Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.08.2023, Az. 5 StR 80/23

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 7381

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Gegenstand

Strafsache: Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands; Garantenstellung aus Ingerenz


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 29. August 2022, soweit es den Angeklagten B.      betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; davon ausgenommen bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen im Fall II.6 der Urteilsgründe.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unterlassener Hilfeleistung (Fall II.6 der Urteilsgründe) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Vom Anklagevorwurf der Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall [X.] der Urteilsgründe) hat es ihn freigesprochen. Die mit der Sachrüge geführte Revision der Staatsanwaltschaft hat weitgehend Erfolg.

I.

2

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. Der Angeklagte B.      , der Mitangeklagte [X.], der Geschädigte [X.]      sowie die gesondert Verfolgten [X.]     und [X.].     bewohnten im Tatzeitraum (August 2021) gemeinsam eine als Arbeiterunterkunft dienende Maisonettewohnung in einem H.      er Mehrfamilienhaus. Der Angeklagte und der Geschädigte waren kollegial befreundet und teilten sich seit etwa zwei Jahren [X.]. Das Zusammenleben der Bewohner war vor allem an Wochenenden vom gemeinsamen Alkoholkonsum geprägt. Bei [X.]nflikten und [X.]ntroversen kam es zu Handgreiflichkeiten und Misshandlungen. Vor diesem Hintergrund ereignete sich am Wochenende vom 14. bis 15. August 2021 Folgendes:

4

a) In der Nacht vom 14. auf den 15. August 2021 fügten [X.]und [X.]     dem Geschädigten durch Akte „roher Gewalt“ zahlreiche Hämatome und eine stark blutende Rissquetschwunde am [X.]pf zu. Er hatte derart starke Schmerzen, dass er erst gegen Sonntagmittag in der Lage war, aufzustehen und s[X.] zu verlassen. Schließlich gelang es ihm gegen 12 Uhr, in die Küche zu gehen, um [X.]ffee zu trinken. Zwischen 14 und 15 Uhr kehrten [X.], [X.]     und [X.].     vom Fußballspielen in die Wohnung zurück. In der Küche trafen sie auf den Geschädigten. [X.]schlug dem erkennbar am [X.]pf verletzten [X.]      unvermittelt mit der Hand ins Gesicht, trat ihm mit einem beschuhten Fuß gegen den [X.]pf und versetzte ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht. Infolgedessen tropfte Blut aus einem Ohr und vom [X.]pf des Geschädigten auf den Küchenboden und spritzte gegen die Wand. Der Angeklagte, [X.]     und [X.].     konsumierten derweil Alkohol und verfolgten das Geschehen unbeteiligt.

5

Um den Geschädigten „weiterhin zu erniedrigen“, befahl [X.]ihm, sein Blut vom Küchenboden aufzuwischen. Den Angeklagten forderte er auf, sich auf [X.]      zu knien, um ihn für eine Fotoaufnahme zu fixieren. Der Forderung verlieh er mit der Drohung Nachdruck, dass er den Angeklagten, den er schon früher körperlich misshandelt hatte, ansonsten so hart wie den Geschädigten schlagen werde. Aus Angst vor Schlägen drückte der Angeklagte den Geschädigten zu Boden und kniete sich auf dessen Rücken, wodurch dieser Schmerzen erlitt. [X.]fotografierte das Geschehen. Dem Angeklagten war bewusst, dass [X.]sein den Geschädigten demütigendes Verhalten zum Anlass nehmen würde, diesen weiter zu misshandeln.

6

Anschließend kam es im Badezimmer zu einer „gruppendynamischen Gewaltorgie“, in deren Verlauf [X.]und [X.]     unter anderem mit einem Duschschlauch, einer Fahrradkette und einer Handtuchhalterung aus Metall auf Körper und [X.]pf des Geschädigten einschlugen. Infolgedessen war das Badezimmer vollständig bis an die Decke mit Blut und Blutspritzern übersät. Das [X.] hat nicht festzustellen vermocht, „was“ der Angeklagte von dem Geschehen im Badezimmer „mitbekommen“ hatte (Fall [X.] der Urteilsgründe).

7

b) Aufgrund eines neuen Entschlusses schleppten [X.]und [X.]     den nackten, blutüberströmten und infolge seiner Verletzungen nicht mehr ansprechbaren Geschädigten in s[X.] im oberen Bereich der Wohnung. Sie legten ihn auf eine Matratze, gingen anschließend wieder nach unten und überließen [X.]       seinem Schicksal. Dem Angeklagten, der um 16.10 Uhr an einer nahegelegenen Tankstelle diverse Alkoholika gekauft hatte und zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt mit den Getränken in die Wohnung zurückgekehrt war, „drängten“ sich angesichts des „ihm evident dargebotenen Blutbades in der Wohnung“ und seines Miterlebens der Gewalthandlungen in der Küche „die Umstände förmlich auf, welche seine – ihm ohne eigene Gefährdung zumutbare – Pflicht zur Hilfe für seinen Freund … begründeten“. Dies hatte der Angeklagte trotz seiner Alkoholisierung erkannt. Ebenso wenig wie die anderen Mitbewohner kam der Angeklagte dem schwerverletzten Geschädigten zu Hilfe (Fall II.6 der Urteilsgründe).

8

c) Um 19.09 Uhr kaufte der Angeklagte eine Flasche Wodka an der Tankstelle und trank noch auf dem Gelände einen großen Schluck daraus; spätestens um 21 Uhr war er in die Wohnung zurückgekehrt. Der Geschädigte wurde kurz nach 23 Uhr blutverschmiert und reglos („wie tot“) von Rettungs- und Polizeikräften vorgefunden, die ein Bewohner einer nahegelegenen Monteurunterkunft alarmiert hatte. Ohne zeitnahe notfallmedizinische Intervention wäre er mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Folgen seiner Verletzungen und der Unterkühlung verstorben. Der Angeklagte wurde von den hinzugerufenen Polizisten schlafend angetroffen. Er schwankte leicht und lallte. Eine am 16. August um 4.05 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,48 Promille. Seine Steuerungsfähigkeit war erst infolge des Alkoholkonsums auf dem Tankstellengelände um 19.09 Uhr nicht ausschließbar erheblich vermindert.

9

2. Das [X.] hat den Angeklagten im Fall II.6 der Urteilsgründe wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt. Seine Beteiligung an dem Geschehen in der Küche (Fall [X.] der Urteilsgründe) sei nach § 35 StGB entschuldigt gewesen; das [X.] hat den Angeklagten deshalb insoweit freigesprochen.

II.

Die vom [X.] vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat weitgehend Erfolg.

1. Eine Beschränkung des Rechtsmittels hat die Staatsanwaltschaft nicht vorgenommen. Sie hat bei [X.] das Urteil „seinem ganzen Inhalt nach angefochten“. In der Rechtsmittelbegründung hat sie ausgeführt, dass bei Annahme eines – aus ihrer Sicht gegebenen – versuchten Tötungsdeliktes durch den Mitangeklagten [X.]die (bloße) Verurteilung des Angeklagten wegen unterlassener Hilfeleistung „ins Wanken“ käme. Auch hieraus ergibt sich, dass der Anfechtungswille der Staatsanwaltschaft neben dem Teilfreispruch (Fall [X.] der Urteilsgründe) gleichsam den Fall II.6 der Urteilsgründe umfasst.

2. Der Teilfreispruch vom Vorwurf der Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil das [X.] dem Angeklagten zu Unrecht einen entschuldigenden Notstand zugebilligt hat.

a) Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 StGB handelt ohne Schuld, wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden. Danach ist nicht jede zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr für die von § 35 StGB geschützten Rechtsgüter begangene rechtswidrige Handlung durch Notstand entschuldigt. Wie sich aus dem Wortlaut („nicht anders abwendbaren Gefahr“) ergibt, muss der Täter oder Teilnehmer vielmehr bei mehreren in Frage kommenden Mitteln das mildeste wählen, das geeignet ist, der Gefahr wirksam zu begegnen. [X.]mmen aus der Sicht eines verständigen Betrachters in einer Gefahrensituation mehrere Mittel in Betracht, dieser in zumutbarer Weise zu begegnen, so kann sich deshalb nur derjenige auf entschuldigenden Notstand berufen, der die Frage, ob die Gefahr auf andere zumutbare Weise abwendbar ist, nach besten Kräften geprüft hat. An die insoweit bestehende Prüfungspflicht sind dabei umso strengere Maßstäbe anzulegen, je schwerer die Rechtsgutverletzung durch die im Notstand begangene Tat wiegt (vgl. [X.], Urteile vom 21. Mai 1992 – 4 [X.], [X.], 487 mwN; vom 29. März 1963 – 4 StR 500/62, [X.]St 18, 311 f.; krit. zum Umfang der Prüfungspflicht Mü[X.]-StGB/Müssig,4. Aufl., § 35 Rn. 38; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 35 Rn. 25; siehe auch [X.], StGB, 13. Aufl., § 35 Rn. 56 f.). Vorrangig muss derjenige, der sich in einer [X.] befindet, prüfen, ob die Gefahr durch Ausweichen, Flucht oder Hilfe Dritter abgewendet werden kann ([X.]/[X.], 5. Aufl., § 34 Rn. 13, § 35 Rn. 12; [X.], StGB, 70. Aufl., § 34 Rn. [X.], § 35 Rn. 2; [X.] StGB/[X.]/[X.], [X.]., § 35 Rn. 11; [X.], aaO Rn. 61).

b) Gemessen daran hält die Bewertung des [X.]s der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Zu Recht hat der [X.] Erörterungslücken beanstandet. Denn das [X.] hat sich insbesondere nicht dazu verhalten, ob der Angeklagte andere Mittel als ein Weglaufen oder ein Ausweichen erwogen hat, um die für ihn von [X.]ausgehende Gefahr abzuwenden. Angesichts der festgestellten Umstände hätte es sich aber damit auseinandersetzen müssen, ob er in Betracht gezogen hat, die beiden in der Küche anwesenden Mitbewohner um Hilfe zu bitten oder [X.]mit der Herbeiholung der Polizei zu drohen. Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als dem Angeklagten bewusst war, dass [X.]sein Verhalten zum Anlass nehmen würde, den bereits erkennbar erheblich am [X.]pf verletzten Geschädigten weiter zu misshandeln. Angesichts der daraus folgenden konkreten Gefahr für das Leben des Geschädigten war er in besonderem Maß verpflichtet, andere Möglichkeiten der Gefahrenabwehr als seine – von [X.]verlangte – Beteiligung an der Tat zu prüfen.

c) Angesichts dieses Rechtsfehlers, der zur Aufhebung des [X.] führen muss, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass das [X.] den insoweit festgestellten Sachverhalt entgegen § 264 StPO rechtlich nicht ausgeschöpft hat. Nach den [X.] verließ der Angeklagte den [X.], kaufte bei einer nahegelegenen Tankstelle alkoholische Getränke und kehrte anschließend in die Wohnung zurück. Um Hilfe für seinen schwerverletzten Mitbewohner bemühte er sich nicht, obwohl ihm bewusst war, dass der Mitangeklagte [X.]diesen weiter misshandeln würde. Danach liegt es nicht fern, dass sich der Angeklagte durch das Unterlassen von [X.] schon in diesem [X.] wegen unterlassener Hilfeleistung (§ 323c StGB) oder eines Delikts gegen die körperliche Unversehrtheit oder das Leben durch Unterlassen (§ 13 StGB) strafbar gemacht haben könnte (siehe zur Garantenpflicht aus [X.] nachfolgend unter 3.).

3. Soweit das [X.] den Angeklagten im Fall II.6 der Urteilsgründe lediglich wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt hat, weist das Urteil ebenfalls Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf. Denn das [X.] hat nicht bedacht, dass der Angeklagte sich einer Straftat, insbesondere eines versuchten Tötungsdelikts, durch Unterlassen (§ 13 StGB) strafbar gemacht haben könnte. Es hat mithin gegen seine [X.]gnitionspflicht verstoßen, weil es die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat im Sinne des § 264 StPO nicht erschöpfend gewürdigt hat.

a) Nach § 13 Abs. 1 StGB begeht derjenige eine Straftat durch Unterlassen, der einen Erfolg nicht abwendet, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, obwohl er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt. Zudem muss das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechen.

Danach muss der [X.] eine Garantenstellung für das konkret betroffene Rechtsgut innehaben. Diese kann sich unter anderem aus einem [X.] ergeben, wenn er dadurch die Gefahr eines Schadens geschaffen oder mitgeschaffen hat ([X.]). Allerdings führt ein sozial übliches und von der Allgemeinheit gebilligtes [X.] regelmäßig nicht zu einer Garantenstellung aus [X.]. Vielmehr muss das [X.] objektiv pflichtwidrig sein (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 19. Juli 1973 – 4 StR 284/73, [X.]St 25, 218, 220 f.).

b) Nach diesen Grundsätzen hätte das [X.] prüfen müssen, ob sich der Angeklagte wegen eines unechten Unterlassungsdelikts strafbar gemacht hat.

aa) Nach den Feststellungen beteiligte sich der Angeklagte an den Gewaltakten des Mitangeklagten [X.]gegen den Geschädigten. Dabei war ihm bewusst, dass [X.]seine Beteiligungshandlungen zum Anlass nehmen würde, die – in eine „Gewaltorgie“ mündenden – Misshandlungen des bereits erheblich am [X.]pf verletzten Opfers fortzusetzen. Danach liegt es jedenfalls nicht fern, dass der Angeklagte eine Garantenstellung aus [X.] für das Leben seines Freundes [X.]      innehatte. Denn derjenige, der sich an Misshandlungen eines Menschen beteiligt, ist nach § 13 Abs. 1 StGB verpflichtet, einen drohenden [X.] abzuwenden, wenn durch sein [X.] die nahe Gefahr des Eintritts des tatbestandsmäßigen Erfolges besteht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn das vorangegangene Verhalten eine Gefahrerhöhung für das Opfer dadurch bewirkt, dass der Täter – hier der Mitangeklagte [X.]– in seinen, die Misshandlung des Opfers übersteigenden und nunmehr auf dessen Tötung gerichteten Handlungen bestärkt wird (vgl. [X.], Urteile vom 26. Februar 2009 – 5 [X.], [X.]R StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 25; vom 25. September 1991 – 3 [X.], [X.]R StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 7; siehe auch Beschlüsse vom 14. Februar 2012 – 3 [X.], [X.], 379, 380; vom 19. Dezember 2018 – 1 StR 597/18, NStZ-RR 2019, 74).

bb) Das [X.] des Angeklagten war objektiv pflichtwidrig. Das wäre selbst dann der Fall, wenn eine [X.] vorgelegen hätte und – wie es das [X.] rechtsfehlerhaft getan hat – die Beteiligung des Angeklagten an den Misshandlungen des Geschädigten während der [X.] als nach § 35 Abs. 1 StGB entschuldigt zu bewerten gewesen wäre. Denn die Begründung einer Garantenstellung aus [X.] setzt kein schuldhaftes, sondern lediglich ein pflichtwidriges [X.] voraus. Ein nach § 35 Abs. 1 StGB entschuldigtes Verhalten bleibt aber rechts- und mithin objektiv pflichtwidrig (vgl. [X.], Urteile vom 29. Juli 1970 – 2 [X.], [X.]St 23, 327; vom 6. Juli 1990 – 2 [X.], [X.]St 37, 106, 119; [X.]/[X.]/[X.], StGB, 30. Aufl., § 13 Rn. 38; [X.] StGB/[X.], [X.]., § 13 Rn. 93; weitergehend für die Fälle des rechtfertigenden Notstands LK/Weigend, StGB, 13. Aufl., § 13 Rn. 47).

cc) Nach den Feststellungen kommt in Betracht, dass der Angeklagte auch den subjektiven Tatbestand verwirklicht hat. Denn er war sich seiner Hilfspflicht im Sinne des § 323c StGB gegenüber seinem aufgrund seines „desaströsen körperlichen Zustands“ hilflosen Zimmergenossen und Freund bewusst. Danach hätte sich das [X.] mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte damit rechnete und es billigte, dass der Geschädigte ohne seine Hilfe in Form der Herbeiholung notfallmedizinischer Hilfe versterben würde.

dd) Es liegt nach den [X.] nicht nahe, dass der Angeklagte bereits bei seinen die Garantenstellung aus [X.] begründenden Handlungen mit Tötungsvorsatz handelte. Es käme danach nicht auf die Frage an, ob derjenige, der vorsätzlich einen Erfolg anstrebt, auch zugleich verpflichtet sein kann, diesen abzuwenden (so [X.], Urteil vom 11. Juli 2003 – 2 [X.], [X.], 89, 90 m. Anm. [X.]; [X.], StGB, 70. Aufl., § 13 Rn. 56 f.; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 13 Rn. 23; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 13 Rn. 58; [X.]/[X.]/[X.] aaO; Mü[X.]-StGB/Freund, 4. Aufl., StGB § 13 Rn. 134; siehe andererseits aber auch [X.], Urteil vom 24. Oktober 1995 – 1 [X.], [X.], 131, zur Aussetzung nach § 221 StGB).

4. Soweit der Angeklagte B.       freigesprochen (Fall [X.]) und lediglich wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt worden ist (Fall II.6), bedarf die Sache nach alledem neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen zur objektiven Tatseite im Fall II.6 (in den Urteilsgründen überschrieben: „Das weitere Tatgeschehen“) können bestehen bleiben, weil sie nicht von den [X.] betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen; dies gilt insbesondere für den Aufenthaltsort des Angeklagten und für die dort wahrnehmbaren Spuren des Tatgeschehens, die Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild des Angeklagten zulassen. Die Feststellungen im Fall [X.] unterliegen insgesamt der Aufhebung, weil der Angeklagte aufgrund des Freispruchs die Feststellungen nicht selbst angreifen konnte.

III.

Die nach § 301 StPO veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Soweit die Darstellung des molekulargenetischen Sachverständigengutachtens hinsichtlich von Blutspuren des Geschädigten nicht den sachlich-rechtlichen Anforderungen genügt (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, [X.]St 63, 187, 189), beruht das Urteil hierauf nicht (§ 337 Abs. 1 StPO).

VRi’in [X.] Cirener
ist wegen einer Dienstreise
gehindert zu unterschreiben.

[X.]

  

[X.]     

  

     Köhler

  

     von Häfen

  

Ri[X.] Prof. Dr. Werner
ist wegen Urlaubs gehindert
zu unterschreiben.

[X.]

  

Meta

5 StR 80/23

02.08.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 7. Juni 2023, Az: 5 StR 80/23, Urteil

§ 13 Abs 1 StGB, § 22 StGB, § 23 Abs 1 StGB, § 35 Abs 1 S 1 StGB, § 212 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.08.2023, Az. 5 StR 80/23 (REWIS RS 2023, 7381)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7381

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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