, dass einem Veräußerer, der gleichzeitig Treugeber eines Gesellschafters der erwerbenden [X.] ist, die Beteiligung des Treuhänders nicht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) zugerechnet werden kann (vgl. [X.]-Urteil vom 23.10.1974 - II R 87/73, [X.]E 114, 124, [X.] 1975, 152, zu § 11 Nr. 3 des Steueranpassungsgesetzes vom 16.10.1934, [X.], 925). Denn nicht der Treugeber, sondern der Treuhänder ist --für das Grunderwerbsteuerrecht allein maßgebend-- zivilrechtlich am Vermögen der [X.] beteiligt. § 39 Abs. 2 [X.] mit seiner wirtschaftlichen Betrachtungsweise gilt in diesen Fällen nicht (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 14.12.1988 - II B 134/88, [X.]/NV 1990, 59, unter [X.], und vom 08.08.2000 - II B 134/99, [X.]/NV 2001, 66, unter 1.).

bb) Dieselben Grundsätze sind bei Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] zugrunde zu legen.

(1) Die Notwendigkeit einer erweiternden Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] ist bei einem Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] --anders als im Bereich des § 1 Abs. 2a [X.] ([X.]-Urteil in [X.]E 237, 244, [X.] 2012, 917, Rz 21, [X.] nicht gegeben. Die Erwägungen, die der [X.] bei den Erwerbstatbeständen des § 1 Abs. 2a, Abs. 3 [X.] zur Bestimmung einer zivilrechtlich nicht vorgesehenen mittelbaren Gesellschafterstellung bzw. eines mittelbaren Anteilserwerbs angestellt hat (vgl. dazu [X.]-Urteile vom 04.03.2020 - II R 2/17, [X.]E 270, 240, [X.] 2020, 511, Rz 15, und vom 27.05.2020 - II R 45/17, [X.]E 270, 247, [X.] 2021, 315, Rz 14; [X.]-Beschluss vom 22.01.2019 - II B 98/17, [X.], 412, Rz 13, jeweils m.w.N.), stellen sich bei der Bestimmung der Beteiligung an einer [X.] nicht und können daher nicht auf § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] übertragen werden. Dasselbe gilt für die zu § 1 Abs. 3a [X.] für [X.] nach dem 06.06.2013 (§ 23 Abs. 11 [X.]) ggf. zu entwickelnden Rechtsgrundsätze zur unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Beteiligung.

(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin angeführten [X.]-Urteil vom 16.01.1991 - II R 78/88 ([X.]E 163, 249, [X.] 1991, 376). Diese Entscheidung betrifft kein Treuhandverhältnis und kann daher die diesbezügliche höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. [X.]-Beschlüsse in [X.]/NV 1990, 59, unter [X.], und in [X.]/NV 2001, 66, unter 1.) nicht in Frage stellen.

2. Nach den oben dargestellten Grundsätzen hat das [X.] zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Steuer gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] auf den Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nicht vorlagen.

Die Verkäuferin war zwar persönlich haftende Gesellschafterin der [X.]. Als solche war sie aber nicht am [X.]svermögen der [X.] beteiligt.

Soweit die Verkäuferin Treugeberin für die Kommanditistin der [X.] --die [X.] war, vermag diese Stellung wegen Fehlens einer zivilrechtlichen Beteiligung der Treugeberin an der Verkäuferin die Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] ebenfalls nicht zu tragen.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 16/20

12.01.2022

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 8. Mai 2019, Az: 7 K 2629/18 GE, Urteil

§ 6 Abs 1 S 1 GrEStG 1997, § 6 Abs 3 S 1 GrEStG 1997, § 39 Abs 2 Nr 1 AO, § 39 Abs 1 AO, § 5 GrEStG 1997, § 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 1 Abs 2a GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2022, Az. II R 16/20 (REWIS RS 2022, 2998)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2998

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II ZR 331/00

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