Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2000, Az. III ZR 340/98

III. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 1725

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/98Verkündet am:6. Juli 2000P r e u ßJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:[X.]:[X.] § 839 [X.] Amtspflicht der Bauaufsichtsbehörde, eine Baugenehmigung nur dann zuerteilen, wenn die Zuwegung zu dem Baugrundstück öffentlich-rechtlich (durchBaulast) gesichert ist, nimmt dem Bauherrn nicht das privatrechtliche Risiko ab,daß die Nachbarn die Bewilligung dieser Baulast deswegen verweigern, weildie bestehende Grunddienstbarkeit die beabsichtigte Erweiterung der [X.] abdeckt.[X.], Urteil vom 6. Juli 2000 - [X.]/98 -OLG [X.] LG [X.]- 2 -Der III. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 18. Mai 2000 durch [X.] [X.] und die [X.]. [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des Beklagten wird - unter Zurückweisung [X.] der Klägerin - das Urteil des [X.] desOberlandesgerichts [X.] vom 3. Dezember 1998 imKostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist.Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der [X.] [X.] vom 11. Oktober 1995 weiterabgeändert.Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.Von Rechts wegen- 3 -Tatbestand:Der beklagte Kreis erteilte als Bauaufsichtsbehörde am 19. [X.] der [X.] die Baugenehmigung, auf einem in ihrem Eigentum stehen-den, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück unter Abbruch der vor-handenen Gebäude vier [X.] nebst Stellplätzen zu errich-ten. Das Grundstück wurde durch eine den Nachbarn gehörende private We-geparzelle erschlossen, auf der zu seinen Gunsten eine Grunddienstbarkeit(Geh- und Fahrrecht) lastete; hingegen bestand keine Baulast.Am 21. Dezember 1990 verkaufte die [X.] das Grundstück mit Bau-genehmigung an die Klägerin. Diese begann im Februar 1991 mit der [X.] gemäß dem Bauschein des Beklagten. Am 21. März1991 erwirkten die Grundstücksnachbarn gegen die Klägerin eine einstweiligeVerfügung, durch die ihr untersagt wurde, die auf dem privaten [X.] errichtete und den Weg sichernde Stützmauer zu entfernen. Um den Ab-riß der Stützmauer entbehrlich zu machen, reichte die Klägerin bei dem [X.] eine Bauvoranfrage für eine geänderte Planung zur Errichtung von vierWohneinheiten nebst Tiefgaragen ein. Der Beklagte lehnte diese Voranfragedurch Bescheid vom 3. Dezember 1991 mit der Begründung ab, zur [X.] Erschließung und Zuwegung sei eine Baulast erforderlich. Nach weiterenVerhandlungen mit den Grundstücksnachbarn und Eigentümern der [X.] erreichte die Klägerin am 3. Juni 1993 den Abschluß einer Ver-einbarung, durch die ihr eine Baulast für die Erschließung des Grundstücks [X.] mit drei Wohneinheiten und einer verminderten Wohn- und Nutzflä-che bewilligt wurde. Nachdem die Baulast eingetragen und eine neue Planung- 4 -erstellt worden war, erteilte der Beklagte der Klägerin am 26. November 1993eine entsprechende Baugenehmigung.Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe durch die Erteilungder ursprünglichen Baugenehmigung vom 19. November 1990 eine Amts-pflichtverletzung zu ihren Lasten begangen. Im Vertrauen auf die durch dieseBaugenehmigung ausgewiesene Bebaubarkeit mit vier Wohneinheiten habesie das Grundstück zu einem überhöhten Preis erworben. Außerdem habe sieüberhöhte Maklercourtage und Grunderwerbsteuer gezahlt sowie nutzlose [X.] aufgewendet. Ferner seien ihr durch die verzögerte [X.] in erheblichem Umfang [X.] entstanden.Das [X.] hat der Amtshaftungsklage in Höhe von1.071.858,15 DM nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung des [X.] das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten auf 356.230,82 [X.] Zinsen herabgesetzt. Gegen das Berufungsurteil haben der [X.] und die Klägerin selbständige Anschlußrevision eingelegt. Der [X.] erstrebt volle Klageabweisung, die Klägerin eine Erhöhung der ihr zuge-sprochenen Forderung. Der Senat hat durch Beschluß vom [X.] die Revision des Beklagten in vollem Umfang und die [X.] Klägerin insoweit angenommen, als die Klage in Höhe eines Betrages von183.405,63 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.- 5 -Entscheidungsgründe:Die Revision des Beklagten ist begründet, die Anschlußrevision der Klä-gerin hingegen unbegründet.[X.] Klägerin steht der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch (§ [X.]. Art. 34 GG) gegen den Beklagten nicht zu.1.Allerdings war, wie die Revision selbst einräumt, die [X.] 19. November 1990 rechtswidrig gewesen. Es fehlte an der [X.] (in der damals geltenden Fassung vom 20. [X.] GVBl. [X.]), wonach das Grundstück eine solche öffentlich-rechtlichgesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche [X.], daß der Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsgeräten ohne Schwierig-keiten möglich war. Diese öffentlich-rechtliche Sicherung hätte eine Baulastnach § 109 [X.] erfordert, die aber nicht bestand und von den [X.] verweigert wurde. Außer Streit steht ferner, daß die handelndenAmtsträger des Beklagten insoweit ein [X.] trifft.2.Die Erteilung der solchermaßen rechtswidrigen [X.]war amtspflichtwidrig. Die verletzte Amtspflicht bestand auch zu Gunsten derKlägerin als der Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Antragstellerin; die- 6 -Klägerin war insoweit geschützter "Dritter" i.S. des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB(st. Rspr.; vgl. z.B. Senatsurteil [X.]Z 122, 317, 321; Senatsurteil vom 23.September 1993 - [X.] = NJW 1994, 130).3.War die Baugenehmigung vom 19. November 1990 rechts- und amts-pflichtwidrig, so kann doch die Klägerin den Ersatz nur solcher Schäden ver-langen, deren Ausgleich vom Schutzzweck der verletzten Amtspflicht gedecktist. In solchen Fällen richtet sich, soweit es um öffentlich-rechtliche Genehmi-gungen wie die Baugenehmigung geht, die inhaltliche Bestimmung und sachli-che Begrenzung der Haftung unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks nachdem Vertrauen, das die Maßnahme begründen soll (st. Rspr. vgl. z. B. Senats-urteil [X.]Z 123, 191, 198 [X.].N.; ferner Senatsurteil vom 27. [X.] - [X.] = [X.]R BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Schutzzweck 11).a) Die Baugenehmigung sollte klären, ob das Bauvorhaben den öffent-lich-rechtlichen Vorschriften entsprach bzw. ob dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Hindernisse entgegenstanden. Der Bauherr durfte nicht in die Gefahrgebracht werden, einen vorschriftswidrigen Bau auszuführen, der keinen [X.] haben konnte und unter Umständen wieder beseitigt werden mußte; in-soweit sollte ihm eine verläßliche Grundlage für seine wirtschaftlichen [X.] verschafft werden (Senatsurteil [X.]Z 109, 380, 394 m.w.[X.]) Dementsprechend wurden von dem Schutzzweck der bei der Ertei-lung der Baugenehmigung wahrzunehmenden Pflichten von vornherein solcheNachteile nicht erfaßt, die sich daraus ergaben, daß das Bauvorhaben privateRechte der Nachbarn beeinträchtigte und deshalb nicht verwirklicht werdenkonnte. Dies folgt aus der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 96- 7 -Abs. 7 Satz 1 [X.], wonach die Baugenehmigung unbeschadet der [X.] erteilt wird. Die zivilrechtliche Realisierbarkeit des Vorhabens fiel daherausschließlich in den eigenen Risikobereich der Klägerin und nicht in denjeni-gen der [X.]) Im vorliegenden Fall war die Baugenehmigung trotz ihrer Rechtswid-rigkeit bestandskräftig geworden und geblieben, da der Beklagte sie nicht zu-rückgenommen hatte. Ebenso trifft der Hinweis der Revision zu, daß der Magi-strat der Stadt [X.] nicht berechtigt gewesen war, die sofortige Einstellung [X.] zu verfügen. Der diesbezügliche Bescheid vom 5. April 1991 ent-behrte einer Rechtsgrundlage. Die [X.] selbst war nicht Bauaufsichtsbe-hörde. Eine Einstellungsanordnung wäre daher nur unter den Voraussetzungendes § 102 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 [X.] zulässig gewesen, die [X.] erfüllt waren. Das Scheitern des genehmigten [X.] be-ruhte darauf, daß die im Eigentum der Nachbarn stehende Stützmauer nichtbeseitigt werden durfte. Dieses rein privatrechtliche Hindernis ist der Bauauf-sichtsbehörde nicht anzulasten.d) Die Klägerin hatte dies jedoch zum Anlaß genommen, das Vorhabenso umzuplanen, daß die Mauer nicht beseitigt zu werden brauchte und das Ei-gentum der Nachbarn insoweit nicht tangiert wurde. Der entsprechend geän-derte Bauantrag der Klägerin wurde vom Beklagten ausschließlich mit der [X.] abgelehnt, daß die wegemäßige Erschließung des Grundstücks nichtdurch Baulast gesichert sei. Dies bedeutete, daß der Genehmigungsfähigkeitdes geänderten Vorhabens ein rechtlicher Gesichtspunkt entgegengesetzt [X.], der bereits die Rechtswidrigkeit der [X.] begründethatte und schon zu deren Versagung hätte führen müssen. Es kann indessen- 8 -offenbleiben, ob die [X.] - unbeschadet der privaten Rech-te Dritter - bei der Klägerin ein schutzwürdiges Vertrauen dahin begründethatte, daß dem angestrebten Maß der baulichen Nutzbarkeit auch bei einersolchermaßen geänderten Planung keine öffentlich-rechtlichen Hindernisseentgegenstanden. Ebensowenig bedarf es einer Klärung, ob die Klägerin sichdarauf hatte verlassen dürfen, daß einer Umplanung des Vorhabens, die ledig-lich den berechtigten privaten Belangen der Nachbarn Rechnung tragen wollte,aber die öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen unberührt ließ, mit [X.] jedenfalls keine solchen Hindernisse entgegengesetzt wür-den, die schon bei der [X.] erkennbar und berücksichti-gungsfähig gewesen waren.e) Denn selbst wenn diese Fragen in einem der Klägerin günstigen Sin-ne zu beantworten sein sollten, so wäre damit noch nicht gesagt, daß das ge-änderte Vorhaben tatsächlich realisierbar gewesen wäre. Nach den [X.] tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts war nämlich [X.] zu dem Grundstück der Klägerin privatrechtlich nicht gesichert. [X.] bezog sich zwar nach dem Inhalt der Grundbucheintragungauf ein Geh- und Fahrrecht, ohne daß die Nutzung des herrschenden Grund-stücks auf die Bebauung mit einem Einfamilienhaus beschränkt gewesen wäre.[X.] die Dienstbarkeit somit nach ihrem Wortlaut auch Geh- und Fahrrechtezugunsten mehrerer Wohneinheiten auf dem Grundstück abdecken, so [X.] den örtlichen Verhältnissen nicht zu verkennen, daß sie ursprünglich le-diglich ein Wegerecht zugunsten eines Einfamilienhausgrundstücks gewährlei-stet hatte und gewährleisten sollte. Deswegen waren die Nachbarn [X.] von vornherein verpflichtet, einer Baulast für das von der Klägerin ange-strebte Projekt mit mehreren Wohneinheiten zuzustimmen (vgl. [X.], [X.] 9 -vom 30. September 1994 - [X.] = [X.], 165; Urteil vom 3. Juli 1992- V ZR 203/91 = [X.], 1784). Dies bedeutete, daß das Fehlen der Baulastauf einem Mangel der privatrechtlichen Nutzbarkeit des Grundstücks beruhte.Dieser Mangel fällt jedoch, wie bereits dargelegt, in den Risikobereich der Klä-gerin und nicht in denjenigen der Bauaufsichtsbehörde. Die Amtspflicht [X.], eine Baugenehmigung nur dann zu erteilen, wenn [X.] zu dem Baugrundstück öffentlich-rechtlich (durch Baulast) gesichertist, nimmt dem Bauherrn nicht das privatrechtliche Risiko ab, daß die [X.] Bewilligung dieser Baulast deswegen verweigern, weil die [X.] die beabsichtigte Erweiterung der Nutzung nicht abdeckt.Es wäre Sache der Klägerin gewesen, sich insoweit durch den Vorbehalt vonkaufrechtlichen Mängelgewährleistungsansprüchen gegenüber der [X.]) Deswegen genügt es im vorliegenden Fall für die Haftungsbegründungnicht, daß zwischen der rechtswidrigen Erteilung der Baugenehmigung und denvon der Klägerin getätigten Aufwendungen ein ursächlicher Zusammenhangbesteht. Da das Scheitern des ursprünglich geplanten Projektes auf Gründenberuht, die in den Risikobereich der Klägerin fallen, kann diese sich nicht [X.] darauf berufen, sie hätte ohne die rechtswidrige [X.]vom 19. November 1990 den Erwerb des Grundstücks unterlassen (vgl. [X.] vom 27. Januar 1994 aaO).- 10 -II.1.Da nach alledem ein Amtshaftungsanspruch bereits dem Grunde nachnicht besteht, kann die auf die Anspruchshöhe beschränkte [X.] Klägerin keinen Erfolg haben, ohne daß es auf eine Einzelprüfung der gel-tend gemachten Schadenspositionen noch ankommt.2.Weiterer tatrichterlicher Sachverhaltsaufklärung - und damit einer [X.] an die Vorinstanz - bedarf es nicht; die Sache ist vielmehr imSinne einer Klageabweisung entscheidungsreif.[X.][X.][X.][X.]Dörr

Meta

III ZR 340/98

06.07.2000

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2000, Az. III ZR 340/98 (REWIS RS 2000, 1725)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1725

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