Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.12.2011, Az. 28 W (pat) 139/10

28. Senat | REWIS RS 2011, 279

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „Hasimax / Hasifix / Hasimix“ –Verwechslungsgefahr – nur geringe Abweichungen bei den Konsonanten und Vokalen der zweiten Silbe - Warenähnlichkeit


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 14 575

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 16. Dezember 2011 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.] und Schell

beschlossen:

1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 31 des [X.] werden aufgehoben, soweit hierin die Widersprüche der Widersprechenden aus den Marken [X.] 5 578 679 und [X.] 5 769 658 für die folgenden von der Marke 307 14 575 beanspruchten Waren zurückgewiesen wurde:

2. Im Umfang der Aufhebung ist die Marke 307 14 575 aufgrund der Widersprüche den Marken [X.] 5 578 679 und [X.] 5 769 658 für die vorgenannten Waren zu löschen.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Widersprechende hat gegen die am 24.08.2007 veröffentlichte Eintragung der am [X.] angemeldeten, für

2

3

4

5

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geschützten Marke 307 14 575

[X.]

Widerspruch eingelegt:

1. aus ihrer am [X.] angemeldeten und seit 18.06.2008 für

eingetragenen Gemeinschaftsmarke [X.] 5 578 679

[X.]

sowie

2. aus ihrer am 19.03.2007 angemeldeten und seit 22.02.2008 für

eingetragenen Gemeinschaftsmarke [X.] 5 769 658

[X.].

Die Markenstelle für Klasse 31 des [X.] hat mit Beschluss vom 11.08.2009 die Widersprüche und mit Beschluss vom 19.10.2010 auch die hiergegen eingelegte Erinnerung der Widersprechenden zurückgewiesen, weil mit Ausnahme der für die angegriffenen Marke geschützten Waren „[X.]“ zwischen den jeweils beanspruchten Waren allenfalls eine entfernte Ähnlichkeit bestehe und die jüngere Marke den danach zu stellenden nur geringen Anforderungen an den [X.] zur normal kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke genüge.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält die beidseits beanspruchten Waren sowie die gegenüberstehenden Marken für hinreichend ähnlich, so dass die jüngere Marke zu löschen sei.

Die Widersprechende beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 31 des [X.] vom 11.08.2009 und 19.10.2010aufzuheben und die Marke 307 14 575 wegen der Widersprüche aus den Gemeinschaftsmarken [X.] 5 578 679 und [X.] 5 769 658 zu löschen.

Der Markeninhaber hat zur Beschwerde keine Stellung genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde, über die entschieden werden kann, nachdem der Markeninhaber ausreichend Gelegenheit hatte, zu der ihm am 19.01.2011 zugestellten Beschwerdebegründung der Widersprechenden Stellung zu nehmen (vgl. [X.] 19, 225, 227 ff.; 23, 171; s.a. [X.] GRUR 1997, 223, 224 - [X.]), hat in der Sache teilweise Erfolg. Für die im Tenor genannten Waren liegt eine Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vor.

Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des [X.] stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. [X.] [X.], 922, 923 [Rz. 16 f.] - [X.]; [X.] 1999, 236, 239 [Rz. 19] - [X.]/[X.]; [X.] GRUR 1999, 241, 243 - Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. [X.] GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - [X.] plc; [X.], 153, 155 [Rz. 59] - Anheuser-Busch/[X.]; [X.], 318, 319 [Rz. 21] - [X.]/Autec).

Nach diesen Grundsätzen ist hier eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der im Tenor genannten Waren zu bejahen, weil die jüngere Marke zu den beiden Widerspruchsmarken in einem hohen Grad ähnlich ist und die vorgenannten, für die angegriffene Marke geschützten Waren zu den von den Widerspruchsmarken beanspruchten Waren in dem danach erforderlichen geringen Grad ähnlich sind. Im Übrigen sind die weiteren für die angegriffenen Marke geschützten Waren zu den von den Widerspruchsmarken beanspruchten Waren unähnlich, so dass insoweit eine Verwechslungsgefahr auszuschließen ist.

Mangels Anhaltspunkte für eine Schwächung oder Stärkung ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken auszugehen. Angesichts dessen bedarf es nach der oben genannten [X.] somit entweder eines gleichermaßen durchschnittlichen Grades an Waren- und Zeichenähnlichkeit oder im Fall eines hiervon abweichenden geringeren Grades einer dieser beiden Komponenten des Ausgleichs durch einen entsprechend höheren Grad der anderen Komponente; lediglich im Falle einer Waren- oder Zeichen

Die jüngere Marke „[X.]“ ist zu der Widerspruchsmarke „[X.]“ hochgradig und zu der Widerspruchsmarke „[X.]“ durchschnittlich ähnlich, denn die Übereinstimmungen der jeweils gegenüberstehenden Marken überwiegen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 605 – [X.]; [X.], 943, 944 – SAT.2), an welche sich die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark, dass die betreffenden Verkehrskreise die jeweiligen Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 10. Aufl. 2011, § 9 Rn. 178 m. w. N.).

Grundsätzlich sind für die Beurteilung der Markenähnlichkeit die Übereinstimmungen oder Abweichungen der jeweils gegenüberstehenden Marken im Bild, im Klang und in der Bedeutung umfassend zu ermitteln, wobei berücksichtigt werden kann, welche Bedeutung diesen Aspekten beim Vertrieb der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen zukommt (vgl. [X.] GRUR 2006, 413, 415 [Rn. 28] - [X.]/[X.]). Eine Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte begründet zwar nicht notwendig die Annahme einer Verwechslungsgefahr (vgl. [X.] a. a. O. [Rn. 21 f.] - [X.]/[X.]), kann aber im Einzelfall ausreichen (vgl. [X.] a. a. O. [Rn. 21] - [X.]/[X.]; [X.] GRUR 1959, 182, 185 - Quick; GRUR 1979, 853, 854 [X.]; [X.], 367, 368 - alpi/[X.]; [X.], 110, 112 - dipa/dib; [X.], 550, 551 - ac-pharma; GRUR 1999, 241, 243 - Lions), sofern nicht die Übereinstimmungen in einem Aspekt durch die bestehenden Unterschiede in den anderen neutralisiert werden (vgl. [X.] a. a. O. [Rn. 35] - [X.]/[X.]).

Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend eine enge Ähnlichkeit der jüngeren Marke zu der Widerspruchsmarke „[X.]“ und eine durchschnittliche Ähnlichkeit zur Widerspruchsmarke „[X.]“ nicht verneint werden. Die jüngere Marke unterscheidet sich von der Widerspruchsmarke „[X.]“ lediglich durch den abweichenden letzten Vokal und von der Widerspruchsmarke „[X.]“ zusätzlich hierzu durch den abweichenden vorletzten Konsonanten. Angesichts der Identität in den beiden ersten Silben, die vom Verkehr üblicherweise besonders stark beachtet werden, fallen diese Unterschiede optisch und akustisch nicht so weit ins Gewicht, dass der Verkehr die Marken in seiner ungenauen Erinnerung hinreichend auseinander halten kann. Auch die unterschiedlichen Sinngehalte der letzten Silben „max“ im Sinne von maximum, „mix“ im Sinne von mischen und „fix“ im Sinne von fixieren sind dabei angesichts der den jeweiligen [X.] dominierenden Übereinstimmungen in den ersten beiden Silben nicht geeignet, jeweils eine Markenähnlichkeit im oben genannten Grad zu verneinen.

Angesichts der engen Ähnlichkeit zur Widerspruchsmarke „[X.]“ ist daher eine Verwechslungsgefahr zu bejahen, soweit die für die angegriffenen Marke geschützten Waren zu denjenigen dieser Widerspruchsmarke nicht nur sehr entfernt ähnlich sind, und zur Widerspruchsmarke „[X.]“, soweit sie zu den für diese Widerspruchsmarke geschützten Waren zumindest durchschnittlich ähnlich sind. Diese Voraussetzungen sind für die im Tenor genannten Waren erfüllt.

Die Ähnlichkeit der jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren zu ermitteln, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere ihre Beschaffenheit, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen (vgl. [X.] [X.], 922, 923 [Rz. 23] - [X.]); daneben können auch ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, die Vertriebs- oder Erbringungsart sowie ihre wirtschaftliche Bedeutung Berücksichtigung finden (vgl. [X.]/ Hacker, [X.], 10. Aufl. 2011, § 9 Rn. 58 m. w. N.). Abzustellen ist dabei vor allem darauf, ob zwischen den jeweils angebotenen Produkten oder Leistungen so enge Beziehungen bestehen, dass sich den Abnehmern, wenn sie die Waren oder Dienstleistungen mit denselben Zeichen gekennzeichnet wahrnehmen, der Schluss aufdrängt, dass diese Waren oder Dienstleistungen vom selben oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. [X.] GRUR Int 1994, 614 [Rz. 16] - Ideal Standard II; [X.], 922, 924 [Rz. 29] - [X.]).

Nach diesen Vorgaben sind die im Tenor genannten Waren der jüngeren Marke zu den für die Widerspruchsmarken geschützten Waren in einem solchen Grad ähnlich, dass insoweit angesichts des Grades der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist. Dabei gilt im Einzelnen:

Die Waren „

Die Waren „

Die Waren „

Durchführung land-, garten- und forstwirtschaftlicher Arbeiten, während die von der angegriffenen Marke beanspruchten, in Klassen 5 und 31 genannten Waren Endprodukte solcher Tätigkeiten sein mögen, aber nicht (mehr) ihrer Durchführung dienen sollen und können; insofern betreffen die vorgenannten, von den Widerspruchsmarken in Klasse 1 beanspruchten Waren und die für die jüngere Marke in den Klassen 5 und 31 geschützten Waren unterschiedliche Verwendungszwecke, so dass sie nicht als einander ergänzende Waren angesehen werden können. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen etwa „

Unter Berücksichtigung der Waren- und Markenähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken kann damit im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr im erkannten Umfang nicht verneint werden. Daher waren die anderslautenden Entscheidungen der Markenstelle, mit denen die Widersprüche insgesamt zurückgewiesen wurden, teilweise aufzuheben und im Umfang der Aufhebung die Löschung der angegriffenen Marke für die im Tenor genannten Waren anzuordnen, während die weitergehende Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war.

Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

Meta

28 W (pat) 139/10

16.12.2011

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.12.2011, Az. 28 W (pat) 139/10 (REWIS RS 2011, 279)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 279

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