Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2010, Az. Xa ZR 106/06

Xa- Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9189

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Xa ZR 106/06Verkündet am: 18. Februar 2010 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.] des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 18. Februar 2010 durch den [X.] Prof. Dr. Meier-Beck, die Richte-rin Mühlens und die [X.] Dr. [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das am 12. Juli 2006 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des [X.] im Umfang der nachfolgenden Änderung des [X.] aufgehoben. Auf die Berufung des [X.] wird das am 21. Februar 2006 verkün-dete Urteil des [X.] abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 376,-- Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem [X.] seit dem 16. September 2005 zu zahlen. Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits fallen zu 1/4 dem Klä-ger und zu 3/4 der [X.] zur Last. Die Kosten der Rechtsmittel-verfahren werden gegeneinander aufgehoben. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Der Kläger verlangt von der beklagten Charterfluggesellschaft unter ande-rem eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung ([X.]) Nr. 261/2004 des [X.] und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine ge-meinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Flug-gäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspä-tung von Flügen ([X.]. [X.] L 46 S. 1; im Folgenden: Verordnung), weil er mit erheblicher Verspätung abgeflogen und mit erheblicher Verspätung am [X.] angekommen ist, sowie Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit. 1 Der Kläger buchte bei der [X.] einen Flug von [X.] nach [X.] und zurück. Der für den 26. August 2005 gebuchte Rückflug er-folgte erst am nächsten Tag. Der Kläger kam etwa 23 Stunden später als ge-plant in [X.] an. Er verlangt deshalb eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600,-- Euro, Ersatz von Taxikosten in Höhe von 50,-- Euro, Gutschrift der von ihm für ein Upgrade in eine höhere Klasse eingesetzten Bonusmeilen und [X.] wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 100,-- Euro. Die Beklagte, die vorprozessual 224,-- Euro als Minderung des [X.] an den Kläger gezahlt hat, hat den Anspruch auf Ersatz der Taxikosten aner-kannt und im Übrigen Klageabweisung beantragt. 2 Das Amtsgericht hat die Beklagte gemäß ihrem Anerkenntnis und darüber hinaus zur Erteilung der begehrten Gutschrift auf dem [X.] verurteilt. Die Berufung des [X.], mit der er seine erstinstanzlichen Ansprüche weiter-verfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zur Klä-rung der Auslegung von Art. 5 der Verordnung zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen. 3 - 4 - Der [X.] hat das Verfahren mit Beschluss vom 21. August 2008 auf übereinstimmenden Antrag der Parteien bis zur Entscheidung des [X.] der Europäischen Gemeinschaften in der [X.] ausgesetzt. In diesem Vorlageverfahren hat der [X.] mit Urteil vom 19. November 2009 ([X.]/07, [X.], 282 = NJW 2010, 43) wie folgt ent-schieden: 4 1. Art. 2 Buchst. l sowie die Art. 5 und 6 der Verordnung ([X.]) Nr. 261/2004 des [X.] und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein verspäteter Flug unabhängig von der - auch erheblichen - Dauer der Verspätung nicht als annulliert ange-sehen werden kann, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird. 2. Die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt wer-den können und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen [X.] geltend machen können, wenn sie wegen eines [X.] einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luft-fahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Eine sol-che Verspätung führt allerdings dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurück-geht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutba-ren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind. 3. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullie-rung oder Verspätung eines Fluges führt, nicht unter den Begriff "außerge-- 5 - wöhnliche Umstände" im Sinne dieser Bestimmung fällt, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ur-sache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen [X.] sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Entscheidungsgründe: Die nur wegen des Anspruchs auf Ausgleichszahlung zulässige Revision hat in diesem Umfang teilweise Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Verurteilung der [X.]. Im Übrigen ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. 5 A. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 ZPO unzulässig, soweit der Kläger den Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen nutzlos aufge-wendeter Urlaubszeit gemäß § 651f Abs. 2 BGB weiterverfolgt. Insoweit fehlt es an der erforderlichen Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht. 6 Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Zulassung der Revision [X.] sich lediglich auf den Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsleistung nach Art. 7 der Verordnung. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor des Beru-fungsurteils, aber aus den Entscheidungsgründen. 7 Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kann sich die Eingrenzung einer Rechtsmittelzulassung auch aus den [X.] ergeben. Von einer beschränkten Zulassung der Revision ist [X.] auszugehen, wenn die Rechtsfrage, die nach den Ausführungen in den [X.] geführt hat, nur für einen von mehreren pro-zessualen Ansprüchen erheblich ist ([X.], 358, 360 ff. m.w.N.). Im [X.] ist die vom [X.] als klärungsbedürftig angesehene Frage, wann eine 8 - 6 - Annullierung im Sinne von Art. 5 der Verordnung vorliegt, nur für den geltend gemachten Ausgleichsanspruch erheblich, nicht hingegen für den auf § 651f Abs. 2 BGB gestützten Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen nutz-los aufgewendeter Urlaubszeit. Damit erstreckt sich die Zulassung der Revision nicht auf diesen Anspruch. B. Die begehrte Ausgleichszahlung steht dem Kläger im Hinblick auf den wesentlich verspäteten Abflug zu; der Kläger muss sich jedoch den Betrag von 224,-- Euro anrechnen lassen, den die Beklagte bereits für die [X.] gezahlt hat. 9 [X.] Die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen für die begehrte Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung seien nicht er-füllt, hält der Nachprüfung nicht stand. 10 1. Eine Annullierung des Flugs im Sinne von Art. 5 der Verordnung hat allerdings, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht [X.]. Nach dem Urteil des [X.]s kann ein verspäteter Flug unabhän-gig von der - auch erheblichen - Dauer der Verspätung nicht als annulliert an-gesehen werden, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird (aaO [X.]. 39). So verhält es sich im Streitfall. Der Flug von [X.] nach [X.] ist trotz der eingetretenen [X.] entsprechend der ursprünglichen Flugplanung durchgeführt worden. 11 2. Wegen des wesentlich verspäteten Abflugs kommt gleichwohl ein Anspruch auf die in Art. 7 der Verordnung vorgesehene Ausgleichszahlung in Betracht. 12 - 7 - a) Der Flug hat einen Tag später als geplant begonnen; die Vorausset-zungen des Art. 6 Abs. 1 der Verordnung für die Annahme einer von der [X.] erfassten (großen) Verspätung lagen daher ohne weiteres vor. 13 b) In einem solchen Fall steht dem Fluggast, sofern auch die weiteren Voraussetzungen für eine Ausgleichsleistung erfüllt sind, der in Art. 7 der [X.] vorgesehene Ausgleichsanspruch zu, wenn er wegen des verspäteten Fluges sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der ursprünglich geplan-ten Ankunftszeit erreicht ([X.] aaO [X.]. 61). Auch diese Voraussetzung ist [X.] weiteres erfüllt, denn das Endziel des [X.] wurde etwa 23 Stunden [X.] als geplant erreicht. Damit liegen im Streitfall die vom [X.] aufgestell-ten Anforderungen für einen Ausgleichsanspruch wegen einer wie eine [X.] zu behandelnden großen Verspätung vor. 14 I[X.] Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Der [X.] kann in der [X.] selbst entscheiden, da der Rechtsstreit auf der Grundlage des vom [X.] festgestellten Sachverhalts zur Endentscheidung reif ist. 15 1. Der Ausgleichsanspruch ist nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 der [X.] ausgeschlossen. Die Verspätung geht nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser Vorschrift zurück. 16 a) Entgegen der von der [X.] in der mündlichen Verhandlung ver-tretenen Auffassung besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit an das [X.] zurückzuverweisen, um der [X.] Gelegenheit zu geben, zu den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung vorzutragen. Die [X.] haben in den Tatsacheninstanzen darüber gestritten, ob die Beklagte im Streitfall zu einer Ausgleichszahlung wegen Annullierung des Flugs verpflichtet ist. Die Beklagte war demgemäß gehalten, auch zu den Voraussetzungen vor-zutragen, unter denen die Verpflichtung zu einer solchen Ausgleichszahlung 17 - 8 - ausgeschlossen ist, und hat dies auch getan. Für den Ausgleichsanspruch we-gen großer Verspätung gelten keine anderen Voraussetzungen. b) Die Beklagte hat geltend gemacht, die Verspätung beruhe auf tech-nischen Beanstandungen, die sich schon vor dem Flug von [X.] nach [X.] ergeben hätten. Damit ist kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung aufgezeigt. 18 Wie der [X.] im [X.] an die Rechtsprechung des [X.]s der [X.] bereits entschieden hat, begründen technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftreten können, für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Zahlung der Ausgleichsleistung wegen Annullierung eines Fluges befreien können ([X.].Urt. v. 12.11.2009 - [X.], [X.] 2010, 63). 19 2. Die Beklagte ist deshalb verpflichtet, zusätzlich zu den bereits vom Amtsgericht zugesprochenen Leistungen eine Ausgleichszahlung in der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung bestimmten Höhe von 600,-- Euro zu erbrin-gen. Da sie vorprozessual an den Kläger unter dem Gesichtspunkt der Minde-rung des Flugpreises bereits einen Betrag von 224,-- Euro gezahlt hat, ist sie zur Zahlung weiterer 376,-- Euro zu verurteilen. Ein Mangel der Flugleistung, der einen zusätzlichen Minderungsanspruch begründen könnte, liegt in einer Verspätung regelmäßig nicht ([X.].Urt. v. 28.5.2009 - [X.], [X.], 242 = NJW 2009, 2743); auch im Streitfall ist für einen Mangel nichts dargetan. 20 Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB. 21 3. Zu der von der [X.] angeregten Vorlage der Sache an den Ge-richtshof der [X.] sieht der [X.] keine Veranlassung. 22 - 9 - Der [X.] hat dem [X.] die [X.] zur Vorabentscheidung vorgelegt, weil er es nicht für zweifelsfrei gehalten hat, dass den Fluggästen eines wesentlich verspäteten Fluges, wie er im Streitfall vorliegt, nach der Verordnung kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusteht. Diese Unklarheit hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist da-durch beseitigt worden, dass der [X.] in seinem Urteil vom 19. [X.] die Verordnung dahin ausgelegt hat, dass auch in einem solchen Fall Ausgleichsleistungen zu erbringen sind. Das Urteil selbst wirft jedenfalls keine für den Streitfall relevanten neuen Auslegungsfragen auf, die der [X.] nicht ohne erneute Vorlage beantworten könnte. 23 Soweit sich das Urteil nicht ausdrücklich mit der Frage befasst, ob das vom [X.] gefundene Auslegungsergebnis mit dem [X.] Überein-kommen vereinbar ist, hat der [X.] diese Frage bereits in seinem Urteil vom 10. Dezember 2009 ([X.]) bejaht; daran hält er fest. Der [X.] hat dies offenbar ebenso gesehen; dass er Art. 29 [X.] übersehen hätte, kann nicht angenommen werden. 24 Der [X.] hat auch keine Zweifel an der Gültigkeit der Verordnung. Der [X.] hat die Gültigkeit - anders als die Generalanwältin - bejaht (aaO [X.]. 47). Für den von der [X.] angenommenen Verstoß gegen den Ver-hältnismäßigkeitsgrundsatz ist nichts [X.] geltend gemacht. 25 - 10 - 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. 26 Meier-Beck Mühlens [X.]
Grabinski [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 3 C 1268/05 (32) - [X.], Entscheidung vom 12.07.2006 - 21 S 43/06 -

Meta

Xa ZR 106/06

18.02.2010

Bundesgerichtshof Xa- Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2010, Az. Xa ZR 106/06 (REWIS RS 2010, 9189)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9189

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