Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.03.2015, Az. IV ZR 128/14

4. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 14553

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Gegenstand

Risikoausschluss in der Kfz-Kaskoversicherung: Begriff "gezogenes Fahrzeug"


Leitsatz

Gezogenes Fahrzeug im Sinne von A.2.3.2 AKB ist auch ein Anhänger.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 26. März 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Kraftfahrt-Vollkaskoversicherung in Anspruch.

2

A.2.3.2 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung ([X.]) bestimmt:

"Versichert sind Unfälle des PKW. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf den PKW einwirkendes Ereignis. Nicht als Unfallschäden gelten insbesondere Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs oder reine Bruchschäden. Dazu zählen z.B. … Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen."

3

Der Kläger hat vorgetragen, während einer Fahrt mit dem versicherten PKW und einem Anhänger sei letzterer beim Rückwärtsfahren kurz stehengeblieben und habe dann unvermittelt nach rechts gedreht. Dabei habe sich der Anhänger in die hintere Seite des PKW gedreht und dessen hinteren rechten Kotflügel eingedrückt. Aufgrund des Stehenbleibens des Anhängers müsse es eine Einwirkung von außen gegeben haben, sei es durch den [X.] oder dergleichen.

4

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.644,29 € nebst Zinsen zu zahlen, und festzustellen, dass die Beklagte ihm alle weiteren Schäden infolge des geltend gemachten Unfallschadens zu ersetzen habe.

5

Die Beklagte meint, der behauptete Verkehrsunfall sei nicht versichert, weil er sich zwischen einem ziehenden und einem gezogenen Fahrzeug im Sinne von A.2.3.2 [X.] ereignet habe.

6

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

8

I. Nach [X.]uffassung des Berufungsgerichts verstößt [X.] [X.] nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 [X.]bs. 1 Satz 2 BGB. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne dieser Bestimmung hinreichend klar entnehmen, dass von diesem [X.]usschluss auch Schäden zwischen ziehendem Kraftfahrzeug und gezogenem [X.]nhänger ohne Einwirkung von außen erfasst sein sollten. Die [X.]usschlussklausel stelle ausdrücklich die Begriffe des "PKW" und des "Fahrzeuges" nebeneinander. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei daher ohne weiteres erkennbar, dass der Begriff des "Fahrzeuges" nicht nur Kraftfahrzeuge meine, das "gezogene Fahrzeug" also auch ein [X.]nhänger sein könne.

9

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat ohne Rechts- und Verfahrensfehler angenommen, dass die Beklagte nach [X.] [X.] leistungsfrei ist.

1. Entgegen der [X.]uffassung der Revision erfasst diese Klausel der [X.], deren [X.]uslegung in der Revisionsinstanz voll überprüfbar ist (vgl. [X.]surteil vom 19. Dezember 2012 - [X.], [X.], 354 Rn. 10), auch einen Schaden zwischen einem Fahrzeug und seinem [X.]nhänger, sofern er ohne Einwirkung von außen verursacht worden ist (so ausdrücklich [X.] r+s 2012, 68, 69; [X.] ZfS 2014, 578; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. [X.] 2008 [X.] Rn. 15; ebenso [X.] NJW-RR 2007, 829; OLG Stuttgart r+s 2007, 238, 239; [X.]/[X.]/[X.]/Stomper, [X.]-Kommentar [X.] 2008 [X.] Rn. 703; MünchKomm-VVG/[X.], [X.] Rn. 240; Stiefel/[X.]/[X.], Kraftfahrtversicherung 18. [X.]ufl. [X.] 2008 [X.] Rn. 58 f.; a.[X.]. LG Essen r+s 2006, 65, 66).

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass [X.]llgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (st. Rspr., unter anderem [X.]surteil vom 19. Dezember 2012 aaO Rn. 11).

b) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer der Klausel unter [X.] [X.] klar entnehmen, dass dieser [X.]usschluss auch Schäden zwischen einem Kraftfahrzeug und einem von diesem gezogenen [X.]nhänger betrifft. Dabei versteht er den Begriff "Fahrzeug" als Oberbegriff, der [X.]nhänger unabhängig davon umfasst, ob sie über einen eigenen [X.]ntrieb verfügen. [X.]nders als die Revision meint, sieht ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer als Fahrzeug nicht nur etwas an, das "aktiv fahren" kann. Ein solches Verständnis entspricht nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch, den ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei der [X.]uslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen zugrunde legt. Er wird unter einem Fahrzeug allgemein jeden zur Fortbewegung geeigneten Gegenstand verstehen. [X.]ls "gezogenes Fahrzeug" im Sinne von [X.] [X.] wird er auch einen [X.]nhänger ansehen, der von einem anderen, dem "ziehenden" Fahrzeug bewegt wird. Dass das gezogene Fahrzeug über einen eigenen [X.]ntrieb verfügen muss, kann der Versicherungsnehmer der Klausel nicht entnehmen. Dieses Verständnis entspricht auch dem Sprachgebrauch des § 2 Nr. 3 Fahrzeug-Zulassungsverordnung. Danach sind im Sinne dieser Verordnung "Fahrzeuge: Kraftfahrzeuge und ihre [X.]nhänger".

Dementsprechend hat der [X.] ohne weiteres (Wohn-)[X.]nhänger als Fahrzeuge im Sinne vergleichbarer Klauseln angesehen ([X.]surteile vom 19. Dezember 2012 aaO Rn. 12; vom 6. März 1996 - [X.], [X.], 622 unter 3 b). Weiterhin hat er eine Zugmaschine und einen [X.]nhänger als ein "aus beiden Fahrzeugen gebildetes Gespann" bezeichnet ([X.]surteil vom 27. Oktober 2010 - [X.], [X.], 211 Rn. 9).

c) In der dargestellten [X.]uslegung verstößt [X.] 2.3.2 nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 [X.]bs. 1 Satz 2 BGB, wie das Berufungsgericht richtig angenommen hat. Hiernach ist der Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Bei einer den Versicherungsschutz einschränkenden [X.]usschlussklausel muss der Versicherungsnehmer den danach noch bestehenden Umfang der Versicherung erkennen können ([X.]surteil vom 11. September 2013 - [X.], [X.], 1397 Rn. 12 m.w.N.).

Dem wird die fragliche Klausel gerecht. Sie macht dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass ein Schaden zwischen einem Zugfahrzeug und einem [X.]nhänger nur versichert ist, wenn er durch eine Einwirkung von außen, die nicht von einem der beiden Fahrzeuge ausgeht, verursacht worden ist (vgl. [X.]surteil vom 19. Dezember 2012 aaO Rn. 13).

2. Im Ergebnis rechts- und verfahrensfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Schaden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug "ohne Einwirkung von außen" angenommen. Die diesbezügliche Verfahrensrüge hat der [X.] geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

Mayen                                [X.]

               [X.]                     Dr. [X.]

Meta

IV ZR 128/14

04.03.2015

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Dresden, 26. März 2014, Az: 8 S 149/13

Nr A.2.3.2 AKB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.03.2015, Az. IV ZR 128/14 (REWIS RS 2015, 14553)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 2338 REWIS RS 2015, 14553

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(Gewerblicher Kraftfahrzeugmietvertrag: Beurteilung einer Klausel zur Haftungsbegrenzung nach Art der Vollkaskoversicherung)


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