Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2020, Az. AnwZ (Brfg) 81/18

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2020, 1856

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Gegenstand

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt: Zulassungsversagung wegen hoheitlicher Tätigkeit im öffentlichen Dienst


Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31. August 2018 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] aufgehoben.

Der Zulassungsbescheid der Beklagten vom 17. August 2017 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.

Tatbestand

1

Die Beigeladene ist seit dem 3. Mai 1995 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seit dem 8. Oktober 2002 war sie "als Juristin" bei der Z.            angestellt. Mit dreiseitigem [X.] wurde das Arbeitsverhältnis auf die S.                            (fortan: Arbeitgeberin) übergeleitet. Unter dem 18. März 2016 beantragte die Beigeladene die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Dem Antrag war eine Tätigkeitsbeschreibung vom 17. März 2016 beigefügt. Am 30. Mai 2016 schloss die Beigeladene mit ihrer Arbeitgeberin einen "Anstellungsvertrag als Geschäftsführerin". Nach § 1 Abs. 2 des Vertrages übernahm die Beigeladene neben der Geschäftsführung für ihre Arbeitgeberin auch diejenige "für sämtliche in der Bürogemeinschaft verbundenen Rechtspersonen". Zu dieser Bürogemeinschaft gehörten neben der Arbeitgeberin der Beigeladenen auch die D.                            , die [X.]               , der Förderverein der D.                   und die Bauherrengemeinschaft E.                   . Auf Verlangen ihrer Arbeitgeberin war die Beigeladene verpflichtet, Organtätigkeiten in weiteren verbundenen Organisationen und Unternehmen zu übernehmen. Die Klägerin wurde zum Antrag der Beigeladenen angehört und widersprach einer Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Mit Bescheid der Beklagten vom 17. August 2017 wurde die Beigeladene als Syndikusrechtsanwältin zugelassen.

2

Die Klägerin hat die Zulassung für rechtswidrig gehalten und die Ansicht vertreten, der Zulassungsbescheid sei nicht hinreichend bestimmt. Er lasse nicht erkennen, für welche Tätigkeiten bei welchem Arbeitgeber die Zulassung erteilt worden sei. Zudem berate und vertrete die Beigeladene nicht nur ihre Arbeitgeberin, sondern auch Dritte. Die anwaltliche Tätigkeit präge das Arbeitsverhältnis nicht.

3

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 17. August 2017 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der [X.] hat die Klage abgewiesen.

4

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Frage der Bestimmtheit des Zulassungsbescheides und zur Tätigkeit der Beigeladenen in Angelegenheiten ihrer Arbeitgeberin. Ergänzend verweist sie auf den [X.] nach § 7 Nr. 8 [X.]. Die Arbeitgeberin der Beigeladenen sei als Innung Träger der mittelbaren Staatsverwaltung. Mehrere der Pflichtaufgaben des § 54 Abs. 1 Satz 2 HwO hätten hoheitlichen Charakter, etwa die Regelung und Überwachung der Lehrlingsausbildung, die Errichtung von Gesellenprüfungsausschüssen und die Abnahme der [X.], die Mitwirkung bei der Verwaltung der Berufsschulen, die Erstattung von Gutachten und die Erteilung von Auskünften für Behörden sowie die Durchführung der von der Handwerkskammer erlassenen Vorschriften und Anordnungen. Auch die gütliche Streitbeilegung zwischen Ausbildenden und Lehrlingen durch das Lehrlingsschiedsgericht gemäß § 67 Abs. 3 HwO, § 111 Abs. 2 ArbGG sei hoheitlicher Natur, ebenso die Beitreibung von Beiträgen und Gebühren gemäß § 73 Abs. 4 HwO. Der Beigeladenen als Geschäftsführerin obliege die Organisation und Durchführung der Aufgaben der Innung. Mindestens im Rahmen der laufenden Verwaltung treffe sie die Entscheidungen selbst und setze sie um. Ihren eigenen Angaben zufolge sei sie Vorsitzende des Schlichtungsausschusses für Lehrlingsstreitigkeiten.

5

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des [X.]s [X.] vom 31. August 2018 - 1 [X.] 68/17 - den Bescheid der Beklagten vom 17. August 2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

6

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Ihrer Ansicht nach ist auch die Tätigkeit der Beigeladenen für die [X.] eine solche in Rechtsangelegenheiten der Arbeitgeberin. Die Mitwirkung im Schlichtungsausschuss für Lehrlingsangelegenheiten stelle keine hoheitliche Tätigkeit dar.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

8

Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 [X.] statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5, 6 VwGO). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des angefochtenen Bescheides. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 113 VwGO). Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist gemäß § 46a Abs. 1 Satz 1 [X.] auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 [X.] erfüllt sind, kein [X.] nach § 7 [X.] vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 [X.] entspricht. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen wird nicht, wie § 46 Abs. 3, Abs. 5 [X.] es verlangt, durch anwaltliche Tätigkeiten für ihre Arbeitgeberin geprägt (dazu [X.]). Zudem steht der Zulassung das Zulassungshindernis des § 7 Nr. 8 [X.] entgegen (dazu I[X.]).

[X.]

9

1. Das Arbeitsverhältnis eines [X.] wird durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 [X.] näher beschriebenen anwaltlichen Tätigkeiten geprägt. Die anwaltlichen Tätigkeiten müssen folglich quantitativ und qualitativ den Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses eines [X.]-Bewerbers darstellen. Wie der Senat nach Erlass des Urteils des [X.] entschieden hat ([X.], Urteil vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 63/17, NJW 2019, 3649 Rn. 18; Beschluss vom 9. Januar 2020 - [X.] ([X.]) 11/19, juris Rn. 6), liegt ein Anteil von 65 % anwaltlicher Tätigkeit am unteren Rand des für eine anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses Erforderlichen. Ob es für die Annahme einer Prägung des Arbeitsverhältnisses ausreicht, dass die anwaltlichen Tätigkeiten für den Arbeitgeber mehr als die Hälfte der insgesamt geleisteten Arbeit ausmachen, hat der Senat bisher offengelassen.

2. Bei der Bewertung, ob die anwaltlichen Tätigkeiten gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 [X.] das Arbeitsverhältnis des Bewerbers prägen, können nur solche Tätigkeiten berücksichtigt werden, welche der Bewerber gerade für seinen Arbeitgeber erbringt. § 46 Abs. 2 Satz 1 [X.] verlangt für Angestellte nichtanwaltlicher Arbeitgeber eine anwaltliche Tätigkeit gerade für den Arbeitgeber. Gemäß § 46 Abs. 5 Satz 1 [X.] beschränkt sich die Befugnis des [X.] zur Beratung und Vertretung auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Nach mittlerweile gefestigter Senatsrechtsprechung handelt es sich bei dem Merkmal der anwaltlichen Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers in § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 [X.] um eine tatbestandliche Voraussetzung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, nicht nur um eine Beschränkung des zulässigen Tätigkeitsfeldes nach erteilter Zulassung (vgl. [X.], Urteil vom 2. Juli 2018 - [X.] ([X.]) 49/17, [X.], 2001 Rn. 37 ff.; vom 6. Mai 2019 - [X.] ([X.]) 38/17, NJW-RR 2019, 946 Rn. 12; Beschluss vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, NJW 2019, 3453 Rn. 24; vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/19, juris Rn. 5).

3. Arbeitgeberin der Beigeladenen ist (nur) die S.                       . Nur die für die Arbeitgeberin der Beigeladenen erbrachten Tätigkeiten sind daher geeignet, das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen im Sinne von § 46 [X.] anwaltlich zu prägen. Die für die [X.] und für die übrigen im Arbeitsvertrag der Beigeladenen genannten Rechtspersonen erbrachten Tätigkeiten bleiben entgegen der Ansicht der Beklagten von vornherein außer Betracht (dazu a). Die anwaltlichen Tätigkeiten der Beigeladenen für ihre Arbeitgeberin beanspruchen weniger als die Hälfte der Arbeitszeit der Beigeladenen und prägen ihr Arbeitsverhältnis nicht (dazu b).

a) Die Rechtsangelegenheiten der [X.] gehören nicht zu den Rechtsangelegenheiten der Arbeitgeberin der Beigeladenen. Das gilt unabhängig davon, ob die Arbeitgeberin vertraglich oder gesetzlich verpflichtet ist, sich mit den Rechtsangelegenheiten der [X.] zu befassen (vgl. etwa [X.], Urteil vom 6. Mai 2019 - [X.] ([X.]) 38/17, NJW-RR 2019, 946 Rn. 15 mwN; Beschluss vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, aaO Rn. 30 mwN; Urteil vom 3. Februar 2020 - [X.] ([X.]) 71/18, juris Rn. 12). Die Tätigkeit der Beigeladenen fällt insoweit auch nicht unter eine der Ausnahmen in § 46 Abs. 5 Satz 2 [X.]. Diese Ausnahmetatbestände sind eng auszulegen. Sie sind nicht analogiefähig ([X.], Urteil vom 2. Juli 2018 - [X.] ([X.]) 49/17, aaO Rn. 58 ff.; vom 6. Mai 2019 - [X.] ([X.]) 38/17, aaO Rn. 16; Beschluss vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, aaO Rn. 41; Beschluss vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/19, aaO Rn. 7). Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. Weder aus der Bundesrechtsanwaltsordnung noch aus den Gesetzesmaterialien zu den §§ 46 ff. [X.] (BT-Drucks. 18/5201, [X.] f. zu § 46 Abs. 5 [X.]-E) ergibt sich ein Regelungsplan des Gesetzgebers, nach welchem eine Drittberatung in anderen als den in § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 [X.] genannten Fällen eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers darstellen soll. Der Gesetzgeber wollte ausschließlich in den in § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 [X.] genannten besonderen Fällen der Drittberatung eine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers sehen ([X.], Urteil vom 6. Mai 2019 - [X.] ([X.]) 38/17, aaO).

b) Die Beigeladene wendet ihren eigenen Angaben zufolge etwa 60 % ihrer Arbeitszeit für ihre Arbeitgeberin auf. Die restlichen 40 % entfallen auf Tätigkeiten für die [X.]. Für ihre Arbeitgeberin ist die Beigeladene - ebenso wie für die [X.] - aber nicht ausschließlich anwaltlich tätig. Bei ihrer Anhörung vor dem [X.] hat die Beigeladene erklärt, das Bau- und das Arbeitsrecht nehme etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit in Anspruch, das Inkasso weitere 5 bis 10%. Weitere 10 % entfielen auf Fragen der Handwerksordnung. Die Information der Mitglieder einschließlich der Abhaltung von Seminaren umfasse 20 % der Arbeitszeit. Weitere 10 % entfielen auf ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin. Der [X.] hat hieraus den Schluss gezogen, dass immerhin 54 % der Gesamtarbeitszeit der Beigeladenen auf anwaltliche Tätigkeiten für ihre Arbeitgeberin entfielen, und hat diesen Prozentsatz für ausreichend gehalten. [X.] sind jedoch nicht nur die 10 %, welche die Geschäftsführung in Anspruch nimmt, sondern auch die 20 %, die auf die Abhaltung von Seminaren entfallen. Wie der Senat nach Erlass des Urteils des [X.] entschieden hat, stellen [X.] ohne konkreten Fallbezug keine anwaltlichen Tätigkeiten dar. Bei ihnen handelt es sich nicht um Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 2 [X.], also nicht um Tätigkeiten in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern und grundsätzlich den Rechtsanwälten vorbehalten sind ([X.], Beschluss vom 6. Februar 2020 - [X.] ([X.]) 64/19, juris Rn. 12 mwN). Anwaltliche Tätigkeiten für den Arbeitgeber, die weniger als die Hälfte der Arbeitszeit des Bewerbers ausmachen, prägen das Arbeitsverhältnis nicht.

4. Ob jegliche anwaltliche Tätigkeit für Dritte eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausschließt, bedarf hier keiner Entscheidung.

I[X.]

Einer Zulassung der Beigeladenen steht zudem das Zulassungshindernis des § 7 Nr. 8 [X.] entgegen.

1. Gemäß § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 7 Nr. 8 [X.] ist die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu versagen, wenn der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des [X.], insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann.

a) Nach zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung des Senats kann das Zulassungshindernis des § 7 Nr. 8 [X.] einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegenstehen (vgl. [X.], Urteil vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 16 mwN). Eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist zwar nicht von vornherein mit einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt unvereinbar. Es ist jedoch jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die ausgeübte Tätigkeit im öffentlichen Dienst einer Zulassung entgegensteht, ob also die Belange der Rechtspflege durch die Zulassung gefährdet sind ([X.], Urteil vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/18, aaO Rn. 17 mwN). Bei dieser Prüfung sind die Besonderheiten der anwaltlichen Tätigkeit des [X.] nach §§ 46 f. [X.] zu berücksichtigen ([X.], Urteil vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/18, aaO Rn. 18 ff. mwN).

b) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtspflege im Sinne von § 7 Nr. 8 [X.] und damit ein Ausschluss der Zulassung ergibt sich hierbei insbesondere dann, wenn der Antragsteller am Erlass hoheitlicher Maßnahmen mit Entscheidungsbefugnis beteiligt ist. Mit einer Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege ist eine solche hoheitliche Tätigkeit nicht vereinbar. Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse ist den staatlichen Organen als solchen vorbehalten. Derjenige, der hoheitlich tätig wird, nimmt spezifische Staatsfunktionen wahr und ist deutlich enger in die Staatshierarchie eingebunden als nicht hoheitlich tätige Angestellte des öffentlichen Dienstes. Der hoheitlich tätige Angestellte handelt - auch aus Sicht der Rechtsuchenden - gleichsam als Staat im Rahmen der der staatlichen Stelle zukommenden Hoheitsgewalt, nicht jedoch als Berater oder Vertreter seines Arbeitgebers und damit nicht als unabhängiges Organ der Rechtspflege ([X.], Urteil vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/18, aaO Rn. 21).

c) Auf den Umfang der hoheitlichen Tätigkeit des Antragstellers kommt es hierbei nicht entscheidend an. Insbesondere muss die hoheitliche Tätigkeit nicht den Schwerpunkt der Gesamttätigkeit darstellen. Der [X.] des § 7 Nr. 8 [X.] stellt nicht auf den Schwerpunkt der Tätigkeit ab, sondern nur darauf, ob zu dem Tätigkeitsfeld des Antragstellers Aufgaben gehören, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts unvereinbar sind ([X.], Urteil vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/18, aaO Rn. 22). Nicht entscheidend ist auch, ob der Antragsteller nach außen hin als Entscheidungsträger in Erscheinung tritt oder als solcher zu erkennen ist. Nicht das äußere Erscheinungsbild ist maßgeblich, sondern der objektive Inhalt der Tätigkeit, mithin die tatsächlich bestehende Entscheidungsbefugnis. Die Unvereinbarkeit folgt nicht aus dem äußeren Erscheinungsbild, sondern aus der Tätigkeit als solcher. Eine Zulassung scheidet demnach insbesondere dann aus, wenn die hoheitlichen Maßnahmen innerhalb der Organisationseinheit getroffen werden, welcher der Antragsteller angehört, und wenn der Antragsteller hieran mit Entscheidungskompetenz beteiligt ist ([X.], Urteil vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/18, aaO Rn. 23). Fungiert der Antragsteller dagegen lediglich als rechtliche Prüfstelle, ohne weisungsbefugt zu sein, ist eine Zulassung nicht nach § 7 Nr. 8 [X.] ausgeschlossen ([X.], Urteil vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/18, aaO mwN).

2. Jedenfalls im Rahmen ihrer Tätigkeit als Vorsitzende (oder stellvertretende Vorsitzende) des bei ihrer Arbeitgeberin eingerichteten [X.] wird die Beigeladene hoheitlich tätig.

a) Die Einrichtung von Ausschüssen zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Lehrlingen (Auszubildenden) ist in § 111 Abs. 2 Satz 1 ArbGG und in § 67 Abs. 3 HwO geregelt. Zuständig ist die Handwerksinnung. Der von ihr eingerichtete Ausschuss ist für alle Berufsausbildungsverhältnisse der in ihr vertretenen Handwerke ihres Bezirks zuständig (§ 67 Abs. 3 Satz 1 HwO). Dem Ausschuss müssen in gleicher Zahl Arbeitgeber und Arbeitnehmer angehören (§ 111 Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Die Verhandlung vor dem Ausschuss ist unverzichtbare Prozessvoraussetzung für eine Klage vor dem Arbeitsgericht (§ 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG; vgl. [X.] NZA 1990, 395; [X.] [X.] 2015, 628 Rn. 14 mwN). Einzelheiten des Verfahrens vor dem Schlichtungsausschuss ergeben sich aus einer von der zuständigen Handwerkskammer zu erlassenden Verfahrensordnung (§ 67 Abs. 3 Satz 2 HwO).

Die von der Handwerkskammer     erlassene Verfahrensordnung sieht u.a. vor, dass der Ausschuss von einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern - einem Innungsmitglied und einem Gesellen - besetzt ist (§ 1). Der Ausschuss entscheidet über Streitigkeiten aus dem Ausbildungsverhältnis, über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Ausbildungsverhältnisses und über Streitigkeiten aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Ausbildungsverhältnis im Zusammenhang stehen (§ 2). Der Vorsitzende leitet die Sitzungen. Ihm obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Sitzungen (§ 3). Der Ausschuss wird nur auf Antrag eines Auszubildenden oder eines Ausbilders tätig (§ 5). Der Vorsitzende setzt den Termin für die mündliche Verhandlung fest (§ 7). Die Verhandlung kann durch eine gütliche Einigung der Beteiligten, durch einen Spruch des Ausschusses, durch die Feststellung des Ausschusses, dass weder eine Einigung noch ein Spruch möglich war, oder durch einen [X.] abgeschlossen werden (§ 13). Spruch und [X.] werden nur wirksam, wenn sie von den Beteiligten anerkannt werden (§ 20 Abs. 1). Ein anerkannter Spruch hat die Rechtskraft eines Urteils (§ 20 Abs. 3). Aus Vergleichen und aus anerkannten Sprüchen findet die Zwangsvollstreckung statt, wenn der Vergleich oder der Spruch vom zuständigen Arbeitsgericht für vollstreckbar erklärt worden ist (§ 21).

b) Die Tätigkeit des [X.] zwischen Ausbildenden und Lehrlingen ist hoheitlicher Natur (vgl. etwa [X.], [X.] 1/2016, 1, 2). Den Verfahrensbeteiligten steht es zwar frei, einen Vergleich zu schließen oder nicht. Ebenso können sie frei entscheiden, ob sie einen Spruch oder [X.] anerkennen oder nicht. [X.] sind vor dem Ausschuss geschlossene Vergleiche sowie Sprüche und Säumnissprüche des Ausschusses nur nach [X.]erklärung durch das zuständige Arbeitsgericht. Gleichwohl handelt es sich bei dem genannten Ausschuss nicht um ein privates Schiedsgericht. Ein privates Schiedsgericht wird aufgrund einer privatautonomen rechtsgeschäftlichen Vereinbarung der Parteien tätig. Für den Ausschuss zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Lehrlingen gilt dies nicht. Seine Zuständigkeit beruht nicht auf einer Vereinbarung der Beteiligten, sondern auf gesetzlicher Anordnung. Ist er eingerichtet worden, muss er angerufen werden, bevor der Zugang zu den staatlichen (Arbeits-) Gerichten eröffnet ist. Das folgt aus § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG. Die Beteiligten haben insofern keine Wahl. Die Verhandlung vor dem Ausschuss ist unverzichtbare Prozessvoraussetzung für eine Klage vor dem Arbeitsgericht (§ 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG; vgl. [X.] NZA 1990, 395; [X.] [X.] 2015, 628 Rn. 14 mwN). Als Mitglied des Schiedsgerichts wird auch die Beigeladene persönlich hoheitlich tätig.

c) Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zum Senatsurteil vom 6. Mai 2019 ([X.] ([X.]) 31/17, NJW-RR 2019, 879 Rn. 23). Im damals entschiedenen Fall ging es um die Tätigkeit im Anhörungsausschuss nach dem [X.] Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung. Dieser Ausschuss trifft keine Entscheidungen, sondern hört die Parteien an, um die Sache sodann mit einem Entscheidungsvorschlag der zuständigen Widerspruchsbehörde vorzulegen. Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist das Anhörungsverfahren nach den §§ 7 bis 12 HessAGVwGO nicht Teil des Vorverfahrens gemäß § 68 VwGO. Ein Verstoß gegen die genannten Bestimmungen führt nicht zur Fehlerhaftigkeit des Vorverfahrens und wirkt sich nicht auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren aus ([X.], NJW 1987, 1096, 1097; NVwZ-RR 2002, 318; [X.], Urteil vom 22. September 2016 - 6 K 564/14.WI, juris Rn. 31). Die Anrufung des [X.] zwischen Ausbildenden und Lehrlingen ist dagegen, wie gesagt, zwingende Prozessvoraussetzung für eine Klage vor den Arbeitsgerichten ([X.] NZA 1990, 395; [X.] 2015, 628 Rn. 14 mwN).

II[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

[X.]     

        

Lohmann     

        

Liebert

        

Wolf     

        

Merk     

        

Meta

AnwZ (Brfg) 81/18

22.06.2020

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 4. Oktober 2019, Az: AnwZ (Brfg) 81/18, Beschluss

§ 7 Nr 8 BRAO, § 46 BRAO, § 46a Abs 1 S 1 Nr 2 BRAO, § 111 Abs 2 S 1 ArbGG, § 67 Abs 3 HwO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2020, Az. AnwZ (Brfg) 81/18 (REWIS RS 2020, 1856)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1856

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