Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.05.2013, Az. 1 StR 476/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5842

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Gegenstand

Unerlaubte Betäubungsmittelausfuhr: Strafzumessung bei der Ausfuhr von "ausgenommenen Zubereitungen"; Voraussetzungen der Bereicherungsabsicht; unterschiedliche Strafzumessung bei einer Tatserie; Beschränkung der Revision auf die Verfallsentscheidung


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 12. Oktober 2011, soweit es den Angeklagten S.  betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

A.

1

Das [X.] hat den Angeklagten der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln in 20.230 Fällen schuldig gesprochen. Es hat ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, und einer gesonderten Gesamtgeldstrafe von 700 Tages-sätzen zu je 100 Euro verurteilt und den Verfall von Wertersatz in einer Höhe von 1.179.508,96 Euro angeordnet. Von der Anordnung erweiterten [X.] in Höhe eines weiteren Geldbetrages von 1.179.508,96 Euro hat es abgesehen.

I.

2

Der - nicht angefochtene - Schuldspruch beruht auf folgenden Feststellungen:

3

Der gesondert Verfolgte [X.]betrieb seit 2002 unter der Firma „G.    “ einen Großhandel für Medikamente. Nach dem Wegfall des absoluten Versandverbots für [X.] beschloss er, unter Mitwirkung von ihm beschäftigter Mitarbeiter sowie eingeweihter Ärzte und Apotheker - darunter der Angeklagte - einen [X.] aufzubauen, um im Ausland häufig nachgefragte sogenannte „ausgenommene Zubereitungen“ (Rivotril, [X.], [X.], Valium, [X.], [X.], [X.], Tafil und Tavor Expedit) gewinnbringend zu verkaufen.

4

Die zumeist in [X.] wohnhaften Kunden gaben hierfür auf weltweit abrufbaren [X.]plattformen, die durch zwei von [X.]in [X.] und [X.] betriebene Unternehmen verantwortet wurden, Bestellungen auf. Diese wurden durch die eingebundenen Ärzte über einen speziellen Zugangscode entgegengenommen und rezeptiert. Der Angeklagte rief diese Rezepte ab und orderte - vielfach bei „G.    “ - die entsprechenden Medikamente, um sie sodann unter Benutzung seiner Privatadresse - entsprechend den abgegebenen Bestellungen - zu weit überhöhten Preisen an die Kunden zu versenden. Er wusste, dass zur Ausfuhr der hier als Betäubungsmittel anzusehenden Medikamente eine Ausfuhrgenehmigung nach § 11 BtMG erforderlich gewesen wäre. Ihm war auch bekannt, dass sich die Kunden zu keinem Zeitpunkt den Ärzten vorgestellt, sondern lediglich ihre Kreditkartendaten und einige gesundheitsbezogene und im Übrigen nicht nachprüfbare Informationen im [X.] angegeben hatten.

5

Im Tatzeitraum zwischen dem 7. Oktober 2004 und dem 15. März 2006 versandte der Angeklagte in insgesamt 40.460 Fällen Produkte, davon in 20.230 Fällen ausgenommene Zubereitungen, im Übrigen „Lifestyle-Produkte“, die keine Betäubungsmittel darstellten, ins Ausland. Bei keiner Versendung wurde der Grenzwert der nicht geringen Menge der jeweiligen Stoffe erreicht oder überschritten. Der Angeklagte erhielt für seine Beteiligung eine Gewinnmarge von 10 Euro je Bestellung.

II.

6

1. Wegen sämtlicher Taten ist das [X.] von jeweils gewerbsmäßiger unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln ausgegangen, hat jedoch unter Anwendung von § 31 Nr. 1 BtMG das Vorliegen eines besonders schweren Falles gemäß § 29 Abs. 3 BtMG abgelehnt und die Strafen dem Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG entnommen. Von den 20.230 Versendungen ausgenommener Zubereitungen entfielen auf den Zeitraum vom 7. Oktober bis zum 22. Dezember 2004 insgesamt 2.750 Versendungen und auf den anschließenden Zeitraum vom 23. Dezember 2004 bis zum 15. März 2006 weitere 17.480 Versendungen. Für die Taten im zuerst genannten Zeitraum hat das [X.] jeweils Geldstrafen von 90 Tagessätzen, für die im späteren Zeitraum begangenen Taten im Hinblick auf eine durch den Wechsel des [X.] erfolgte „Verfeinerung des Systems“ jeweils Freiheitsstrafen von neun Monaten verhängt und hieraus die vorgenannten Gesamtstrafen gebildet.

7

2. Die Anordnung von Wertersatzverfall erfasst die Hälfte des aus allen 40.460 Versendungen entnommenen, dem Angeklagten zugeflossenen Gesamterlöses, mithin 1.179.508,96 Euro. Die [X.] erweiterten [X.] hinsichtlich des den „Lifestyle-Produkten“ zugeordneten Restbetrages von ebenfalls 1.179.508,96 Euro hat das [X.] damit begründet, dass dessen Herkunft aus Straftaten nicht feststehe.

III.

8

Mit ihrer auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision zu Ungunsten des Angeklagten beanstandet die Staatsanwaltschaft Rechtsfehler bei der Strafzumessung sowie bei der [X.] des erweiterten [X.].

9

Der [X.] ist der Auffassung, die Revision sei insoweit nicht auf die [X.] des erweiterten [X.] beschränkt. Vielmehr sei auch die [X.]anordnung angefochten, die er für rechtsfehlerhaft hält.

B.

Die Revision hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; sie wirkt sich insoweit sowohl zu Ungunsten des Angeklagten als auch zu seinen Gunsten (§ 301 StPO) aus. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

I.

Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

1. Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das [X.] rechtsfehlerhaft zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass es sich bei den ausgeführten ausgenommenen Zubereitungen um „Medikamente“ gehandelt habe, „die im therapeutischen Bereich ihren Einsatz finden“ ([X.] 78).

Das [X.] hat dabei jedoch erkennbar nicht bedacht, dass nach den insoweit eindeutigen Feststellungen des Urteils im konkreten Fall gerade kein „therapeutischer“ Einsatz vorlag, denn die Versendungen beruhten, wie auch der Angeklagte wusste, auf Scheinrezepten, die von pflichtwidrig handelnden, in das Geschehen eingebundenen Ärzten für ihnen unbekannte Personen unkontrolliert ausgestellt worden waren.

2. Das [X.] hat bei der Festsetzung der Einzelstrafen weiterhin nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte von vorneherein mit dem Ziel gehandelt hat, sich durch eine Vielzahl von Ausfuhren ausgenommener Zubereitungen in großem Umfang zu bereichern. Es gilt insoweit im [X.] nichts anderes als bei serienmäßig begangenen Delikten, in denen die Bereicherung durch gegen das Vermögen der Opfer begangene Taten erfolgt (vgl. dazu [X.], Urteile vom 17. März 2009 - 1 [X.], [X.], 1979, und vom 8. April 2004 - 3 [X.], [X.], 554).

3. Die aufgezeigten Mängel betreffen im Ansatz sämtliche Einzelstrafen. Unabhängig davon hat das [X.] aber bei der Strafzumessung für die seit dem 23. Dezember 2004 begangenen Taten eine rechtlich nicht tragfähig begründete Erwägung zum Nachteil des Angeklagten angestellt: Während es für die zuvor begangenen Taten eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen ausgesprochen hat, hat es für die nachfolgenden Taten jeweils neun Monate Freiheitsstrafe verhängt. Gestützt ist diese erhebliche Steigerung der Strafen darauf, dass der Angeklagte zum 23. Dezember 2004 seinen Versand von dem Logistikunternehmen [X.]    auf die Versendung mit der [X.] umgestellt hatte, weil diese ihm sogenannte [X.] zur Verfügung stellen konnte, wodurch Kundenrückfragen (nach dem Verbleib der Ware) besser bearbeitet werden konnten und auch die Kosten des Angeklagten reduziert wurden. Daraus hat das [X.] eine erhöhte kriminelle Energie des Angeklagten abgeleitet.

Dies lässt besorgen, dass das [X.] sich bei der Festsetzung der Einzelstrafen von rechtsfehlerhaften, für die Bemessung der Schuld des Angeklagten nicht relevanten Überlegungen hat leiten lassen. Die unerlaubte Ausfuhr von Medikamenten im Versandweg macht es unbedingt erforderlich, dass der Täter sich eines [X.] bedient. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Strafkammer zu den [X.] und ihren sonstigen Ausführungen - zumal in der aus den unterschiedlichen Strafen ersichtlichen Dimension - ist nicht nachvollziehbar, dass er mehr Handlungsunwert oder eine höhere Strafzumessungsschuld auf sich geladen haben soll.

4. Der Senat kann nicht ausschließen, dass ohne diese Rechtsfehler in allen Fällen jeweils andere Einzelstrafen verhängt worden wären.

5. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der gebildeten Gesamtstrafen nach sich.

6. Auf den Umstand, dass das [X.] in den Urteilsgründen eine Begründung der gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren gänzlich vermissen lässt (zur entsprechenden Darlegungspflicht vgl. [X.], Urteil vom 30. November 1971 - 1 StR 485/71, [X.]St 24, 268), kommt es mithin nicht mehr an.

II.

1. Die Revision ist nach Auffassung des Senats wirksam auf die [X.] des erweiterten [X.] beschränkt.

Der Senat hält die Beschränkung der Revision auf die [X.] erweiterten [X.] für wirksam:

Die Anordnung wird vom Revisionsangriff der Staatsanwaltschaft nicht umfasst. Dies ergibt sich, nachdem eine ausdrückliche Beschränkung der Revision nicht erfolgt ist, aus der Revisionsbegründung (vgl. schon [X.], Urteil vom 16. Februar 1956 - 3 StR 473/55, NJW 1956, 756), die der Senat analog § 300 StPO auszulegen hat (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 1997 - 1 [X.], NJW 1997, 3322 f.; s. a. Nr. 156 Abs. 2, [X.]. [X.]), und die sich konkret - neben Angriffen gegen die Strafzumessung des [X.]s - allein gegen die [X.] des erweiterten Verfalls richtet.

Diese Beschränkung ist wirksam, weil zwischen der Anordnung des [X.] und der [X.] des erweiterten [X.] kein untrennbarer Zusammenhang besteht. Das [X.] hat insgesamt 40.460 Versendungen festgestellt, wobei eine „Versendung“ jeweils einem durch die Versanddaten der vom Angeklagten überwiegend genutzten Postweltluftbriefe umgrenzbaren Versendungsvorgang entspricht ([X.] 56 f.). Sodann hat es festgestellt, dass dem Angeklagten sowohl durch die aus dieser Gesamtmenge entnommenen 20.230 verfahrensgegenständlichen Taten als auch durch die verbleibenden, nicht abgeurteilten 20.230 Versendungen Erlösbeträge von jeweils 1.579.508, 96 Euro zugeflossen sind.

Der vom [X.] vertretenen Auffassung, es liege nahe, dass einzelne Versendungen sowohl ausgenommene Zubereitungen als auch sog. „Lifestyle-Produkte“ enthielten, weshalb die nach § 73a StGB bzw. § 73d StGB abschöpfbaren Erlösbeträge jedenfalls teilweise aus denselben Taten stammten, die Anordnung des [X.] von der [X.] des erweiterten Verfalls mithin nicht trennbar sei, steht die Feststellung des [X.]s entgegen, die weiteren, also nicht abgeurteilten Versendungen hätten sog. „Lifestyle-Produkte“, also gerade keine ausgenommenen Zubereitungen, zum Gegenstand gehabt (vgl. [X.] 89).

2. Die revisionsgerichtliche Überprüfung der [X.] des erweiterten Verfalls (§ 73d StGB) deckt entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft, welche die vom [X.] vorgenommene Schätzung der erlangten Vermögenswerte angreift, keinen Rechtsfehler auf.

Wahl                             Graf                            Jäger

                Cirener                         [X.]

Meta

1 StR 476/12

15.05.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München I, 12. Oktober 2011, Az: 9 KLs 361 Js 114743/11

§ 1 Abs 1 Anl 3 BtMG, § 2 Abs 2 BtMG, § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 46 Abs 1 StGB, § 73a StGB, § 73d StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.05.2013, Az. 1 StR 476/12 (REWIS RS 2013, 5842)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5842

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 651/17

1 StR 651/17

1 OLG 2 Ss 5/18

4 StR 468/13

3 StR 162/13

1 StR 476/12

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