Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2012, Az. 3 StR 14/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 8716

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Gegenstand

Jugendstrafe gegen einen Heranwachsenden wegen besonders schwerer Erpressung: Begründung der Strafhöhe bei Verhängung wegen Schwere der Schuld


Tenor

1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 13. September 2011 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.

Damit ist der Beschluss des [X.] vom 22. November 2011, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie bestimmt, dass von dieser Strafe "als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer" zwei Monate als vollstreckt gelten.

2

Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler auf. Der Rechtsfolgenausspruch hält indes [X.] Prüfung nicht stand.

3

1. Das [X.] hat auf den Angeklagten als Heranwachsenden gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 [X.] Jugendstrafrecht angewendet, schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 Alt. 1 [X.] verneint und die Verhängung einer Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 Alt. 2 [X.] auf die Schwere der Schuld gestützt. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

4

Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen jedoch die Erwägungen, mit denen die [X.] die Höhe der Strafe begründet hat. Auch bei einer wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe bemisst sich deren Höhe gemäß § 18 Abs. 2 [X.] vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist ([X.], Beschluss vom 21. Juli 1995 - 2 StR 309/95, [X.]R [X.] § 18 Abs. 2 Erziehung 10). Diesen Anforderungen genügen die [X.] des angefochtenen Urteils nicht.

5

Das [X.] hat zwar ausgeführt, es habe sich bei der Bemessung der konkreten Höhe der Jugendstrafe vorrangig am Erziehungszweck orientiert ([X.]). Nachfolgend werden jedoch ausschließlich Zumessungserwägungen mitgeteilt, die auch im Erwachsenenstrafrecht maßgeblich sind. Auch an anderer Stelle des Urteils finden sich keine Hinweise darauf, dass die [X.] bei der Bemessung der Jugendstrafe den Vorrang des Erziehungszwecks beachtet hat. Lediglich am Ende der [X.] hat das [X.] ausgeführt, es habe auf die konkrete Strafe "unter besonderer Beachtung der Persönlichkeitsentwicklung und des noch bestehenden Erziehungsbedarfs des Angeklagten" erkannt ([X.]), ohne dies allerdings näher zu substantiieren. Eine derartige, lediglich formelhafte Erwähnung des [X.] in den Urteilsgründen genügt grundsätzlich nicht ([X.], Beschluss vom 19. November 2009 - 3 [X.], [X.], 281).

6

Den Urteilsgründen ist auch in ihrem Zusammenhang nicht zu entnehmen, dass bei dem Angeklagten ein Erziehungsbedürfnis vorliegt, welches die Verhängung einer lang dauernden und zu verbüßenden Haftstrafe erfordert. Dies versteht sich hier auch nicht von selbst, sondern hätte einer eingehenden Erörterung bedurft. Nach den getroffenen Feststellungen trat der Angeklagte bisher nur geringfügig und zuletzt im Jahre 2004 strafrechtlich in Erscheinung. Er begann nach unauffälliger, mit der Fachhochschulreife abgeschlossener Schulausbildung ein Studium, das er im Zeitpunkt der Hauptverhandlung im 5. Semester fortsetzte. Das [X.] hat nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte aufgrund einer zur Tatzeit bestehenden hirnorganischen Beeinträchtigung wegen der Folgen einer im Oktober 2008 erlittenen massiven Kopfverletzung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war. Mit diesen Umständen hätte sich die [X.] bei der Bemessung der Jugendstrafe auseinandersetzen und das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen einer längeren Haftverbüßung für die weitere Entwicklung des Angeklagten abwägen müssen.

7

2. Die Aufhebung des Strafausspruchs bedingt hier auch den Wegfall der [X.]. Das neue Tatgericht hat über die Rechtsfolgen deshalb insgesamt neu zu entscheiden.

8

3. Die Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

[X.]                                                Hubert                                            Schäfer

                           [X.]

Meta

3 StR 14/12

28.02.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hildesheim, 22. November 2011, Az: 14 KLs 6 Js 1847/09

§ 17 Abs 2 Alt 2 JGG, § 18 Abs 2 JGG, § 105 Abs 1 Nr 1 JGG, § 255 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2012, Az. 3 StR 14/12 (REWIS RS 2012, 8716)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8716

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Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 38/13

2 StR 38/13

3 StR 14/12

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