Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2017, Az. 1 StR 677/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 8942

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:280617B1STR677.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 677/16

vom
28. Juni
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.

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2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag

am 28. Juni
2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO
und entsprechend § 354 Abs. 1 StPO
beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Juli 2016
a)
im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Ange-klagte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fäl-len schuldig ist und
b)
im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbe-gründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur [X.] in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. [X.] wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge 1
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den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
1. Das von der Revision geltend gemachte Verfahrenshindernis besteht nicht. Es fehlt vorliegend nicht an der in jeder Lage des Verfahrens zu beach-tenden Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageschrift und

daran anknüpfend

eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses. Die Anklageschrift vom 17. November 2015 wahrt die Umgrenzungsfunktion des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO im Hinblick auf die dem Angeklagten vorgeworfenen Beihilfehandlungen zu Steuerhinterziehungen (zu den insoweit bestehenden Anforderungen im Steuerstrafverfahren vgl. [X.], [X.]sbeschluss vom 8. August 2012

1 StR 296/12, [X.], 409). Die dem Angeklagten zur Last gelegten Anklagevor-würfe werden von der vorgenannten Anklageschrift hinreichend konkret ge-schildert. Aus dem Anklagesatz ergeben sich die näheren Einzelheiten der [X.] im Hinblick auf den Tatzeitraum, die generellen Tatmodalitäten, die Art
und den Umfang der Tatbeteiligung des Angeklagten sowie den Umfang der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuern (vgl. S. 23 der Anklageschrift
vom 17.
November 2015). Weiterer Einzelheiten zur notwendigen Umgrenzung des [X.] bedurfte es nicht (vgl. dazu [X.], [X.]sbeschlüsse vom 21. Dezember 2016

1 [X.], [X.], 337 und vom [X.] 2016

1 StR 57/16, [X.], 14).
2. Den erhobenen Verfahrensrügen bleibt der Erfolg aus den zutreffen-den Gründen der Antragsschrift des [X.] versagt.
3. Die Urteilsfeststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweis-würdigung.
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a) Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein ob-liegt es, sich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden (§
261 StPO). Seine [X.] brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die Beweiswürdigung unterliegt dabei lediglich einer eingeschränkten Überprüfung, denn das Revisionsgericht prüft lediglich, ob die Beweiswürdigung des [X.] mit Rechtsfehlern (§
337 StPO) behaftet ist. [X.] ist die Be-weiswürdigung insbesondere dann, wenn sie Lücken, Widersprüche oder Un-klarheiten aufweist oder mit den Denkgesetzen oder gesicherten Erfahrungs-sätzen nicht in Einklang steht (st. Rspr.; vgl. dazu [X.], Urteile vom 9. Mai 2017

1 [X.]/16; vom 16.
Juni 2016

1
StR
49/16, [X.], 315; vom 5.
Dezember 2013

4
StR
371/13, [X.], 87; vom 24.
März 2015

5
StR 521/14, [X.], 178 und vom 6.
August 2015

3
StR
226/15, jeweils mwN) oder sich so weit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (st. Rspr.; [X.], Beschluss vom 16.
Februar 2016

1
StR 525/15, [X.], 222; Urteil vom 21.
März 2013

3
StR
247/12, [X.]St 58, 212, jeweils mwN). Die tatrichterliche Beweiswürdigung muss auf einer nachvollziehbaren und tragfähigen Grundlage beruhen (vgl. dazu auch [X.]surteile vom 30.
März 2004

1
StR
354/03, [X.], 238; vom 1.
Juli 2008

1
StR
654/07 und vom 13.
Juli 2016

1
StR
94/16, [X.] 2016 Nr. 10, 16 sowie [X.]sbeschluss vom 4. April 2017

1 StR 432/16, jeweils mwN).
b) Solche Rechtsfehler liegen unter Beachtung der vorstehenden [X.] nicht vor.
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Die Beweiswürdigung des [X.] zum bedingten Vorsatz des [X.] im Hinblick auf die Einbindung der von ihm geführten C.

in abgesprochene Lieferketten eines Umsatzsteuerkarussells und eine Bei-hilfe zu Umsatzsteuerhinterziehungen durch beteiligte Firmen stützt sich auf eine Gesamtschau der von ihm vor und während der Tatzeiträume geführten Chats, mündliche und schriftliche Mitteilungen der [X.] Steuerbehörde sowie zahlreiche Auffälligkeiten bei der Geschäftsabwicklung mit der
O.

GmbH. Hiergegen ist nichts zu erinnern.
4. Der Schuldspruch war in Anbetracht der insoweit zutreffenden rechtli-chen Ausführungen des [X.] aber
entsprechend § 354 Abs.
1 StPO

wie aus der [X.] ersichtlich

zu berichtigen. Der Angeklagte hat in den verfahrensgegenständlichen Voranmeldungszeiträumen Februar und März 2012 durch die Rechnungsstellungen gegenüber der
O.

GmbH sowohl zur Hinterziehung von Umsatzsteuer zuguns-ten der O.

GmbH als auch zugleich zugunsten der T.

AG Hilfe geleistet, so dass für den jeweiligen Voranmeldungszeitraum eine [X.] Beihilfe zu mehreren Haupttaten vorliegt
(dazu [X.], Beschluss vom 4.
März 2008

5 StR 594/07, [X.], 217 mwN).
5. Infolge der abweichenden konkurrenzrechtlichen Beurteilung war der gesamte Strafausspruch aufzuheben. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen und der [X.] auf diesem Rechtsfehler beruhen. Zumal die Ausführungen des [X.] besorgen lassen, dass es nicht in den Blick genommen hat, dass dem Steuerfiskus der [X.], zu dessen Entstehen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat,
bei wirtschaftlicher Betrachtung
nur einmal in Höhe von 450.558,78 Euro entstanden ist, weil die fehlende Erstattungsfähigkeit der Vorsteuer die Folge der hinterzogenen Um-7
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satzsteuer ist. Diesen Umstand wird das neue Tatgericht im Rahmen der Ein-zel-
und Gesamtstrafenfestsetzung zu berücksichtigen haben.
6. Die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem
Wer-tungsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann weitere, mit den bisherigen nicht in Widerspruch ste-hende Feststellungen treffen.
7. Die Ausführungen der Revisionsbegründung zur Rückgewinnungshilfe betreffend die [X.] C.

sind indes unbeachtlich, weil das Urteil insoweit rechtskräftig ist. Die gemäß §
427 Abs. 1 Satz 1 StPO

433 Abs. 1 Satz 1 StPO aF) rechtsmittelberechtigte [X.] hat [X.] kein Rechtsmittel eingelegt. Die Revision der Staatsanwaltschaft [X.] sich nach [X.] vom 28. Juli 2016 und vom 16. Dezember 10
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2016 im Hinblick auf die [X.] auf die [X.] der beantrag-ten Einziehung von [X.], so dass die Entscheidung über die Rückgewin-nungshilfe auch nicht gemäß § 301 StPO zugunsten der [X.]n [X.] oder aufgehoben werden kann. Die Wirkung des § 301 StPO ist durch den Umfang der Anfechtung begrenzt (vgl. dazu [X.], [X.]surteil vom 7. Sep-tember 2016

1 [X.], NJW 2016, 3670 mwN).

Rin[X.] Cirener befindet

sich im Urlaub und ist

deshalb an der Unter-

schriftsleistung gehindert.

Raum Graf Raum

Bär Hohoff

Meta

1 StR 677/16

28.06.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2017, Az. 1 StR 677/16 (REWIS RS 2017, 8942)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8942

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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