Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2003, Az. III ZR 269/01

III. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4865

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/01Verkündet am:16. Januar 2003F r e i t a gJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]:ja BGB § 839 [X.] amtshaftungsrechtlichen Schutz des Vertrauens in eine rechtswidrigeBaugenehmigung, bei deren Erwirkung der Bauherr den - objektiv erfolglosen [X.] einer arglistigen Täuschung begangen hat.[X.], Urteil vom 16. Januar 2003 - [X.]/01 -OLG [X.] LG Mainz- 2 -Der III. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 16. Januar 2003 durch [X.] [X.] und die [X.]. [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des beklagten [X.] wird das Urteil des 1. Zi-vilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 31. Oktober 2001im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil desbeklagten [X.] erkannt worden ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts [X.] Mutter des [X.], Frau [X.], ist Eigentümerin des miteinem Wohnhaus bebauten Grundstücks [X.] 23 in [X.] (Flurstück 340/6). Der Kläger beabsichtigte, das vorhandene Wohnhausdurch einen Anbau zu erweitern, der die nach der [X.]bauordnung [X.] Grenzabstände zu den südwestlichen und westlichen Nachbargrund-stücken Flurstücke 340/5 und 340/3 sowie dem nordöstlichen [X.] 3 -stück Flurstück 346/1 nicht einhielt. Die Nachbarin [X.] [X.], die [X.] Flurstücks 346/1, war mit dem Vorhaben des [X.] nicht einverstandenund hatte dies dem Kläger auch ausdrücklich erklärt.Unter dem 12. September 1990 beantragte der Kläger bei der Kreisver-waltung [X.]-B. nach einem vorangegangenen [X.]. Der Lageplan und die Bauzeichnungen trugen [X.] handschriftlichen Vermerke: "Einverständnis der Nachbarn: Flur 1 340/3und 5 sowie Flur 1 346/1". Bei den Flurstücken 340/3 und 5 war die Unterschriftdes Nachbarn beigefügt; bei dem Flurstück 346/1 jedoch nicht diejenige [X.] Frau [X.], sondern der Mutter des [X.]. [X.] B. erteilte am 9. Oktober 1990 ihr Einvernehmen.Dabei wies sie darauf hin, daß die Unterschrift des Nachbarn zu dem Grund-stück Flur 1 Nr. 346/1 nicht von der Grundstückseigentümerin stamme; Frau[X.]sei Eigentümerin des Baugrundstücks.Am 11. Dezember 1990 stellte der Kläger einen Befreiungsantrag, be-treffend die Einhaltung der Abstandsflächen zu den Parzellen 340/3 und 340/5.Er erklärte, hinsichtlich dieser Grundstücke werde teilweise direkt an [X.] angebaut; die Eigentümer seien jedoch mit der Bebauung [X.] und hätten dies durch ihre Unterschrift bestätigt.Daraufhin erteilte die Kreisverwaltung ihm am 17. Dezember 1990 [X.] unter Befreiung von den Vorschriften des § 8 Abs. 6 LBauO.Die Nachbarin [X.] [X.]rügte mit Schriftsatz vom 6. März 1991, sie [X.] ordnungsgemäß am Baugenehmigungsverfahren beteiligt worden, und- 4 -legte mit Schriftsatz vom 19. März 1991 Widerspruch gegen die Baugenehmi-gung ein. Über den Widerspruch wurde der Kläger am 28. März 1991 unter-richtet. Am 5. April 1991 stellte die Nachbarin beim Verwaltungsgericht einenAntrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs; [X.] gelangte am 10. April 1991 zur Kenntnis des [X.]. Dieser [X.] die bereits begonnenen und weit fortgeschrittenen Bauarbeiten ein.Das Verwaltungsgericht gab dem Antrag durch Beschluß vom 7. Mai 1991 statt;die Beschwerde des [X.] blieb erfolglos. Am 18. November 1994 nahm [X.] die Baugenehmigung zurück.Der Kläger verlangt nunmehr von dem beklagten [X.], Abriß-, Rohbau-, Anwalts- und Gerichtskosten. Er trägt vor, die-se Aufwendungen seien ihm entstanden, weil er im berechtigten Vertrauen aufdie erteilte Baugenehmigung mit den Bauarbeiten begonnen habe.Beide Vorinstanzen haben der Klage im wesentlichen stattgegeben, undzwar das Berufungsgericht in Höhe von 119.218,80 DM nebst Zinsen. Mit [X.] verfolgt das beklagte Land seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.[X.] Revision des beklagten [X.] führt, soweit zum Nachteil des [X.] [X.] erkannt worden ist, zur Aufhebung des Berufungsurteils undzur Zurückverweisung der Sache an das [X.] 5 -1.Daß die Baugenehmigung vom 17. Dezember 1990 rechtswidrig war undihre Erteilung eine schuldhafte Amtspflichtverletzung von Amtsträgern des [X.] [X.] gegenüber dem Kläger als einem geschützten Dritten gewesenist, steht im [X.] außer Streit. Es geht nur noch um die Fragen,ob und inwieweit die Baugenehmigung eine Verläßlichkeitsgrundlage für [X.] Kläger getätigten Aufwendungen gebildet hat und ob dem Kläger ein [X.] Verschulden zur Last fällt. Beide Vorinstanzen haben hinsichtlichder noch im Streit befindlichen Schadenspositionen die erste Frage bejaht, diezweite verneint. In beiden Punkten kann ihnen nach dem der revisionsrechtli-chen Beurteilung zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand nicht [X.] ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des [X.], daß ein Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) nur inso-weit in Betracht kommt, als die Baugenehmigung geeignet war, bei dem Klägerein schutzwürdiges Vertrauen dahin zu begründen, daß er, auf sie gestützt, [X.] des Bauvorhabens in Angriff nehmen dürfe (st. Rspr.; vgl. z.B.Senatsurteile [X.]Z 123, 191, 198 [X.].[X.]; Senatsurteil vom 11. [X.] - III ZR 63/00 = NJW 2002, 432, 433 = [X.]Z 149, 50, 53 f). Dies ist nichterst eine Frage des mitwirkenden Verschuldens im Sinne des § 254 BGB, son-dern bereits eine solche der objektiven Reichweite des dem Betroffenen durchdas [X.] gewährten [X.] (Senatsurteil vom11. Oktober 2001 aaO).a) Als Gesichtspunkte, die der Annahme haftungsrechtlich schutzwürdi-gen Vertrauens auf einen (rechtswidrigen) begünstigenden Verwaltungsakt - inbereits den Tatbestand des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließender Weise -- 6 -entgegenstehen können, kommen nicht nur objektive Umstände, sondern auchsubjektive Kenntnisse und sich aufdrängende Erkenntnismöglichkeiten [X.] in Betracht (Senatsurteil [X.]Z 134, 268; Senatsurteil vom [X.] aaO). Derartige Kenntnisse und Erkenntnismöglichkeiten, die eineVertrauensgrundlage bereits tatbestandsmäßig ausschließen, können insbe-sondere dann zu bejahen sein, wenn der betreffende Verwaltungsakt mit [X.] behaftet ist, die seine entschädigungslose Rücknahme rechtfertigen (§ 48Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 VwVfG): wenn der Betroffene den [X.] arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung oder durch Angaben [X.], die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, [X.] er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge groberFahrlässigkeit nicht kannte (Senatsurteil [X.]Z 134, 268, 284; [X.] 11. Oktober 2001 [X.]) Für die revisionsrechtliche Beurteilung muß zugunsten des beklagten[X.] davon ausgegangen werden, daß der Kläger bei der Einreichung [X.] zumindest den Versuch einer arglistigen Täuschung begangenhat, indem er der Baugenehmigungsbehörde vorspiegelte, daß alle [X.] ihre Unterschrift ihr Einverständnis mit dem geplanten Vorhaben erteilthätten. Unstreitig stammte indessen die das Flurstück 346/1 betreffende Unter-schrift gerade nicht von dessen Eigentümerin, sondern von der Mutter des [X.]. Die Grundstückseigentümerin selbst hatte gegenüber dem Kläger ihr [X.] bestimmt und eindeutig verweigert; dies hatte der Kläger sogarin einem seinem Architekten übermittelten Vermerk schriftlich festgehalten.Außerdem war der Kläger durch seinen Architekten nachdrücklich auf das Er-fordernis der Zustimmung aller betroffenen Nachbarn hingewiesen [X.] 7 -c) Dieser Täuschungsversuch war indessen in der Erklärung der [X.]vom 9. Oktober 1990, durch die das gemäß §§ 36, 34 [X.] gemeindliche Einvernehmen erteilt wurde, offengelegt worden.Die Annahme beider Vorinstanzen, der Täuschungsversuch habe im [X.] nicht zum Erfolg geführt, ist daher revisionsrechtlich nicht zu [X.]) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war dieser objektiveFehlschlag des Täuschungsversuchs indessen nicht geeignet, nunmehr beidem Kläger ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der erteilten [X.] zu begründen. [X.] zu dem oben wiedergegebenenGrundsatz, wonach subjektive Kenntnisse und Erkenntnismöglichkeiten [X.] einer Vertrauensgrundlage entgegenstehen können, kommt es [X.] auch für die Heilung einer bereits begangenen arglistigen Täuschung aufdie subjektive Sicht des durch die betreffende Maßnahme [X.] an.Dies bedeutet, daß der Kläger, um sich auf schutzwürdiges Vertrauen berufenzu können, entweder von sich aus die unrichtigen Angaben hätte richtigstellenmüssen oder zumindest positiv Kenntnis davon hätte haben müssen, daß seinebegangene Täuschung sich auf den Erlaß der Maßnahme objektiv nicht [X.] hatte. Dafür trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. [X.] es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen. Ob der [X.] vom 9. Oktober 1990 überhaupt zur Kennt-nis des [X.] gelangt ist, ist nicht dargetan. Der Befreiungsantrag des [X.] vom 11. Dezember 1990 war nicht geeignet, die Täuschung aus der [X.] schaffen. Zwar ist dort lediglich von den Parzellen 340/3 und 340/5 die Re-de, also nicht von der Parzelle 346/1. Gleichwohl wurde auf diese Weise derunzutreffende Eindruck erweckt und bestätigt, daß sämtliche betroffenen Nach-- 8 -barn einverstanden seien. Die bloße Nichterwähnung des Flurstücks 346/1 be-sagte nichts darüber, daß die vorangegangenen Erklärungen des [X.] ihre Wirksamkeit hätten verlieren sollen.e) Dementsprechend läßt der weitere Geschehensablauf zwanglos [X.] zu, daß aus der Sicht des [X.] die Täuschung gerade nicht rich-tiggestellt worden war, sondern im Gegenteil Erfolg gehabt hatte, indem [X.] sich hatte irreführen lassen. Sollte dies die Vorstellung des [X.]gewesen sein, wäre einem schutzwürdigen Vertrauen in die [X.] vornherein jegliche Grundlage entzogen.3.Sollte die somit erforderliche weitere tatrichterliche Aufklärung zu demdem Kläger günstigen Ergebnis führen, daß er auf die Baugenehmigung ver-trauen durfte, so kann die Verurteilung des beklagten [X.] jedenfalls derHöhe nach keinen Bestand haben. Die Revision weist zu Recht darauf hin, daßunter dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens (§ 254 BGB) diejeni-gen Aufwendungen des [X.] möglicherweise nicht ersatzfähig sind, die [X.] Kenntniserlangung vom Widerspruch der Nachbarin (28. März 1991) [X.] hat; die Vorinstanzen wollen demgegenüber auf den 10. April 1991 ab-stellen, als der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung desWiderspruchs dem Kläger bekannt wurde.a) Allerdings kommt, wenn und soweit eine Genehmigung geeignet ist,schutzwürdiges Vertrauen des Adressaten in ihren Bestand zu begründen, die-se Vertrauensgrundlage im Falle der Anfechtung des Bescheids durch Drittenicht ohne weiteres völlig in Wegfall. Jedoch wird ab dem Vorliegen von [X.] grundsätzlich eine größere Eigenverantwortung des Bauherrn- 9 -unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB anzunehmen sein. Ist [X.] Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben, verbunden mit dem Antrag [X.] der aufschiebenden Wirkung, so hat der Bauherr die Mög-lichkeit der Rechtswidrigkeit der ihm erteilten Genehmigung jedenfalls [X.] in Betracht zu ziehen, wenn Anfechtungsgründe vorgebracht werden,deren Richtigkeit nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist. Setzt er [X.] solchen Situation sein Vorhaben entsprechend der Genehmigung fort,ohne die Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache über die Wiederher-stellung der aufschiebenden Wirkung abzuwarten, so nimmt er das in der [X.] liegende Risiko bewußt auf sich (Senatsurteil vom 11. [X.] aaO S. 434 = [X.]Z 149, 50, 55 f m.w.[X.]).b) Aus diesen Grundsätzen kann indessen nicht gefolgert werden, daßeine derartige Risikoüberwälzung auf den Bauherrn stets nur und erst durcheinen Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung begründet wird.Vielmehr sind immer die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu würdigen; die-se Würdigung kann zu dem Ergebnis führen, daß bereits der Widerspruch fürsich allein genommen, ohne Antrag auf aufschiebende Wirkung, dem Bauherrnhinreichenden Anlaß bieten mußte, von weiteren kostenträchtigen Maßnahmenabzusehen. So konnte es hier gelegen haben: Der Widerspruch stammte [X.] von derjenigen Nachbarin, deren Widerstand gegen das Bauvorhaben [X.] klar zutage gelegen und den Kläger zu seinem erfolglosen [X.] veranlaßt hatte. In Verbindung mit den vorangegangenen Be-lehrungen durch seinen Architekten hätten daher bei dem Kläger "die Alarm-glocken läuten" müssen. Ihm hätte spätestens jetzt klar sein müssen, daß [X.] des Bauvorhabens gefährdet war.- 10 -c) Indem der Kläger das Bauvorhaben gleichwohl zunächst weiterführte,hat er daher möglicherweise auf eigenes Risiko gehandelt. Dies betrifft insbe-sondere die in die Zeitspanne zwischen dem 28. März und dem 10. April 1991fallenden kostenträchtigen Aufwendungen für die Herstellung des Rohbaus.4.Das Berufungsurteil kann nach alledem, soweit es zum Nachteil des [X.] [X.] ergangen ist, keinen Bestand haben. Die erforderliche Zurück-verweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, der von der Revisionaufgeworfenen Frage näher nachzugehen, ob die vom Kläger durchgeführtenAbrißarbeiten einer separaten Genehmigung bedurft hätten.[X.][X.][X.][X.]Galke

Meta

III ZR 269/01

16.01.2003

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2003, Az. III ZR 269/01 (REWIS RS 2003, 4865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4865

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