Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2013, Az. 1 StR 476/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5843

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
1
StR
476/12

vom
15. Mai
2013
in der Strafsache
gegen

wegen unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 15. Mai 2013, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Wahl

als Vorsitzender

und die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
Prof. Dr. Jäger,
die [X.]in am [X.]
Cirener,
der [X.] am [X.]
Prof. [X.],

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

,
Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

-
in der Verhandlung -,
Justizangestellte

-
bei der Verkündung -

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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-
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 12. Oktober 2011, so-weit es den Angeklagten S.

betrifft, im Straf-ausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
A.
Das [X.] hat den Angeklagten der unerlaubten Ausfuhr von [X.] in 20.230 Fällen schuldig gesprochen. Es hat ihn zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung aus-gesetzt worden ist, und einer gesonderten Gesamtgeldstrafe von 700 Tages-sätzen zu je 100 Euro verurteilt und den Verfall von Wertersatz in einer Höhe von 1.179.508,96 Euro angeordnet. Von der Anordnung erweiterten [X.]
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satzverfalls in Höhe eines weiteren Geldbetrages von 1.179.508,96 Euro hat es abgesehen.

I.

Der -
nicht angefochtene -
Schuldspruch beruht auf folgenden Feststel-lungen:

Der gesondert Verfolgte M.

.

Versandverbots für [X.] beschloss er, unter Mitwirkung von ihm beschäftigter Mitarbeiter sowie eingeweihter Ärzte und Apotheker -
darun-ter der Angeklagte -
einen [X.] aufzubauen, um im Ausland
[X.], [X.], Valium, [X.], [X.], [X.], Tafil und Tavor Ex-pedit) gewinnbringend zu verkaufen.

Die zumeist in [X.] wohnhaften Kunden gaben hierfür auf weltweit abrufbaren [X.]plattformen, die durch zwei von M.

in [X.] und [X.] betriebene Unternehmen verantwortet wurden, Bestellungen auf. Diese wurden durch die eingebundenen Ärzte über einen speziellen [X.] entgegengenommen und rezeptiert. Der Angeklagte rief diese Rezepte ab
und orderte -

-
die entsprechenden Medikamente, um sie sodann unter Benutzung seiner Privatadresse -
entsprechend den abgege-benen Bestellungen -
zu weit überhöhten Preisen an die Kunden zu versenden. Er wusste, dass zur Ausfuhr der hier als Betäubungsmittel anzusehenden [X.] eine Ausfuhrgenehmigung nach § 11 BtMG erforderlich gewesen wäre. Ihm war auch bekannt, dass sich die Kunden zu keinem Zeitpunkt den 2
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Ärzten vorgestellt, sondern lediglich ihre Kreditkartendaten und einige gesund-heitsbezogene und im Übrigen nicht nachprüfbare Informationen im [X.] angegeben hatten.

Im Tatzeitraum zwischen dem 7. Oktober 2004 und dem 15. März 2006 versandte der Angeklagte in insgesamt 40.460 Fällen Produkte, davon in 20.-die keine Betäubungsmittel darstellten, ins Ausland. Bei keiner Versendung wurde der Grenzwert der nicht geringen Menge der jeweiligen Stoffe erreicht oder überschritten. Der Angeklagte erhielt für seine Beteiligung eine [X.] von 10 Euro je Bestellung.

[X.]

1. Wegen sämtlicher Taten ist das [X.] von jeweils gewerbsmä-ßiger unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln ausgegangen, hat jedoch unter Anwendung von § 31 Nr. 1 BtMG das Vorliegen eines besonders schwe-ren Falles gemäß § 29 Abs. 3 BtMG abgelehnt und die Strafen dem Strafrah-men des § 29 Abs. 1 BtMG entnommen. Von den 20.230 Versendungen [X.] Zubereitungen entfielen auf den Zeitraum vom 7. Oktober bis zum 22. Dezember 2004 insgesamt 2.750 Versendungen und auf den an-schließenden Zeitraum vom 23. Dezember 2004 bis zum 15. März 2006 weitere 17.480 Versendungen. Für die Taten im zuerst genannten Zeitraum hat das [X.] jeweils Geldstrafen von 90 Tagessätzen,
für die im späteren Zeit-raum begangenen Taten im Hinblick auf eine durch den Wechsel des Versand-neun
Monaten verhängt und hieraus die vorgenannten Gesamtstrafen gebildet.

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2.
Die Anordnung von Wertersatzverfall erfasst die Hälfte des aus allen 40.460 Versendungen entnommenen, dem Angeklagten zugeflossenen Ge-samterlöses, mithin 1.179.508,96 Euro. Die [X.] erweiterten Wer--e-trages von ebenfalls 1.179.508,96 Euro hat das [X.] damit begründet, dass dessen Herkunft aus Straftaten nicht feststehe.

I[X.]

Mit ihrer auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision zu [X.] des Angeklagten beanstandet die Staatsanwaltschaft Rechtsfehler bei der Strafzumessung sowie bei der [X.] des erweiterten [X.].

Der [X.] ist der Auffassung, die Revision sei insoweit nicht auf die [X.] des erweiterten [X.] beschränkt. Vielmehr sei auch die [X.]anordnung angefochten, die er für rechtsfehlerhaft hält.

B.

Die Revision hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; sie wirkt sich insoweit sowohl zu Ungunsten des Angeklagten als auch zu seinen Gunsten (§ 301 StPO) aus. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

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I.

Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

1. Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das [X.] rechtsfeh-lerhaft zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass es sich bei den ausge-

Das [X.] hat dabei jedoch erkennbar nicht bedacht, dass nach den insoweit eindeutigen Feststellungen des Urteils im konkreten Fall gerade auch der Angeklagte wusste, auf Scheinrezepten, die von [X.], in das Geschehen eingebundenen
Ärzten für ihnen unbekannte Per-sonen unkontrolliert ausgestellt worden waren.

2. Das [X.] hat bei der Festsetzung der Einzelstrafen weiterhin
nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte von vorneherein mit dem Ziel gehan-delt hat, sich durch eine
Vielzahl von Ausfuhren ausgenommener Zubereitun-gen in großem Umfang zu bereichern. Es gilt insoweit im [X.] nichts anderes als bei serienmäßig begangenen Delikten, in denen die Bereicherung durch gegen das Vermögen der Opfer begangene Taten erfolgt (vgl. dazu [X.], [X.] vom 17. März 2009 -
1 [X.], [X.], 1979, und vom 8. April 2004
-
3 StR 465/03,
NStZ 2004, 554).

3. Die aufgezeigten Mängel betreffen im Ansatz sämtliche Einzelstrafen. Unabhängig davon hat das [X.] aber bei der Strafzumessung für die seit dem 23. Dezember 2004 begangenen Taten eine rechtlich nicht tragfähig 11
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begründete Erwägung zum Nachteil des Angeklagten angestellt: Während es für die zuvor begangenen Taten eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen ausge-sprochen hat, hat es
für die nachfolgenden Taten jeweils neun
Monate Frei-heitsstrafe verhängt. Gestützt ist diese erhebliche Steigerung der Strafen da-rauf, dass der Angeklagte zum 23. Dezember 2004 seinen Versand von dem Logistikunternehmen F.

auf die Versendung mit der [X.] um-gestellt hatte, weil diese ihm sogenannte Trackingnummern zur Verfügung stel-len konnte, wodurch Kundenrückfragen (nach dem Verbleib der Ware) besser bearbeitet werden konnten und auch die Kosten des Angeklagten reduziert wurden. Daraus hat das [X.] eine erhöhte kriminelle Energie des Ange-klagten abgeleitet.

Dies lässt besorgen, dass das [X.] sich bei der Festsetzung der Einzelstrafen von rechtsfehlerhaften, für die Bemessung der Schuld des Ange-klagten nicht relevanten Überlegungen hat leiten lassen. Die unerlaubte Aus-fuhr von Medikamenten im Versandweg macht es unbedingt erforderlich, dass der Täter sich eines Versandunternehmens bedient. Auch unter Berücksichti-gung der Ausführungen der Strafkammer zu den Trackingnummern
und ihren sonstigen Ausführungen -
zumal in der aus den unterschiedlichen Strafen er-sichtlichen Dimension -
ist nicht nachvollziehbar, dass er mehr [X.] oder eine höhere Strafzumessungsschuld auf sich geladen haben soll.

4. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass ohne diese Rechtsfehler in allen Fällen jeweils andere Einzelstrafen verhängt worden wären.

5. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der gebildeten Gesamtstrafen nach sich.

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6. Auf den Umstand, dass das [X.] in den Urteilsgründen eine Begründung der gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren gänzlich vermissen lässt (zur entsprechenden Darlegungspflicht vgl. [X.], Urteil vom 30.
November 1971
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1 StR 485/71,
[X.]St 24, 268), kommt es mithin nicht mehr
an.

[X.]

1. Die Revision ist nach Auffassung des [X.]s wirksam auf die Nicht-anordnung des erweiterten [X.] beschränkt.

Der [X.] hält die Beschränkung der Revision auf die [X.] erweiterten [X.] für wirksam:

Die Anordnung wird vom Revisionsangriff der Staatsanwaltschaft nicht umfasst. Dies ergibt sich, nachdem eine ausdrückliche Beschränkung der Revi-sion nicht erfolgt ist, aus der Revisionsbegründung (vgl. schon [X.], Urteil
vom 16. Februar 1956 -
3 StR 473/55,

NJW 1956, 756), die der [X.] analog § 300 StPO auszulegen hat (vgl. [X.], Urteil
vom 17. Juli 1997 -
1 [X.], NJW 1997, 3322 f.; s. a. Nr. 156 Abs. 2, [X.]. [X.]), und die sich konkret -
neben Angriffen gegen die Strafzumessung des [X.]s -
allein gegen die Nicht-anordnung des erweiterten Verfalls richtet.

Diese Beschränkung ist wirksam, weil zwischen der Anordnung des Wer-tersatzverfalls und der [X.] des erweiterten [X.] kein untrennbarer Zusammenhang besteht. Das [X.] hat insgesamt 40.460 19
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Versanddaten der vom Angeklagten überwiegend genutzten Postweltluftbriefe umgrenzbaren Versendungsvorgang entspricht ([X.] f.). Sodann hat es
festgestellt, dass dem Angeklagten sowohl durch die aus dieser Gesamtmenge entnommenen 20.230 verfahrensgegenständlichen Taten als auch durch die verbleibenden, nicht abgeurteilten 20.230 Versendungen Erlösbeträge von [X.] 1.579.508, 96 Euro zugeflossen sind.
Der vom [X.] vertretenen Auffassung, es liege nahe, dass einzelne Versendungen sowohl ausgenommene Zubereitungen als auch Lifestyle-Produkte

enthielten, weshalb die nach § 73a StGB bzw. § 73d StGB abschöpfbaren Erlösbeträge jedenfalls teilweise aus denselben Taten stammten, die Anordnung des [X.] von der [X.] des erweiterten Verfalls mithin nicht trennbar sei, steht die Feststellung des Landge-richts entgegen, die weiteren, also nicht abgeurteilten Versendungen hätten Lifestyle-Produkte, also gerade keine ausgenommenen Zubereitungen, zum Gegenstand gehabt (vgl. [X.]).
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2. Die revisionsgerichtliche Überprüfung der [X.] des erwei-terten Verfalls (§ 73d StGB) deckt entgegen der Auffassung der Staatsanwalt-schaft, welche die vom [X.] vorgenommene Schätzung der erlangten Vermögenswerte angreift, keinen Rechtsfehler auf.
Wahl [X.] Jäger

Cirener Radtke
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Meta

1 StR 476/12

15.05.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2013, Az. 1 StR 476/12 (REWIS RS 2013, 5843)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5843

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