Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.05.2022, Az. AnwZ (Brfg) 46/21

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2022, 4493

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Gegenstand

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt: Tätigkeit als "Case Manager" für die juristische Betreuung von Schiedsverfahren zwischen dritten Schiedsparteien


Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs [X.] vom 27. August 2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Beigeladene ist aufgrund Arbeitsvertrags vom 24. November 2017 seit dem 8. Januar 2018 bei der [X.] ([X.]  ; im Folgenden auch: Arbeitgeberin) tätig. Die [X.]  befasst sich satzungsgemäß mit der Förderung der Schiedsgerichtsbarkeit, insbesondere durch - kostenpflichtige - Bereitstellung eines institutionellen Schiedsgerichts einschließlich einer Schiedsgerichtsordnung zur Vorbereitung, Unterstützung und Administrierung von Schiedsgerichtsverfahren.

2

Aufgabe des als "Case Manager" eingestellten Beigeladenen ist die Betreuung von Schiedsverfahren oder sonstigen Verfahren nach den Verfahrensordnungen der [X.]  sowie die Mitwirkung bei der [X.] seiner Arbeitgeberin. Ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung der Arbeitgeberin vom 10. Dezember 2018 ist das Case Management Team unter anderem zuständig für die Administration laufender Verfahren nach den [X.] und die Beratung zur Aufnahme von [X.] in Verträgen.

3

Die Beklagte ließ den Beigeladenen mit Bescheid vom 26. März 2019 als Syndikusrechtsanwalt zu und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung an. Gegen den ihr am 29. März 2019 zugestellten Zulassungsbescheid hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben.

4

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, der Beigeladene sei auch in Rechtsangelegenheiten Dritter, nämlich der Schiedsvertragsparteien tätig; das Tatbestandsmerkmal des § 46 Abs. 5 [X.] sei daher nicht erfüllt.

5

Sie hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2019 aufzuheben.

6

Die Beklagte und der Beigeladene haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Der [X.] hat Beweis erhoben durch zeugenschaftliche Vernehmung der Generalsekretärin der [X.]  , Frau Dr. M.   , und der Klage stattgegeben, da der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2019 rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze. Der Beigeladene werde nämlich jedenfalls nicht ausschließlich in Rechtsangelegenheiten seiner Arbeitgeberin tätig.

8

In ihrer vom [X.] wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung vertritt die Beklagte die Auffassung, dass die [X.]  die Schiedsverfahren der Schiedsvertragsparteien eigenverantwortlich durchführe, weshalb der Beigeladene in Angelegenheiten seiner Arbeitgeberin tätig werde.

9

Sie beantragt,

das Urteil des [X.]s [X.] vom 27. August 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Ergänzend wird auf das Urteil des [X.]s, die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2021 Bezug genommen, zudem auf die Befragung des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 1 und 2 [X.], § 124a Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Klägerin ist klagebefugt. Der Umstand, dass sie im Jahr 2018 keine Einwände gegen die Zulassung einer anderen Angestellten der [X.]  als Syndikusrechtsanwältin erhoben hat, steht dem nicht entgegen. Aus dem Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG folgt kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. etwa [X.], [X.], 266, 270; [X.], 153, 157; [X.], 124 Rn. 37). Abgesehen davon hat der Senat ([X.], Beschluss vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, NJW 2019, 3453 Rn. 20) zeitlich nach der hier streitbefangenen Zulassungsentscheidung ausgesprochen, dass zumindest in der Phase nach Einführung eines neuen [X.] - hier des [X.] - eine Verwirkung der Klagebefugnis der Klägerin nicht darauf gestützt werden kann, dass dieser in einer zunächst überhaupt als Problemfall zu identifizierenden, überdies komplexen Rechtsfrage anfänglich keine einheitliche Sachbehandlung gelingt. Zudem wurde erst im Laufe des Jahres 2018 deutlich, dass der [X.] Rechtsangelegenheiten der Kunden des Arbeitgebers nicht zu den Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers zählte, auch wenn sich der Arbeitgeber gegenüber seinen Kunden zu entsprechenden Dienstleistungen verpflichtet hatte (Senatsurteil vom 2. Juli 2018 - [X.] ([X.]) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 39 ff.).

II.

Mit Recht hat der [X.] die Klage auch für begründet erachtet. Die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Jedenfalls im Bereich der juristischen Betreuung von Schiedsverfahren, selbst wenn sich diese streng auf verfahrensrechtliche Aspekte beschränkt, wird der Beigeladene in Angelegenheiten von Kunden seiner Arbeitgeberin und nicht in Rechtsangelegenheiten seiner Arbeitgeberin tätig; es fehlt somit an der Erfüllung der tatbestandlichen Anforderungen des § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 46 Abs. 5 Satz 1 [X.]. Letztgenannte Vorschrift beschränkt die Befugnis des [X.] auf eine Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers.

1. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass es sich bei § 46 Abs. 5 [X.] um ein echtes Tatbestandsmerkmal, nicht nur um eine Beschränkung des zulässigen Tätigkeitsfeldes nach erteilter Zulassung handelt (Senatsbeschlüsse vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, aaO Rn. 24; vom 9. November 2020 - [X.] ([X.]) 60/19, juris Rn. 11; Senatsurteil vom 3. Februar 2020 - [X.] ([X.]) 71/18, NJW-RR 2020, 443 Rn. 10; jeweils mwN).

2. Ob der Beigeladene in Rechtsangelegenheiten seiner Arbeitgeberin tätig wird oder in Angelegenheiten deren Kunden, bestimmt sich nach dem objektiven Inhalt der Tätigkeit des Beigeladenen, nicht nach ihrem Erscheinungsbild nach außen (Senatsurteil vom 7. Dezember 2020 - [X.] ([X.]) 11/20, NJW-RR 2021, 246 Rn. 27; vgl. auch Senatsurteile vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 23 [zum Versagungsgrund nach § 7 Nr. 8, § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]]; vom 9. März 2020 - [X.] ([X.]) 1/18, juris Rn. 16 f.). Daher ist nicht maßgeblich, dass der Beigeladene seine Tätigkeit aufgrund des [X.]s zwischen seiner Arbeitgeberin und den Parteien einer Schiedsvereinbarung erbringt, sondern vielmehr, dass sich seine Tätigkeit auf das Rechtsverhältnis der Schiedsparteien zueinander auswirkt.

a) Wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat, verleiht das Zivilprozessrecht den Parteien eines schiedsrichterlichen Verfahrens die Rechtsmacht, im Rahmen ihrer verfahrensrechtlichen Privatautonomie ([X.] ZPO/Wilske/Markert, Stand: Dezember 2021, § 1042 Rn. 17; MüKoZPO/[X.], 6. Aufl., § 1042 Rn. 8; Musielak/[X.], ZPO, 18. Aufl., § 1042 Rn. 1, 33; [X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl., § 1042 Rn. 1) Regelungen zum Ablauf des Schiedsverfahrens entweder eigenständig oder durch Bezugnahme auf eine schiedsrichterliche Verfahrensordnung zu treffen (§§ 1025 ff., insbesondere § 1029 Abs. 1, § 1035 Abs. 1, § 1042 Abs. 3 ZPO). Für den vorliegend nicht gegebenen Fall, dass die Schiedsparteien das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis eigenständig regeln würden, ergäbe sich - mangels Beteiligung Dritter - unzweifelhaft deren Tätigwerden in eigenen Rechtsangelegenheiten. Nichts anderes kann indessen gelten, wenn sich die Parteien - wie hier - kraft vertraglicher Vereinbarung der Dienstleistung einer dritten Person oder Organisation bedienen, die das Schiedsverhältnis unter Anwendung einer ihrerseits zur Verfügung gestellten schiedsrichterlichen Verfahrensordnung administriert. Dass die Auffassung, das Schiedsverfahren werde durch die Beauftragung des [X.] zu dessen Rechtsangelegenheit, nicht zutreffen kann, folgt bereits aus der Möglichkeit der Schiedsparteien, die vertragliche Beauftragung des [X.] durch Kündigung oder gemäß § 1056 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sogar das gesamte Schiedsverfahren jederzeit wieder zu beenden.

b) Die auf Verfahrensfragen bezogene juristische Betreuung eines Schiedsverfahrens durch einen Case Manager der [X.]  betrifft ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung vom 10. Dezember 2018 neben anderem etwa die Auslegung von Normen der [X.] betreffend Formen und Fristen. Dass die aus dem jeweiligen Auslegungsergebnis abzuleitenden Rechtsfolgen unmittelbar die Parteien des Schiedsverfahrens und nicht die [X.]  treffen, liegt auf der Hand. Nichts anderes gilt, sofern sich der Beigeladene - wie es bei seiner Anhörung in der Verhandlung vor dem Senat angeklungen ist - auch zu den sich im Schiedsverfahren stellenden materiellen Rechtsfragen äußert.

c) Irrelevant ist, dass die [X.]  zur Betreuung des Schiedsverfahrens durch den [X.] schuldrechtlich verpflichtet ist. Die schuldrechtliche Übernahme einer Dienstleistungsverpflichtung macht die Erbringung der Dienstleistung nicht zu einer Rechtsangelegenheit der Arbeitgeberin (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, aaO Rn. 29 ff.; Senatsurteile vom 3. Februar 2020 - [X.] ([X.]) 71/18, aaO Rn. 12; vom 7. Dezember 2020 - [X.] ([X.]) 11/20, aaO Rn. 19; jeweils mwN).

Da der Beigeladene somit auch in Rechtsangelegenheiten der Kunden seiner Arbeitgeberin tätig ist, ist ihm die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu versagen. Auf den Umfang dieser Tätigkeit kommt es nicht an, wie der Senat mit Urteil vom 22. Juni 2020 ([X.] ([X.]) 23/19, [X.]Z 226, 170 Rn. 24) entschieden hat.

3. Dass der Gesetzgeber die einschlägigen Regelungen des § 46 [X.] durch das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 7. Juli 2021 ([X.], 2363) verschiedenen Änderungen zugeführt hat, ist unerheblich. Die Änderungen treten erst zum 1. August 2022 in [X.]. Anlass, das bisherige Recht im Sinne der Neuregelung auszulegen, besteht nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Grupp     

      

Paul     

      

Grüneberg

      

Schmittmann     

      

Niggemeyer-Müller     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 46/21

13.05.2022

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 27. August 2021, Az: 1 AGH 14/19, Urteil

§ 46 Abs 1 S 1 Nr 3 BRAO, § 46 Abs 5 S 1 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.05.2022, Az. AnwZ (Brfg) 46/21 (REWIS RS 2022, 4493)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4493

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