Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2017, Az. VI ZB 34/16

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 14192

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:140317BVIZB34.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 34/16

vom

14. März 2017

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 78 Abs. 1, § 130 Nr. 6, § 520 Abs. 5
Eine Berufung ist nicht ordnungsgemäß durch einen Anwalt begründet, wenn dieser eine von einem [X.] entworfene Berufungsbegründung unterzeichnet, dabei jedoch durch einen distanzierenden Zusatz deutlich macht, dass er nicht die volle Verantwortung für den gesamten Inhalt des Schriftsatzes übernimmt.

[X.], Beschluss vom 14. März 2017 -
VI
ZB 34/16 -
OLG Stuttgart

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
14. März
2017
durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterinnen von [X.] und [X.] und [X.] Klein
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] vom 25. Juli 2016 wird auf Kos-ten des [X.] als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 95.000

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten auf materiellen und immateriellen Scha-densersatz aus ärztlicher Behandlung in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Hiergegen legte der Kläger
durch Schriftsatz seines damali-gen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt [X.], Berufung ein. Die Frist zur Be-rufungsbegründung wurde mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 17. Dezember 2015. Mit Schreiben vom 12. November 2015 legte der Kläger persönlich dem Berufungsgericht den selbstgefertigten
Entwurf einer Berufungsbegründung vor. Als Anlage übermittelte er ein an ihn gerichtetes Schreiben von Rechtsanwalt [X.] vom 11. November 2015. In diesem Schreiben führte Rechtsanwalt [X.] aus, er habe die Akte und die vom Kläger entworfene Berufungsbegründung geprüft, sehe sich aber aufgrund der fehlenden Erfolgsaussichten sowie der vom Kläger erhobenen Vorwürfe einer vorsätzlichen Körperverletzung durch die Beklagten 1
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nicht in der Lage, die Berufung durchzuführen. Wörtlich heißt es: "Sie behaup-ten, die behandelnden Ärzte haben Sie vorsätzlich an der Gesundheit geschä-digt. Ich halte diese Behauptung auch nach genauem Studium der Akte für nicht zutreffend und kann guten Gewissens diese Behauptung weder aufstellen noch vertreten.
Ich habe Sie in diesem Zusammenhang auch auf die strafrechtliche Relevanz ihrer Behauptungen hinzuweisen."
Am 25. November 2015 teilte Rechtsanwalt [X.] dem Berufungsgericht mit, den Kläger nicht länger zu vertre-ten. Mit Schreiben vom 27. November 2015 übersandte der Kläger dem [X.] eine "verbesserte"
Fassung seines Entwurfs einer Berufungsbe-gründung, wobei die von Rechtsanwalt [X.] beanstandeten Passagen inhaltlich
unverändert blieben. Als Anlage übermittelte der Kläger eine an ihn gerichtete Email von Rechtsanwalt [X.] vom 25. November 2015, in der dieser ihn erneut darauf hinwies, dass er die Berufung aufgrund der fehlenden Erfolgsaussichten und der vom Kläger erhobenen Vorwürfe einer vorsätzlichen Körperverletzung nicht durchführen werde.
Am 17. Dezember 2015, mithin am letzten Tag der Berufungsbegrün-dungsfrist, reichte Rechtsanwalt [X.] eine 16-seitige Berufungsbegründung ein. Das Eingangsblatt mit den Anträgen sowie drei Schlusssätze hatte Rechtsan-walt [X.] selbst verfasst, die übrigen Seiten entstammen dem vom Kläger gefer-tigten Entwurf. Die von Rechtsanwalt [X.] unterzeichnete Berufungsbegründung lautet in den von ihm gefertigten Passagen wie folgt:
"In Sachen Rechtsanwalt gefunden habe, der bereit gewesen sei, die
Berufung zu begründen. Der Kläger hat [X.] aufgefordert, die Berufung zu begründen.
Nach Wiederaufnahme des Mandats wird namens und in Vollmacht des [X.] -
und auf ausdrückliche Weisung des [X.] -

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Begründung:
Der Kläger lässt vortragen:
"

"
[es folgt die vom Kläger entworfene, durch ihr Schriftbild vom Anwaltsschreiben deutlich abgesetzte und in Anführungszeichen gesetzte Berufungsbegründung im Wort-laut]
Die in Bezug genommenen Anlagen liegen dem Gericht bereits vor.
Soweit die Berufungsbegründung den Verdacht einer Straftat enthält, so handelt es sich hierbei um Schlussfolgerungen aus Indizientatsachen, die ohne Anzeichen der Mutwil-ligkeit oder wider besseren Wissens aufgestellt werden.
Dieser Hinweis erscheint [X.] als Prozessbevollmächtigter des [X.] notwendig."

Das Berufungsgericht hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 ZPO verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbe-schwerde.

II.
Die statthafte (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO) Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (Se-natsbeschluss vom 15. Dezember
2015 -
VI ZB 15/15, NJW 2016, 873 Rn. 5 mwN), sind nicht erfüllt. Eine Entscheidung des [X.] ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich; insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch des [X.] auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.[X.]m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. [X.], NJW 2003, 281 mwN).
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1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt, Rechtsanwalt [X.] habe sich von dem Inhalt der von ihm unterschriebenen Berufungsbegründung distanziert und damit deutlich gemacht, dass er dafür nicht die volle Verantwortung übernehme. Dies folge aus seinen einleitenden und abschließenden eigenen Anmerkungen, auch habe er
die Ausführungen des [X.] in Anführungszeichen
gesetzt. Insgesamt habe Rechtsanwalt [X.] mit der gebotenen Eindeutigkeit zu erkennen gegeben, dass er nur eine fremde Erklärung, nämlich die des [X.], habe übermitteln wollen. Dieses Ergebnis werde bestätigt durch die mit dem Kläger zuvor geführte Korrespondenz, die dieser dem Berufungsgericht zur Kenntnis gegeben habe. Danach seien es ne-ben der fehlenden Erfolgsaussicht insbesondere die in den Ausführungen des [X.] enthaltenen strafrechtlichen Vorwürfe gewesen, die Rechtsanwalt [X.] abgelehnt habe und die es ihm unmöglich gemacht hätten, die Berufung für den Kläger zu führen und die in der vorformulierten Begründung des [X.] enthal-tene Behauptung aufzustellen und zu vertreten.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Mit den Regelungen über den Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO) und über den notwendigen Inhalt einer Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 3 ZPO) soll erreicht werden, dass ein mit dem Verfahren vertrauter Rechtsanwalt dem Gericht und dem Gegner den Sachverhalt unter bestimmter Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Anfechtungsgründe nach persönlicher Durcharbei-tung des [X.] vorträgt. Die Berufungsbegründung muss deshalb Er-gebnis der geistigen Arbeit des [X.] sein (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Oktober 1988 -
IVb [X.], NJW 1989, 394, 395; Beschluss vom 23. Juni 2005 -
V [X.], NJW 2005, 2709). Zwar ist der Anwalt nicht gehindert, die Berufungsbegründung von anderen Personen, etwa von einem Referendar, vorbereiten zu lassen. Erforderlich ist aber, dass der unterzeichnende Anwalt 5
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die Berufungsbegründung selbständig prüft und aufgrund der Prüfung die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt ([X.], Urteil vom 19. Oktober 1988 -
IVb [X.],
NJW 1989, 394, 395;
Beschluss vom 24. Januar 2008
-
IX
ZB 258/05, [X.], 1311 Rn. 5).
b) Aus Gründen der Rechtssicherheit begnügt sich das Gesetz hinsicht-lich dieser Anforderungen allerdings mit dem äußeren Merkmal der Unterschrift, ohne einen darüber hinausgehenden Nachweis zu fordern, dass der Anwalt den [X.] eigenverantwortlich durchgearbeitet hat und die Verantwortung für dessen Inhalt tragen will (§ 520 Abs. 5 i.[X.]m. § 130 Nr. 6 ZPO). Für ein [X.] besteht deshalb in aller Regel kein Anlass, den Inhalt einer anwalt-lich unterschriebenen Berufungsbegründung darauf zu überprüfen, in welchem Umfang und wie gründlich der Anwalt den [X.] tatsächlich selbst durchgearbeitet hat (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 1989 -
VII ZR 223/88, NJW 1989, 3022, 3023; Beschluss vom 24.
Januar 2008 -
IX ZB 258/05, [X.], 1311 Rn. 6).
Ausnahmen von diesem Grundsatz werden von der Rechtsprechung für zwei Fallgruppen anerkannt, nämlich zum einen, wenn der Anwalt sich durch einen Zusatz von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert, und zum ande-ren, wenn nach den Umständen außer Zweifel steht, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz ohne eigene Prüfung, also unbesehen, unterschrieben hat (vgl. [X.], Urteil vom 29. Oktober 1997 -
VIII [X.], NJW-RR 1998, 574, 575; Beschlüsse vom 23. Juni 2005 -
V [X.], NJW 2005, 2709; vom 24. Januar 2008 -
IX ZB 258/05, [X.], 1311 Rn. 7). Zur erstgenannten Fallgruppe rechnen insbesondere von [X.] entworfene Rechtsmittelbegründungen, die der Prozessbevollmächtigte nur rein formal unterzeichnet, dabei jedoch durch einen Zusatz deutlich macht, dass er die volle Verantwortung für den gesamten Inhalt des Schriftsatzes ablehnt
([X.], Urteil vom 28. März 1969 -
I [X.], 8
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VersR
1969, 617; Beschluss vom 21. Mai 1954 -
IV ZB 28/54, [X.] 1954, 463; [X.], 81, 84 f.).
c) Nach diesen Grundsätzen ist die Berufung hier auch bei der gebote-nen
rechtsschutzfreundlichen
Auslegung (vgl. [X.], Urteil vom 21. Juni 2016
-
II
ZR 305/14, [X.] 2016, 1032 Rn. 12) von Form und
Inhalt des Schriftsatzes vom 17. Dezember 2015 nicht in zulässiger Weise begründet worden.
Rechtsanwalt [X.] hat die
vom Kläger
entworfene Berufungsbegründung
zwar in sein eigenes Schreiben hineinkopiert und unterzeichnet, zugleich aber deutlich gemacht,
dass er den Inhalt des Begründungsschriftsatzes nicht ver-antwortet und sich insbesondere die darin enthaltenen strafrechtlich relevanten Vorwürfe an die Gegenseite nicht zu eigen macht. Jedenfalls in der [X.] der von Rechtsanwalt [X.] gewählten distanzierenden Stilmittel -
Stellen der Anträge "auf ausdrückliche Anweisung des [X.]", Einleiten der vom Klä-ger übernommenen Begründung mit dem Satz, der Kläger lasse vortragen, Set-zen der vom Schriftsatz im Übrigen zusätzlich optisch klar abgesetzten Ausfüh-rungen des [X.] in Anführungszeichen und der abschließenden [X.] der zuvor
in Anführungszeichen wiedergegebenen strafrechtlich relevan-ten
Vorwürfe -
tritt zweifelsfrei zu tage, dass Rechtsanwalt [X.] die übermittelte Berufungsbegründung
nach erfolgter Prüfung gerade
nicht in der erforderlichen Weise als eigene und von ihm selbst vollständig zu verantwortende geistige Leistung verstanden wissen will, sondern dass er jedenfalls in Teilen von ihm nicht geteilte Einschätzungen seines Mandanten lediglich überbringt.
Da sich die Unzulässigkeit der Berufung nach all dem schon aus dem
Berufungsbegründungsschriftsatz
vom 17. Dezember 2015 selbst ergibt, kann offen bleiben, ob die dem Berufungsgericht vom Kläger zur Kenntnis gebrachte vorherige Korrespondenz zwischen Rechtsanwalt [X.] und dem Kläger ergän-10
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zend herangezogen werden kann, wie es das Berufungsgericht bestätigend getan hat (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 5. November 1987 -
V [X.], NJW 1988, 210 einerseits, Beschluss vom 26. April 2012 -
VII
ZB 83/10,
NJW-RR 2012, 1139 Rn. 11 ff. andererseits).
Galke
[X.]
von [X.]

Oehler
Klein

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.07.2015 -
8 O 56/10 -

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 25.07.2016 -
1 [X.] -

Meta

VI ZB 34/16

14.03.2017

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2017, Az. VI ZB 34/16 (REWIS RS 2017, 14192)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14192

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VI ZB 34/16

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