Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2004, Az. 2 StR 315/03

2. Strafsenat | REWIS RS 2004, 5073

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[X.]/03vom14. Januar 2004in der [X.] u.a.- 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] am 14. Januar 2004 gemäß § 349Abs. 4 StPO beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Januar 2003, soweit es ihn [X.], mit den Feststellungen aufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.]des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit [X.] zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs [X.] verurteilt. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Angeklagte mitseiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten [X.].Das Rechtsmittel hat schon mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Der [X.] beanstandet zu Recht, daß das [X.] ihn durch die In-gewahrsamnahme am 21. Januar 2003 und die Ablehnung seines Antrags [X.] bzw. Unterbrechung des Termins vom 23. Januar 2003 in einemwesentlichen Punkt in seiner Verteidigung beschränkt hat (§ 338 Nr. 8 StPO).- 3 -Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:Die Hauptverhandlung umfaßte fünf Sitzungstage: (14., 15., 16., 21. und23. Januar 2003). Der Angeklagte war zunächst nur von Rechtsanwalt [X.] verteidigt, der für ihn als Pflichtverteidiger bestellt worden war. Am 20. [X.], nach dem dritten [X.], zeigte Rechtsanwalt [X.]an,daß er nunmehr vom Angeklagten bevollmächtigt sei und diesen als Wahlver-teidiger vertrete. Er beantragte, die Bestellung des Pflichtverteidigers zurück-zunehmen, da das Vertrauensverhältnis zwischen diesem und dem Angeklag-ten ernsthaft gestört sei. Gleichzeitig beantragte Rechtsanwalt [X.] , [X.] zu gewähren und die Hauptverhandlung auszusetzen, hilfsweisediese zu unterbrechen. Diese Anträge lehnte die [X.] in der [X.] 21. Januar 2003, an der auch Rechtsanwalt [X.] als Wahlverteidigerteilnahm, ab. Rechtsanwalt [X.]beantragte daraufhin, "wenigstens" den an-stehenden Termin vom 23. Januar 2003 von 9.00 Uhr auf 13.00 Uhr zu verle-gen, weil er erst am Ende der Sitzung vom 21. Januar 2003 die Strafakten [X.] werde. Da er am nächsten Tag in M. verteidige, sei es ihm nur [X.] zeitlichen Verschiebung des Termins möglich, ausreichend [X.] nehmen und die Sache mit dem Angeklagten zu besprechen. Am Ende [X.] wurden Rechtsanwalt [X.] die Akten ausgehändigt. Der [X.] der [X.] ordnete außerdem an: "Gemäß § 231 Abs. 1 Satz 2 StPOwird die Inverwahrnahme des Angeklagten S. bis zur Fortsetzung [X.] am Donnerstag, [X.] um 9.00 Uhr angeordnet". [X.] Anträge des Verteidigers auf Aufhebung oder [X.], denen die Staatsanwaltschaft ausdrücklich nicht entge-gentrat, lehnte der Vorsitzende ab und teilte des weiteren mit, der Termin vom23. Januar 2003 finde um 9.00 Uhr statt, "gegebenenfalls könne eine Pausegemacht werden". Die Maßnahmen des Vorsitzenden wurden im Rahmen von- 4 -§ 238 Abs. 2 StPO von der [X.] bestätigt. Der Angeklagte wurde [X.] Januar 2003 in die Justizvollzugsanstalt verbracht und zum Termin vom23. Januar 2003 vorgeführt. In diesem Termin hat der Verteidiger des Ange-klagten erneut die Aussetzung bzw. Unterbrechung beantragt und darauf [X.], daß ihm auf Grund der Verhaftung des Angeklagten eine Bespre-chung der Sache mit diesem nicht möglich gewesen sei. Das [X.] hateine Unterbrechung erneut abgelehnt und an diesem Tag das Urteil verkündet.Den Beschluß über die Inverwahrnahme des Angeklagten hat das [X.] auf Beschwerde des Angeklagten am 12. Mai 2003für rechtswidrig erklärt.Die Revision beanstandet zu Recht die Ablehnung der [X.] Hauptverhandlung am 23. Januar 2003 zur Besprechung der Sache nachAkteneinsicht unter gleichzeitiger Ingewahrsamnahme des Angeklagten nach§ 231 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Vorgehensweise der [X.] verletztnachhaltig das Recht des Angeklagten auf eine sachgerechte Verteidigung.Gegenstand des Strafverfahrens waren schwerwiegende Vorwürfe miteiner erheblichen Straferwartung, wie die verhängte Freiheitsstrafe von sechsJahren und sechs Monaten zeigt, gegen den die Tat bestreitenden Angeklag-ten. Dieser war in jeder Lage des Verfahrens berechtigt, neben oder anstelledes Pflichtverteidigers einen Verteidiger seiner Wahl mit seiner [X.] betrauen. Es kann offen bleiben, ob dabei dem Antrag auf Entpflichtung [X.] stattgegeben werden mußte oder inwieweit aus der Bestel-lung eines Wahlverteidigers Rechte des Angeklagten auf Aussetzung oderUnterbrechung des Verfahrens abgeleitet werden konnten. Eine Beeinträchti-gung der Verteidigung im Sinne des § 338 Nr. 8 StPO bedeutet es auf jeden- 5 -Fall, wenn die Verteidigungsmöglichkeiten des neu gewählten Verteidigers unddamit des Angeklagten ohne sachlichen Grund in erheblichem Umfang einge-schränkt werden. Dies ist hier durch die, wie das [X.] hat, völlig grundlose und damit rechtswidrige Inverwahrnahme [X.] und die anschließende Ablehnung der zeitlichen Verlegung oderUnterbrechung der Hauptverhandlung vom 23. Januar 2003 geschehen. DerWahlverteidiger des Angeklagten war, wie er glaubhaft dargetan hat, durchdessen Aufnahme in die Haftanstalt gehindert, nach der Akteneinsicht die Sa-che mit dem Angeklagten zu besprechen. Diese Möglichkeit bestand erst [X.] am Morgen des Sitzungstages vom 23. Januar 2003. Da aber das [X.] eine Verlegung des Termins von 9.00 Uhr auf 13.00 Uhr abgelehnt hatte,war ihm auch diese Möglichkeit genommen. [X.] Gründe für eineAblehnung der Verlegung des Termins von 9.00 Uhr auf 13.00 Uhr sind nichtersichtlich. Die erstmals im Beschluß vom 23. Januar 2003 auf den [X.] genannten Gründe rechtfertigen die getroffenen [X.] nicht, da dadurch die Behauptung des Verteidigers, er habe wegender Inverwahrnahme des Angeklagten angesichts der Besuchszeiten der [X.] die Sache nicht mit diesem besprechen können, nicht wider-legt ist. Die Ablehnung der Verlegung des Termins vom 23. Januar 2003 von9.00 Uhr auf 13.00 Uhr und die Ablehnung des in der Sitzung vom 23. [X.] erneut gestellten Antrags auf Unterbrechung durch die [X.] vom 21. und 23. Januar 2003 im Zusammenhang mit der rechtswidrigen In-gewahrsamnahme stellen eine Verletzung des Rechts des Angeklagten aufsachgerechte Verteidigung dar. Diese unzulässige Beschränkung der Verteidi-gung betrifft auch einen für die Entscheidung wesentlichen Punkt im Sinne des§ 338 Nr. 8 StPO. Ein durchgreifender Verstoß ist zwar nur dann gegeben,wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem [X.] -rensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. [X.], 212 m. Anm.[X.] = [X.], 402 m. Anm. [X.]). Dies ist hier aberder Fall, zumal das angegriffene Urteil noch am 23. Januar 2003 verkündetwurde. Dem Angeklagten wurde durch die Beschlüsse das Recht auf Verteidi-gung durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens (vgl. dazu u.a. [X.] [X.], 521) genommen. Der Verteidiger kann im Strafprozeß entsprechend §140 Abs. 1 StPO nur dann sinnvoll "mitwirken" und die Interessen des Ange-klagten wirksam wahrnehmen, wenn er den Sachverhalt ausreichend kennt,genügend über die Einlassung des Angeklagten zur Anklage unterrichtet [X.] ein klares Bild von den Möglichkeiten gewonnen hat, die für eine sachge-mäße Verteidigung bestehen. Zwar hatte Rechtsanwalt [X.](ersichtlich ohneAkteneinsicht) in der Hauptverhandlung vom 21. Januar 2003 mehrere [X.] gestellt, die aber alle, wie die Revision in anderem [X.], von der [X.] abgelehnt worden sind. Gerade auch [X.] die Möglichkeit, daß der Wahlverteidiger nach Akteneinsicht und weite-rer Information durch den Angeklagten auch noch gegen Ende der Beweisauf-nahme sachgerechte Maßnahmen hätte veranlassen oder weitere für den [X.] sprechende Gesichtspunkte im Plädoyer hätte aufzeigen können,zumal das [X.] seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklag-ten mit bedenklicher Begründung auch auf die Persönlichkeit des [X.] seinen Eindruck von ihm in der Hauptverhandlung stützt ([X.]). [X.] der Gesamtumstände mußte dem Verteidiger nach der Akteneinsicht dieMöglichkeit einer Besprechung mit dem Angeklagten gewährt werden. Einesolche Besprechung wurde durch die rechtswidrige Ingewahrsamnahme [X.] am 21. Januar 2003 in Verbindung mit der Verweigerung einergeringfügigen Verschiebung des Hauptverhandlungstermins vom 23. Januar- 7 -2003 unmöglich gemacht. Damit wurde der Angeklagte schwerwiegend in sei-nem Recht auf angemessene Verteidigung [X.] 8 -Das Urteil kann deshalb schon aus verfahrensrechtlichen Gründen kei-nen Bestand haben.[X.] Roggenbuck

Meta

2 StR 315/03

14.01.2004

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2004, Az. 2 StR 315/03 (REWIS RS 2004, 5073)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 5073

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