Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2012, Az. IV ZR 21/11

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 154

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 21/11

Verkündet am:

19.
Dezember 2012

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2012

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 6.
Zivilkammer des [X.] vom 21.
Dezember 2010 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts [X.] vom 4.
August 2010 zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits
trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer [X.] wegen Beschädigung seines versicherten Kraftfahrzeugs in [X.].

In den Versicherungsvertrag sind die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (Stand: 1.
Mai 2005, im Folgenden: [X.] 2005) einbezogen, deren §
12 Abs.
6 lautet:

1
2
-
3
-

"Die Vollversicherung umfasst darüber hinaus

a)
Schäden durch Unfall, d.h. durch ein unvorhergesehe-nes, unmittelbar von außen her plötzlich
mit mechani-scher Gewalt einwirkendes Ereignis; Brems-, Betriebs-
und reine Bruchschäden sind keine Unfallschäden. Nicht versichert sind insbesondere gegenseitige Schäden zwi-schen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Ein-wirkung von außen,

b)

Im Juli 2009 kam der Pkw des [X.] mit angehängtem Wohnwa-gen auf einer Autobahn aufgrund unerwartet starker Spurrillen ins Schleudern. Dabei kollidierte der Wohnanhänger mit dem Pkw und be-schädigte diesen.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz des [X.] der veranschlagten Reparaturkosten [X.] von 2.855,62

r-einbarten Selbstbeteiligung von 300

mit der Begründung ab, dass es sich um einen nicht versicherten [X.] handele.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Mit der Revision erstrebt der Kläger die [X.] des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.
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5
6
-
4
-

I. Nach Auffassung des [X.] ist das schadenbegrün-dende Ereignis zwar ein Unfall i.S. des §
12 Abs.
6 a) Satz
1 Halbsatz
1 [X.] 2005. Die Leistungspflicht sei aber nach Satz
2 dieser Klausel aus-geschlossen, weil der Schaden an dem Pkw durch den Anhänger ohne Einwirkung von außen verursacht worden sei. Die Einwirkung der Spurril-len auf das Gespann sei nicht von außen gekommen; sie habe nur die letztlich den Schaden verursachende Ereigniskette in Gang gesetzt. Der Schaden sei nicht durch [X.], sondern durch die Kollision mit dem Anhänger verursacht worden. Wenn durch die Fahrbahnbeschaffenheit ein Schleudervorgang ausgelöst [X.], der nur wegen Vorhandenseins eines Anhängers zu einem Schaden des ziehenden Fahrzeugs führe, realisiere sich das typische, nicht versi-cherte Gespannrisiko.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat dem Kläger zu Unrecht die begehrte Entschädigung aus der Kraftfahrzeugvollversicherung versagt.

1. Es hat §
12 Abs.
6 a) Satz
2 [X.] 2005 unzutreffend so ausge-legt, dass ein durch die Fahrbahnbeschaffenheit ausgelöster Schleuder-vorgang nicht als Einwirkung von außen mit mechanischer Gewalt anzu-sehen sei.

a) Die Auslegung der dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Bestimmung des §
12 [X.] 2005 ist in der Revisionsinstanz voll überprüfbar. Allgemeine Geschäfts-bedingungen sind wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und können 7
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vom Revisionsgericht frei ausgelegt werden, wenn sie über den Bezirk des [X.] hinaus verwendet werden und eine unterschiedli-che Auslegung durch verschiedene Berufungsgerichte denkbar ist ([X.], Beschluss vom 21.
August 2008

[X.], [X.], 139
Rn.
8; [X.], Urteil vom 5.
Juli 2005

[X.], NJW 2005, 2919 unter [X.] b aa m.w.N.). Das ist bei den hier in Rede stehenden Allgemeinen Bedin-gungen für die Kraftfahrtversicherung ([X.] 2005), die von Kraftfahr-zeugversicherern im gesamten [X.] verwendet werden, der Fall.

b) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach gefestigter Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (Senatsurteile vom 11.
Dezem-ber 2002
IV ZR 226/01, [X.]Z 153, 182, 185
f.; vom 23.
Juni 1993

IV [X.], [X.]Z 123, 83, 85; jeweils m.w.N.).

aa) Unter Anlegung dieses Maßstabs hat der Senat in dem Urteil vom 6.
März 1996
(IV ZR 275/95, [X.], 622 unter 3 b)
entschie-den,
der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne dem Wortlaut des §
12 Abs.
1 II
e [X.] a.F.

der §
12 Abs.
6 a) Satz
1 [X.] 2005 ent-spricht

nicht entnehmen, dass Schäden durch einen Aufprall des [X.], die also Schäden durch ein plötzlich von außen einwirkendes Ereignis seien, als nicht versicherte [X.] angesehen werden sollten. [X.] sind solche, die durch normale Abnutzung, durch Material-
oder Bedienungsfehler an 11
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6
-

dem Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen, ferner Schäden, die zwar auf einer Einwirkung mechanischer Gewalt beruhen, aber zum normalen Betrieb des Kraftfahrzeugs gehören (Senatsurteil
vom 23.
Oktober 1968

IV ZR 515/68, [X.], 32, 33). Einen solchen Betriebsschaden hat der Senat in dem 1996 entschiedenen Fall, in dem ein [X.] durch die Sogwirkung eines vorbeifahrenden Lkw instabil wurde und gegen die hintere rechte Seite des ziehenden Pkws prallte, verneint. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer sehe trotz der Verbindung
von Pkw und Camping-Anhänger in diesen zwei Fahrzeuge, von denen eines auf das andere mit mechanischer Gewalt von außen eingewirkt habe. Die starre Verbindung dieser beiden Fahrzeuge führe im Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers noch nicht dazu, Pkw und [X.] als eine Betriebseinheit im technischen Sinne zu sehen; dies um-so weniger, als der Pkw auch allein zum Betrieb geeignet und bestimmt sei (Senatsurteil vom 6.
März 1996
aaO; anders noch Senatsurteil vom 2.
Juli 1969

IV ZR 625/68, [X.], 940).

bb) Diese Beurteilung verändert sich durch den in §
12 Abs.
6 a) [X.] 2005 hinzugefügten Satz
2 nur insoweit, als gegenseitige Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen als [X.] anzusehen
und daher vom Versicherungs-schutz ausgeschlossen sind. Nach dem Wortlaut, von dem der durch-schnittliche Versicherungsnehmer ausgeht, kommt es allerdings bei [X.] Schäden ebenso wie bei anderen [X.] der in §
12 Abs.
6
a)
Satz
1 Halbsatz
2
[X.]
2005 beschriebenen Art darauf an, ob sie "ohne Einwirkung von außen" verursacht worden sind. Dies wird er etwa bei Material-
oder Bedienungsfehlern annehmen, die sich auf eines der zu dem Gespann gehörenden Fahrzeuge beziehen. Als Einwirkung von außen wird er hingegen Ursachen ansehen, die weder von dem zie-13
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7
-

henden noch von dem gezogenen Fahrzeug ausgehen. Solche Ursachen können auch in der Fahrbahnbeschaffenheit oder den [X.] liegen (vgl. [X.], 1346; a.A. [X.], 643
f.).

cc) Ausgehend davon ist nach dem unstreitigen Sachverhalt eine Einwirkung von außen in den unerwartet starken Spurrillen zu sehen, durch die der Wohnanhänger ins Schleudern geriet. Spurrillen sind

wie das Amtsgericht
zutreffend ausgeführt hat

Unebenheiten in der [X.], die die Richtungsstabilität eines Fahrzeugs nachteilig beeinflussen und somit eine äußere, mechanische Einwirkung auf das Fahrzeug [X.]. Da der Anhänger infolge der Spurrillen ins Schleudern geriet und dann gegen den Pkw prallte, wurde dieser durch eine von außen kom-mende Einwirkung beschädigt.
14
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8
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2. Der Senat hat in der Sache abschließend zu entscheiden, weil
der an dem Pkw des [X.] entstandene Schaden der Höhe nach un-streitig ist

563 Abs.
3 ZPO).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.08.2010 -
117 C 4015/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 21.12.2010 -
6 S 377/10 (140) -

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Meta

IV ZR 21/11

19.12.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2012, Az. IV ZR 21/11 (REWIS RS 2012, 154)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 154

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 21/11

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