Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.04.2015, Az. EnZR 11/14

Kartellsenat | REWIS RS 2015, 12810

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Gegenstand

Neuvergabe eines Gaskonzessionsvertrages: Reichweite des Auskunftsanspruchs einer Gemeinde gegen bisherigen Nutzungsberechtigten zur Ermittlung des Ertragswertes - Gasnetz Springe


Leitsatz

Gasnetz Springe

Der Auskunftsanspruch der Gemeinde gegenüber dem bisherigen Nutzungsberechtigten nach § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG umfasst auch Angaben zu den kalkulatorischen Restwerten und den kalkulatorischen Nutzungsdauern für sämtliche Anlagen des zu überlassenden Versorgungsnetzes.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 9. Januar 2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, in welchem Umfang die Beklagte gegenüber der klagenden Gemeinde im Zusammenhang mit der Neuvergabe eines [X.] zu einer Auskunft nach § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.] verpflichtet ist.

2

Die Klägerin schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) am 28. Juni 1989 einen Konzessionsvertrag über die Gasversorgung in ihrem Stadtgebiet, der später bis zum 30. Juni 2014 verlängert wurde. Zur Vorbereitung der Neuvergabe des [X.] verlangte die Klägerin von der Beklagten mit Schreiben vom 17. November 2009 und 7. Dezember 2009 die Mitteilung bestimmter Informationen über das Gasnetz, insbesondere Angaben zu kalkulatorischen Restwerten. Dieses Begehren wurde von der Beklagten abgelehnt.

3

Auf die Auskunftsklage der Klägerin wurde die Beklagte vom [X.] antragsgemäß verurteilt, der Klägerin für sämtliche Anlagen, die in dem Mengengerüst der Beklagten mit Stand zum 31. Dezember 2011 ("Gasnetz Springe Gesamtübersicht") aufgeführt sind, Folgendes mitzuteilen:

- die im jeweiligen Zeitpunkt ihrer Errichtung erstmals aktivierten Anschaffungs- und Herstellungskosten (historische Anschaffungs- und Herstellungskosten) sowie das Jahr der Aktivierung,

- die der letzten Bestimmung des Ausgangsniveaus der Beklagten nach § 21a [X.] [X.]. § 6 Abs. 1 [X.] zugrunde liegenden kalkulatorischen Restwerte nach §§ 6, 32 [X.],

- die der letzten Bestimmung des Ausgangsniveaus der Beklagten nach § 21a [X.] [X.]. § 6 Abs. 1 [X.] zugrunde liegenden kalkulatorischen [X.] für die laufende Abschreibung nach § 6 [X.] sowie

- die kalkulatorischen Restwerte mit Stand zum 31. Dezember 2011.

4

Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist unbegründet.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine [X.]ntscheidung ([X.], [X.], 122) im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Der Klägerin stehe der Auskunftsanspruch aus § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.] in der seit dem 4. August 2011 geltenden Fassung zu. Diese Vorschrift sei auf zu diesem [X.]punkt bestehende [X.] anwendbar. Für die hier maßgebliche Phase vor Abschluss eines [X.] regele sie den Auskunftsanspruch abschließend. Danach sei der bisherige Nutzungsberechtigte verpflichtet, der [X.] spätestens ein Jahr vor der Bekanntmachung nach § 46 Abs. 3 [X.] diejenigen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung zu stellen, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen einer Bewerbung um den (Neu-)Abschluss eines Konzessionsvertrages erforderlich seien. Ob kalkulatorische Netzdaten von dem Auskunftsanspruch der [X.] umfasst seien, sei allerdings umstritten. Nach dem noch unter der Geltung der früheren Rechtslage erstellten Gemeinsamen Leitfaden von [X.] und [X.] seien kalkulatorische Netzdaten nicht in der - wie hier - ersten Phase des [X.] mitzuteilen gewesen, sondern erst nach dessen Abschluss gegenüber dem neuen [X.]. Daran könne indes nach der neuen Rechtslage nicht festgehalten werden. Danach seien auch die von der Klägerin begehrten kalkulatorischen Netzdaten bereits in der ersten Phase des [X.] mitzuteilen. Die Netzdaten seien geeignet, die Beurteilungsgrundlage der möglichen Bewerber um eine Konzession zu verbessern, weil sich der [X.]rtrag aus dem Netzbetrieb vorrangig nach der kalkulatorischen [X.]igenkapitalverzinsung und der kalkulatorischen Abschreibung bestimme. Die Kenntnis dieser Daten sei im Rahmen einer Bewerbung um die Neuvergabe der Konzession auch erforderlich, um sowohl den zu erwartenden [X.]rtrag aus dem Netzbetrieb als auch die entstehenden Kosten möglichst genau abschätzen zu können. Dies decke sich auch mit dem Wortlaut der Vorschrift und dem Willen des Gesetzgebers. [X.]twas anderes ergebe sich auch nicht, wenn der Kaufpreis für den [X.] durch den [X.]rtragswert zu begrenzen sei und deshalb insoweit erst eine spätere Kenntnis der streitigen Netzdaten erforderlich sei. Auch dann hätten die Konzessionsbewerber ein Interesse daran, bereits in der ersten Phase des [X.] die Daten zu kennen, um die Folgekosten eines [X.] abschätzen zu können. Dies diene zugleich dazu, den Informationsvorsprung des bisherigen [X.]s auszugleichen und einen diskriminierungsfreien Wettbewerb zu fördern.

8

Dem Auskunftsanspruch stehe nicht entgegen, dass es sich bei den kalkulatorischen Netzdaten möglicherweise um Geschäftsgeheimnisse der Beklagten handele. Die Beklagte habe bereits ein Geheimhaltungsinteresse nicht hinreichend substantiiert dargelegt, so dass das Interesse an der Offenlegung der Daten gegenüber den möglichen Bewerbern ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse der Beklagten überwiege. Zwar könnten unter Umständen aus den fraglichen Informationen Rückschlüsse auf die Struktur des zu übertragenden Gasnetzes gezogen werden. Wegen des geringen Anteils dieses Teilnetzes am Gesamtnetz der Beklagten ließen sich daraus aber keine Rückschlüsse auf deren Kostenkalkulation ziehen.

II.

9

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht den von der Klägerin geltend gemachten Auskunftsanspruch in vollem Umfang bejaht.

1. Das Berufungsgericht ist zu Recht von einer Anwendung des § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.] in der seit dem 4. August 2011 geltenden Fassung ausgegangen. Soweit - an[X.] als hier - ein neuer Konzessionsvertrag bereits abgeschlossen worden ist und sich der bisherige [X.] gegen die Wirksamkeit des neuen Vertrags wendet, ist zwar nach der Rechtsprechung des Senats in Bezug auf den Inhalt des Anspruchs des neuen [X.]nergieversorgungsunternehmens auf das zur [X.] seiner [X.]ntstehung geltende Recht abzustellen, so dass es insoweit auf den [X.]punkt des Abschlusses des neuen [X.] ankommt und der eigentliche Vertragsbeginn unerheblich ist (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - [X.], [X.], 289 Rn. 60 und 70 - Stromnetz [X.] und [X.], [X.]/[X.] 4139 Rn. 57 - Stromnetz [X.]). Hier geht es aber um den Inhalt eines gesetzlichen Auskunftsanspruchs in einem laufenden Konzessionsverfahren, das auf einen in der Zukunft liegenden Abschluss eines neuen [X.] gerichtet ist. Maßgeblich ist somit nach allgemeinen Grundsätzen das zur [X.] der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung geltende Recht (vgl. nur [X.], Urteil vom 29. Juni 2010 - [X.], [X.]/[X.] 2963 Rn. 25). Da diese im Dezember 2013 stattgefunden hat, ist hier § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.] in der seit dem 4. August 2011 geltenden Fassung anwendbar.

2. [X.]ntgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf die begehrte Auskunft aus § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.] zusteht. Der Informationsanspruch der [X.] gegenüber dem bisherigen Netzbetreiber umfasst bereits im Verfahrensstadium der Neuvergabe von [X.] insbesondere Angaben zu den kalkulatorischen Restwerten und kalkulatorischen [X.].

a) Das entspricht der zu dieser Vorschrift in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung ([X.], Rd[X.] 2011, 422 Rn. 85; [X.] in [X.]/[X.], [X.]nergierecht, Stand: September 2013, § 46 Rn. 110 f.; [X.]/[X.], Rd[X.] 2012, 221, 224; Schau, NdsVBl. 2013, 89, 92 f.; ebenso zur früheren Rechtslage: [X.]/Mohr/Wolf, [X.] im System des [X.] und [X.] Wettbewerbsrecht, [X.] ff.; [X.]/[X.], Rd[X.] 2011, 170, 171; [X.], Rd[X.] 2010, 243, 244; [X.]/[X.], Rd[X.] 2011, 394, 398 f.; [X.]/[X.], ZN[X.]R 2011, 121, 127 f.; Schau, Rd[X.] 2011, 1, 3 f.), der sich der Senat anschließt. Die [X.], die einen Informationsanspruch hinsichtlich der kalkulatorischen Daten erst nach Abschluss des neuen [X.] für gegeben erachtet (BerlKomm[X.]nR/[X.], 2. Aufl., [X.], § 46 Rn. 106; [X.], N&R 2012, 194, 198 f.; [X.]., [X.] 2014, 76 ff.; ebenso zur früheren Rechtslage: [X.], Praxishandbuch der [X.] und der Konzessionsabgaben, [X.]. 5 Rn. 110 ff.; [X.]/Kalwa, Rd[X.] 2010, 364, 365; [X.], Rd[X.] 2005, 153, 158 f.; [X.]/Wolf, [X.] 2010, 293 f.; [X.]/[X.], Rd[X.] 2006, 33, 38 f.), überzeugt nicht.

b) Die Frage, welche Daten im [X.]inzelnen von dem Informationsanspruch des § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.] umfasst sind, wird durch den Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig beantwortet, wenngleich er nahe legt, dass auch kalkulatorische Netzdaten unter den Auskunftsanspruch fallen. Nach dieser Vorschrift hat der bisherige Nutzungsberechtigte der [X.] diejenigen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung zu stellen, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen einer Bewerbung um den Abschluss eines neuen [X.] erforderlich sind.

Die Bewerber um einen neuen Konzessionsvertrag müssen somit in die Lage versetzt werden, den wirtschaftlichen Wert des [X.]nergienetzes bestimmen zu können. Die Bieter müssen bei der vor Angebotserstellung gebotenen Wirtschaftlichkeitsprüfung wissen, wie effizient ein Netz ist und welche Maßnahmen gegebenenfalls zur Kostensenkung notwendig sind. Denn die [X.]rlöse für den Netzzugang sind gemäß § 21a [X.] in Verbindung mit den Vorschriften der Anreizregulierungsverordnung am wettbewerbsanalogen Preis ausgerichtet, der sich unternehmensintern in [X.] möglichst kosteneffizienter Leistungserbringung ausdrückt (vgl. [X.]/ Mohr/Wolf, [X.] im System des [X.] und [X.] Wettbewerbsrecht, S. 94). In diesem Zusammenhang sind die genehmigten (kalkulatorischen) Restwerte der Anlagen des Altkonzessionärs für den Bieter von Interesse, weil er diese im Falle des Zuschlags übernehmen und fortführen muss.

Darüber hinaus sind die begehrten Auskünfte im Rahmen des Bieterverfahrens auch deshalb von maßgeblichem Interesse, weil sie zur Abschätzung der nach § 46 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu entrichtenden angemessenen Vergütung von Bedeutung sind. Nach der Rechtsprechung des Senats können zur Berechnung der Vergütung sowohl der [X.]rtragswert als auch der Sachzeitwert zu Grunde gelegt werden, es sei denn, dass der Sachzeitwert den [X.]rtragswert des Versorgungsnetzes nicht unerheblich übersteigt (Senatsurteil vom 16. November 1999 - [X.], [X.]Z 143, 128, 152 ff. - [X.]ndschaftsbestimmung I; Senatsbeschluss vom 3. Juni 2014 - [X.]nVR 10/13, Rd[X.] 2015, 29 Rn. 45 - Stromnetz [X.]). Der [X.]rtragswert des Netzes hängt indes im Rahmen der nach § 4 Abs. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1 [X.] festgelegten [X.]rlösobergrenzen, die auf den neuen Netzbetreiber nach den Maßgaben des § 26 [X.] übergehen, maßgeblich von der genehmigten kalkulatorischen [X.]igenkapitalverzinsung ab, die sich aus der [X.]igenkapitalquote und dem kalkulatorischen Restwert des Anlagevermögens zusammensetzt (so auch Gemeinsamer Leitfaden von [X.] und [X.] zur Vergabe von Strom- und [X.] und zum Wechsel des [X.] vom 15. Dezember 2010, Rn. 59). Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind die vom Netzbetreiber anzusetzenden kalkulatorischen Restwerte einer Regulierung gemäß §§ 6, 32 GasN[X.]V/StromN[X.]V unterworfen. So sind die Abschreibungen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GasN[X.]V/StromN[X.]V nach den im [X.]punkt ihrer [X.]rrichtung erstmalig aktivierten Anschaffungs- und Herstellungskosten (historische Anschaffungs- und Herstellungskosten) zu ermitteln und die [X.] nach § 6 Abs. 5 GasN[X.]V/StromN[X.]V in Verbindung mit Anlage 1 zu diesen Vorschriften festzustellen. Auch insoweit bleibt der neue Netzbetreiber an die einmal in Ansatz gebrachte Nutzungsdauer einer Anlage für die Restdauer ihrer kalkulatorischen Abschreibung gebunden (§ 6 Abs. 5 Satz 2 GasN[X.]V/StromN[X.]V).

c) [X.]ntscheidend für eine solch weitgehende Auskunftspflicht des Altkonzessionärs bereits zu Beginn des neuen Vergabeverfahrens spricht der Zweck des § 46 [X.]. Diese Vorschrift soll einen Wettbewerb um die Netze ermöglichen. Damit soll - was § 46 Abs. 3 Satz 5 [X.] zeigt - das energiewirtschaftsrechtliche Ziel des § 1 [X.] einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit [X.]lektrizität und Gas erreicht werden. Vor diesem Hintergrund dienen die gegenüber der [X.] bestehenden Auskunftspflichten des § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.] der Information potentieller Bieter, damit sich andere Unternehmen um die [X.] bewerben können, um damit zugleich der [X.] eine Bestenauslese zu ermöglichen (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2014 - [X.]nZR 33/13, ZN[X.]R 2015, 24 Rn. 17 - Stromnetz [X.]). Nur wenn allen potentiellen [X.] bekannt ist, in welcher Größenordnung sich die angemessene Vergütung im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 [X.] bewegen wird, kann auch ein Wettbewerb entstehen. Die umfangreichen Netzinformationen zum Sachzeit- und [X.]rtragswert dienen der gebotenen Verfahrenstransparenz und Gleichbehandlung aller Bieter. Denn diese müssen schon für die [X.]ntscheidung über die Teilnahme am [X.] sowohl die Kosten ihres Angebots als auch die zukünftigen [X.]rträge aus dem Netzbetrieb und damit die wirtschaftlichen Folgen einer Netzübernahme kalkulieren können, weil § 46 Abs. 2 Satz 2 [X.] für den Fall eines Obsiegens die Netzüberlassungs- und Vergütungspflicht unmittelbar an den Zuschlag der [X.] für einen [X.] anschließt. Daher ist für die Teilnahme am Wettbewerb die Kenntnis der im [X.]rfolgsfall entstehenden Folgekosten notwendig, um allen Bewerbern eine vorherige Wirtschaftlichkeitsanalyse zu ermöglichen ([X.] in [X.]/[X.], [X.]nergierecht, Stand: September 2013, § 46 Rn. 110 f.; Schau, NdsVBl. 2013, 89, 93; ebenso bereits zur früheren Rechtslage [X.]/[X.], ZN[X.]R 2011, 121, 128).

d) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Systematik des § 46 [X.] bestätigt. Diese Vorschrift sieht in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 vor, dass mit dem Zuschlag im Vergabeverfahren und dem Abschluss des neuen [X.] kraft Gesetzes zum einen der Übereignungs- oder Überlassungsanspruch des neuen Konzessionärs gegen den Altkonzessionär und zum anderen der Anspruch des bisherigen Nutzungsberechtigten gegen den [X.] auf Zahlung einer angemessenen Vergütung entstehen. Damit verbindet das Gesetz in § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.] die - zeitlich vorangehende - Informationspflicht des Altkonzessionärs über die wirtschaftliche Situation des Netzes, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen einer Bewerbung um den Abschluss des neuen [X.] erforderlich ist. Diese Verknüpfung legt es nahe, dass die Informationspflicht auch solche Daten umfasst, die für die Bemessung der angemessenen Vergütung von Bedeutung sind.

Dagegen spricht nicht, dass die Daten gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 [X.] in geeigneter Form zu veröffentlichen sind. Daraus ergibt sich insbesondere nicht, dass die Auskunftspflicht in § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.] nicht auf vertrauliche Kalkulationsdaten des bisherigen Nutzungsberechtigten gerichtet sein kann (so aber [X.], N&R 2012, 194, 198 f.; [X.]., [X.] 2014, 76, 78). Soweit es der Schutz des Geschäftsgeheimnisses gebietet, führt dies lediglich dazu, dass die Daten nicht allgemein zugänglich gemacht, sondern lediglich den [X.] zur Verfügung gestellt werden dürfen.

e) Schließlich sprechen auch die Gesetzesmaterialien nicht gegen eine weitgehende Informationspflicht des Altkonzessionärs. Die [X.]infügung des Satzes 4 in § 46 Abs. 2 [X.] durch das [X.] energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 2011 ([X.] I S. 1554) sollte den Informationsanspruch der [X.] gegenüber dem aktuellen Netzbetreiber anlässlich des Auslaufens eines [X.] ausdrücklich gesetzlich verankern, nachdem dieser Informationsanspruch, obwohl er sich auch aus dem Konzessionsvertrag als ungeschriebene Nebenpflicht ableiten lässt, in der Praxis von Netzbetreibern häufig bestritten worden war (BT-Drucks. 17/6072, [X.]). Zugleich sollte dies der diskriminierungsfreien und effizienten Durchführung des Ausschreibungsverfahrens dienen, um den Wettbewerb um die Vergabe der Konzession sicherzustellen (BT-Drucks. 17/6072, aaO). Über den Umfang des Informationsanspruchs verhalten sich die Gesetzesmaterialien dagegen nicht. Insbesondere kann aus der in anderem Zusammenhang, nämlich im Hinblick auf das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung durch Nichterfüllung des Informationsanspruchs, erfolgten [X.]rwähnung des Gemeinsamen Leitfadens von [X.] und [X.] zur Vergabe von Strom- und [X.] und zum Wechsel des [X.] vom 15. Dezember 2010 nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber sich die dort vorgeschlagene Auflistung der - gestuft - mitzuteilenden Daten im Bieterverfahren einerseits (Leitfaden, Rn. 25) und nach Abschluss des neuen [X.] andererseits (Leitfaden, Rn. 57 f.) im Rahmen des § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.] zu eigen machen wollte. Zudem sind in dem Leitfaden die für das Bieterverfahren aufgeführten Angaben, in denen kalkulatorische Daten - an[X.] als im anschließenden Stadium nach Vertragsschluss - nicht erwähnt werden, ersichtlich nicht abschließend, sondern lediglich - was sich aus Rn. 28 des Leitfadens ergibt ("jedenfalls") - im Sinne von Minimalanforderungen gemeint.

f) Insoweit ist unerheblich, dass in diesem frühen Stadium des Vergabeverfahrens möglicherweise noch nicht bis ins Letzte feststeht, auf welche Teile des Netzes sich der Überlassungsanspruch des § 46 Abs. 2 Satz 2 [X.] bezieht, weil dieser nur die für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im [X.]gebiet notwendigen [X.] umfasst (siehe dazu Senatsbeschluss vom 3. Juni 2014 - [X.]nVR 10/13, Rd[X.] 2015, 29 Rn. 31 ff. - Stromnetz [X.]) und darüber zwischen dem Alt- und [X.] möglicherweise Streit bestehen wird. Diese Ungewissheit stellt allein für den Bieter ein gewisses, von ihm zu tragendes und bei seiner Kalkulation zu berücksichtigendes Kostenrisiko dar, das jedoch nicht dahingehend gegen sein Informationsbedürfnis gewendet werden kann, dass ihm gar keine kalkulatorischen Daten offengelegt werden müssten.

[X.]ntsprechendes gilt für das - von der Revision zu Unrecht als übergangen gerügte - Vorbringen der Beklagten, die kalkulatorischen Netzdaten seien (allein) nicht ausreichend, um eine aussagefähige [X.]rtragswertberechnung vornehmen zu können, weil dazu als zweite Komponente auch der Wertbeitrag aus der [X.]rzielung von Synergieeffekten einbezogen werden müsse, der indes erst nach der - nach Abschluss des [X.]s möglichen - Aufteilung der [X.]rlösobergrenzen ermittelt werden könne. Das Berufungsgericht hat sich damit befasst, die Frage der Synergieeffekte aber zu Recht als unerheblich angesehen. Denn auch dieser Umstand stellt zwar für die Bieter eine Unsicherheit für ihre Preiskalkulation dar, die aber nach der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts gleichwohl eine Abschätzung des [X.]rtragswerts aufgrund der kalkulatorischen Netzdaten ermöglicht. Diese Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

g) [X.]ntgegen der Auffassung der Revision steht dem Auskunftsanspruch auch nicht entgegen, dass es sich bei den kalkulatorischen Netzdaten um Geschäftsgeheimnisse der Beklagten handelt.

aa) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass zwischen dem berechtigten Interesse der [X.] an einer umfassenden Auskunft im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.] und dem als Ausfluss der Grundrechte der Art. 12 und 14 GG zu gewährenden [X.], insbesondere dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, eine Abwägung zu treffen ist. Damit wird zugleich der verfassungsrechtlichen Anforderung nach praktischer Konkordanz Rechnung getragen (vgl. [X.], [X.]/[X.] 1715 Rn. 98; [X.], Beschluss vom 21. Januar 2014 - [X.]nVR 12/12, [X.], 276 Rn. 103 - [X.] GmbH). Hierbei ist bei der verfassungskonformen Auslegung des § 46 Abs. 2 Satz 4 [X.], der insoweit lex specialis zu § 6a [X.] ist, neben dem privaten Interesse an effektivem Rechtsschutz und dem - je nach Fallkonstellation - öffentlichen oder privaten Interesse an [X.] auch das öffentliche Interesse an der Information in die Abwägung einzustellen (vgl. [X.], [X.]/[X.] 1715 Rn. 116; [X.], Beschluss vom 21. Januar 2014 - [X.]nVR 12/12, aaO).

bb) Die Informationen über die kalkulatorischen Netzdaten sind Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen. Die in Rede stehenden Daten enthalten Angaben zu den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten, dem Jahr ihrer Aktivierung, den kalkulatorischen Restwerten nach §§ 6, 32 GasN[X.]V, den kalkulatorischen [X.] für die laufende Abschreibung nach § 6 GasN[X.]V und den kalkulatorischen Restwerten mit Stand zum 31. Dezember 2011. Diese Daten sind nicht offenkundig. An ihrer Nichtverbreitung hat der bisherige Nutzungsberechtigte durchaus ein anerkennenswertes Interesse. Die Verpflichtung der [X.]n zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ergibt sich aus § 30 VwVfG, der - wie § 71 Satz 1 [X.] zeigt - in Verfahren nach dem [X.]nergiewirtschaftsgesetz anwendbar ist.

Allerdings ist der [X.] der kalkulatorischen Netzdaten im Rahmen des [X.]s nach § 46 [X.] von vornherein eingeschränkt. Mit Abschluss des neuen [X.] muss der bisherige [X.] diese Daten - was auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird - dem [X.] offenbaren, um die Verhandlungen über die wirtschaftlich angemessene Vergütung sachgerecht und fair führen zu können. [X.]rst recht gilt dies nach Abschluss des [X.], damit der neue Netzbetreiber zur Fortführung der kalenderjährlichen [X.]rlösobergrenzen nach § 26 Abs. 1 [X.] oder zur Beantragung der Neufestlegung der kalenderjährlichen [X.]rlösobergrenzen nach § 26 Abs. 2 [X.] in der Lage ist.

Aufgrund dessen ist dem bisherigen Netzbetreiber eine Offenlegung der kalkulatorischen Netzdaten bereits im Bieterverfahren zumutbar. Zwar erfolgt dann die Information gegenüber allen [X.] und nicht nur gegenüber dem obsiegenden Wettbewerber. An einer entsprechenden Information besteht aber - wie oben dargelegt - ein öffentliches Interesse, das das Geheimhaltungsinteresse des bisherigen Nutzungsberechtigten überwiegt. Denn nur durch eine Information aller Bieter zum Sachzeit- und [X.]rtragswert des ausgeschriebenen Netzes kann ein Wettbewerb um dieses Netz entstehen und wird der insoweit gebotenen Verfahrenstransparenz und Gleichbehandlung aller Bieter Genüge getan.

Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte keine konkreten Umstände dargelegt, wonach vorliegend der verfassungsrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen das öffentliche Interesse an einer Offenlegung der streitgegenständlichen Netzdaten überwiegen würde. Vielmehr hat sie sich nur pauschal auf die Wahrung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen, was den Anforderungen an einen substantiierten Sachvortrag dazu, bei Offenlegung welcher konkreten Geheimnisse sie welche Nachteile zu befürchten hätte (vgl. [X.], Urteil vom 19. November 2008 - [X.], [X.]Z 178, 362 Rn. 46; Senatsurteil vom 20. Juli 2010 - [X.]nZR 23/09, Rd[X.] 2010, 385 Rn. 35 - Stromnetznutzungsentgelt IV), nicht genügt.

cc) Danach ist allerdings nur eine Information der Bieter und nicht etwa der gesamten Öffentlichkeit erforderlich. [X.]ine Veröffentlichung der kalkulatorischen Netzdaten auf der Homepage der [X.] ist daher von § 46 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht gedeckt, weil dies mangels [X.]rforderlichkeit nicht die "geeignete Form" im Sinne dieser Vorschrift darstellt. Soweit die Gesetzesmaterialien eine Veröffentlichung auf der Homepage für zulässig erachten (vgl. BT-Drucks. 17/6072, [X.]), kommt dem keine Bedeutung zu. Denn zum einen hat eine solch weitreichende Veröffentlichungsbefugnis im Gesetzeswortlaut keinen Nie[X.]chlag gefunden. Zum anderen sind die Materialien insoweit wi[X.]prüchlich, weil durch die Änderung des § 46 Abs. 3 Satz 1 lediglich klargestellt werden sollte, dass die [X.] die vom bisherigen Netzbetreiber zur Verfügung gestellten Daten im Rahmen der Ausschreibung allen potentiellen Bewerbern zur Verfügung stellen muss (vgl. BT-Drucks. 17/6072, aaO); dies bedingt aber nur eine Information der Bewerber und gerade nicht der gesamten Öffentlichkeit.

[X.]                     Strohn                         Grüneberg

                 Bacher                     Deichfuß

Meta

EnZR 11/14

14.04.2015

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Celle, 9. Januar 2014, Az: 13 U 52/13, Urteil

§ 46 Abs 2 S 4 EnWG vom 26.07.2011, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.04.2015, Az. EnZR 11/14 (REWIS RS 2015, 12810)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12810

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