Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.10.2021, Az. AnwZ (Brfg) 59/19

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2021, 1447

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Gegenstand

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt in einem Versicherungsmaklerunternehmen: Voraussetzung der Beratungstätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers


Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das ihr an [X.] statt am 3. September 2019 zugestellte Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs [X.] abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 20. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2019 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

1

Die Beigeladene ist aufgrund Arbeitsvertrags vom 27. Juni 2018 seit dem 1. Oktober 2018 bei der              [X.] (im Folgenden: Arbeitgeberin), einer Versicherungsmaklerin, tätig.

2

Im Schwerpunkt ist sie zum einen damit befasst, für ihre Arbeitgeberin Versicherungsbedingungen zu entwerfen, die im Interesse eines attraktiven Produktportfolios den Kunden der Arbeitgeberin angeboten werden können, und diese mit Versicherern zu verhandeln (sog. Maklerwording). Zum anderen verhandelt sie für ihre Arbeitgeberin sog. Rahmenvereinbarungen mit Versicherern, die neben Regelungen zu Anwendungsbereichen der Klauselwerke (etwa Betriebsarten, für die die Versicherungsbedingungen Anwendung finden, oder Versicherungssummen) Bestimmungen über Aufgabenbereiche von Versicherer und Arbeitgeberin (etwa zum Beschwerdemanagement) oder Vereinbarungen über die Exklusivität der Klauselwerke enthalten. Aufgrund der Höhe der Versicherungssummen ist es gegebenenfalls erforderlich, mit weiteren Versicherungen über eine Beteiligung zu verhandeln.

3

Zu den Aufgaben der Beigeladenen gehören ferner die hausinterne Beratung in Bezug auf die Gestaltung von Versicherungsverträgen - etwa zur Einbeziehung von Drittunternehmen in den Versicherungsschutz, in Einzelfällen die Gegenüberstellung von Versicherungsbedingungen eines Kunden mit anderen Klauselwerken oder die Überprüfung der verwendeten Klauselwerke im Hinblick auf eine mögliche Anpassung an gewandelte Risiken. Nach den Bekundungen der Beigeladenen kam es in ihrer Abteilung zwischen Oktober 2018 und Januar 2021 in 22 Fällen zu derartigen Überprüfungen; fünf davon führte sie persönlich durch. In jedem der Fälle verblieb die anschließende Beratung des Kunden über die für ihn günstigste Variante beim Kundenberater.

4

Der nicht-anwaltliche versicherungstechnische und administrative Tätigkeitsanteil der Beigeladenen beträgt 10 %.

5

Die Beklagte ließ die Beigeladene mit Bescheid vom 20. September 2018 als Syndikusrechtsanwältin zu. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Bescheid vom 17. Januar 2019 zurück.

6

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beigeladene sei prägend in Rechtsangelegenheiten der Kunden ihrer Arbeitgeberin tätig; das Tatbestandsmerkmal des § 46 Abs. 5 [X.] sei daher nicht erfüllt.

7

Sie hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2019 aufzuheben.

8

Die Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.

Der [X.] hat die Klage aufgrund der im Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführten Anhörung abgewiesen, da die Beigeladene selbst keinen Kundenkontakt habe; dieser werde durch Kundenbetreuer wahrgenommen. Die abstrakt und ohne konkreten Kundenbezug erfolgende Verhandlung der Versicherungsbedingungen sowie die Verhandlung der vermittlungsrechtlichen Vereinbarungen zwischen Versicherern und Arbeitgeberin der Beigeladenen stellten Rechtsangelegenheiten der Arbeitgeberin dar. [X.] könne, ob die Beigeladene gelegentlich ein an sie von Kundenberatern [X.] Rechtsproblem eines einzelnen Kunden löse und ob diese Tätigkeit als Rechtsangelegenheit der Arbeitgeberin zu qualifizieren sei; denn diese Tätigkeit präge nicht. Der rechtliche Maßstab der Prägung gelte nicht nur im Rahmen des § 46 Abs. 3 [X.], sondern auch bei Anwendung des § 46 Abs. 5 [X.].

In ihrer vom Senat zugelassenen Berufung bezweifelt die Klägerin angesichts der Tätigkeitsbeschreibung in der Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 27. Juni 2018, auf die Bezug genommen wird, dass die Beigeladene Kunden nicht unmittelbar berate. Außerdem macht sie geltend, die Verhandlung von Versicherungsbedingungen stelle eine Kundenangelegenheit dar. Sie ist ferner der Auffassung, angesichts des Wortlauts des § 46 Abs. 5 [X.] sei jedwede Tätigkeit in Kundenangelegenheiten syndikusschädlich.

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des [X.]s [X.] vom 3. September 2019 - [X.] 6/19 II - den Bescheid der [X.] vom 20. September 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.

Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

Ergänzend wird auf das Urteil des [X.]s, die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2021 Bezug genommen, zudem auf die Befragung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

Entscheidungsgründe

Die statthafte (§ 112e Satz 1 [X.]) und auch im Übrigen zulässige (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 5 und Abs. 6 VwGO) Berufung hat Erfolg und führt zur Aufhebung der erteilten Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin, da die Zulassung die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I.

Jedenfalls im Bereich der hausinternen Beratung und Überprüfung in Bezug auf die Gestaltung von Versicherungsverträgen von Kunden wird die Beigeladene in Angelegenheiten von Kunden ihrer Arbeitgeberin und nicht in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin tätig; es fehlt somit - unabhängig von der Frage der rechtlichen Einordnung des [X.] - an der Erfüllung der tatbestandlichen Anforderungen des § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 46 Abs. 5 Satz 1 [X.]. Letztgenannte Vorschrift beschränkt die Befugnis des [X.] auf eine Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers.

1. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass es sich bei § 46 Abs. 5 [X.] um ein echtes Tatbestandsmerkmal, nicht nur um eine Beschränkung des zulässigen Tätigkeitsfeldes nach erteilter Zulassung handelt (Senatsbeschlüsse vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, NJW 2019, 3453 Rn. 24; vom 9. November 2020 - [X.] ([X.]) 60/19, juris Rn. 11; Senatsurteil vom 3. Februar 2020 - [X.] ([X.]) 71/18, NJW-RR 2020, 443 Rn. 10; jeweils mwN).

2. Ob die Beigeladene in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin tätig wird oder in Angelegenheiten der Kunden ihrer Arbeitgeberin, bestimmt sich nach dem objektiven Inhalt der Tätigkeit der Beigeladenen, nicht nach ihrem Erscheinungsbild nach außen (Senatsurteil vom 7. Dezember 2020 - [X.] ([X.]) 11/20, NJW-RR 2021, 246 Rn. 27; vgl. auch Senatsurteile vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 23 zum Versagungsgrund nach § 7 Nr. 8, § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]; vom 9. März 2020 - [X.] ([X.]) 1/18, juris Rn. 16 f.). Daher ist nicht maßgeblich, ob die Beigeladene ihre Tätigkeit unmittelbar gegenüber Kunden erbringt oder ob sie ihre Arbeitsleistung ausschließlich gegenüber dem Arbeitgeber erbringt, der dann über eine Weitergabe des Inhalts der Arbeitsleistung an Kunden entscheidet.

a) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 46 Abs. 5 Satz 1 [X.], der die Befugnis des [X.] nicht nur hinsichtlich der „Vertretung“ (also im Außenverhältnis des Arbeitgebers zu Dritten), sondern auch hinsichtlich der „Beratung“ (also im Innenverhältnis zum Arbeitgeber) auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt.

b) Die Gegenansicht würde in systematischer Hinsicht zu einem Wertungswiderspruch zu § 46 Abs. 3 Nr. 4 [X.] („Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten“) führen, wenn man im Rahmen der Zulassungsentscheidung als anwaltliche Tätigkeit für den Arbeitgeber (§ 46 Abs. 2 Satz 1 [X.]) eine Tätigkeit berücksichtigte, die - um den Anforderungen des § 46 Abs. 5 [X.] zu genügen - zwingend auf den Innenbereich beschränkt bleiben müsste.

c) Auch der Schutzzweck des § 46 Abs. 5 [X.] spricht für die hiesige Sichtweise: Die Norm will verhindern, dass die Syndikustätigkeit entgegen dem Bestreben des Gesetzgebers, den Syndikus auf die Beratung des Arbeitgebers zu beschränken, entgrenzt wird; genau dies geschähe aber, wenn die Zulassungsfähigkeit nur davon abhinge, ob der Syndikus selbst im Außenverhältnis auftritt oder ob ein Mitarbeiter, etwa ein Vertriebsmitarbeiter oder Kundenberater, zwischen ihn und den Kunden der Arbeitgeberin geschaltet wird. Über die Zwischenschaltung eigener Mitarbeiter würde mittelbar eine Beratung Dritter in deren Angelegenheiten durch angestellte [X.] ermöglicht, ohne dass deren Arbeitgeber standesrechtlich gebunden wären; ebenso würde bezüglich der Dienstleistungen für Dritte das - zwar umstrittene, aber geltende - Fremdkapital- bzw. Fremdbesitzverbot aus § 59e Abs. 1 [X.] unterlaufen (Senatsbeschluss vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, aaO Rn. 30; Senatsurteil vom 7. Dezember 2020 - [X.] ([X.]) 11/20, aaO Rn. 28).

3. Soweit die Beigeladene aufgrund der Einschaltung durch Kundenberater mit der Analyse konkreter Versicherungsverträge befasst ist, solche Verträge etwa daraufhin untersucht, welche Rechtsfolgen sich aus ihnen im Vergleich zu den Rechtsfolgen bei Zugrundelegung alternativer Versicherungsbedingungen ergeben, handelt es sich um eine Kundenangelegenheit. Die Analyse betrifft die Beratung zu einem Versicherungsvertrag, dessen Vertragspartner der Versicherer und der Kunde der Arbeitgeberin der Beigeladenen (als Versicherungsnehmer), nicht aber die Arbeitgeberin der Beigeladenen sind, dessen Rechte und Pflichten folglich auch nicht die Arbeitgeberin der Beigeladenen treffen, und damit eine maklerfremde Angelegenheit. Dass die aufgrund der Analyse der Beigeladenen erfolgende abschließende Beratung darüber, welcher Versicherungsvertrag für den konkreten Kunden am besten passt, dem Kundenberater obliegt, ändert an der Zuordnung der Tätigkeit auch der Beigeladenen zu den Angelegenheiten des Kunden der Arbeitgeberin nichts.

Irrelevant ist, dass die Arbeitgeberin zu einer solchen Beratung schuldrechtlich verpflichtet ist. Die schuldrechtliche Übernahme einer Dienstleistungs- und Beratungsverpflichtung macht aus dem oben unter 2.c genannten Grund die Erbringung dieser Dienstleistung nicht zu einer Rechtsangelegenheit der Arbeitgeberin (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, aaO Rn. 29 ff.; Senatsurteile vom 3. Februar 2020 - [X.] ([X.]) 71/18, aaO Rn. 12; vom 7. Dezember 2020 - [X.] ([X.]) 11/20, aaO Rn. 19; jeweils mwN).

4. Dasselbe gilt, soweit die Beigeladene ihre Tätigkeit abstrakt ohne konkreten Kundenbezug erbringt, sie etwa die rechtlichen Möglichkeiten der Einbeziehung von Drittunternehmen in den Versicherungsschutz analysiert (je nach gewählter Fallgestaltung ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen hinsichtlich Prämienzahlungspflicht, Zurechnung oder im Schadensfall) oder sie ermittelt, für welche Risiken Versicherungsbedarf besteht und inwieweit die von ihrer Arbeitgeberin verwendeten Versicherungsverträge diesem Bedarf Rechnung tragen oder änderungsbedürftig sind. Ihre Ergebnisse stellt sie den Mitarbeitern ihrer Arbeitgeberin zur Verfügung, die auf dieser abstrakten Basis die konkrete Kundenberatung vornehmen.

Auch wenn die Tätigkeit der Beigeladenen insoweit noch ohne Bezug zu konkreten Kunden erfolgt und auch nicht von einem Kundenberater initiiert ist, handelt es sich hierbei lediglich um eine notwendige Vorarbeit für die von der Arbeitgeberin geschuldete Beratungsleistung gegenüber konkreten Kunden hinsichtlich konkreter Versicherungsverträge zwischen diesen Kunden und Versicherern. Letztlich handelt sich um die Vorverlagerung eines Teils des Beratungsvorgangs zu einem Vertragsverhältnis ohne Maklerbeteiligung auf die Beigeladene als Zentralstelle.

Da die Beigeladene somit auch in Rechtsangelegenheiten der Kunden ihrer Arbeitgeberin rechtsberatend tätig ist, ist ihr die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin zu versagen. Auf den Umfang dieser Tätigkeit kommt es grundsätzlich nicht an, wie der Senat mit Urteil vom 22. Juni 2020 ([X.] ([X.]) 23/19, [X.], 170 Rn. 24) entschieden hat.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Grupp     

      

Paul     

      

Ettl   

      

Schäfer     

      

Lauer     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 59/19

29.10.2021

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 20. Mai 2020, Az: AnwZ (Brfg) 59/19, Beschluss

§ 46 Abs 5 BRAO, § 46a BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.10.2021, Az. AnwZ (Brfg) 59/19 (REWIS RS 2021, 1447)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1447

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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