Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.09.2010, Az. VIII ZB 73/09

8. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 3189

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Gegenstand

Selbstständiges Beweisverfahren: Kostentragung bei unterbliebener Beweisaufnahme wegen Erledigung


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin zu 2 wird der Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des [X.] vom 26. August 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

[X.]: bis 900 €.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller beantragte im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens (§ 485 ZPO) die Feststellung von Mängeln eines von ihm gekauften Wohnmobils. Noch bevor ein Gutachten eingeholt werden konnte, besserte die Antragsgegnerin zu 1 das Wohnmobil mit Zustimmung des Antragstellers nach. Der Antragsteller teilte daraufhin dem Gericht mit, "die Sache (sei) damit erledigt".

2

Die Parteien streiten darum, ob dem Antragsteller die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen sind.

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 2009 dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens (in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 4 ZPO) auferlegt. Das Beschwerdegericht hat durch Beschluss des Einzelrichters vom 26. August 2009 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und die Anträge der Antragsgegnerinnen zu 1 und zu 2, dem Antragsteller die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Antragsgegnerin zu 2 die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässig. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter sie zugelassen hat, obwohl er bei Annahme eines Zulassungsgrundes das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten Kammer hätte übertragen müssen. An eine dennoch erfolgte Zulassung ist das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO gleichwohl gebunden ([X.], Beschluss vom 13. März 2003 – [X.], [X.]Z 154, 200, 201).

5

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, in denen er einen Zulassungsgrund bejaht, zwingend das Verfahren an das Kollegium zu übertragen. [X.] er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters. Dieser Verstoß ist vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen ([X.], Beschluss vom 13. März 2003 - [X.], aaO [X.] ff.; Senatsbeschluss vom 27. April 2010 - [X.], [X.], 385 Rn. 6).

6

Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch.

7

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Im selbständigen Beweisverfahren ist eine Kostenentscheidung außer in den hier nicht einschlägigen Fällen der §§ 490, 492, 494a Abs. 2 ZPO grundsätzlich ausgeschlossen, da sie dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist. Ausnahmsweise kann eine Kostenentscheidung unter anderem dann in Betracht kommen, wenn die Beweisaufnahme in dem selbständigen Beweisverfahren (so wie hier) tatsächlich nicht durchgeführt worden ist und deshalb keine Fristsetzung zur Klageerhebung nach § 494a Abs. 1 ZPO möglich ist (Musielak/[X.], ZPO, 7. Aufl., § 494a Rn. 7). Soweit dem Antragsteller jedoch eine Klage auf Feststellung offen steht, dass der Antragsgegner zu der vorgenommenen Handlung verpflichtet war (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Februar 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1005 Rn. 10), kann er in jenem Verfahren eine Kostengrundentscheidung, die die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens umfasst, erreichen. Eine einseitige Erledigungserklärung ist im selbständigen Beweisverfahren nicht zulässig; sie ist regelmäßig  in eine Antragsrücknahme mit der Kostenfolge entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO umzudeuten ([X.], Beschluss vom 14. Oktober 2004 - [X.], [X.], 42 Rn. 11).

Ball                                              Dr. [X.]                                         [X.]

                 Dr. [X.]                                         [X.]

Meta

VIII ZB 73/09

21.09.2010

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Lüneburg, 26. August 2009, Az: 3 T 66/09, Beschluss

§ 269 Abs 3 ZPO, § 485 ZPO, § 494a Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.09.2010, Az. VIII ZB 73/09 (REWIS RS 2010, 3189)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3189

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