Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. IV ZR 155/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3989

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 155/14

Verkündet am:

14. Oktober 2015

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 16.
September
2015 ein-gereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des 7.
Zivilsenats des [X.] vom 10.
April 2014
wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 45.099,90

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Leibrentenversicherung
mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. [X.] mit [X.] zum 1.
April 2000 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) 1
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-

abgeschlossen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d.
[X.] mit dem Versicherungsschein, der eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. enthielt, die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach §
10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG).

D. [X.] zahlte von April 2000 bis Januar 2010 Prämien in Höhe von insgesamt 60.332,22

Mit Schreiben vom 17.
Dezember 2009 erklärte d. [X.] "den [X.] gemäß
§
5a [X.]

, hilfsweise die Kündigung". Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 18.
Januar 2012 erklärte d. [X.] nochmals den [X.].

Mit der Klage verlangt d. [X.] -
soweit für das Revisionsverfahren noch
von Bedeutung
-
Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten [X.] nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], ins-gesamt 45.099,90

.

Nach Auffassung d.
[X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den [X.] nicht vereinbar sei. Wegen Mängeln der [X.] und Unvollständigkeit der Verbrau-cherinformation sei die Widerspruchsfrist gemäß §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.] a.F. nicht in Gang gesetzt worden. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

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4
-

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D.
[X.] habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zu-stande gekommen. Die Widerspruchsfrist sei gemäß §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. in Gang gesetzt worden. D. [X.] sei sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht ausreichend über das Widerspruchsrecht belehrt worden.
Die [X.] in einem eigenständigen, durch Fettdruck und Einrückung hervorgehobenen Absatz am Ende des dreisei-tigen Versicherungsscheins sei drucktechnisch deutlich gestaltet.
Die [X.] sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie benenne die Unterlagen, deren Überlassung die Widerspruchsfrist anlaufen lasse, genau. Dass im Versicherungsschein zusätzliche Unterlagen aufgelistet seien, die für die [X.] der Widerspruchsfrist nicht notwendig seien, sei unerheblich. §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. mache das Anlaufen der Widerspruchsfrist allein davon abhängig, dass
d. [X.] die erforderli-chen Unterlagen -
Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation
-
tatsächlich ausgehändigt worden seien. Dies sei hier unstreitig der Fall gewesen. Die Regelung des Policenmodells 7
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-
5
-

verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversiche-rung.

I[X.] Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

D.
[X.]
kann nicht gemäß §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB Rückzah-lung der Prämien verlangen.

1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen
des Versiche-rungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden, von der Revision nicht angegriffenen
Feststellungen des Be-rufungsgerichts erhielt d.
[X.] mit dem Versicherungsschein die [X.], eine Verbraucherinformation und eine drucktechnisch deutlich gestaltete [X.]. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, die Belehrung sei inhaltlich nicht
ordnungsgemäß, weil sie die Widerspruchsfrist mit dem Erhalt des Versicherungsscheins, der [X.], der Tarifbeschreibung, der [X.] und des Merkblattes zur Datenverarbeitung habe beginnen lassen. Nach §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. setzt der Beginn der Widerspruchsfrist nur die Überlassung des Versicherungsscheins, der [X.] und der Verbraucherinformation voraus. Indem
die streitge-genständliche Belehrung weitere Unterlagen -
die Tarifbeschreibung und das Merkblatt zur Datenverarbeitung
-
nennt, fordert sie mehr als das Gesetz. Dies hat das Berufungsgericht zu
Recht für unschädlich gehal-ten. Der Einwand der Revision, d. [X.] werde aufgrund der unrichtigen Belehrung auch überprüfen, ob er die überflüssigerweise weiter genann-ten Unterlagen erhalten habe, und möglicherweise einen Widerspruch hinausschieben, weil er eine für den Fristbeginn unerhebliche Unterlage 10
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nicht erhalten habe oder nicht auffinden könne, greift nicht durch. [X.] davon, dass die zusätzlichen Unterlagen so klar bezeichnet sind, dass d. [X.] den Fristbeginn ermitteln kann, stellt §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. auf die subjektive Kenntnis d. [X.] vom Erhalt aller
erforderlichen Un-terlagen nicht ab, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Im Übrigen ist die Abweichung vom Gesetzeswortlaut für d.
[X.] vorteilhaft, weil die Widerspruchsfrist erst beginnt, wenn er -
wie hier
-
auch die in der [X.] genannten weiteren Unterlagen erhalten hat.

Die [X.] ist entgegen der Auffassung der Revi-sion nicht deshalb unvollständig, weil sie den Adressaten des [X.]s
nicht benennt. Abgesehen davon, dass §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. dies nicht verlangt, ist -
wie das Berufungsgericht zutreffend ausge-führt hat
-
im Versicherungsschein in unmittelbarer räumlicher Nähe zur [X.] die vollständige Anschrift des Versicherers an-gegeben, so dass d. [X.] über alle für einen Widerspruch nötigen [X.] verfügte.

Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen [X.]sfrist erklärte d.
[X.] den Widerspruch nicht.

2. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versi-cherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des §
5a [X.] a.[X.] unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.
Juli 2014 -
IV ZR 73/13, [X.], 102 Rn.
16
ff.; [X.], Be-schluss vom 2.
Februar 2015 -
2 BvR 2437/14, [X.], 693
Rn.
30
ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den [X.] scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den ge-13
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nannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D.
[X.] ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschafts-rechtswidrigkeit des Policenmodells nach [X.] und Glauben wegen wi-dersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger [X.] auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die [X.]widrigkeit liegt darin, dass d.
[X.] nach ordnungsgemäßer Belehrung über die [X.], den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande
kommen zu lassen, die-sen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des [X.] durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien
verlangte (vgl. im Einzelnen zu den [X.] Senatsurteil vom 16.
Juli 2014 aaO Rn.
32-42; [X.] aaO Rn.
42
ff.).
D. [X.] verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im [X.] ungenutzt verstreichen. D. [X.] zahlte neun
Jahre und zehn
Monate die Versicherungsprämien
und erklärte dann den Widerspruch. Die jahrelangen Prämienzahlungen des
bereits im Juni 2000 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten [X.] haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbe-gründende Wirkung war für d. [X.] auch erkennbar.
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Die Frage einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der [X.] in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten des Versicherungsnehmers festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht.

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.08.2013 -
3 O 453/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 10.04.2014 -
7 [X.]/13 -

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Meta

IV ZR 155/14

14.10.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. IV ZR 155/14 (REWIS RS 2015, 3989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3989

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 155/14

IV ZR 73/13

2 BvR 2437/14

7 U 199/13

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