Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.09.2022, Az. 9 C 24/21

9. Senat | REWIS RS 2022, 7907

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verbandsklagebefugnis einer erst nach Klageerhebung anerkannten Umweltvereinigung


Leitsatz

Die für die Rechtsbehelfsbefugnis von Umweltvereinigungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG erforderliche Anerkennung nach § 3 UmwRG ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung, die nicht bei Einlegung des Rechtsbehelfs, sondern am Schluss der letzten mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen muss.

Tenor

Das Urteil des [X.] vom 4. August 2021 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen [X.] für den Ausbau der [X.] Landesstraße L 545 durch den Bau eines 2,50 m breiten Rad- und Gehweges zwischen [X.] und zwischen B. und Sch.

2

Der geplante Rad- und Gehweg liegt zum großen Teil innerhalb des FFH-Gebiets DE 6914-301 "B." und des [X.]-401 "B. u. V." in einem Bereich, der Teil des Naturschutzgroßprojekts B. ist.

3

Der Kläger ist eine Bürgerinitiative in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Der Verein dient nach seiner Satzung dem Schutz von Umwelt, Natur und Landschaft. Dieser Satzungszweck soll insbesondere durch die Förderung eines umweltorientierten Verkehrskonzepts mit Maßnahmen unter anderem gegen die Zerstörung wertvoller Landschaften und Naturräume verwirklicht werden.

4

Die [X.] vom 29. und 30. Oktober 2020 lagen vom 30. November 2020 bis einschließlich 14. Dezember 2020 zur Einsicht aus.

5

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2020 beantragte der Kläger beim [X.] [X.], Ernährung und Forsten seine Anerkennung zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach § 3 UmwRG. Am 12. Januar 2021 erhob er Klage beim [X.] mit dem Antrag, die [X.] vom 29. und 30. Oktober 2020 aufzuheben. Das Verwaltungsgericht erklärte sich mit Beschluss vom 1. Februar 2021 für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das sachlich zuständige [X.]. Mit Bescheid vom 3. Februar 2021 erkannte das rheinland-pfälzische [X.], Ernährung und Forsten den Kläger zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach § 3 UmwRG als Umweltvereinigung an.

6

Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 4. August 2021 mangels Klagebefugnis als unzulässig ab. Der Kläger sei nicht nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil er sich nicht auf eine Verletzung in eigenen Rechten berufen könne. Er sei auch nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG verbandsklagebefugt. Die nach dieser Regelung erforderliche Anerkennung stelle eine Zugangsvoraussetzung dar, die bereits zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsbehelfs vorliegen müsse. Der Kläger sei jedoch erst nach Klageerhebung gemäß § 3 UmwRG als Umweltvereinigung zur Einlegung von Rechtsbehelfen anerkannt worden. Er sei schließlich auch nicht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG klagebefugt, weil er die verspätete Anerkennung zu vertreten habe. Dies sei auch mit Unionsrecht vereinbar. Schließlich komme auch eine Verbandsklagebefugnis nach § 64 BNatSchG nicht in Betracht.

7

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision führt der Kläger im Wesentlichen aus: Bei dem Erfordernis der Anerkennung handele es sich nicht um eine Zugangs-, sondern um eine Sachentscheidungsvoraussetzung, die erst zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen müsse. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger jedoch über die erforderliche Anerkennung verfügt. Auf die Frage, ob er eine fehlende Anerkennung zu vertreten habe, komme es daher nicht an. Im Übrigen sei diese Frage zu verneinen und die Rechtsauffassung des [X.] mit dem [X.] und Unionsrecht nicht vereinbar.

8

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz vom 4. August 2021 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Vertreter des [X.] beteiligt sich nicht an dem Verfahren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (1.). Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (2.). Das [X.] hebt deshalb das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurück (3.).

1. Das Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Die entscheidungstragende Erwägung, dass dem Kläger ein Verbandsklagerecht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG nicht zustehe, weil die danach erforderliche Anerkennung nach § 3 UmwRG eine Zugangsvoraussetzung sei, die bereits bei Klageerhebung vorliegen müsse, der Kläger zu diesem Zeitpunkt - am 12. Januar 2021 - aber noch nicht anerkannt gewesen sei, steht mit Bundesrecht nicht im Einklang. Denn bei dem Erfordernis der Anerkennung handelt es sich entgegen der Ansicht des [X.] nicht um eine Zugangs-, sondern um eine Sachentscheidungsvoraussetzung, die am Schluss der letzten mündlichen Verhandlung oder in den Fällen einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vorliegen muss (vgl. etwa [X.], Urteil vom 27. März 1998 - 4 [X.] 14.96 - [X.]E 106, 295 <299>) und wegen der Anerkennung des [X.] am 3. Februar 2021 am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 4. August 2021 auch vorlag.

a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische [X.], ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG wie die angefochtenen Planfeststellungsbeschlüsse einlegen, wenn die [X.] geltend macht, dass eine solche Entscheidung Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG), geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG), und im Falle eines Verfahrens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, um das es hier geht, zur Beteiligung berechtigt war.

Bei diesen Voraussetzungen handelt es sich nach der Rechtsprechung des [X.]s um [X.], für deren Beurteilung die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht maßgeblich sind ([X.], Urteil vom 2. November 2017 - 7 [X.] 25.15 - [X.] 445.41 § 27 WHG 2010 Nr. 3 Rn. 17 ff.; vgl. der Sache nach auch [X.], Urteile vom 15. Juli 2016 - 9 [X.] 3.16 - [X.] 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 14 Rn. 17 ff., 20 und vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 77 Rn. 23 f. ). Dies gilt auch für die im vorliegenden Verfahren im [X.] stehende Frage der Anerkennung der [X.] nach § 3 UmwRG. Denn auch insoweit stellt das [X.] ausdrücklich auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ab ([X.], Urteil vom 16. September 2021 - 7 A 5.21 - DVBl 2022, 356 Rn. 18). Die gegenteilige Auffassung des [X.] findet im Beschluss des [X.]s vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19, 4 VR 3.20 - (NVwZ 2021, 723 Rn. 10) keine Stütze, weil dieser keine Aussage zu Fällen enthält, in denen die Anerkennung erst nach Einlegung des Rechtsbehelfs erfolgt ist.

b) Dass es sich bei dem Erfordernis einer Anerkennung nach § 3 UmwRG um eine Sachentscheidungsvoraussetzung handelt, ergibt eine Auslegung von § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG nach Wortlaut, systematischem Zusammenhang, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte. Eine unionsrechtskonforme Auslegung bestätigt dieses Ergebnis.

aa) Schon der Wortlaut von § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG spricht eher gegen die Annahme einer - für die Verwaltungsgerichtsordnung unüblichen - Zugangsvoraussetzung.

Dass danach nur eine nach § 3 anerkannte [X.] "Rechtsbehelfe ... gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen" kann, steht dem nicht entgegen. Die Formulierung lässt sich vielmehr dahin verstehen, dass nur anerkannten [X.]en die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung eingeräumt werden soll (Regelung der Klagebefugnis); zu dem Zeitpunkt für das Vorliegen der Anerkennung enthält die Norm keine Aussage.

Ein solches Verständnis drängt sich auf, wenn man den weiteren Wortlaut ("ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen") berücksichtigt, der verdeutlicht, dass anerkannten [X.]en eine Rechtsschutzmöglichkeit auch dann eröffnet wird, wenn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Für die Auslegung als Norm zur Regelung der Klagebefugnis spricht des Weiteren, dass die Einlegung der Rechtsbehelfe "nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung" erfolgt. Sie richtet sich also nach dem allgemeinen verwaltungsprozessrechtlichen Grundsatz, dass für die Beurteilung des Vorliegens der [X.] der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung oder bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist. Gerade vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Verwaltungsgerichtsordnung hätte der Gesetzgeber eine Abweichung von diesem Grundsatz deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Dies wäre auch ohne Weiteres durch einen klarstellenden Zusatz ("wenn die [X.] bereits bei Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 3 anerkannt war") möglich gewesen.

bb) Auch der systematische Zusammenhang, in dem § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG steht, schließt eine Einordnung des [X.] als Sachentscheidungsvoraussetzung nicht aus.

aaa) Dies gilt zunächst im Hinblick auf das Verhältnis von § 2 Abs. 1 Satz 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG.

Nach dieser Regelung kann eine [X.], die nicht nach § 3 UmwRG anerkannt ist, einen Rechtsbehelf nach § 2 Abs. 1 UmwRG nur dann einlegen, wenn sie bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwRG), sie einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwRG) und über eine Anerkennung aus Gründen, die von der [X.] nicht zu vertreten sind, noch nicht entschieden ist (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwRG). Hieraus schließt das Oberverwaltungsgericht, dass auch die in § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG geforderte Anerkennung bei Einlegung des Rechtsbehelfs vorliegen müsse. Dieser Schluss ist jedoch nicht gerechtfertigt.

§ 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG enthält ebenso wenig wie § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG eine ausdrückliche Bestimmung über den Zeitpunkt, der für die Beurteilung der Frage maßgeblich ist, ob eine [X.] anerkannt ist oder nicht. Ausdrücklich geregelt ist in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwRG vielmehr lediglich der Zeitpunkt, zu dem bei einer nicht anerkannten [X.] die [X.] erfüllt gewesen sein müssen, damit sie auch ohne Anerkennung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG rechtsbehelfsbefugt sein kann. Dies spricht ebenfalls dafür, dass insoweit nach dem für [X.] geltenden allgemeinen Grundsatz der Schluss der mündlichen Verhandlung oder der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich sein soll.

Auch bei einem solchen Regelungsverständnis behält § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG einen relevanten Anwendungsbereich (vgl. in diesem Sinne auch [X.], [X.], 538 <539 li. [X.]>). Dies zeigt insbesondere das Urteil vom 16. September 2021 - 7 A 5.21 - (DVBl 2022, 356 Rn. 18), in dem das [X.] § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG gerade deshalb angewandt hat, weil die klagende [X.] zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht über die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG erforderliche Anerkennung verfügte.

bbb) Auch aus § 2 Abs. 2 Satz 3 UmwRG folgt nichts anderes. Danach wird ein trotz fehlender Anerkennung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG zulässiger Rechtsbehelf mit der Bestandskraft einer die Anerkennung versagenden Entscheidung unzulässig. Eine ausdrückliche Regelung, dass umgekehrt der Rechtsbehelf zulässig wird, wenn die Anerkennung im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erteilt wird, ist hingegen nicht vorhanden. Entgegen der Ansicht des [X.] bedeutet dies aber nicht, dass ein Rechtsbehelf nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG zulässig ist, wenn die Anerkennung erst während des gerichtlichen Verfahrens erfolgt. Vielmehr spricht es dafür, dass die Anerkennung eine Sachentscheidungsvoraussetzung darstellt, die erst am Schluss der mündlichen Verhandlung oder zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erfüllt sein muss. Denn bei diesem Normverständnis bedarf es keiner eigenen Regelung, nach der der Rechtsbehelf mit der Anerkennung zulässig wird. Erfolgt die Anerkennung im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens, ist diese [X.] im maßgeblichen Zeitpunkt erfüllt, so dass sich die [X.] bereits aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG ergibt, soweit dessen übrige Voraussetzungen vorliegen.

ccc) Die vom Oberverwaltungsgericht darüber hinaus als Beispiele für Zugangsvoraussetzungen angeführten verwaltungsprozessualen Regelungen legen kein abweichendes Verständnis von § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG nahe.

(1) Nach der Rechtsprechung des [X.]s setzt die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage grundsätzlich voraus, dass der Kläger den Erlass des im gerichtlichen Verfahren begehrten Verwaltungsakts in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren bei der zuständigen Behörde ohne Erfolg beantragt hat. Diese [X.] ergibt sich aus § 68 Abs. 2 und § 75 Satz 1 VwGO, die jeweils einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts verlangen. Sie dient dem Schutz der Gerichte vor unnötiger Inanspruchnahme und stellt eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung dar, demzufolge es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden (stRspr; vgl. etwa [X.], Urteil vom 2. März 2022 - 6 [X.] 7.20 - NVwZ 2022, 1205 Rn. 58; Beschluss vom 22. November 2021 - 6 VR 4.21 - NVwZ-RR 2022, 164 Rn. 8 m. w. N.). Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung enthält außerdem § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO, soweit danach ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nur zulässig ist, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat, eine - ausdrücklich so bezeichnete - Zugangsvoraussetzung, die bereits im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht gegeben sein muss und nicht nachgeholt werden kann. Begründet wird dies damit, dass der Regelungszweck der Entlastung der Gerichte und des Vorrangs der verwaltungsinternen Kontrolle nur zu verwirklichen sei, wenn § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nicht als im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachholbare Sachentscheidungsvoraussetzung interpretiert werde ([X.], Beschlüsse vom 25. November 1991 - 6 [X.]S 91.2214 - juris Rn. 6 und vom 22. September 2021 - 6 [X.]S 21.2257 - juris Rn. 7 m. w. N.).

Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf das Anerkennungserfordernis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG drängt sich schon wegen der unterschiedlichen Zielrichtungen nicht auf. Die Voraussetzung der Anerkennung dient nicht dazu, im Interesse der Gewaltenteilung eine vorherige Befassung der Verwaltung mit dem gerichtlich geltend gemachten [X.] zu gewährleisten und die Gerichte dadurch von unnötigen Verfahren zu entlasten. Zwar entfaltet auch das Anerkennungserfordernis eine Entlastungswirkung. Diese beruht aber darauf, dass bei Vorliegen der Anerkennung eine Prüfung der [X.] nach § 3 UmwRG im gerichtlichen Verfahren entbehrlich ist. Diese entlastende Wirkung tritt allerdings gerade dann ein, wenn das Anerkennungserfordernis nicht als Zugangs-, sondern als Sachentscheidungsvoraussetzung verstanden wird. Denn dann bedarf es der in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwRG vorgesehenen Prüfung der [X.] nur, wenn die Anerkennung auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung oder bis zur gerichtlichen Entscheidung nicht erfolgt ist.

(2) § 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO, wonach sich die Beteiligten vor den Oberverwaltungsgerichten und dem [X.] auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssen, gibt ebenfalls keinen Anlass, § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG als Zugangsvoraussetzung auszulegen. Zwar muss die Prozesshandlungsvoraussetzung der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten bereits bei Vornahme der jeweiligen Prozesshandlung erfüllt sein. Bei der Anerkennung der Umweltvereinigung handelt es sich aber nicht um eine Prozesshandlungsvoraussetzung, sondern um eine Voraussetzung für das Vorliegen einer [X.].

cc) Das Verständnis der Anerkennung nach § 3 UmwRG als Sachentscheidungsvoraussetzung entspricht insbesondere dem Sinn und Zweck von § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG.

aaa) Nach Art. 10a der Richtlinie 85/337/[X.] vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten ([X.] [X.]) in der Fassung der Richtlinie 2003/35/[X.] vom 26. Mai 2003 unter anderem zur Änderung der Richtlinien 85/337/[X.] und 96/61/[X.] in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten ([X.] L 156 S. 17; im Folgenden: [X.]; jetzt: Art. 11 der Richtlinie 2011/92/[X.] vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten <[X.] L 26 S. 1 vom 28. Januar 2012>; im Folgenden: [X.] n. F.) stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen der [X.] eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorsehen. Was dabei als ausreichendes Interesse gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten nach Art. 10a [X.]. 3 Satz 1 [X.] und Art. 11 Abs. 3 Satz 1 [X.] n. F. im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Art. 10a [X.] und Art. 11 [X.] n. F. sollen Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung in Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten ([X.]; im Folgenden: AK; vgl. dazu das Zustimmungsgesetz vom 9. Dezember 2006 <[X.] II S. 1251>) Rechnung tragen, der aufgrund der Unterzeichnung des [X.]s durch die [X.] und seiner Genehmigung durch den Beschluss 2005/370/[X.] des Rates vom 17. Februar 2005 ([X.] [X.]) integraler Bestandteil der [X.]srechtsordnung geworden ist ([X.], Urteil vom 8. März 2011 - [X.]-240/09 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2011:125] - NVwZ 2011, 673 Rn. 30).

§ 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG dient der Umsetzung von Art. 10a [X.] a. F bzw. Art. 11 [X.] n. F. Er soll als grundlegende Vorschrift für die Einführung der umweltrechtlichen Vereinsklage die Anforderungen für Rechtsbehelfe von [X.] gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG regeln. Eine Verletzung in eigenen Rechten sollen die Umweltverbände dabei nicht geltend machen müssen. Das Recht, Rechtsbehelfe einzulegen, soll allerdings nur nach § 3 UmwRG anerkannten [X.]en eingeräumt werden. Für die Ausgestaltung der durch die Regelung ermöglichten Rechtsbehelfe soll es im Übrigen weitgehend bei den bewährten Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung bleiben ([X.]. 16/2495 S. 11 f.).

Diesen Zwecken wird eine Auslegung als Sachurteilsvoraussetzung besser gerecht als ein Normverständnis, nach dem die Umweltvereinigung bereits bei Einlegung des Rechtsbehelfs anerkannt sein muss. Eine solche Auslegung trägt dem Ziel des Gesetzgebers Rechnung, die Umweltverbandsklage weitgehend nach den bewährten Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung auszugestalten. Denn sie entspricht - wie bereits ausgeführt wurde - der üblichen Einordnung von [X.]. Außerdem setzt ein solches Verständnis Art. 10a [X.] und Art. 11 [X.] n. F. weitgehender um als eine Auslegung als Zugangsvoraussetzung. Denn es eröffnet auch den erst im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens anerkannten Umweltverbänden eine Rechtsschutzmöglichkeit, ohne dass die zusätzlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG erfüllt sein müssen.

bbb) Auch soweit das Oberverwaltungsgericht den Sinn und Zweck des [X.] darin sieht zu gewährleisten, dass die [X.] nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG nur [X.]en zukommt, die sich als Sachwalter der Natur etabliert und durch den Akt der staatlichen Anerkennung die Legitimation als "Anwältin der Natur" erworben haben, wird dem die vorgenommene Auslegung gerecht. Denn auch wenn die Anerkennung erst am Ende des gerichtlichen Verfahrens vorhanden sein muss, sind nur durch sie legitimierte [X.] befugt, die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen überprüfen zu lassen.

ccc) Ein Verständnis des [X.] als Sachurteilsvoraussetzung läuft auch nicht dem Sinn und Zweck von § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG zuwider.

§ 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG soll es auch [X.]en, die die materiellen [X.] erfüllen, deren Anerkennungsverfahren aber aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen noch nicht abgeschlossen ist, in unionsrechtskonformer Weise ermöglichen, Rechtsbehelfe einzulegen ([X.]. 16/2495 S. 12 und [X.]. 16/2931 S. 6). Die Norm hat auch dann einen Anwendungsbereich, wenn sie nur in Fällen gilt, in denen die Anerkennung auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder der gerichtlichen Entscheidung nicht erfolgt ist (vgl. [X.], [X.], 538 <539 li. [X.]>). Dies zeigt nicht zuletzt das Urteil des [X.]s vom 16. September 2021 - 7 A 5.21 - (DVBl 2022, 356 Rn. 18), das § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG in einem solchen Fall zur Anwendung gebracht hat.

Auch mit dem weiteren Zweck, Verfahrensverzögerungen zu vermeiden, die sich daraus ergeben könnten, dass einer [X.], die ohne eigenes Verschulden nicht anerkannt war, nach einem positiven Ausgang des [X.] Wiedereinsetzung zu gewähren wäre ([X.]. 16/2495 S. 12), ist ein Verständnis des [X.] im Sinne einer Sachentscheidungsvoraussetzung vereinbar. Denn auch dann gibt es Konstellationen, in denen § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwRG mit der Folge zur Anwendung gelangt, dass die [X.] in das von einer nicht anerkannten [X.] betriebene gerichtliche Verfahren vorverlagert und die mit einem späteren Wiedereinsetzungsverfahren verbundene Verzögerung vermieden wird (vgl. nur [X.], Urteil vom 16. September 2021 - 7 A 5.21 - DVBl 2022, 356 Rn. 18). Einer derartigen Verzögerung wird sogar besser entgegengewirkt, als wenn die erforderliche Anerkennung bereits bei Rechtsbehelfseinlegung erfolgt sein müsste. Denn je später die Anerkennung vorliegen muss, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens erteilt wird und deshalb eine verfahrensverzögernde Wiedereinsetzung von vornherein entbehrlich ist.

[X.]) Die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG steht einem Verständnis des [X.] als Sachentscheidungsvoraussetzung ebenfalls nicht entgegen.

aaa) § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG knüpft hinsichtlich seines Wortlauts an § 61 BNatSchG in der Fassung des [X.] und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften ([X.]) vom 25. März 2002 ([X.] I S. 1193; im Folgenden: BNatSchG 2002) an, wonach ein gemäß § 59 BNatSchG 2002 oder auf Grund landesrechtlicher Vorschriften im Rahmen des § 60 BNatSchG 2002 anerkannter Verein, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen konnte.

§ 61 BNatSchG 2002 führte erstmals auf [X.] ein Klagerecht für anerkannte Naturschutzverbände ein ([X.]. 14/6378 [X.]). Die Gesetzesbegründung zu dieser Regelung, die von einem "Klagerecht", einem "Recht der Klageerhebung", der "Möglichkeit zur Erhebung einer Vereinsklage", der erstmaligen Eröffnung der "Vereinsklagemöglichkeit" oder davon spricht, dass der Verein "zur Klage befugt" ist ([X.]. 14/6378 S. 60 f.), äußert sich nicht zum Zeitpunkt, zu dem die erforderliche Anerkennung erfolgt sein musste. Sie bringt vielmehr deutlich zum Ausdruck, dass das Verfahren über den Rechtsbehelf sich nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung richten sollte ([X.]. 14/6378 [X.]). Ein Hinweis darauf, dass von der Verwaltungsgerichtsordnung bezüglich des allgemeinen Grundsatzes, wonach die [X.] am Schluss der mündlichen Verhandlung oder zum Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichts erfüllt sein müssen, hätte abgewichen werden sollen, findet sich hingegen nicht. Dementsprechend hat das [X.] die Anerkennung, von der § 61 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG 2002 die Verbandsklagemöglichkeit abhängig machte, als Sachentscheidungsvoraussetzung angesehen, die erst zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Gerichts vorliegen musste ([X.], Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - [X.]E 130, 299 Rn. 23).

bbb) Dass der Gesetzgeber § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG trotz seines im [X.] mit § 61 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG 2002 übereinstimmenden Wortlauts in einem anderen Sinne verstanden wissen wollte, geht aus den Gesetzesmaterialien zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz nicht hervor.

§ 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG regelt danach ergänzend zum bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Umsetzung der Richtlinie 2003/35/[X.] die umweltrechtliche Vereinsklage, für die es keiner Verletzung in eigenen Rechten bedarf, wobei es für die Ausgestaltung der damit verbundenen Rechtsbehelfsmöglichkeiten weitgehend bei den bewährten Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung bleiben und das Recht, Rechtsbehelfe einlegen zu können, grundsätzlich nur nach § 3 UmwRG anerkannten [X.]en eingeräumt werden soll ([X.]. 16/2495 S. 11 f.).

Eine von den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung abweichende Regelungsabsicht wird auch nicht dadurch hinreichend deutlich, dass die Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG ausführt, dass in Fällen fehlender Anerkennung das Gericht selbst zu prüfen habe, ob die [X.] die [X.] erfülle, und dass hierfür der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsbehelfs relevant sei ([X.]. 16/2495 S. 12). Erläutert wird damit lediglich die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, nach der eine nicht anerkannte [X.] einen Rechtsbehelf einlegen kann, wenn sie "bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt" (vgl. [X.]. 16/2495 S. 5). Hingegen enthält die Gesetzesbegründung ebenso wie die gesetzliche Regelung selbst keine Aussage dazu, ob § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG bereits Anwendung findet, wenn die Anerkennung bei Einlegung des Rechtsbehelfs nicht vorliegt, oder ob er erst dann an die Stelle von § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG tritt, wenn die Umweltvereinigung auch am Schluss der mündlichen Verhandlung oder zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht anerkannt ist. Eine solche Aussage lässt sich der Gesetzesbegründung auch nicht entnehmen, soweit danach eine seit zehn Jahren bestehende [X.], die den Antrag auf Anerkennung erst parallel zur Einlegung des Rechtsbehelfs gestellt hat, im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwRG zu vertreten hat, dass das Anerkennungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist ([X.]. 16/2495 S. 12). Denn diese Ausführungen setzen voraus, dass die [X.] zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht anerkannt ist und sich ihre [X.] daher nur aus § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG ergeben kann. Sie befassen sich aber nicht mit der Frage, ob der Zeitpunkt der Rechtsbehelfseinlegung oder der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung oder der gerichtlichen Entscheidung für das Vorliegen der Anerkennung maßgeblich ist.

Im Übrigen ist für die Auslegung der objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist, und zu dessen Erfassung die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte heranzuziehen sind. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt daher für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können ([X.], [X.] vom 31. März 2016 - 2 BvR 1576/13 - NVwZ-RR 2016, 521 Rn. 63; [X.], Urteil vom 25. Januar 2017 - 9 [X.] 30.15 - [X.]E 157, 203 Rn. 14 jeweils m. w. N.). Selbst wenn also die Bundesregierung von der Vorstellung ausgegangen sein sollte, dass eine [X.] nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG nur in Frage komme, wenn die Umweltvereinigung schon bei Einlegung des Rechtsbehelfs anerkannt sei, wäre diese Vorstellung für die Auslegung nicht maßgeblich. Denn weder entspricht sie dem Regelungszweck, noch ist sie angesichts des Umstands, dass die durch § 2 UmwRG eröffneten Rechtsbehelfe den Maßgaben der Verwaltungsgerichtsordnung unterliegen, im Wortlaut, in der Gesetzessystematik oder in den Gesetzesmaterialien genügend klar zum Ausdruck gekommen.

ee) Dass das Anerkennungserfordernis nach alldem eine Sachentscheidungsvoraussetzung ist, die erst am Schluss der mündlichen Verhandlung oder zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erfüllt sein muss, bestätigt schließlich auch eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG.

aaa) Nach Art. 10a Abs. 3 Satz 1 [X.] und Art. 11 Abs. 3 Satz 1 [X.] n. F. müssen die nationalen Rechtsvorschriften einen weiten Zugang zu Gerichten sicherstellen und die praktische Wirksamkeit derjenigen Bestimmungen der [X.] gewährleisten, die die gerichtliche Anfechtung betreffen ([X.], Urteil vom 15. Oktober 2009 - [X.]-263/08 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2009:631] - NVwZ 2009, 1553 Rn. 45).

Dementsprechend sind die nationalen Gerichte verpflichtet, das Verfahrensrecht in Bezug auf die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens vorliegen müssen, so weit wie möglich im Einklang sowohl mit dem Ziel eines weiten Zugangs zu Gerichten als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das [X.]srecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzorganisation zu ermöglichen, eine behördliche Entscheidung gerichtlich anzufechten ([X.], Urteil vom 20. Dezember 2017 - [X.]-664/15 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2017:987] - NVwZ 2018, 225 Rn. 54 m. w. N.; [X.], Urteile vom 19. Dezember 2013 - 4 [X.] 14.12 - [X.]E 149, 17 Rn. 34 und vom 23. Juni 2020 - 9 A 22.16 - [X.]E 168, 368 Rn. 18). Sollte eine solche unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich sein, müsste das nationale Gericht eine Verfahrensvorschrift, die einem weiten Zugang zu Gerichten und einem effektiven gerichtlichen Rechtsschutz entgegensteht, erforderlichenfalls unangewendet lassen (vgl. [X.], Urteil vom 20. Dezember 2017 - [X.]-664/15 - NVwZ 2018, 225 Rn. 54 ff.).

Danach ist auch unionsrechtlich eine Auslegung von § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG geboten, nach der die Anerkennung der Umweltvereinigung nach § 3 UmwRG erst am Schluss der mündlichen Verhandlung oder zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erfolgt sein muss. Denn eine solche Auslegung gewährleistet einen weiteren Zugang zu den Gerichten als ein Normverständnis, nach dem die Anerkennung bereits bei Einlegung des Rechtsbehelfs vorhanden sein muss. Sie eröffnet auch [X.]en, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht anerkannt sind, aber im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens anerkannt werden, unabhängig davon eine Rechtsschutzmöglichkeit, ob sie das ursprüngliche Fehlen der Anerkennung zu vertreten haben. Außerdem entspricht diese Auslegung, wie dargelegt, den anerkannten Auslegungsmethoden.

bbb) Ein anderes Verständnis wäre im Übrigen mit dem unionsrechtlichen Grundsatz der Effektivität nicht vereinbar, wonach die Verfahrensmodalitäten für Rechtsbehelfe, die den Schutz der aus dem [X.]srecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die [X.]srechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen ([X.], Urteile vom 8. März 2011 - [X.]-240/09 - NVwZ 2011, 673 Rn. 48 m. w. N., vom 19. Mai 2011 - [X.]-452/09 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2011:323] - juris Rn. 16 m. w. N. und vom 16. April 2015 - [X.]-570/13 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2015:231] - juris Rn. 37).

Käme eine [X.] nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG nur für bereits bei Einlegung des Rechtsbehelfs anerkannte [X.] in Betracht, würde dies für erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens anerkannte [X.]en die Ausübung ihrer durch die [X.]srechtsordnung verliehenen Rechte nach Art. 10a [X.], Art. 11 [X.] n. F. und Art. 9 Abs. 2 AK i. V. m. Art. 47 GR[X.], die Verletzung der nationalen Vorschriften, die Rechtsvorschriften der [X.] im Bereich der Umwelt umsetzen, sowie der unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Umweltrechts der [X.] gerichtlich geltend zu machen (vgl. [X.], Urteile vom 15. Oktober 2015 - [X.]-137/14 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2015:633] - NJW 2015, 3495 Rn. 92 und vom 8. November 2016 - [X.]-243/15 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2016:838] - juris Rn. 54 ff.) erheblich erschweren. Denn die Rechtsbehelfe solcher [X.]en wären dann nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwRG zulässig, dass über die Anerkennung aus Gründen, die die [X.] nicht zu vertreten hat, noch nicht entschieden ist.

Ein hinreichend gewichtiger rechtfertigender Grund ist nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich das Ziel, die Umweltverbände dazu zu bewegen, die Anerkennung frühzeitig zu beantragen, um das Rechtsbehelfsverfahren von der Prüfung der [X.] zu entlasten und damit verbundene Verfahrensverzögerungen zu vermeiden, nicht durch eine Auslegung von § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG als Zugangsvoraussetzung erreichen. Die Entlastungswirkung ist vielmehr bei dieser Auslegung geringer als bei einem Verständnis des [X.] als Sachentscheidungsvoraussetzung. Ist der Anforderung, dass die [X.] bereits bei Einlegung des Rechtsbehelfs anerkannt sein muss, nicht genügt, müssen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwRG die [X.] grundsätzlich auch dann geprüft werden, wenn die Umweltvereinigung im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens anerkannt worden ist. Ist hingegen maßgeblicher Zeitpunkt der Schluss der mündlichen Verhandlung oder der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, sind die [X.] nicht mehr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwRG zu prüfen, wenn die Anerkennung inzwischen erteilt worden ist.

c) Beruht das Urteil des [X.] damit hinsichtlich der entscheidungstragenden Auslegung von § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG auf der Verletzung von Bundesrecht, so kommt es auf etwaige weitere Bundesrechtsverstöße nicht an. Es braucht deshalb nicht geprüft zu werden, ob das Oberverwaltungsgericht eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO und eine Verbandsklagebefugnis nach § 64 BNatSchG im Einklang mit Bundesrecht verneint hat, ob dem Oberverwaltungsgericht bei seinem bundesrechtswidrigen Rückgriff auf § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG weitere Bundesrechtsverstöße unterlaufen sind, soweit es die Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwRG verneint hat, und inwieweit seine Ausführungen zur [X.]srechtskonformität seiner Auslegung von § 2 Abs. 1 und 2 UmwRG mit [X.]srecht im Einklang stehen.

2. Das Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage auch im Ergebnis zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Denn sie ist insgesamt zulässig.

Der Kläger ist verbandsklagebefugt, weil er nicht nur nach § 3 UmwRG anerkannt ist, sondern auch die übrigen Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG erfüllt. Insbesondere war er, wie § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a UmwRG dies erfordert, in den Planfeststellungsverfahren, die den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlüssen zugrunde liegen, nach § 5a Abs. 2 Satz 1 des Landesstraßengesetzes ([X.]) in der Fassung des [X.] (GVBl. S. 548) und des Gesetzes vom 20. März 2013 (GVBl. S. 35) i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 ([X.] I S. 94; im Folgenden [X.] a. F.) zur Beteiligung berechtigt. Denn danach war ihm als Teil der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung Gelegenheit zur Äußerung zu geben (zur Anwendbarkeit von § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] a. F. vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Landesgesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung des Gesetzes vom 27. März 2018 und § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 L[X.] in der Fassung vom 22. Dezember 2015 ). Es kann deshalb offenbleiben, ob § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a UmwRG angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen [X.], dass [X.], die zur betroffenen Öffentlichkeit zählen, nach Art. 10a [X.] bzw. Art. 11 [X.] n. F. und Art. 9 Abs. 2 AK Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht haben müssen, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit der in diesen Bestimmungen genannten Entscheidungen anzufechten, gleichviel, welche Rolle sie im Verfahren über den Genehmigungsantrag spielen konnten ([X.], Urteile vom 15. Oktober 2009 - [X.]-263/08 - NVwZ 2009, 1553 Rn. 39 und vom 14. Januar 2021 - [X.]-826/18 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2021:7] - [X.] 2021, 229 Rn. 55), mit [X.]srecht vereinbar ist.

3. Das [X.] hebt das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurück (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Es kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), weil das Oberverwaltungsgericht von der Unzulässigkeit der Klage ausgegangen ist und deshalb weder die Begründetheit der Klage geprüft noch die für die [X.] erforderlichen Feststellungen getroffen hat.

Meta

9 C 24/21

14.09.2022

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 4. August 2021, Az: 8 C 10217/21, Urteil

§ 42 Abs 2 VwGO, § 67 Abs 4 S 1 VwGO, § 67 Abs 4 S 2 VwGO, § 68 Abs 2 VwGO, § 75 S 1 VwGO, § 80 Abs 6 S 1 VwGO, § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 UmwRG, § 2 Abs 1 S 1 UmwRG, § 2 Abs 2 S 1 UmwRG, § 2 Abs 2 S 3 UmwRG, Art 10a EURL 92/2011 vom 26.05.2003, Art 11 EURL 92/2011 vom 13.12.2011, Art 47 EUGrdRCh

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.09.2022, Az. 9 C 24/21 (REWIS RS 2022, 7907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7907

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

10 LB 34/18 (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht)


3 B 41/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Klagebefugnis von Individualklägern aus der UVP-Richtlinie 2011/92/EU


9 A 31/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Klage einer anerkannten Naturschutzvereinigung; Entwässerungsregelung für Teilabschnitt der Autobahn A 44; wasserrechtliche Erlaubnis; UVP-Vorprüfung; fehlende …


9 A 16/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH; Vorabentscheidungsersuchen zum Neubau der A 33/B 61, Zubringer Ummeln, …


10 CN 1/23, 10 CN 1/23 (4 CN 4/18) (Bundesverwaltungsgericht)

Normenkontrollantrag einer anerkannten Umweltvereinigung gegen die "Inntal-Süd"


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 BvR 1576/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.