Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2015, Az. IV ZR 71/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 540

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR
71/14
Verkündet am:

16. Dezember 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 2.
Dezember 2015 einge-reicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des [X.]s Mün-chen
I -
13. Zivilkammer
-
vom 21.
Januar
2014
wird auf Kosten der Klägerseite zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 4.867,66

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d.
[X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d.
[X.] mit Vertragsbeginn zum 1.
Dezember 2004 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d.
[X.] mit dem Versicherungsschein vom 16.
Dezember 2004 die [X.], eine Verbraucherinformation nach §
10a des Ver-1
2
-
3
-

sicherungsaufsichtsgesetzes ([X.]) mit einer Belehrung über das [X.]srecht
sowie ein Anschreiben vom 16.
Dezember 2004 mit einer weiteren Widerspruchsbelehrung
gemäß §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F.

D. [X.] zahlte von Dezember 2004
bis November 2012
Prämien in Höhe von insgesamt 8.531,16

Oktober 2012
ließ
d.
[X.] den [X.], hilfsweise die Kündigung des Vertrages erklären. Der [X.] akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 2.
April 2013
erklärte d. [X.] erneut den Widerspruch nach §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.] a.F.

Mit der Klage verlangt d.
[X.] -
soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung
-
Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten [X.] nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], ins-gesamt 4.867,66

Nach Auffassung d.
[X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen.
Die Widerspruchsbelehrung sei nicht hinreichend, insbesondere nicht genügend deutlich hervorgehoben. Der Widerspruch sei nicht verfristet, da §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. europarechtswidrig sei.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d.
[X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

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7
-
4
-

I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Da der [X.] und die erforderlichen Unterlagen d. [X.] erst mit Schreiben vom 16.
Dezember 2004 zugesandt worden seien und dieser Zeitpunkt für die Widerspruchsfrist entscheidend gewesen sei, sei von der Anwendbarkeit des §
5a [X.] a.F. in der ab dem 8.
Dezember 2004 gültigen Fassung auszugehen. Auf die danach bei [X.] maßgeb-liche Widerspruchsfrist von 30 Tagen sei d. [X.] in dem Anschreiben vom 16.
Dezember 2004 hingewiesen worden. Dagegen werde in der [X.] auf eine 14-tägige Widerspruchsfrist hingewiesen. Angesichts der widersprüchlichen Angaben über die Dauer der [X.]sfrist könne nicht von einer ordnungsgemäßen Belehrung [X.] werden. Zwar sehe §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. für den Fall ei-ner fehlenden oder nicht ausreichenden Belehrung das Erlöschen des Rechts zum Widerspruch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie vor. Diese Vorschrift sei aber europarechtswidrig und daher nicht anzuwen-den. Allerdings sei das Widerspruchsrecht infolge beiderseits vollständi-ger Erbringung der Leistung im Jahr 2012 nach Kündigung des [X.] und Auszahlung des [X.] erloschen.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nur im Ergebnis stand.

D.
[X.] kann nicht gemäß §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB Rückzah-lung der Prämien verlangen.

1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des [X.] sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d.
[X.] mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen sowie
eine Ver-8
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-
5
-

braucherinformation. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wurde d. [X.] -
wie die Revisionserwiderung mit Recht rügt
-
auch ord-nungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass §
5a [X.] a.F. in der ab dem 8.
Dezember 2004 gültigen Fassung anwendbar ist, weil der [X.] und die weiteren erforderlichen Unterlagen d.
[X.] mit Schreiben vom 16.
Dezember 2004 übersandt wurden. Nach Abs.
1
Satz
2
dieser Vorschrift betrug die Widerspruchsfrist bei Lebensversiche-rungsverträgen 30 Tage. Darauf wurde d. [X.] in dem Anschreiben vom 16.
Dezember 2004 in durch Fettdruck hervorgehobener und somit drucktechnisch deutlicher Form hingewiesen.
Diese formal und auch im Übrigen inhaltlich den Anforderungen des §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. genügende Belehrung wird nicht dadurch entkräftet, dass in der [X.] fälschlicherweise eine Widerspruchsfrist von nur 14 Ta-gen genannt wird
(vgl. Senatsbeschluss vom 30.
Juli 2015 -
IV ZR 63/13, juris Rn.
12).
Wenn -
anders als in dem der Entscheidung des II.
Zi-vilsenats des [X.] vom 18.
Oktober 2004 ([X.], NJW-RR 2005, 180) zugrunde liegenden Fall
-
eine von mehreren [X.]sbelehrungen insgesamt ordnungsgemäß war, kommt es darauf an, ob der Versicherungsnehmer durch eine weitere -
formal oder inhalt-lich nicht
ordnungsgemäße
-
Belehrung irregeführt oder von einem recht-zeitigen Widerspruch abgehalten wird. Dies ist hier nicht der Fall,
zumal der Hinweis in der Verbraucherinformation im Unterschied zu der Beleh-rung im Begleitschreiben drucktechnisch nicht hervorgehoben ist.
Im Üb-rigen hätte sich der Versicherer -
wie die Revisionserwiderung zu Recht bemerkt
-
zugunsten d. [X.] an der im Begleitschreiben genannten Frist festhalten lassen müssen. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 30-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d.
[X.] den Widerspruch nicht.

-
6
-

2. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versi-cherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des §
5a [X.] a.[X.] unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.
Juli 2014 -
IV ZR 73/13, [X.], 102 Rn.
16
ff.; [X.], 693 Rn.
30
ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der [X.] begehrte Vorlage an den [X.] schei-det bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell
mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungser-heblich ankommt. D.
[X.] ist es auch im Falle einer unterstellten Gemein-schaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach [X.] und Glauben we-gen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die [X.]wid-rigkeit liegt darin, dass d.
[X.] nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu [X.], diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des [X.] durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages
Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16.
Juli 2014 aaO Rn.
32-42; [X.] aaO Rn.
42 ff.).

D. [X.] verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest ver-traglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ sie bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. D. [X.] zahlte über acht Jahre die Versicherungsprämien
und erklärte dann den Widerspruch, hilfsweise die Kündigung
des
Versicherungsvertrages. Die jahrelangen Prämienzahlungen der bereits im Dezember 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten [X.] haben bei 12
13
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7
-

dem Versicherer
ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des [X.] begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. [X.] auch erkennbar.

Die Frage einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der [X.] in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten des Versicherungsnehmers festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht.

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.07.2013 -
233 [X.] 9991/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 21.01.2014 -
13 S 19233/13 -

14

Meta

IV ZR 71/14

16.12.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2015, Az. IV ZR 71/14 (REWIS RS 2015, 540)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 540

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 63/13

IV ZR 73/13

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