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5 StR 328/04
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 17. März 2005 in der Strafsache gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 17. März 2005 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. März 2004 wird nach § 349 Abs. 2
StPO verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen.
[X.]e
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei [X.] und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er Verfahrensrügen erhebt und die Verletzung sachlichen Rechts rügt, ist unbe-gründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Das [X.] hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Der Angeklagte machte als Geschäftsführer der [X.]und R
GmbH in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für 1994 und 1995 un-berechtigt Vorsteuern in Höhe von insgesamt etwa 8,5 Millionen DM geltend, indem er behauptete, diese seien bei Geschäften über Computerzubehör mit der in [X.] ansässigen [X.] angefallen. Tatsächlich erfolgten die Lieferungen als innergemeinschaftliche Lieferung umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 1 lit. b, § 6a UStG) über in [X.] ansässige Unternehmen des ge-sondert verfolgten M . Dieser benutzte auf Veranlassung des Angeklagten die [X.]GmbH als Rechnungsstellerin, um jeweils für die [X.]und [X.]GmbH zum Vorsteuerabzug berechtigende [X.] 3 - käufe zu fingieren. Weder durch die [X.]GmbH noch durch M wurden die vereinnahmten Umsatzsteuern angemeldet oder abgeführt, was dem Angeklagten bekannt war.
Am 17. Januar 1996 wurde gegen den Angeklagten ein Strafverfahren wegen [X.] in den Jahren 1994 und 1995 eingelei-tet, nachdem Unregelmäßigkeiten in bezug auf die [X.] waren. In der Einleitungsmitteilung, dem Angeklagten am 19. Janu-ar 1996 zugestellt, wurde er über sein [X.] Aussageverweige-rungsrecht belehrt, sowie darüber, daß er für Zwecke der Besteuerung [X.] un-beschadet der Einleitung des Ermittlungsverfahrens [X.] zur Mitwirkung ver-pflichtet sei, seine Mitwirkung insoweit allerdings nicht erzwungen werden kann (§ 393 Abs. 1 [X.]). Mit [X.] vom 8. November 1996 [X.] überschrieben als —Erinnerung an die Abgabe von Steuererklärungenfi [X.] wurde durch das Finanzamt um die umgehende Abgabe der bisher nicht fristgerecht eingereichten Steuererklärungen, darunter auch die [X.] 1995, —gebetenfi. Dieses Schreiben enthielt zudem den Hinweis, daß die Abgabe der Erklärungen durch Festsetzung eines Zwangs-geldes nach § 333 [X.] erzwungen werden kann; bei Nichtabgabe würden die Besteuerungsgrundlagen geschätzt. Der Angeklagte beantragte daraufhin über seinen Steuerberater eine Fristverlängerung, die ihm bis zum 28. [X.] 1997 gewährt wurde; die Umsatzsteuerjahreserklärung 1995, in der der Angeklagte die falschen Angaben aus den zugehörigen [X.] wiederholte, ging am 4. Dezember 1996 beim Finanzamt ein. Das [X.] hat den Angeklagten wegen der unberechtigten Gel-tendmachung von Vorsteuern in der Umsatzsteuerjahreserklärung 1994 we-gen vollendeter Steuerhinterziehung verurteilt. Die falschen Angaben in der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 hat es als versuchte Steuerhinterziehung gewertet, da das Finanzamt die damit geltend gemachten Vorsteuern aus den [X.]-Rechnungen [X.] in Übereinstimmung mit inzwischen geänderten Vorsteuerbescheiden [X.] nicht anerkannte. Der hiergegen eingelegte Ein-- 4 - spruch wurde erst zurückgenommen, nachdem das [X.] mit Urteil vom 29. Juni 2000 die Klage gegen den Bescheid vom 26. August 1996 betreffend die Umsatzsteuer 1994 abgewiesen hatte.
2. Die Verurteilung des Angeklagten hält revisionsrechtlicher [X.] stand. Die [X.] bleiben aus den Gründen der [X.], die auch durch die Gegenerklärung nicht entkräftet werden, ohne Erfolg.
3. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
a) Zutreffend geht das [X.] davon aus, daß die [X.] Erinnerung des Finanzamts vom 8. November 1996 kein strafrechtliches Verwertungsverbot hinsichtlich der Verfolgung der falschen Umsatzsteuerjah-reserklärung 1995 nach sich zieht.
Das Erinnerungsschreiben stellt keine bewußte Täuschung des Ange-klagten über seine Verpflichtung zur Abgabe der [X.] im Sinne des § 136a StPO dar, denn es war grundsätzlich nicht geeignet, den bei Einleitung des Steuerstrafverfahrens ordnungsgemäß nach § 393 Abs. 1 [X.] belehrten Angeklagten über seine steuerrechtlichen Pflich-ten zu täuschen; zudem war er steuerlich beraten. Das Schreiben stellt [X.] eine unbeabsichtigte Irreführung dar, die nicht unter § 136a StPO fällt (vgl. [X.]St 31, 395, 400; [X.]R StPO § 136a Abs. 1 Täuschung 3 m.w.[X.]; [X.] in KK 5. Aufl. § 136a Rdn. 23 m.w.[X.]).
Es besteht auch kein Verwertungsverbot nach § 136a StPO wegen der Ausübung unzulässigen Zwangs. Ein solches Verwertungsverbot kommt nur dann in Betracht, wenn der Zwang gezielt als Mittel zur Herbeiführung einer Aussage angewandt wurde (vgl. [X.]R StPO § 136a Abs. 1 Zwang 3 m.w.[X.]). Dies ist hier nicht der Fall. Durch das Finanzamt wurde im Wege automatisierter Datenverarbeitung nach Fristablauf eine formularmäßige Er-- 5 - innerung wegen mehrerer nicht fristgerecht abgegebener Steuererklärungen an den Angeklagten versandt. In dem pauschalen Hinweis auf die Möglich-keit der Verhängung eines Zwangsgeldes nach § 333 [X.] ist zudem noch keine konkrete Zwangsmittelandrohung zu sehen, da sich der Hinweis weder auf eine bestimme Verpflichtung bezieht (§ 332 Abs. 2 Satz 2 [X.]) noch eine bestimmte Höhe festlegt (§ 332 Abs. 2 Satz 3 [X.]).
b) Der Verurteilung des Angeklagten wegen der falschen Angaben in der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 steht auch nicht der Grundsatz ent-gegen, daß niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen oder gegen sich selbst Zeugnis abzulegen (nemo tenetur se ipsum a[X.]usare). Aus diesem Grundsatz kann die Straflosigkeit der Wiederholung unrichtiger Angaben aus Umsatzsteuervoranmeldungen in der zugehörigen Jahreserklärung nicht hergeleitet werden.
[X.]) Dem Steuerpflichtigen werden weitreichende, im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit und die Notwendigkeit eines gesicherten Steueraufkom-mens für den St[X.]t sachlich gerechtfertigte (vgl. [X.] [X.] Kammer [X.] wistra 1988, 302; [X.]St 47, 8, 13) Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten auferlegt, die dieser selbst dann zu erfüllen hat, wenn er hierdurch eigene Straftaten aufdeckt.
Nach dem in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerten [X.] (vgl. [X.]E 56, 37, 41 f.), ist es jedoch unzulässig, eine strafrechtliche Verurteilung auf eine zuvor erzwungene Selbstbelastung zu stützen (vgl. [X.] [X.] Kammer [X.] NJW 2005, 352). Dem wird in der [X.] dadurch Rechnung getragen, daß in § 393 Abs. 1 [X.] der Ein-satz von Zwangsmitteln untersagt wird, soweit der Steuerpflichtige eigene Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten offenbaren müßte. Nach der Rechtsprechung des [X.] führt das [X.] zudem dazu, daß die Strafbarkeit wegen der Nichtabgabe einer [X.] entfällt, wenn wegen der Abgabe unrichtiger [X.] - ervoranmeldungen desselben Jahres ein Strafverfahren anhängig ist ([X.]St 47, 8). Denn aufgrund der engen Verzahnungen zwischen Umsatz-steuervoranmeldungen und zugehöriger Jahreserklärung, die sich auf [X.] Steuerart und dasselbe Steueraufkommen beziehen, wäre das Verbot der Anwendung von Zwangsmitteln der Abgabenordnung wirkungslos, wenn der Steuerpflichtige mit der Strafdrohung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zur Abgabe einer selbstbelastenden Umsatzsteuerjahreserklärung gezwungen wäre (vgl. [X.]St 47, 8, 15).
[X.]) In der Wiederholung der falschen Angaben aus den [X.] in der Umsatzsteuerjahreserklärung liegt indes die Bege-hung neuen Unrechts, wozu weder das Recht auf Selbstschutz (vgl. [X.]St 3, 18, 19; [X.], 66, 68) noch das [X.] (vgl. [X.]St 47, 8, 15; [X.]R [X.] § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht 2 und 3; [X.], Beschluß vom 12. Januar 2005 [X.] 5 [X.]) berechtigen. Bei der Abgabe falscher Umsatzsatzsteuervoranmeldungen (§ 18 Abs. 1 UStG) und der Abgabe einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung für dasselbe Kalenderjahr (§ 18 Abs. 3 UStG) handelt es sich materiellrecht-lich um jeweils selbständige Taten im Sinne von § 53 StGB (vgl. [X.]R [X.] § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 13; [X.] NJW 2005, 836; vgl. auch [X.], Urteil vom 12. Januar 2005 [X.] 5 StR 271/04). Zwar beziehen sich die Erklärungen auf dieselbe Steuerart und auf dasselbe Steueraufkommen des jeweiligen Jahres; sowohl den Umsatzsteuervoranmeldungen als auch der [X.] kommt jedoch jeweils ein eigenständiger Erklärungs-wert zu. Durch die Wiederholung der falschen Angaben in der [X.] will der Täter erreichen, daß die durch die falschen Voranmeldungen eingetretene Steuerverkürzung auf Zeit (vgl. [X.]R [X.]O) nunmehr zu einer endgültigen Steuerverkürzung wird. Dies stellt ein neuerliches Unrecht dar. Das hinter § 393 Abs. 1 Satz 2 [X.] stehende Verbot des Zwangs zur Selbst-belastung geht zurück auf ein Recht zur Passivität, erlaubt jedoch nicht die - 7 - neuerliche Vornahme verbotener Handlungen (vgl. [X.] in [X.]/Gast/ [X.], Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 393 Rdn. 37 m.w.[X.]).
[X.]) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den strafprozessualen Rechten des Beschuldigten. Diesem steht es frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Macht der Beschuldigte Angaben zur Sache, unterliegt er zwar keiner Wahr-heitspflicht; er hat aber auch kein —Recht zur Lügefi (vgl. [X.] in KK 5. Aufl. § 136 Rdn. 20 m.w.[X.]). Verletzt der Beschuldigte im Rahmen seiner Vernehmung durch unwahre Angaben die allgemeinen Strafgesetze, kann er deswegen bestraft werden (vgl. [X.]St 18, 204; [X.] [X.]O). In der Wiederholung der falschen Angaben ist auch nicht lediglich eine straflose Selbstbegünstigung zu sehen. Denn die Straflosigkeit des § 258 Abs. 5 StGB gilt nur für die Strafvereitelung als solche, nicht auch für andere mit ihr in Tateinheit stehende Delikte (vgl. [X.]St 15, 53, 54), wie die hier durch die falsche Umsatzsteuerjahreserklärung begangene (erneute) Steu-erhinterziehung nach § 370 Abs. 1 [X.].
c) Auch die Tatsache, daß die Rechtsprechung des [X.] zur Suspendierung der Strafbarkeit wegen Nichtabgabe von [X.] in bestimmten Ausnahmefällen erst nach der Tatzeit im hier zu beurtei-lenden Fall erging, führt zu keiner abweichenden Beurteilung (vgl. aber [X.], 78). Denn der Angeklagte hat sich nach den Feststellungen des [X.]s auch der Steuerhinterziehung durch falsche Umsatzsteuervoranmeldungen in elf Fällen schuldig gemacht; durch die [X.] allein wegen eines Falles der versuchten Steuerhinterziehung durch falsche Angaben in der zugehörigen Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 ist er nicht beschwert.
Das [X.] hat ausgeführt, daß die Angaben in der [X.] 1995 in Übereinstimmung mit den (falschen) Angaben in - 8 - den Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis November 1995 erfolgten ([X.], 17). Der Tatrichter hätte damit den Angeklagten auch [X.] nach Erteilung eines entsprechenden rechtlichen Hinweises gemäß § 265 StPO [X.] wegen vollendeter Steuerhinterziehung durch falsche Angaben in den Voranmel-dungen verurteilen können. Denn die [X.] durch falsche Voranmeldungen eines Jahres und die anschließende Umsatzsteuer-jahreserklärung des nämlichen Jahres bilden eine einheitliche Tat im Sinne des § 264 StPO ([X.] NJW 2005, 836, zur [X.] in [X.]St be-stimmt). Dies folgt [X.] unbeschadet dessen, daß es sich materiellrechtlich um mehrere Taten im Sinne von § 53 StGB handelt [X.] aus der engen Verzahnung von Umsatzsteuervoranmeldungen und nämlicher Jahreserklärung, die dazu führt, daß eine getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Auf-spaltung eines einheitlichen, von den Besonderheiten des materiellen Um-satzsteuerrechts geprägten Lebensvorgangs erscheinen würde (vgl. [X.] [X.]O).
Daß die St[X.]tsanwaltschaft hier das Verfahren hinsichtlich der [X.] nach § 154 Abs.1 StPO eingestellt hat, statt die Verfolgung gemäß § 154a StPO auf die Jahreserklärung zu beschränken, ändert an der umfassenden Kognitionspflicht des Tatrichters auch bezüglich der falschen Voranmeldungen nichts (vgl. [X.]St 25, 388, 390). Die Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung in elf Fällen, begangen durch die falschen Voranmeldungen, hätte hier den Unrechtsge-halt der Steuerverkürzungen durch den Angeklagten sogar besser erfaßt, da die angemeldeten Vorsteuern durch das Finanzamt zunächst [X.] in Unkenntnis des wahren Sachverhalts [X.] anerkannt wurden, der Schaden für den Fiskus somit tatsächlich eingetreten war. In diesem Fall hätte es dann allerdings nahe gelegen, von der Verfolgung der falschen Angaben in der [X.] 1995 gemäß § 154a StPO abzusehen, denn diese bezogen sich [X.] auf den gleichen Steuerschaden wie die Angaben in den [X.]. - 9 - Durch den Schuldspruch nur wegen eines Falles der versuchten Steu-erhinterziehung ist der [X.] allein revidierende [X.] Angeklagte indes nicht [X.].
[X.] Gerhardt Brause Sch[X.]l
Meta
17.03.2005
Bundesgerichtshof 5. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2005, Az. 5 StR 328/04 (REWIS RS 2005, 4428)
Papierfundstellen: REWIS RS 2005, 4428
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