Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2011, Az. XII ZB 212/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1643

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Gegenstand

Unterhaltsstufenklage des volljährigen Kindes: Beschwer nach Verurteilung eines steuerlich mit seinem Ehegatten zusammenveranlagten Unterhaltspflichtigen zur Vorlage eines Einkommensteuerbescheides


Leitsatz

Zur Höhe der Beschwer, wenn der Unterhaltspflichtige und sein Ehegatte steuerlich zusammen veranlagt wurden und der Unterhaltspflichtige zur Vorlage des Einkommensteuerbescheids verurteilt worden ist .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. [X.] des [X.] vom 7. April 2011 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

[X.]: bis 600 €

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist die volljährige Tochter des Antragsgegners aus dessen erster Ehe. Sie nimmt den Antragsgegner, der mittlerweile wieder verheiratet ist, auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch.

2

Auf den von der Antragstellerin erhobenen Stufenantrag wurde der Antragsgegner durch Teilbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – u. a. dazu verurteilt, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über die Höhe der von ihm innerhalb der Monate März 2009 bis Februar 2010 bezogenen [X.] aus Erwerbstätigkeit und aus Steuerrückzahlungen sowie diese Auskunft durch die Vorlage von Einkommensbelegen und seines letzten Steuerbescheids für die [X.] und 2009 zu belegen.

3

Gegen diesen Teilbeschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Das [X.] hat den Wert der Beschwer für das Beschwerdeverfahren auf 300 € festgesetzt und die Beschwerde sodann als unzulässig verworfen.

4

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, mit der er geltend macht, der Wert der Beschwer übersteige 600 €.

II.

5

Die nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. m. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist nicht zulässig, weil weder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordern (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), noch die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

6

1. a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass für die Bemessung des Werts des [X.] bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist - von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses abgesehen - auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.] (Senatsbeschlüsse vom 23. März 2011 - [X.] 436/10 - FamRZ 2011, 882 Rn. 9; vom 22. April 2009 - [X.] 49/07 - FamRZ 2009, 1211 Rn. 9 jeweils mwN und vom 31. Januar 2007 - [X.] 133/06 - FamRZ 2007, 714 Rn. 4; [X.] - [X.] - 128, 85 = NJW 1995, 664 f.).

7

b) Auf dieser rechtlichen Grundlage ist im Falle einer Verurteilung zur Auskunft der Wert der Beschwer gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 3 ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmen. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Bemessung der Beschwer nur darauf überprüfen, ob das Beschwerdegericht von dem ihm nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 3 ZPO eingeräumten Ermessen rechtsfehlerhaft Gebrauch gemacht hat, was insbesondere dann der Fall ist, wenn das Gericht bei der Bewertung des [X.] maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder etwa erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 139 ZPO) nicht festgestellt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Januar 2007 - [X.] 133/06 - FamRZ 2007, 714 Rn. 5 mwN und vom 31. März 2010 - [X.] 130/09 - FamRZ 2010, 881 Rn. 10).

8

c) Soweit das Beschwerdegericht den Aufwand für die Zusammenstellung und die Vorlage der im Tenor des angefochtenen Beschlusses genannten Unterlagen sowie der darauf aufbauenden Auskunft auf unter 600 € geschätzt hat, lässt dies einen Ermessensfehler zum Nachteil des Antragsgegners nicht erkennen.

9

d) Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch die Kosten der Zuziehung eines Steuerberaters bei der Bemessung der Beschwer außer Betracht gelassen. Solche Kosten können nur berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige selbst zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (Senatsbeschlüsse vom 25. April 2007 - [X.] 10/07 - FamRZ 2007, 1090 Rn. 7; vom 26. Oktober 2005 - [X.] 25/05 - [X.], 33, 34 und Senatsurteil vom 11. Juli 2001 - [X.], 666, 667). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.

Nach der Rechtsprechung des Senats muss der Auskunftspflichtige den Steuerbescheid auch dann vorlegen, wenn er zusammen mit seinem Ehegatten veranlagt worden ist. Er darf dabei jedoch solche Betragsangaben abdecken oder sonst unkenntlich machen, die ausschließlich seinen Ehegatten betreffen oder in denen Werte für ihn und seinen Ehegatten zusammengefasst sind, ohne dass sein eigener Anteil daraus entnommen werden kann (Senatsurteil vom 13. April 1983 - [X.] - FamRZ 1983, 680, 682; vgl. dazu auch [X.]/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 1183). Der Unterhaltsschuldner kann deshalb die im Rahmen eines Verfahrens auf Kindesunterhalt bestehende Belegpflicht über sein Einkommen dadurch erfüllen, dass er die in dem vorzulegenden Einkommensbescheid enthaltenen Angaben zum Einkommen seiner Ehefrau schwärzt (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2004 - [X.] 165/00 - [X.], 104).

Im vorliegenden Fall kann der Antragsgegner die ihm auferlegte Verpflichtung zur Vorlage seiner Steuerbescheide für die [X.] und 2009 auf die gleiche Art und Weise erfüllen, ohne das Einkommen seiner Ehefrau preisgeben zu müssen. Die nach der Streichung vorhandenen Angaben zum Einkommen des Antragsgegners und zu den vom Einkommen absetzbaren Beträgen genügen, um anhand der Grundtabelle die Steuerschuld des Antragsgegners fiktiv zu errechnen (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2004 - [X.] 165/00 - [X.], 104, 105). Eine von einem Steuerberater durchgeführte Berechnung der Steuerschuld des Antragsgegners bei einer getrennten Veranlagung für die beiden relevanten Steuerjahre bedarf es dazu nicht. Das Beschwerdegericht hat deshalb zu Recht die vom Antragsgegner geltend gemachten Kosten für die Beiziehung eines Steuerberaters bei der Bemessung seiner Beschwer außer Betracht gelassen.

e) Auch soweit das Beschwerdegericht das vom Antragsgegner geltend gemachte Geheimhaltungsinteresse nicht als werterhöhend berücksichtigt hat, hält dies der rechtlichen Nachprüfung stand.

aa) Zwar kann nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] im Einzelfall ein Geheimhaltungsinteresse der zur Auskunft verurteilten Partei für die Bemessung des Rechtsmittelinteresses erheblich sein (Senatsbeschluss [X.] 164, 63 = [X.], 1986). Hierfür muss aber ein besonderes Interesse des Auskunftspflichtigen, bestimmte Tatsachen insbesondere vor dem Gegner geheim zu halten, im Einzelfall konkret dargelegt werden. Dazu gehört auch, dass gerade in der Person des Auskunftsbegehrenden die Gefahr begründet sein muss, dieser werde von ihm gegenüber offenbarten Tatsachen über den Rechtsstreit hinaus in einer Weise Gebrauch machen, die schützenswerte wirtschaftliche Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährden können (Senatsbeschluss [X.] 164, 63 = [X.], 1986 mwN).

bb) Hier hat der Antragsgegner geltend gemacht, durch die Verpflichtung zur Vorlage der Steuerbescheide für die [X.] und 2009 müsse auch seine Ehefrau, mit der er steuerlich zusammen veranlagt werde, ihre Einkommensverhältnisse gegenüber der Antragstellerin offenbaren, obwohl sie dazu nicht bereit sei. Dadurch werde das Geheimhaltungsinteresse seiner Ehefrau verletzt, das diese aus dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung ableiten könne. Das Geheimhaltungsinteresse seiner Ehefrau könne nur dadurch geschützt werden, dass er mit Hilfe eines Steuerberaters fiktiv eine getrennte Steuerveranlagung durchführen lasse. Deshalb habe das Beschwerdegericht das Geheimhaltungsinteresse seiner Ehefrau bei der Bemessung des Werts der Beschwer berücksichtigen müssen.

cc) Mit dieser Begründung hat der Antragsgegner ein werterhöhendes Geheimhaltungsinteresse nicht dargetan. Es kann offen bleiben, ob auch in einem Fall der vorliegenden Art der Grundsatz gilt, dass Drittbeziehungen des Auskunftspflichtigen nicht zu einem unmittelbar aus der Verurteilung zur Auskunft fließenden rechtlichen Nachteil führen und deshalb als reine Fernwirkung für die Bemessung der Beschwer außer Betracht zu bleiben haben (vgl. hierzu Senatsbeschluss [X.] 164, 63 = [X.], 1986, 1987). Wie bereits ausgeführt, kann das Geheimhaltungsinteresse der Ehefrau des Antragsgegners bereits dadurch geschützt werden, dass der Antragsgegner Angaben auf dem vorzulegenden Steuerbescheid, die die Einkommensverhältnisse seiner Ehefrau betreffen, schwärzt.

2. Schließlich hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ist vom [X.] bereits entschieden (vgl. Senatsurteil vom 13. April 1983 - [X.] - FamRZ 1983, 680, 682 und Senatsbeschluss vom 3. November 2004 - [X.] 165/00 - [X.], 104). Dass hierzu in der obergerichtlichen Rechtsprechung oder in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (vgl. zu dieser Voraussetzung [X.] Beschluss vom 8. Februar 2010 - [X.]/09 - NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3 mwN) hat die Rechtsbeschwerde nicht dargelegt.

[X.]                                            Weber-Monecke                                         Dose

                      Schilling                                                          [X.]

Meta

XII ZB 212/11

09.11.2011

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Düsseldorf, 7. April 2011, Az: II-1 UF 51/11, Beschluss

§ 61 Abs 1 FamFG, § 1605 BGB, § 26b EStG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2011, Az. XII ZB 212/11 (REWIS RS 2011, 1643)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1643

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