Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2023, Az. VII ZB 23/22

7. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 3410

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Gegenstand

Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach vereinfachtem Vollstreckungsantragsverfahren


Leitsatz

Die Möglichkeit des vereinfachten Vollstreckungsantrags bei Vollstreckungsbescheiden gemäß § 829a ZPO ist für eine Gläubigerin, deren Parteibezeichnung sich nach Erlass des Vollstreckungsbescheids geändert hat, nicht eröffnet, weil sie dem zuständigen Vollstreckungsorgan die Parteiidentität mit der Titelgläubigerin zweifelsfrei nachweisen muss. Die die Parteiidentität belegenden Urkunden müssen dem Vollstreckungsantrag beigefügt werden und schließen als vorlegungspflichtige andere Urkunden im Sinne des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens gemäß § 829a ZPO aus.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] (7 [X.]) vom 29. August 2022 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des [X.] vom 17. August 2021 (24 M 863/21) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Rubrum dieses Beschlusses dahingehend berichtigt wird, dass Frau [X.]    als Schuldnerin und die [X.] als Gläubigerin zu bezeichnen sind.

Die Gläubigerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem [X.] des Amtsgerichts M.     vom 28. Juli 2014 über eine Hauptforderung in Höhe von 34,60 € nebst Zinsen und Kosten. Der [X.], der als Antragstellerin die [X.] ausweist, wurde der Schuldnerin am 30. Juli 2014 zugestellt.

2

Dem [X.] ist als Anhang folgender Vermerk beigefügt:

3

"Klarstellender Vermerk

Die Bezeichnung der Antragstellerin lautet aufgrund identitätswahrender Umwandlung nunmehr:

[X.]  OHG

Amtsgericht M.

Gemeinsames Mahngericht der Länder

R.            und S.

M.   , den 07.05.2019"

4

Der Vermerk ist mit Unterschrift und Siegel des Amtsgerichts M.    versehen.

5

Die Gläubigerin hat im Frühjahr 2021 mit vereinfachtem Vollstreckungsantrag nach § 829a ZPO beim [X.]- Vollstreckungsgericht - den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt, mit dem Arbeitseinkommen und Kontoguthaben der Schuldnerin gepfändet werden sollte. Als Gläubigerin ist im Antrag die "[X.]   OHG (vormals [X.]  GbR)" bezeichnet.

6

Das Amtsgericht hat den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss antragsgemäß am 11. Mai 2021 erlassen.

7

Auf die Erinnerung der Schuldnerin hat das Amtsgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben und die Wirksamkeit der Entscheidung bis zur Rechtskraft hinausgeschoben.

8

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat Erfolg gehabt. Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Erinnerung der Schuldnerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Schuldnerin die Aufhebung des Beschlusses des [X.] und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

II.

9

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 11. Mai 2021 wieder in [X.] zu setzen sei, weil sämtliche Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorlägen. Zwischen der Antragstellerin des [X.]s und der [X.]   OHG als Vollstreckungsgläubigerin bestehe [X.], da eine identitätswahrende Umwandlung der [X.] in eine offene Handelsgesellschaft stattgefunden habe. Dies stehe aufgrund des dem [X.] beigefügten klarstellenden Vermerks vom 7. Mai 2019 fest. Eine weitere Prüfung der durch eine solche Beischreibung bereits bestätigten [X.] finde im Erinnerungsverfahren nicht statt. Gegen das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung seien keine Bedenken ersichtlich.

2. Dies hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses liegen nicht vor, er war deshalb auf die Erinnerung der Schuldnerin aufzuheben.

a) Es mangelt an einem formwirksamen Vollstreckungsantrag, denn die Gläubigerin hat dem Antrag an das zuständige Amtsgericht - Vollstreckungsgericht (§§ 828, 764 ZPO) - keine Ausfertigung des [X.]s beigefügt. Die Vorlage des Vollstreckungstitels war nicht nach § 829a Abs. 1 ZPO entbehrlich, weil die Voraussetzungen zur Nutzung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens bei [X.]en nach § 829a Abs. 1 ZPO nicht vorlagen.

Nach § 829a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist im Falle eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung aus einem [X.], der einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf, bei Pfändung und Überweisung einer Geldforderung (§§ 829, 835 ZPO) die Übermittlung der Ausfertigung des [X.]s nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ZPO entbehrlich. Danach setzt der vereinfachte Vollstreckungsantrag bei [X.]en unter anderem voraus, dass die Vorlage anderer Urkunden als der Ausfertigung des [X.]s nicht vorgeschrieben ist, § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO.

Hieran fehlt es, denn die Gläubigerin musste dem Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Urkunden beifügen, die ihre [X.] mit der [X.] belegen. Ist aber eine weitergehende gerichtliche Prüfung anhand von Urkunden veranlasst, scheidet die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens nach § 829a ZPO aus (vgl. [X.], Beschluss vom 29. September 2021 - [X.]/20 Rn. 22, [X.], 121).

aa) Gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 4, § 699 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 795 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem [X.] namentlich bezeichnet sind. Das Vollstreckungsorgan hat eine formale Prüfung vorzunehmen, ob Gläubiger und Schuldner als Parteien des [X.] mit den Personen identisch sind, für und gegen die der durch den Titel vollstreckbar gestellte Anspruch durchzusetzen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 26. November 2009 - [X.]/08 Rn. 10, NJW 2010, 2137). Fehlt es an der Identität des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers und des Titelgläubigers oder lässt sich diese nicht zweifelsfrei feststellen, darf die Vollstreckung nicht durchgeführt werden ([X.]/[X.], 6. Aufl., § 750 Rn. 4; [X.]/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 750 Rn. 12).

Besteht hingegen [X.], steht eine bloße Änderung des Namens oder der Firma des Gläubigers etwa aufgrund von Heirat, Umfirmierung etc. der Vollstreckung nicht entgegen. Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass eine [X.] eingetretene Umwandlung einer [X.] (§§ 705 ff. [X.]) in eine offene Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB), auf die sich die Gläubigerin beruft, eine solche parteiidentitätswahrende Umwandlung darstellt.

bb) Die [X.] muss dem für die beantragte Zwangsvollstreckung zuständigen Vollstreckungsorgan gegenüber nachgewiesen werden ([X.]/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 3 Rn. 2). [X.] eine mit der im Vollstreckungstitel bezeichneten Gläubigerin hinsichtlich der Rechtsform nicht namensgleiche offene Handelsgesellschaft die Zwangsvollstreckung aus dem Titel betreiben und macht sie geltend, es liege eine Änderung der Rechtsform und eine Änderung der Firma vor, hat sie die Personenidentität dem zuständigen Vollstreckungsorgan zweifelsfrei nachzuweisen (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Mai 2017 - [X.] Rn. 9, [X.], 2917; Beschluss vom 21. Juli 2011 - [X.] Rn. 6, NJW-RR 2011, 1335).

Die [X.] kann der Gläubiger durch Vorlage entsprechender Urkunden nachweisen; in Betracht kommt auch eine Beischreibung (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Mai 2017 - [X.] Rn. 9, [X.], 2917; Walker/Roderburg in [X.]/Walker/Kessen/Thole, ZPO, 7. Aufl., § 750 Rn. 15). Bei der Beischreibung handelt es sich um einen die Identität der betroffenen Partei klarstellenden Vermerk des Gerichts, welches den Titel erlassen hat, dass der Titelgläubiger nunmehr einen neuen Namen führt oder sich seine Rechtsform geändert hat (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Januar 2021 - [X.]/18 Rn. 10, NJW-RR 2021, 226; Beschluss vom 21. Juli 2011 - [X.] Rn. 13, NJW-RR 2011, 1335; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 726 Rn. 75). Die Beischreibung der geänderten Parteibezeichnung, auch klarstellender Zusatz genannt (HK-ZPO/[X.], 9. Aufl., § 727 Rn. 9; [X.]/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 727 Rn. 40 ff.; [X.]/[X.], 20. Aufl., § 750 Rn. 5, § 727 Rn. 1a), wird dem Titel beigefügt.

Die die [X.] belegenden Urkunden beziehungsweise die Beischreibung müssen dem Vollstreckungsantrag beigefügt werden und schließen deshalb als vorlegungspflichtige andere Urkunden im Sinne des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens des § 829a ZPO aus.

b) Der Verfahrensfehler, wonach es an einem formwirksamen Antrag fehlt, ist nicht geheilt. Zwar hat die Gläubigerin, die nach Aktenlage entgegen § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO dem Antrag zudem keine Abschrift des [X.]s nebst Zustellbescheinigung als elektronisches Dokument beigefügt hatte, im Erinnerungsverfahren eine Kopie des [X.]s vorgelegt. Die Vorlage einer einfachen Kopie ist nicht ausreichend, es bedarf der Vorlage der Ausfertigung des [X.]s im Original (vgl. [X.]/[X.], [X.], 17. Aufl., [X.]; [X.]/[X.], ZPO, 20. Aufl., vor § 704 Rn. 24; [X.]/[X.] in [X.]/Walker/Kessen/Thole, ZPO, 7. Aufl., § 829a Rn. 2).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

[X.]     

      

Graßnack

      

Sacher     

      

Borris     

      

Meta

VII ZB 23/22

10.05.2023

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Bochum, 29. August 2022, Az: I-7 T 101/22

§ 699 Abs 1 S 1 ZPO, § 750 Abs 1 S 1 ZPO, § 794 Abs 1 Nr 4 ZPO, § 795 S 1 ZPO, § 829a Abs 1 S 1 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2023, Az. VII ZB 23/22 (REWIS RS 2023, 3410)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3410


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VII ZB 23/23

Bundesgerichtshof, VII ZB 23/22, 31.07.2023.


Az. VII ZB 23/22

Bundesgerichtshof, VII ZB 23/22, 10.05.2023.


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