Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.08.2011, Az. 8 B 36/11

8. Senat | REWIS RS 2011, 3924

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Gegenstand

Zum Verlust jüdischen Vermögens "auf andere Weise": Feindvermögensverwaltung; Restitutionsausschluss bei Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage


Gründe

1

Die Klägerin begehrt die Rückübertragung mehrerer Liegenschaften - darunter einer Schnapsbrennerei -, die als [X.]estandteile eines ehemaligen Rittergutes nach dem 8. Mai 1945 im Zuge der [X.]odenreform enteignet und aufgesiedelt wurden. Die ursprünglichen Gesellschafter der Klägerin, die seit 1921 existiert, waren [X.] Glaubens. Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung ihres Rückübertragungsantrages, weil sie der Auffassung ist, dass eine Schädigung ihrer Vermögenswerte bereits vor dem 8. Mai 1945 erfolgt sei und ihr diese deshalb gemäß § 1 Abs. 6 [X.] zurückübertragen werden müssten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

2

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg. Es ist auch nicht erkennbar, dass die von der Klägerin derzeit betriebene Recherche im [X.] Tatsachen zutage fördern könnte, die für die Entscheidung über die [X.]eschwerde erheblich wären.

3

1. Entgegen der Ansicht der [X.]eschwerde kommt der Streitsache keine grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

4

a) Die von der [X.]eschwerde zum einen für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage,

ob eine GmbH als eigenständige juristische Gesellschaftsform noch werthaltig ist, wenn die [X.] Gesellschafter aus ihrer gesellschaftsrechtlichen [X.] verdrängt werden und nach dem Verlassen des [X.] kraft Gesetzes der Gesellschafterstatus durch "Eigentumsübergang auf den [X.]" vollständig beseitigt worden ist und die Organe der Gesellschaft ausschließlich nach [X.] Zielsetzungen handelten,

wirft keinen in einem Revisionsverfahren zu behandelnden zusätzlichen Klärungsbedarf auf. Nach den Feststellungen des [X.] wurde das in Rede stehende Rittergut als feindliches Vermögen 1941 beschlagnahmt, weil die Gesellschafter der Klägerin ausländische Staatsangehörige bzw. juristische Personen mit Sitz im Ausland waren. Es ist in der Rechtsprechung des [X.] bereits geklärt, dass die Anordnung der staatlichen Verwaltung aufgrund der Verordnung über die [X.]ehandlung feindlichen Vermögens vom 15. Januar 1940 ([X.]), auch wenn es sich mittelbar um [X.] Vermögen handelte, nicht als ein Vermögensverlust "auf andere Weise" im Sinne von § 1 Abs. 6 [X.] anzusehen ist. Der von dieser Verordnung erfasste Personenkreis verlor sein Vermögen nicht schon mit der Anordnung der Feindvermögensverwaltung, sondern nur und erst dann, wenn der Verwalter über das Vermögen verfügte oder wenn gegen den Eigentümer unabhängig von der Feindvermögensverwaltung andere auf die Vernichtung seines Eigentums gerichtete ([X.] ergriffen wurden (Urteil vom 2. Dezember 1999 - [X.]VerwG 7 C 46.98 - [X.] 428 § 1 Abs. 6 [X.] Nr. 5). Auch eine Reduzierung ihrer "Werthaltigkeit" durch die Einsetzung eines staatlichen Verwalters begründet nicht den [X.] des § 1 Abs. 6 [X.] hinsichtlich der zur Zurückübertragung begehrten Grundstücke.

5

Das Vorliegen eines [X.]es muss hinsichtlich jeder geschädigten Person, d.h. hinsichtlich der Klägerin einerseits und ihrer Gesellschafter andererseits sowie hinsichtlich des jeweiligen konkreten Vermögenswertes, d.h. hier der Grundstücke der Klägerin einerseits und der Anteile der Gesellschafter an der Klägerin andererseits, differenziert geprüft werden. Das schließt eine "vereinheitlichte Schädigungsbetrachtung", wie sie die [X.]eschwerde fordert, aus. Die Klägerin ist - bis zu ihrer Enteignung im Zuge der [X.]odenreform - Eigentümerin der hier streitgegenständlichen Vermögenswerte geblieben.

6

b) Die weitere von der [X.]eschwerde für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage,

von wem eine Enteignung auf besatzungsrechtlicher Grundlage initiiert werden konnte und worauf sich überhaupt eine solche Enteignung beziehen durfte,

ist ebenfalls in der Rechtsprechung geklärt. Danach setzt die zum Restitutionsausschluss führende Verantwortung der [X.] nicht notwendigerweise voraus, dass diese die Enteignungen im Einzelfall geprüft und gebilligt hat; vielmehr reicht es zur Anwendung des § 1 Abs. 8 [X.]uchst. a [X.] aus, dass sie mit den Enteignungsmaßnahmen [X.] Stellen generell einverstanden war. Da der [X.] [X.]esatzungsmacht in ihrem Herrschaftsbereich die oberste Hoheitsgewalt zukam, muss ihr auch die von den zuständigen [X.] Stellen entwickelte [X.] zugerechnet werden. Das gilt selbst dann, wenn die [X.] Stellen die mit dem Einverständnis der [X.]esatzungsmacht geschaffenen Enteignungsgrundlagen extensiv ausgelegt und willkürlich angewandt haben (Urteil vom 28. September 1995 - [X.]VerwG 7 C 28.94 - [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 54 = [X.]VerwGE 99, 268 unter Hinweis auf [X.], Urteil vom 23. April 1991 - 1 [X.]vR 1170/90 u.a. - [X.]E 84, 90 <115>).

7

c) Soweit die [X.]eschwerde in ihrer umfangreichen [X.]egründung darüber hinaus auf die grundsätzliche [X.]edeutung einzelner ihrer Ausführungen hinweist, ist eine in einem Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) nicht erkennbar.

8

2. Auch der gerügte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat seine Verpflichtung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, nicht verletzt. Ob das Gericht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage entschieden hat, ist eine dem materiellen Recht zuzuordnende Frage der Tatsachen- und [X.]eweiswürdigung, auf die eine Verfahrensrüge grundsätzlich nicht gestützt werden kann. Ein Verfahrensmangel liegt nur vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere seiner Überzeugungsbildung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, oder bei einer von Willkür geprägten [X.]eweiswürdigung ([X.]eschluss vom 9. November 2006 - [X.]VerwG 1 [X.] 134.06 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 355). Hiernach ist ein Verfahrensmangel nicht ersichtlich.

9

Die von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, auf die sich die [X.]eschwerde bezieht, lassen nicht erkennen, dass im Eigentum der Klägerin stehende Grundstücke im Jahr 1935 zugunsten anderer Privatpersonen im Grundbuch umgeschrieben wurden (vgl. Anlage [X.] zum Schriftsatz der Klägerin vom 29. September 2010, GA [X.]l. 656 ff.). Auch bei Anwendung des § 1 [X.] muss grundsätzlich eine [X.] die Tatsachen, aus denen sie ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, beweisen (vgl. Urteil vom 24. März 1994 - [X.]VerwG 7 C 11.93 - [X.]VerwGE 95, 289 <294> = [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 20 m.w.N.). Den pauschalen Hinweis der Klägerin, die Nationalsozialisten hätten im Rahmen einer keineswegs erforderlichen Neuanlegung des Grundbuches von [X.] von Grundstücken und dabei [X.] vorgenommen (vgl. Schriftsatz vom 29. September 2010 S. 8, GA [X.]l. 808), hat das Verwaltungsgericht mit Recht als zu unsubstantiiert angesehen, um Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärung von Amts wegen zu geben. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat auch keine entsprechenden [X.]eweisanträge gestellt.

3. Soweit die Auffassung der [X.]eschwerde, das Verwaltungsgericht weiche bei der Frage, ob [X.] wie die Schnapsbrennerei bodenreformtauglich gewesen seien und besatzungshoheitlich hätten enteignet werden können, von der Rechtsprechung des [X.] vom 13. Februar 1997 ab, als [X.] gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu sehen sein sollte, genügt dieser Vortrag nicht den [X.] an eine [X.]. Dazu hätte die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennen müssen, mit dem die Vorinstanz einem in einer genau bezeichneten Entscheidung des [X.] aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (stRspr; vgl. u.a. [X.]eschluss vom 1. September 1997 - [X.]VerwG 8 [X.] 144.97 - [X.] 406.11 § 128 [X.]auG[X.] Nr. 50 S. 7 <11>). Derartige voneinander abweichende Rechtssätze zeigt die [X.]eschwerde nicht auf.

Von einer weiteren [X.]egründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

Meta

8 B 36/11

17.08.2011

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Frankfurt (Oder), 23. Dezember 2010, Az: 4 K 1334/07, Urteil

§ 1 Abs 6 VermG, § 1 Abs 8 Buchst a VermG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.08.2011, Az. 8 B 36/11 (REWIS RS 2011, 3924)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3924

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