Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2005, Az. III ZR 21/04

III. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3189

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS [X.]
vom 9. Juni 2005 in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] § 17 Abs. 3 F.: 15. Dezember 1975 (§ 42 Abs. 3 [X.] F.: 5. Mai 2004); ZPO § 3; GG Art. 3 Abs. 1

Bei Streitigkeiten über den Bestand eines privatrechtlichen dauernden Dienstverhältnisses vor den ordentlichen Gerichten (hier: [X.]) bestimmt sich der Gebührenstreitwert grundsätzlich in Anlehnung an § 17 Abs. 3 [X.] a.F. (§ 42 Abs. 3 n.F.). § 13 Abs. 4 [X.] a.F. und § 12 Abs. 7 [X.] a.F. (§ 52 Abs. 4 [X.] n.F. und § 42 Abs. 4 [X.] n.F.) sind nicht entsprechend anwendbar ([X.], Beschluß vom 13. Februar 1986 - [X.] - NJW-RR 1986, 676). Das verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

[X.], Beschluß vom 9. Juni 2005 - [X.] - OLG [X.]

LG [X.] - 2 -

[X.] hat am 9. Juni 2005 durch den [X.] und die Richter Dr. [X.], [X.], [X.] und [X.]

beschlossen:
Die Gegenvorstellung des [X.] gegen die Streitwertfestset-zung im [X.]sbeschluß vom 30. September 2004 wird [X.].

Gründe:
[X.] Der Kläger war auf der Grundlage eines privatrechtlichen Dienstvertrags mit einem Jahresgehalt von 190.000 DM Hauptgeschäftsführer der [X.]. Am 12. Februar 2001 wurde ihm fristlos gekündigt. [X.] schlossen die Parteien unter Vereinbarung einer Abfindung in Höhe von 250.000 DM einen Aufhebungsvertrag, den der Kläger später wegen wider-rechtlicher Drohung [X.]. Mit der Klage hat er in erster Linie die Feststel-lung begehrt, daß der Aufhebungsvertrag unwirksam und das Dienstverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten zu 1 nicht aufgelöst [X.] sei, sondern zu unveränderten Vertragsbedingungen fortbestehe, und hat seine Weiterbeschäftigung als Hauptgeschäftsführer verlangt, hilfsweise - soweit von Interesse -, die Erstbeklagte zu verurteilen, eine rückständige Um-lage für die Altersversorgung des [X.] in Höhe von 2.132,39 • abzuführen. - 3 -

[X.] und [X.] haben diese Anträge abgewiesen. Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision hat der [X.] durch Beschluß vom 30. September 2004 zurückgewiesen. Den Gegen-standswert der Beschwerde hat er zugleich auf 235.281,48 • festgesetzt. Dabei ist der [X.] in Übereinstimmung mit dem [X.] von dem dreifachen Jahresbetrag der Vergütung des [X.] unter Abzug von 20 % wegen der Feststellungsklage ausgegangen (190.000 [X.] = 570.000 DM x 80 % = 456.000 DM = 233.149,09 •) und hat die mit dem Hilfsantrag zu 1 zusätzlich geforderte Zahlung von 2.132,39 • streitwerterhöhend berücksichtigt.
Gegen diese Festsetzung wendet sich der Kläger mit einer am 30. März 2005 eingegangen Gegenvorstellung. Er vertritt die Ansicht, das nach § 3 ZPO bei der Ermittlung des Streitwerts auszuübende Ermessen habe sich in solchen Fällen an der für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten geltenden Bestimmung des § 42 Abs. 4 [X.] n.F. auszurichten, mindestens aber an den Regelungen in § 52 Abs. 5 [X.] n.F. für öffentlich-rechtliche Dienst- und Amtsverhältnisse. In der ersten Alternative wäre der Streitwert vorliegend auf 24.286,36 • festzuset-zen, in der zweiten auf 83.060,40 •. Die hiervon abweichende Rechtsprechung des [X.] führe zu einem erheblichen Mißverhältnis bei den [X.] Arbeitnehmergruppen und sei mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

I[X.] Die Gegenvorstellung ist zulässig, aber nicht begründet.
- 4 -

1. Auf das [X.] ist gemäß § 72 Nr. 1 [X.] in der Fassung des [X.] vom 5. Mai 2004 ([X.]) das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 ([X.]; im folgenden: [X.]) weiterhin anzuwenden. Die danach auch bei der Gegenvorstellung gegen eine sonst nicht mehr anfechtbare Streitwertfestsetzung zu wahrende Frist von sechs Monaten seit Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung gemäß § 25 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 3 [X.] (vgl. [X.], Beschluß vom 12. Februar 1986 - [X.], NJW-RR 1986, 737) ist gewahrt. 2. Die [X.] im Beschluß des [X.]s vom 30. September 2004 entspricht den gesetzlichen Vorschriften.

a) Weder das Gerichtskostengesetz noch die Zivilprozeßordnung ent-halten über die Ermittlung des Gegenstandswerts in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen oder die Beendigung eines Dienstverhältnis-ses des bürgerlichen Rechts besondere Bestimmungen. § 13 Abs. 4 [X.] (jetzt § 52 Abs. 4 [X.] n.F.), der für Statusstreitigkeiten als Streitwert den 13-fachen Betrag des [X.] zuzüglich ruhegehaltsfähiger Zulagen bzw. die Hälfte dieses Betrags oder des für die Dauer eines Jahres vereinbarten [X.] vorsieht, gilt nur für öffentlich-rechtliche Dienst- oder Amtsverhältnisse. Auch die ähnliche Streitwertbestimmung in dem früheren, durch das Kosten-rechtsmodernisierungsgesetz aufgehobenen § 12 Abs. 7 Satz 1 [X.] (heute § 42 Abs. 4 Satz 1 [X.] n.F.), wonach in Streitigkeiten dieser Art für die Wert-berechnung höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu lei-stenden Arbeitsentgelts maßgebend ist, beschränkt sich nach Wortlaut und Gesetzessystematik auf Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsverhältnisse im Sinne - 5 -

des § 2 Abs. 1 Nr. 3 [X.] vor den Gerichten für Arbeitssachen. Auf [X.] vor den ordentlichen Gerichten über andere Dienstverhältnisse läßt sich diese Sonderregelung nicht übertragen ([X.], Beschluß vom 13. Februar 1986 - [X.], NJW-RR 1986, 676).

b) In Ermangelung spezieller Normen ist der Gebührenstreitwert im [X.] gemäß § 12 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Maßgebend ist das vom Gericht zu schätzende Interesse des [X.] an der begehrten Feststellung. Als Anhaltspunkt hierfür kann die in § 17 Abs. 3 [X.] (jetzt § 42 Abs. 3 [X.] n.F.) getroffene, der Regelung des § 9 ZPO vorgehende Bestimmung über die [X.] bei Klagen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen mit dem dreifachen Jahresbetrag dieser Leistungen dienen. Denn mit der Klage auf Fortbestehen des Dienstverhältnisses wird der Kläger in der Regel vorrangig seinen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung wahren wollen. Sein Interesse entspricht daher in etwa dem Wert einer alternativ möglichen Klage auf Feststellung, daß der Dienstberechtigte zur Fortzahlung der Vergütung über den Kündigungszeitpunkt hinaus verpflichtet sei ([X.], Beschluß vom 13. Februar 1986 aaO). Das entspricht der ganz überwiegenden Meinung und gilt auch für Organmitglieder von Handelsgesellschaften oder juristischen Personen (vgl. zur Anwendbarkeit des § 17 Abs. 3 [X.] auf die Mitglieder von [X.]: [X.], Beschluß vom 24. November 1980 - [X.], NJW 1981, 2465 f; zur [X.] bei Bestandsstreitigkeiten: [X.] [X.] 1988, 227; [X.]. 1994, 298; [X.]. 1995, 238; KG NJW-RR 1997, 543, 544; [X.]. 1998, 162; [X.]. 1995, 214, 215; [X.] 2002, 336; [X.], [X.], 35. Aufl., § 42 Rn. 43, 44; [X.]/[X.], [X.] für den Zivilprozeß, 11. Aufl., Rn. 256, - 6 -

vilprozeß, 11. Aufl., Rn. 256, 3527; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 9 Rn. 32 f; siehe auch [X.] in [X.]/[X.]/Glöge/Prütting, [X.], 5. Aufl., § 12 Rn. 91; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2004, § 12 Rn. 165; abweichend, jedenfalls bei der Verweisung eines Rechtsstreits vom Arbeitsgericht an das ordentliche Gericht: Mümmler, [X.] 1979, 167, 173; [X.], [X.], 6. Aufl., § 42 Rn. 28). Eine Ausnahme wird im wesentlichen nur dann zugelassen, wenn der andere Vertragsteil vor Ablauf von drei Jahren zu einer ordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses befugt gewesen wäre (vgl. [X.], 318; [X.] NJW-RR 1988, 190). [X.] können die erwähnten Vorschriften des § 12 Abs. 7 Satz 1 [X.] und des § 13 Abs. 4 [X.], die für Bestandsstreitigkeiten - im Gegensatz zu Klagen auf wiederkehrende Leistungen (§ 17 Abs. 3 [X.] und § 12 Abs. 7 Satz 2 [X.], jetzt § 42 Abs. 3 Satz 1 [X.] n.F.) - den Streitwert in der Regel weit unterhalb des tatsächlichen Interesses des [X.] am Fortbestand des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ansetzen, bei einer Schätzung des Gegen-standswerts nach § 3 ZPO auch nicht in ihren Rechtsgedanken herangezogen werden. Es handelt sich bei diesen Bestimmungen um eng begrenzte Ausnah-men zum Schutz der zumeist sozial schwächeren Arbeitnehmer im engeren, arbeitsrechtlichen Sinn oder öffentlich-rechtlichen Bediensteten in ähnlicher Stellung. Diese Zielsetzung entfällt bei einem freien Dienstverhältnis jedenfalls dann, wenn es - wie hier - um Beschäftigte juristischer Personen in einer [X.]klasse weit jenseits des durchschnittlichen Verdienstes von Arbeitnehmern oder Beamten geht, bei denen von einer besonderen [X.] Schutzbedürftig-keit keine Rede sein kann.

c) Auf dieser Grundlage ist der vom [X.] festgesetzte Streitwert, wie auch der Kläger nicht in Abrede stellt, richtig errechnet. Eine Herabsetzung - 7 -

wegen eines vorzeitigen ordentlichen Kündigungsrechts des Dienstherrn kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil die Beklagte zu 1 nach § 4 Abs. 3 des von den Parteien geschlossenen Dienstvertrags lediglich zu einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt war.

3. Die - wie dem Kläger zuzugeben ist - sehr unterschiedliche Bemessung des Streitwerts in Streitigkeiten über den Bestand eines Dienstverhältnisses, je nachdem, ob es sich um Arbeitnehmer oder öffentlich-rechtliche Bedienstete einerseits oder um durch freie Dienstverträge Beschäftigte andererseits handelt (höchstens der Verdienst eines Vierteljahres bzw. die 13-fachen Monatsbezüge oder die Hälfte des jährlichen Gehalts auf der einen Seite im Gegensatz zu dem dreifachen Jahresbetrag der Einkünfte auf der anderen Seite) mag [X.] nicht zweifelsfrei sein. Sie verstößt aber nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigen-art entsprechend verschieden zu behandeln. Dabei ist allerdings davon auszu-gehen, daß die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG stets auf einem Vergleich von Lebensverhältnissen beruht, die nie in [X.], sondern nur in einzelnen Elemen-ten übereinstimmen. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er dafür als maßgebend an-sieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist erst verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich [X.] oder sonstwie einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorge-nommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt ([X.], 255, 271; 103, 242, 258; ähnlich [X.] 107, 257, 270). Eine gewisse Typisierung und Generalisierung ist hierbei unvermeidbar (vgl. [X.] 99, - 8 -

280, 290; 103, 310, 319; 103, 392, 397). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind ferner grundsätzlich hinzunehmen ([X.] 14, 288, 301; 89, 365, 376). Allein daraus, daß einer Gruppe aus besonderem Anlaß beson-dere Vergünstigungen zugestanden werden, kann niemand für sich ein verfas-sungsrechtliches Gebot herleiten, dieselben Vorteile für sich in Anspruch [X.] zu dürfen ([X.] 49, 192, 208; 67, 231, 238).
Daran gemessen ist die in den kostenrechtlichen Bestimmungen vorge-nommene Differenzierung im wesentlichen zwischen den abhängig Beschäftig-ten und den sonstigen in einem dauernden Dienstverhältnis stehenden Dienst-verpflichteten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet, wie [X.], ihre Rechtfertigung in der typischerweise gegebenen besonderen so-zialen Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer oder der vergleichbar eingestuften öffentlich-rechtlichen Bediensteten, die ebenso regelmäßig bei freien Dienst-verhältnissen wegen der im allgemeinen dort wesentlich höheren Bezüge und der in diesen Fällen außerdem vorauszusetzenden Geschäftsgewandtheit der [X.] weitgehend entfällt. Eine gleichartige Privilegierung dieses Personenkreises ist daher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Härten und Ungleichgewichte, die etwa - worauf der Kläger verweist - wegen der nicht immer trennscharf möglichen Zuordnung des Dienstvertrags zu einem - 9 -

Arbeitsverhältnis oder freien Dienstverhältnis entstehen können, müssen bei einer solchen, notwendigerweise typisierenden Regelung hingenommen wer-den.

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[X.] [X.]

Meta

III ZR 21/04

09.06.2005

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2005, Az. III ZR 21/04 (REWIS RS 2005, 3189)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3189

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