Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.04.2011, Az. 8 B 7/11

8. Senat | REWIS RS 2011, 7364

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Gegenstand

Unterlassene Vorlage vor dem BVerfG kein revisibler Verfahrensmangel


Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und eines [X.] gestützte Beschwerde des [X.] hat keinen Erfolg.

2

Das angefochtene Urteil ist auf zwei selbstständig tragende Begründungen gestützt. Zum einen hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Beigeladene zu 1 Berechtigte im Sinne von § 3 Abs. 2 [X.] ist, weil sie vor der Rechtsvorgängerin des [X.] als Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks von einer Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. c [X.] betroffen war. Der Rat der Gemeinde H. habe als staatlicher Verwalter das Grundstück an die Eheleute B. veräußert und damit die ihm zustehenden Befugnisse überschritten. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Veräußerung des Grundstücks durch den Rat der Gemeinde nicht im Einklang mit den damals geltenden Rechtsvorschriften gestanden habe und daher nicht hätte erfolgen dürfen. Die Genehmigung des Verkaufs durch den Rat des [X.] sei in rechtswidriger Weise unter Verstoß gegen die geltenden Bestimmungen geschehen. Die staatlichen Behörden hätten einen Rechtsbruch durch den staatlichen Verwalter genehmigt. Aus diesem Grunde lägen auch die Voraussetzungen einer Maßnahme nach § 1 Abs. 3 [X.] vor.

3

Bei einer Mehrfachbegründung kann die Revision nur zugelassen werden, wenn gegen jede der tragenden Begründungen des [X.] mindestens ein [X.] geltend gemacht wird, der die Zulassung rechtfertigt. Diese Voraussetzung wird von der Beschwerde des [X.] nicht erfüllt. Jedenfalls liegt zur ersten Begründungsalternative, die Beigeladene zu 1 gelte gemäß § 3 Abs. 2 [X.] als Berechtigte, weil sie als sog. Erstgeschädigte von einer Maßnahme gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. c [X.] betroffen gewesen sei, kein durchgreifender Zulassungsgrund vor. Auf die Rüge zur zweiten Begründungsalternative, der [X.] des § 1 Abs. 3 [X.] sei infolge der Veräußerung nicht gegeben, kommt es mithin nicht mehr an.

4

1. Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn die Beschwerde eine Rechtsfrage aufwirft, deren zu erwartende revisionsgerichtliche Klärung der Einheit oder der Fortentwicklung des Rechts zu dienen vermag. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage diese Art ist in der Beschwerde nicht aufgeführt worden.

5

Die für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage,

ob die Veräußerung eines gemäß § 6 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 unter vorläufige Verwaltung gestellten Grundstücks durch den staatlichen Verwalter den Verwaltungsvorschriften der [X.] entsprach, wenn die Veräußerung auf Anweisung des übergeordneten Rates des Bezirkes, Abteilung Finanzen, erfolgte, der seinerseits befugt war, über die "weitere Verwendung" eines unter staatliche Verwaltung gestellten Grundstücks zu entscheiden,

kann schon deswegen nicht zum Erfolg des Rechtsbehelfs führen, weil sie die Auslegung und Anwendung von Vorschriften der [X.] und damit kein revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO zum Gegenstand hat, auf dessen Verletzung eine Revision allein gestützt werden kann.

6

Auch die Beantwortung der Frage,

ob eine Veräußerung unter den vorgenannten Bedingungen eine schädigende Maßnahme zu Lasten des Grundstückseigentümers, der infolge der Veräußerung sein Eigentum verliert, im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. c [X.] ausschließt,

rechtfertigt nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil ihre Verneinung - ausgehend von den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen, die das Verwaltungsgericht unter Anwendung nicht revisiblen Rechts getroffen hat - auf der Hand liegt. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen dargelegt, dass allein der Rat der Gemeinde H. verfügungsbefugt über das Grundstück war und die vom Kläger angeführte Anweisung vom 18. Juli 1952 eine über die bloße Verwaltung hinausgehende Veräußerungsbefugnis gerade nicht enthielt. Angesichts dessen kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass ein solcher Verkauf von der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Buchst. c [X.] erfasst wird.

7

2. Dem Verwaltungsgericht ist auch kein Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO unterlaufen, weil es den Rechtsstreit gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht ausgesetzt und dem [X.] zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 2 [X.] im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG vorgelegt hat. Die Anrufung des [X.]s hält die Beschwerde deshalb für erforderlich, weil die Rechtsvorgängerin des [X.] in ihren Eigentumsrechten mindestens ebenso betroffen sei wie die Beigeladene zu 1; es gebe keinen sachlichen Grund, der eine Ungleichbehandlung des [X.] rechtfertige.

8

In der von der Beschwerde als Verfahrensmangel gerügten Nichtvorlage kann jedenfalls kein die Revision rechtfertigender Verfahrensmangel gesehen werden (Beschluss vom 17. Juli 1975 - BVerwG 2 B 2.75 - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 136). Ein für das Revisionsverfahren bedeutsamer Verfahrensmangel liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht formelle Vorschriften verletzt hat, das Urteil darauf beruht und das Revisionsgericht die Sache zurückverweisen muss, weil es selbst diesen Mangel (z.B. eine mangelnde Sachaufklärung) nicht beheben kann. Hier scheidet eine Zurückverweisung schon allein deshalb aus, weil das [X.] ebenso wie alle anderen Gerichte selbst verpflichtet ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG für die Einholung einer Entscheidung des [X.]s gegeben sind. Ist das Verwaltungsgericht dieser Pflicht nicht nachgekommen, so liegt, wenn sich die Entscheidung zu dieser Frage als nicht zutreffend erweist, kein die Aufhebung des Urteils rechtfertigender Verfahrensmangel vor. Das Revisionsgericht hat vielmehr dann selbst die Entscheidung des [X.]s einzuholen (Urteil vom 22. Januar 1971 - BVerwG 7 C 42.70 - BVerwGE 37, 116 = [X.] 442.15 § 4 StVO Nr. 9).

9

Das Beschwerdevorbringen, dem Urteil lasse sich nicht entnehmen, ob das Verwaltungsgericht Zweifel an der Vereinbarkeit des § 3 Abs. 2 [X.] mit dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG habe, lässt Gründe vermissen, die gemäß § 132 Abs. 2 VwGO zur Zulassung der Revision führen könnten. Auch wenn sich das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen nicht im Einzelnen mit Art. 3 Abs. 1 GG auseinandergesetzt hat, so lässt die Entscheidung doch erkennen, dass das Vorbringen der Klagepartei zu Art. 3 Abs. 1 GG zur Kenntnis genommen und abgewogen wurde (vgl. [X.] unten und S. 13).

Dessen ungeachtet hat das [X.] in dem vom Verwaltungsgericht angeführten Beschluss vom 27. April 2006 - BVerwG 7 [X.] - ([X.] 2006, 467) bereits entschieden, dass es sich bei der den Restitutionsanspruch des [X.] Regelung des § 3 Abs. 2 [X.] um eine verfassungsgemäße Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums handelt. Damit hat es zugleich eine Verletzung des [X.] unter diesem Blickwinkel verneint. Die Sozialverträglichkeit dieser gesetzlichen Konkurrenzregelung, die für einen nachrangigen redlichen Erwerber mit einer gewissen Härte verbunden ist, wird durch § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 des [X.] vom 27. September 1994 ([X.]) gewährleistet. Diese Vorschrift stellt den nach § 3 Abs. 2 [X.] weichenden redlichen Erwerber hinsichtlich der Entschädigung einem nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] Berechtigten gleich, bei dem die Rückgabe des Vermögenswertes gesetzlich ausgeschlossen ist (Beschluss vom 23. Juni 1995 - BVerwG 7 [X.] PKH 2.94 - [X.] 428 § 4 [X.] Nr. 20). Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass diese Personengruppen keinen vollen Wertausgleich bekommen. Der Gesetzgeber darf bei der Bemessung von [X.] im Rahmen des ihm ohnehin zustehenden [X.] darauf Rücksicht nehmen, welche finanziellen Möglichkeiten er unter Berücksichtigung der sonstigen Staatsaufgaben hat. Angesichts der desolaten wirtschaftlichen Lage in den neuen Bundesländern, deren Bereinigung Zuschüsse in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages erfordert, besteht eine (originäre) verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer Wiedergutmachung, die wertmäßig einer Restitution gleichkäme, nicht ([X.], Urteil vom 23. April 1991 - 1 BvR 1170/90 u.a. - [X.]E 84, 90 <130 f.>).

Meta

8 B 7/11

19.04.2011

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 14. Oktober 2010, Az: 6 A 397/08, Urteil

Art 100 Abs 1 S 1 GG, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 3 Abs 2 VermG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.04.2011, Az. 8 B 7/11 (REWIS RS 2011, 7364)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7364

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