Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.05.2014, Az. V ZR 131/13

5. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5492

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Gegenstand

Wohnungseigentum: Unterlassungsanspruch gegen den Wohnungseigentümer wegen zweckbestimmungswidriger Nutzung eines Dachbodens durch den Nießbraucher


Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer, der an seinem Wohnungseigentum einen Nießbrauch bestellt hat, kann grundsätzlich als mittelbarer Handlungsstörer von den übrigen Wohnungseigentümern auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn der Nießbraucher das Wohnungseigentum in einer Weise nutzt, die mit dem in der Teilungserklärung vereinbarten Zweck unvereinbar ist.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.] - Zivilkammer 18 - vom 24. April 2013 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte ist Mitglied der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Er ist Inhaber des Sondereigentums an der im Dachgeschoss gelegenen Wohnung und an dem darüber liegenden Spitzboden, der in der Teilungserklärung als eine nicht zu Wohnzwecken dienende Räumlichkeit bezeichnet wird. [X.] ließ der Beklagte in dem Spitzboden, der über einen eigenen Zugang verfügt, ein Duschbad, eine Toilette, eine Küche, eine Heizung und Fenster einbauen und stattete diesen Bereich mit einem eigenen Strom- und Wasserzähler aus. Er bestellte zugunsten seiner Eltern ein Nießbrauchsrecht an seinem Sondereigentum sowie seinem Miteigentumsanteil. Die Nießbraucher vermieteten die Wohnung einschließlich Spitzboden von 1985 bis 2009 an Dritte. [X.] schlossen sie zwei gesonderte Mietverträge über die Wohnung und den Spitzboden, die seither als separate Wohneinheiten genutzt werden. Der Antrag des Beklagten, ihm und den Nießbrauchern die Trennung des Spitzbodens von der darunter liegenden Wohnung und dessen eigenständige Vermietung zu gestatten, wurde in der Eigentümerversammlung vom 26. Oktober 2010 abgelehnt. Am 28. März 2011 beschlossen die Eigentümer mehrheitlich, Klage auf Unterlassung der Nutzung des Spitzbodens zu Wohnzwecken zu erheben. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

2

Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, den Spitzbodenbereich als selbständige Wohneinheit separat von seiner Dachgeschosswohnung zu Wohnzwecken zu nutzen oder nutzen zu lassen. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, will er die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.], 632 ff. veröffentlicht ist, bejaht einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 15 Abs. 3 [X.]. Der [X.] sei mittelbarer Handlungsstörer, da er nach § 14 Nr. 2 [X.] verpflichtet sei, auf die Nießbraucher dahingehend einzuwirken, dass eine der in der Teilungserklärung vorgesehenen Zweckbestimmung entgegenstehende Nutzung des [X.] als Wohnraum unterbleibe. Insbesondere stehe nicht fest, dass der [X.] einen gegen ihn gerichteten Unterlassungsanspruch unter keinen Umständen durchsetzen könne. Diesbezügliche Versuche, auf seine Eltern einzuwirken, seien nicht ersichtlich; der [X.] vertrete vielmehr die Auffassung, dass die separate Vermietung des [X.] zulässig sei. Der Anspruch sei nicht verjährt. Insoweit komme es nicht darauf an, ob der Klageantrag – wie es das Amtsgericht angenommen habe - einschränkend dahingehend auszulegen sei, dass er nur auf die Unterlassung der separaten Nutzung des [X.] als Wohnraum gerichtet sei. Selbst wenn allgemein die Nutzung zu Wohnzwecken untersagt werden solle, trete die Verjährung nicht ein, solange die der Zweckbestimmung widersprechende Nutzung fortdauere. Jedenfalls stelle die erneute Vermietung der Räume bei wertender Betrachtung eine Zäsur dar, die zu einem Neubeginn der Verjährung führe und auch eine Verwirkung des Anspruchs ausschließe.

II.

4

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.

5

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der Nutzung des [X.] als selbständige, von der Dachgeschosswohnung unabhängige Wohneinheit; dagegen geht es nicht allgemein um die Nutzung des [X.] zu Wohnzwecken. Denn in diesem Sinne hat das Amtsgericht den Klageantrag – von der Klägerin unwidersprochen – ausgelegt und den [X.] entsprechend gefasst. Das Berufungsgericht hat zwar Zweifel an dieser Auslegung des Klageantrags geäußert, die Berufung des [X.]n aber zurückgewiesen, ohne den (für die Beschwer des [X.]n maßgeblichen) [X.] zu ändern.

6

2. Der danach maßgebliche Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des [X.] als selbständige Wohneinheit gemäß § 1004 Abs. 1 BGB [X.]. § 15 Abs. 3 [X.] ist begründet; die Klägerin kann ihn im eigenen Namen gegen den [X.]n geltend machen, weil sie die Geltendmachung der entsprechenden Individualansprüche der übrigen Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss an sich gezogen hat (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Alt. 2 [X.]).

7

a) Gemäß § 15 Abs. 3 [X.] kann jeder Wohnungseigentümer u.a. einen den Vereinbarungen entsprechenden Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen. Werden die in der Norm genannten Gebrauchsregelungen nicht eingehalten, liegt hierin eine Eigentumsbeeinträchtigung, die Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB ist (vgl. [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl., § 15 Rn. 120). Von Letzterem geht das Berufungsgericht zutreffend aus; die Regelung in der Teilungserklärung, nach der der Spitzboden nicht zu Wohnzwecken dient, sieht es als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter an. Infolgedessen ist die Nutzung eines solchen Raums zu - wie hier - nicht nur vorübergehenden Wohnzwecken nicht gestattet. Allerdings kann sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juni 2011 – [X.], [X.] 2011, 396, 397 mwN). Dies verneint das Berufungsgericht zu Recht. Denn die Wohnanlage erfährt jedenfalls bei einer Vergrößerung um eine weitere Wohneinheit typischerweise eine intensivere Nutzung, mit der eine erhöhte Aus- und Abnutzung verbunden ist (vgl. BayObLG, [X.], 925 f.; [X.], [X.], 873; [X.] 1995, 163, 164, jeweils mwN).

8

b) Ferner hält es rechtlicher Nachprüfung stand, dass das Berufungsgericht den [X.]n als Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB ansieht. Weil die Nießbraucher den Spitzboden als separate Wohnung vermieten, kann der [X.] nur als mittelbarer Handlungsstörer zu der Unterlassung verpflichtet sein. Als solcher wird angesehen, wer die Beeinträchtigung durch einen anderen in adäquater Weise durch seine Willensbetätigung verursacht und in der Lage ist, die unmittelbar auftretende Störung zu verhindern (vgl. Senat, Urteil vom 7. April 2000 – [X.], [X.], 200, 203 f. mwN; Urteil vom 27. Januar 2006 – [X.], [X.], 992 f.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

9

aa) Die Beeinträchtigung wird adäquat durch Willensbetätigung des [X.]n verursacht.

(1) Allerdings liegt der Schwerpunkt seines Verhaltens in einem Unterlassen, weil er gegen das Verhalten der Nießbraucher nicht einschreitet. Im Hinblick auf den unmittelbaren Handlungsstörer ist anerkannt, dass dessen Haftung nur durch ein pflichtwidriges Unterlassen begründet wird (Senat, Urteil vom 1. Dezember 2006 – [X.], [X.], 432 Rn. 9); mit anderen Worten muss den in Anspruch [X.] eine Handlungspflicht treffen (vgl. für den [X.] Senat, Urteil vom 1. Dezember 2006 – [X.], aaO Rn. 17). Dies gilt auch für den mittelbaren Handlungsstörer. Für diesen kann sich eine derartige Handlungspflicht aus der Rechtsstellung als Eigentümer (Senat, Urteil vom 7. April 2000 – [X.], [X.], 200, 204 mwN) oder als Betriebsinhaber (Senat, Urteil vom 30. Oktober 1981 – [X.], NJW 1982, 440 f.) ergeben.

(2) Geht es – wie hier - um das Verhältnis von Wohnungseigentümern untereinander, ist eine spezielle Rechtspflicht zum Handeln in § 14 Nr. 2 [X.] normiert; nach der zweiten Alternative dieser Bestimmung hat jeder Wohnungseigentümer für einen den Vereinbarungen entsprechenden Gebrauch des Sondereigentums durch die Personen zu sorgen, denen er die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile überlassen hat. Hiervon wird auch die Besitzübertragung aufgrund eines Nießbrauchs erfasst (ebenso BeckOK-[X.]/[X.], [X.]. 19, § 14 Rn. 100). Denn vorausgesetzt wird grundsätzlich nur die bewusste Überlassung der Nutzung durch den Eigentümer, ohne dass sich dies auf bestimmte Arten der Nutzungsüberlassung - wie etwa die Vermietung oder Verpachtung - beschränkte. Zweck der Norm ist es nämlich, im Verhältnis der Wohnungseigentümer zueinander die Erfüllung der wechselseitigen Pflichten sicherzustellen (vgl. KG, [X.], 681; Hogenschurz in [X.], [X.], 3. Aufl., § 14 Rn. 15; [X.] in Bärmann, [X.], 12. Auflage, § 14 Rn. 43; [X.] in [X.]/Then, [X.], 2. Aufl., § 14 Rn. 51). Wegen dieser Zielsetzung ist die Bestimmung - entgegen der Ansicht der Revision - unabhängig davon anwendbar, ob der Eigentümer den Nießbrauch bestellt oder ob ihm das Eigentum von vornherein nur unter Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen wird; nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist hier ohnehin ersteres anzunehmen.

bb) Auch ist davon auszugehen, dass der [X.] in der Lage ist, die unmittelbar auftretende Störung zu verhindern. Die Haftung aus § 1004 Abs. 1 BGB scheidet nämlich nur aus, wenn feststeht, dass der Kläger einen ihm zuerkannten Unterlassungsanspruch unter keinen Umständen durchzusetzen vermag; denn zu einer Leistung, die unstreitig nicht möglich ist - oder der der Einwand des § 275 Abs. 3 BGB entgegensteht -, darf niemand verurteilt werden (vgl. Senat, Urteile vom 7. April 2000 – [X.], [X.], 200, 204 f., und vom 21. Juni 1974 – [X.], [X.], 388, 393). Entgegen der Ansicht der Revision liegen diese Voraussetzungen nicht vor.

(1) Soweit nicht – wie hier – ein Nießbraucher, sondern ein Mieter des Wohnungseigentümers unmittelbarer Störer ist, entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass ein gegen den Wohnungseigentümer gerichteter Unterlassungsanspruch nicht an dessen mietvertraglichen Bindungen scheitert. Die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer werden dadurch, dass der in Anspruch genommene Wohnungseigentümer mietvertraglich gebunden ist, weder erweitert noch beschränkt. Vielmehr muss der vermietende Wohnungseigentümer alles in seiner Macht Stehende unternehmen, damit sein Mieter einem berechtigten Unterlassungsbegehren der anderen Eigentümer Folge leistet. Alles weitere kann dem Vollstreckungsverfahren überlassen werden (Senat, Beschluss vom 4. Mai 1995 – [X.], [X.], 329, 335 f. mwN). Selbst bei einem unkündbaren Gebrauchsüberlassungsverhältnis ist es nicht ausgeschlossen, dass sich der Eigentümer mit den Mietern gütlich einigt und sie - erforderlichenfalls unter finanziellen Opfern - zu einer Aufgabe der zu unterlassenden Nutzung veranlasst (vgl. Senat, Urteile vom 7. April 2000 - [X.], [X.], 200, 204 f.; vom 21. Juni 1974 - [X.], [X.], 388, 393 f.; vom 11. November 1966 - [X.], NJW 1967, 246).

(2) Nichts anderes gilt für eine Überlassung aufgrund eines Nießbrauchs. Ebenso wenig wie durch das Eingehen einer langfristigen mietvertraglichen Bindung kann sich der Wohnungseigentümer seinen aus dem [X.] erwachsenden Pflichten durch die Bestellung eines Nießbrauchs entziehen. Das gilt auch, wenn die Nießbraucher das Wohnungseigentum vermietet haben, weil nicht ausgeschlossen ist, dass sie das Mietverhältnis - jedenfalls im [X.] - beenden könnten. Dabei kann hier dahinstehen, ob der Wohnungseigentümer als Besteller des Nießbrauchs seinerseits den Nießbraucher gemäß § 1053 [X.]. § 1036 Abs. 2 BGB auf Unterlassung in Anspruch nehmen könnte. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der [X.] keine Bemühungen unternommen, um die Nießbraucher zu der Beendigung der gesonderten Vermietung des [X.] als selbständige Wohneinheit zu veranlassen; im Gegenteil erachtet er sie selbst für zulässig und macht sich damit die Rechtsposition der Nießbraucher zu eigen. Aus diesem Grund steht schon nicht fest, dass der [X.] die Nießbraucher nicht im [X.] zu der Beendigung der gesonderten Vermietung des [X.] bewegen könnte. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich dies insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Nießbraucher ihrerseits in einem Parallelprozess von der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Denn es steht nicht fest, dass sie auch nach einer Verurteilung des hiesigen [X.]n an ihrer bisherigen Rechtsauffassung festhalten und sich Verhandlungen verschließen werden.

3. Der Anspruch ist schon deshalb nicht verjährt, weil der Spitzboden erstmals aufgrund der Neuvermietung im [X.] als gesonderter Wohnraum genutzt wurde und die Klage bereits im Jahr 2011 erhoben wurde; aus dem gleichen Grund scheidet eine Verwirkung des Anspruchs von vornherein aus. Soweit sich die Revision insoweit auf eine dauerhafte Nutzung zu Wohnzwecken vor dem [X.] stützt, verkennt sie bereits, dass ein darauf bezogener Unterlassungsanspruch nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann                       Czub                       Roth

                    Brückner                   Kazele

Meta

V ZR 131/13

16.05.2014

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Hamburg, 24. April 2013, Az: 318 S 49/12, Urteil

§ 14 Nr 2 WoEigG, § 15 Abs 3 WoEigG, § 1004 Abs 1 BGB, § 1030 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.05.2014, Az. V ZR 131/13 (REWIS RS 2014, 5492)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5492

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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