Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.09.2011, Az. 28 W (pat) 27/11

28. Senat | REWIS RS 2011, 3070

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "GOLDAX/Baader-Goldex (Gemeinschaftsmarke)" - allenfalls sehr entfernte Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit - zur Kennzeichnungskraft - keine unmittelbare Verwechslungsgefahr - keine assoziative Verwechslungsgefahr  


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 074 230

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 22. September 2011 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.] und Schell

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 14 des [X.] wird aufgehoben. Der Widerspruch aus der Marke [X.] 4 758 728 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Widersprechende hat gegen die am 3. April 2009 veröffentlichte Eintragung der am 29. Dezember 2008 angemeldeten, ursprünglich für Waren der [X.] und Dienstleistungen der Klasse 36 beanspruchten, nach Einschränkung des [X.] seit 22. Juni 2011 nur noch für

2

3

geschützten Marke Nr. 30 2008 074 230

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[X.]

5

Widerspruch eingelegt aus seiner am 24. November 2005 angemeldeten und seit 11. Dezember 2006 für

6

7

eingetragenen Gemeinschaftsmarke Nr. [X.] 4 758 728

8

[X.]-Goldex.

9

Die Markenstelle für [X.] des [X.] hat mit Beschluss vom 19. Januar 2011 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Dies wird damit begründet, dass nicht nur im (ursprünglich) beidseits beanspruchten Dienstleistungssektor der Klasse 36 eine enge Dienstleistungsähnlichkeit, sondern auch hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 36 auf Seiten der Widerspruchsmarke und der für die angegriffene Marke geschützten Waren der [X.] eine leicht unterdurchschnittliche Ähnlichkeit festzustellen sei. Da es sich bei „[X.]“ in der Widerspruchsmarke um den erkennbaren Firmennamen handele, werde diese allein von dem Bestandteil „Goldex“ geprägt; dieser Bestandteil sei jedoch klanglich hochgradig ähnlich zu der angegriffene Marke, so dass angesichts der damit bestehenden mittleren Markenähnlichkeit, der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der bestehenden Waren- bzw. Dienstleistungsähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr sowohl im Bereich der Klasse 36 als auch hinsichtlich der Waren der [X.] zu bejahen sei. Die jüngere Marke sei daher insgesamt zu löschen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers. Er hält eine Verwechslungsgefahr für grundsätzlich, jedenfalls aber nach der Einschränkung des [X.] seiner Marke auf jeden Fall nicht gegeben.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 19. Januar 2011aufzuheben und den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke [X.] 4 758 728 zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat mitgeteilt, den Widerspruch trotz der Einschränkung des [X.] aufrecht zu erhalten. Im Übrigen hat er sich zu der Beschwerde nicht geäussert.

II.

Die zulässige Beschwerde, über die, nachdem dem Beschwerdegegner hinreichend [X.] zur Stellungnahme auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingeräumt worden war (vgl. [X.] 19, 225, 227 ff.; 23, 171; [X.], 223, 224 - [X.]), ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, weil kein Beteiligter eine solche beantragt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, hat in der Sache Erfolg. Eine Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] kann nicht festgestellt werden.

Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des [X.] stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. [X.] GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] - [X.]; [X.] 1999, 236, 239 [Rz. 19] - [X.]/[X.]; [X.], 241, 243 - Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. [X.] GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - [X.] plc; [X.], 153, 155 [Rz. 59] - Anheuser-Busch/[X.]; [X.], 318, 319 [Rz. 21] - [X.]/Autec).

Nach diesen Grundsätzen ist auf der Grundlage der von keinem Beteiligten beanstandeten normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowohl der Grad der Ähnlichkeit der für diese geschützten Dienstleistungen zu den nach Einschränkung des [X.] nur noch von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren als auch der Grad der Markenähnlichkeit zu gering, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

Angesichts der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bedarf es nach der Wechselwirkungstheorie des [X.] entweder eines gleichermaßen erhöhten Grades an Waren- und Zeichenähnlichkeit oder im Fall eines hiervon abweichenden geringeren Grades einer dieser beiden Komponenten des Ausgleichs durch einen entsprechend höheren Grad der anderen Komponente. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls für die jetzt noch gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen sowie für den Grad der Zeichenähnlichkeit nicht erfüllt, so dass eine Verwechslungsgefahr zu verneinen ist.Soweit es die nach der Einschränkung des [X.] nur noch auf Seite der angegriffenen Marke verbliebenen Waren der [X.] (Edelmetalle) betrifft, ist zwar, wie auch die Markenstelle im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, zu berücksichtigen, dass diese Waren auch Gegenstand des Börsenhandels sind, so dass eine grundsätzliche Nähe zu den hierzu gehörenden Dienstleistungen der Klasse 36 nicht von vornherein ausscheidet. Eine solche Nähe wird aber nur für solche Dienstleistungen bejaht werden können, die mit dem

Selbst wenn man aber zugunsten des Widersprechenden noch von einem dann allenfalls sehr entfernten Grad der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit ausginge, würde es jedenfalls an einem hinreichenden Grad der Zeichenähnlichkeit mangeln, die angesichts der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der entfernten Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit schon sehr eng sein müsste, um nach der Wechselwirkungstheorie des [X.] noch eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Ein solch enger Grad der Markenähnlichkeit liegt hier aber keineswegs vor.

Marken sind als ähnlich anzusehen, wenn ihre Übereinstimmungen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 605 – [X.]; [X.], 943, 944 – SAT.2), an welche sich die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 118 m. w. N. [Fn. 311]). Hierbei sind ihre Übereinstimmungen oder Abweichungen im Bild, im Klang und in der Bedeutung umfassend zu ermitteln, wobei zu berücksichtigen ist, welche Bedeutung diesen Aspekten beim Vertrieb der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen zukommt (vgl. [X.] [X.], 413, 415 [Rn. 28] - [X.]/[X.]). Eine Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte begründet zwar nicht notwendig die Annahme einer Verwechslungsgefahr (vgl. [X.] a. a. O. [Rn. 21 f.] - [X.]/[X.]), kann aber im Einzelfall auf der Grundlage der Wechselwirkungstheorie ausreichen (vgl. [X.] a. a. O. [Rn. 21] - [X.]/[X.]; [X.], 182, 185 - Quick; GRUR 1979, 853, 854 [X.]; [X.], 367, 368 - alpi/[X.]; [X.], 110, 112 - dipa/dib; [X.], 550, 551 - ac-pharma; GRUR 1999, 241, 243 - Lions), sofern nicht die Übereinstimmungen in einem Aspekt durch die bestehenden Unterschiede in den anderen neutralisiert werden (vgl. [X.] a. a. O. [Rn. 35] - [X.]/[X.]).

In ihrem Gesamteindruck, auf den grundsätzlich unabhängig vom [X.] abzustellen ist (vgl. [X.] GRUR 1998, 397, 390 [X.]. 23 - Sabèl/[X.]; [X.], 1043, 1044 [Rz. 28 f.] - [X.]; [X.], 413, 414 [Rn. 19] - [X.]/[X.]; [X.], 233 f. - Rausch/[X.]), unterscheiden sich beide Marken durch den in der jüngeren Marke nicht enthaltenen Bestandteil „[X.]“ in der Widerspruchsmarke und den abweichenden Vokal in der letzten Silbe des Bestandteils „Goldex“ bzw. der jüngere Marke „[X.]“, so dass insoweit - wenn überhaupt - auch bei (vorliegend allerdings zweifelhaftem) Abstellen nur auf den klanglichen Aspekt allenfalls eine sehr entfernte Markenähnlichkeit vorliegt, die zur Begründung einer Verwechslungsgefahr auf keinen Fall ausreicht.

Soweit die Markenstelle gemeint hat, statt einer Beurteilung nach dem Gesamteindruck sei auf Seiten der Widerspruchsmarke allein auf den Bestandteil „Goldex“ abzustellen, den sie als mit der angegriffene Marke zumindest klanglich eng ähnlich erachtet, weil die Widerspruchsmarke durch diesen Bestandteil geprägt werde, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar wird der Verkehr den ersten Bestandteil „[X.]“ durchaus als Personenname erkennen, weil dieses Wort im Allgemeinen nur als Familienname geläufig ist und es daher nicht naheliegt, ihm eine andere Bedeutung, auch nicht als [X.], zuzuordnen. Ob er damit allerdings auch als

Aufgrund dieser „Klammerwirkung“ scheidet auch die Annahme einer selbständig kennzeichnenden Stellung des Bestandteils „Goldex“ aus, so dass - unabhängig davon, ob die hierfür erforderlichen weiteren Voraussetzungen bestehen (vgl. hierzu [X.] [X.], 1042 [Rz. 30] - [X.] LIFE; BGH [X.], 859, 860 f. [Rz. 18] - Malteserkreuz; GRUR 2002, 171, 174 - [X.]; [X.], 865, 866 - [X.]) - auch eine sich ggfs. hieraus abzuleitende assoziative Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz [X.] nicht feststellbar ist. Da auch sonstige Gesichtspunkte für eine assoziative Verwechslungsgefahr weder vorgetragen noch erkennbar sind, fehlt es auch insoweit an Grundlagen für die Annahme einer Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Zeichen.

Da somit unter Berücksichtigung des entfernten Grades der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit sowie des allenfalls sehr geringen Grades der Markenähnlichkeit bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden kann, war auf die Beschwerde des Markeninhabers der anderslautende Beschluss der Markenstelle aufzuheben und der Widerspruch insgesamt zurückzuweisen.

Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

[X.]

Meta

28 W (pat) 27/11

22.09.2011

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.09.2011, Az. 28 W (pat) 27/11 (REWIS RS 2011, 3070)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3070

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