Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2002, Az. XI ZR 311/01

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 411

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.] ZR 311/01Verkündet am:3. Dezember 2002Weber,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 3. Dezember 2002 durch [X.],[X.] [X.], [X.], [X.] und die [X.] Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel der Beklagten zu 1) werden [X.] des 9. Zivilsenats des [X.] vom 1. August 2001 im Kostenpunkt und insoweitaufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 1) er-kannt worden ist, und das Urteil der Einzelrichterin [X.] des [X.] vom9. Februar 2001 teilweise abgeändert.Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage wirdabgewiesen.Die Kosten erster und zweiter Instanz werden wie folgtverteilt:Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichenKosten der Klägerin tragen sie selbst 13/14 und [X.] zu 2) 1/14. Die außergerichtlichen Kosten [X.]n zu 1) und der Beklagten zu 3) hat die Kläge-rin zu erstatten. Die außergerichtlichen Kosten [X.] zu 2) trägt er [X.] 3 -Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.Von Rechts [X.]:Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. [X.] folgender Sachverhalt zugrunde:Die klagende Sparkasse stand seit 1991 mit dem Ehemann [X.]n zu 1) (nachfolgend: Beklagte), einem Transportunternehmer,in ständiger Geschäftsbeziehung. In deren Verlauf gewährte die Klägerinihm mehrere, zum Teil staatlich geförderte [X.] undam 25. November 1996 zwei variabel verzinsliche Darlehen über660.805,51 DM und 582.000 DM zu Zinssätzen von damals 7,10% und6,55%, die unter anderem durch eine erstrangige Grundschuld [X.] Millionen DM an dem Betriebsgrundstück des Kreditnehmers gesichertwurden.Mit schriftlicher Erklärung vom 25. November 1996 übernahm [X.] eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von500.000 DM für die Verbindlichkeiten ihres Ehemannes gegenüber derKlägerin einschließlich der vorgenannten Darlehen.Nach Kündigung der Geschäftsbeziehung und Verwertung [X.] der Sicherheiten geht die Klägerin gegen die Beklagte aus dem- 4 -Bürgschaftsvertrag vom 25. November 1996 vor. Die Beklagte, die [X.] wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig er-achtet, hält dem vor allem entgegen: Bei Abgabe der [X.] habe der pfändbare Teil ihres [X.] von etwa2.000 DM als Angestellte im Betrieb ihres Ehemannes nur 553,70 [X.]. Vermögen habe sie nicht besessen. Das neu errichtete [X.] gehöre allein ihrem Ehemann.Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung einesTeilbetrages in Höhe von 300.000 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. DieBerufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision [X.] ihren Klageabweisungsantrag weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Klageab-weisung.[X.] Berufungsgericht hat die Bürgschaftsübernahme der Beklag-ten für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausge-führt:Der Bürgschaftsvertrag der Parteien verstoße nicht gegen die [X.]. Eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten lasse- 5 -sich nicht feststellen. Neben dem nicht substantiiert bestrittenen pfänd-baren Einkommensanteil von 553,70 DM monatlich verfüge sie über [X.] an dem auf fremdem Grund und Boden errich-teten Zweifamilienhaus. Ausweislich der vorgelegten Fotos erscheine dervon der Klägerin angegebene reine Gebäudewert in Höhe von rund400.000 DM nicht unangemessen.Die Beklagte habe außerdem nicht bewiesen, daß die Klägerin daspersönliche Näheverhältnis zu ihrem Ehemann in sittlich anstößiger [X.] ausgenutzt habe. Vielmehr habe sie ihrerseits dargelegt, daß dessenTransportunternehmen die Existenzgrundlage der ganzen Familie gewe-sen sei und die Beklagte die [X.] nahezu selbständiggeführt sowie überhaupt die kaufmännische Verantwortung getragen [X.].[X.] Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im [X.] Punkt nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts überforderte die Höchstbetragsbürgschaft über 500.000 DM [X.] von Anfang an finanziell in krasser Weise, ohne daß es dieKlägerin entlastende Momente gibt.1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung desIX. und des [X.]. Zivilsenats des [X.] hängt die [X.] § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungs-gebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig- 6 -entscheidend vom Grad des [X.] zwischen dem [X.] und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Haupt-schuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab([X.], 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Se-natsurteile vom 13. November 2001 - [X.] ZR 82/01, [X.], 125; vom4. Dezember 2001 - [X.] ZR 56/01, [X.], 223, 224; vom 14. Mai 2002- [X.] ZR 50/01, [X.], 1347, 1348, für [X.] vorgesehen; vom14. Mai 2002 - [X.] ZR 81/01, [X.], 1350, 1351 und vom 28. Mai 2002- [X.] ZR 199/01, [X.], 1647, 1648 sowie [X.] ZR 205/01, [X.],1649, 1651). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene voraus-sichtlich nicht einmal die von den [X.] aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder [X.] Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäßig nichtaus, um das [X.] der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einemsolchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allge-meinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleg-lich zu vermuten, daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung alleinaus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommenund der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat(st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteile vom 14. Mai 2002 - [X.] ZR 50/01 aaOS. 1348 und vom 28. Mai 2002 - [X.] ZR 205/01 aaO, jeweils m.w.[X.] Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, war die [X.] bei Vertragsschluß voraussichtlich nicht einmal in der Lage, [X.] den Kreditverträgen, welche Anlaß der [X.] waren, bestehende Zinslast aus eigenem pfändba-ren Einkommen und/oder Vermögen dauerhaft allein zu [X.] 7 -a) Nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Beklagtenbetrug der pfändbare Teil ihres monatlichen Einkommens aus der Mitar-beit im Transportunternehmen ihres Ehemannes lediglich 553,70 DM.Daß aus der maßgebenden Sicht eines seriösen und vernünftigen Kre-ditgebers in absehbarer Zeit mit einer wesentlichen und nachhaltigenVerbesserung der Einkommensverhältnisse zu rechnen war, ist nichtvorgetragen. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen [X.]n belief sich der pfändbare Teil ihres [X.] beiEintritt des Sicherungsfalles im Jahre 2000 auf 763,70 [X.]) An pfändbarem Vermögen besaß die Beklagte nach den nichtangegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts hälftiges Sondermit-eigentum an einem Zweifamilienhaus. Ausgehend von dem Gebäude-wert, den die Klägerin mit 400.000 DM angegeben hat, entfielen auf [X.] 200.000 [X.]) Dieses pfändbare Vermögen ist bei der Beurteilung der wirt-schaftlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten in der Weise zu berück-sichtigen, daß der Wert von 200.000 DM von der [X.] abgezogen wird. Nur wenn der pfändbare Teil des [X.] der Beklagten die auf den so ermittelten Schuldbetrag entfallendenlaufenden Zinsen voraussichtlich nicht abdeckt, liegt eine krasse [X.] Überforderung vor (Senatsurteil vom 28. Mai 2002 - [X.] ZR 199/01,aaO S. 1648).Das ist hier offensichtlich der Fall. Ausgehend von dem bei Über-nahme der Bürgschaft geltenden günstigsten Zinssatz von 6,55% belau-fen sich die Zinsen bei einer Schuld von 300.000 DM auf 19.650 [X.] 8 -jährlich oder 1.637,50 DM monatlich. Sie übersteigen damit den pfändba-ren Teil des Einkommens der Beklagten von höchstens 763,70 DM mo-natlich bei weitem. Das würde sogar auch dann noch gelten, wenn manangesichts der variabel verzinslichen Darlehen von sehr günstigendurchschnittlichen Zinsen von lediglich 5%, d.h. hier 15.000 [X.] Die danach bestehende tatsächliche Vermutung eines sittlichanstößigen fremdbestimmten Handelns der Beklagten ist nicht widerlegtoder entkräftet. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt [X.] und Beweislast insoweit bei der Klägerin (vgl. [X.] 28. Mai 2002 - [X.] ZR 205/01, aaO S. 1652).a) Daß die Beklagte nach den Angaben der Klägerin mehrere [X.] für ihren Ehemann allein geführt und auch sonst die kauf-männische Verantwortung für das von ihm betriebene [X.] getragen haben soll, fällt als Beweisanzeichen schon deshalbnicht ins Gewicht, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch er-fahrene und geschäftsgewandte Personen aus emotionaler Verbunden-heit zu ihren Ehegatten Verbindlichkeiten eingehen, die sie [X.] überfordern (Senatsurteil vom 14. Mai 2002 - [X.] ZR 81/01,[X.], 1350, 1351 m.w.[X.]) Ebenso ist der Einwand der Klägerin, der Gewerbebetrieb seidie Existenzgrundlage der ganzen Familie gewesen, keine geeignete In-diztatsache. Denn abgesehen davon, daß nicht einmal sicher ist, ob [X.] von einem unternehmerischen Erfolg ihres Ehemannes in ei-nem nennenswerten Umfang profitiert hätte, wiegt die Verbesserung des- 9 -allgemeinen Lebensstandards das [X.] bei weitem nicht auf.Bloße mittelbare Vorteile sind daher grundsätzlich - und erst recht beiweitgehend fremdfinanzierten Existenzgründungen - kein Gesichtspunkt,den finanziell kraß überforderten Ehepartner unter bewußter Ausnutzungdes persönlichen Näheverhältnisses in das unternehmerische Risiko desanderen einzubinden. Zudem würde der gegenteilige Standpunkt zu [X.] sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner selb-ständiger Unternehmer führen (Senat [X.] 146, 37, [X.] angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus [X.] als richtig dar (§ 563 ZPO a.[X.]). Durch die anderweitigen Si-cherheiten der Klägerin war das Haftungsrisiko der Beklagten nicht ineiner die Sittenwidrigkeit ausschließenden Weise begrenzt.Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind an-derweitige Sicherheiten des Kreditnehmers - vor allem dingliche [X.] - grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen, wenn sie das [X.] des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein ver-tretbares Maß beschränken (vgl. [X.] 136, 347, 352 f.; Senat[X.] 146, 37, 44 m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 28. Mai 2002 - [X.] ZR205/01, aaO S. 1651). Diese engen Voraussetzungen erfüllt die von [X.] der Beklagten auf dem Betriebsgrundstück bestellte erstrangi-ge Sicherungsgrundschuld nicht, weil die Klägerin gemäß Nr. 3 [X.] vom 26. November 1996 nicht verpflichtet ist, [X.] an andere Sicherheiten zu halten, bevor sie die Beklagte in [X.] 10 -spruch nimmt, und die Beklagte aus der Aufgabe anderweitiger [X.] keine Rechte herleiten kann. Daß ein solcher Ausschluß des§ 776 BGB gegen § 9 [X.] verstößt ([X.] 144, 52, 56 ff.), [X.]. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Bürgschaft kann esder Klägerin nicht zugute kommen, wenn die formularmäßige Bürgschaftunangemessene und deshalb unwirksame Klauseln enthält.IV.Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPOa.[X.]). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senatin der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.[X.]) und [X.] abweisen.[X.] [X.] Joeres Wassermann [X.]

Meta

XI ZR 311/01

03.12.2002

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2002, Az. XI ZR 311/01 (REWIS RS 2002, 411)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 411

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