Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2013, Az. X ZR 88/12

X. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5489

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
X [X.]
Verkündet am:

28. Mai 2013

Besirovic

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
VO ([X.]) Nr. 44/2001 ([X.]) Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1, Art. 22 Nr. 1
Ansprüche eines Verbrauchers gegen einen Reiseveranstalter aus einem [X.], in dem sich der Reiseveranstalter zur zeitweisen Ü[X.]lassung eines in ei-nem anderen Mitgliedstaat der [X.] gelegenen und einem [X.] gehörenden Ferienhauses verpflichtet hat, können unabhängig vom Umfang der Nebenleistungen, die der Vertrag mit sich bringt, vor den Gerichten des [X.], in dessen Hoheitsgebiet der Reiseveranstalter seinen Sitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes geltend gemacht werden, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat (Bestätigung des Urteils vom 23. Okto[X.] 2012

[X.], [X.], 308 = [X.], 70).
[X.], Urteil vom 28. Mai 2013 -
X [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 28.
Mai
2013
durch
den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck, die Richter Dr.
Grabinski, Dr.
Bacher, [X.] und die Richterin Schuster
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 1.
Zivilkammer des Land-gerichts [X.] vom 11.
Juni 2012 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:
Die Beklagte, die ihren Sitz in der [X.] hat,
bietet Ferienhäuser auf ihren
Internetseiten
an. Der
in Deutschland wohnhafte Kläger buchte
bei ihr
für die [X.] vom 10. bis 24.
Juli
2010
ein Ferienhaus in [X.], das einem Dritten gehörte.
Mit der beim Amtsgericht
am Sitz der [X.] erhobenen Klage ver-langt
der Kläger die Rückzahlung des hälftigen
an die Beklagte geleisteten Preises als Minderung und macht geltend, das Ferienhaus habe sich nicht in dem von der [X.] in der Beschreibung zugesagten Zustand befunden
und es seien während seines Aufenthalts weitere Mängel aufgetreten. Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und die Ansprüche für
nicht begründet erachtet. Das Amtsgericht hat abgesonderte Verhandlung ü[X.] die Zulässigkeit der Klage angeordnet und durch Zwischen-urteil seine internationale Zuständigkeit bejaht. Die Berufung der [X.] ge-gen das Zwischenurteil ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der [X.], mit der sie weiter-hin die Abweisung der Klage als unzulässig begehrt.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die internationale Zustän-digkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus Art.
15 Abs.
1 Buchst.
c, Art.
16 Abs.
1 der Verordnung ([X.]) Nr.
44/2001 des Rates vom 22.
Dezem[X.] 2000 ü[X.] die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre-ckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen ([X.]
2001 Nr.
L
12,
1
2
3
-
4
-
S.
1, [X.]. [X.] Nr.
L
307,
S.
28 und [X.]
2010 Nr.
L
328,
S.
36; nachfolgend: BrüsselI-VO).
Der [X.]
unterliege
nicht der ausschließlichen Zuständigkeit gemäß Art.
22 Nr.
1 [X.].
Zwar habe
zwischen den Parteien ein Reise-vertrag bestanden, der lediglich die Anmietung des Ferienhauses zum Gegen-stand gehabt habe und damit rechtlich ein Mietvertrag
sei, auf den sich auch der geltend gemachte [X.] beziehe. Doch sei Art.
22 Nr.
1 [X.] nicht weiter auszulegen, als sein
Zweck dies erfordere, da er die Parteien dazu zwingen könne, vor einem Gericht zu prozessieren, das für keine von bei-den
das Gericht am Sitz bzw. Wohnsitz
sei. Das Ziel der Vorschrift, dem mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Gericht die Entscheidung zu ü[X.]tragen, erfordere in Fällen wie dem vorliegenden
eine Anwendung der Bestimmung nicht. Der Gerichtshof der [X.] habe die Anwendbarkeit
der Art.
22 Nr.
1 [X.] entsprechenden wortgleichen Vorgängerregelung des Art.
16 Nr.
1 des Ü[X.]einkommens der Europäischen Gemeinschaft ü[X.] die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidun-gen in Zivil-
und Handelssachen vom 27.
Septem[X.] 1968 ([X.] Nr.
L 99 vom 31.
Dezem[X.] 1972, S.
32
ff.; nachfolgend: EuGVÜ) verneint, wenn der ge-werbliche Reiseveranstalter sich vertraglich verpflichtet habe, eine ihm nicht gehörende
und
in einem anderen Vertragsstaat gelegene Ferienwohnung dem Kunden für einige Wochen zu ü[X.]lassen
([X.], Urteil vom 26.
Februar
1992

[X.].
[X.]/90, Slg. 1992,
I-1111 = NJW 1992, 1029,
Rn.
14
f.

Hacker/[X.]). Die vom Gerichtshof angeführten Gesichtspunkte gälten
in glei-cher Weise für Art.
22 Nr.
1 [X.].
II.
Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1.
Der [X.] hat als Revisionsgericht die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte ungeachtet der Vorschrift des §
545 Abs.
2 ZPO zu prüfen ([X.], Urteil vom 28.
Novem[X.] 2002

III
ZR
102/02,
[X.]Z 153, 82 = NJW 2003, 426).
4
5
6
-
5
-
2.
Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich die [X.] Zuständigkeit [X.] Gerichte aus Art.
15 Abs.
1 Buchst.
c,
Art.
16 Abs.
1 BrüsselI-VO ergibt und nicht durch die ausschließliche Zustän-digkeit nach Art.
22 Nr.
1 [X.] verdrängt wird.
a)
Wie der Senat
in seinem Urteil vom 23.
Okto[X.] 2012 (X
ZR
157/11, [X.], 308
Rn.
8 ff.) ausgeführt und näher begründet hat, unterfällt ein Rechtsstreit, in dem ein Verbraucher gegenü[X.] einem Reiseveranstalter [X.] aus einem Vertrag geltend
macht, in dem sich der Reiseveranstalter zur zeitweisen Ü[X.]lassung eines in einem anderen Vertragsstaat gelegenen und einem Dritten gehörenden Ferienhauses verpflichtet hat, auf der Grundlage der Ausführungen des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssa-che Hacker gegen [X.] nicht der ausschließlichen Zuständigkeit des Art.
22 Nr.
1 [X.]. Der zwischen einem gewerblichen Reiseveran-stalter und einem privaten Kunden geschlossene Vertrag bringt

auch wenn er sich nur auf die zeitweise Ü[X.]lassung eines Ferienhauses und damit auf eine einzige Reiseleistung bezieht

typischerweise weitere (Neben)Leistungen "mit sich"
(vgl. [X.]

Hacker/[X.], aaO Rn.
14) und trägt damit nicht das Gepräge eines Mietvertrags im Sinne des Art.
22 Nr.
1 [X.].
b)
Auch im Streitfall
ist der Bestimmung des international zuständigen Gerichts
zugrunde zu legen, dass
der Kläger, ein Verbraucher, gegen die [X.], einen gewerblichen Reiseveranstalter, Ansprüche aus einem Vertrag geltend macht, in dem sich der Reiseveranstalter zur zeitweisen Ü[X.]lassung eines in einem anderen Vertragsstaat gelegenen und einem Dritten gehörenden Ferienhauses verpflichtet und die Beklagte nicht lediglich den Abschluss des Mietvertrags zwischen dem
Kläger und dem Eigentümer des Ferienhauses vermittelt
hat.
aa)
Reiseunternehmen können als Erbringer von Reiseleistungen in ei-gener Verantwortung tätig werden, wobei sie sich Dritter als Leistungsträger bedienen können. Sie können a[X.] auch bloß Vermittler solcher Reiseleistun-7
8
9
10
-
6
-
gen sein. Welche Art von Tätigkeit vorliegt, hängt vom Inhalt und den weiteren Umständen der Vertragsverhandlungen ab. Hierbei ist entscheidend darauf ab-zustellen, wie das Reiseunternehmen aus der Sicht des Reisenden auftritt. Rei-severanstalter und damit Vertragspartner des Reisevertrags ist derjenige, der aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Reisekunden als [X.]spartei Reiseleistungen in eigener Verantwortung erbringt (vgl. [X.], Urteil vom 30.
Septem[X.] 2010

Xa
ZR
130/08, [X.], 599
Rn.
9
ff.).
bb)
Der Kläger hat nach den Ausführungen des Berufungsurteils vorge-tragen, die Beklagte sei
gewerblicher Reiseveranstalter und er habe mit dieser einen "Ferienhausveranstaltungsvertrag"
geschlossen, woraus sich ergibt, dass die Beklagte sich nach Behauptung des
Klägers zur
Ü[X.]lassung der Ferien-wohnung in eigener Verantwortung verpflichtet hatte. Entsprechend hat er ge-gen die Beklagte und nicht den Eigentümer des Ferienhauses [X.]eits vorge-richtlich Ansprüche wegen der gerügten Mängel des Ferienhauses geltend ge-macht. Allein diese schlüssige Behauptung der erforderlichen Tatsachen
betref-fend die Art der Tätigkeit der [X.], die sowohl für die Prüfung der Zuläs-sigkeit als auch der Begründetheit von Relevanz sind, genügt im Rahmen der Prüfung der internationalen Zuständigkeit ([X.], Urteil vom 29.
Juni 2010

VI
ZR
122/09, NJW-RR 2010, 1554
Rn.
8;
Urteil vom 6.
Novem[X.] 2007

VI
ZR
34/07, NJW-RR 2008, 516
Rn.
14). Zudem hat die Beklagte in Ü[X.]ein-stimmung hiermit vorgetragen,
ungeachtet ihrer Unternehmensbezeichnung "Ferienhausvermittlung"
am Markt so aufgetreten zu sein, dass sie nicht ledig-lich die Gebrauchsü[X.]lassung vermittle, sondern selbst die Leistung der
Be-reitstellung der
Ferienhäuser erbringe.
c)
Da Gegenstand des Rechtsstreits damit Ansprüche aus einem [X.] sind, in dem sich die Beklagte als Reiseveranstalter gegenü[X.] dem
Klä-ger,
ihrem
privaten Kunden,
zur zeitweisen Ü[X.]lassung eines Ferienhauses, das in einem anderen Vertragsstaat gelegen ist
und einem Dritten gehört, ver-pflichtet hat, unterfällt der Rechtsstreit,
wie der Senat in seiner Entscheidung vom 23.
Okto[X.] 2012
(X
ZR
157/11) näher ausgeführt und begründet hat,
nicht 11
12
-
7
-
der ausschließlichen Zuständigkeit des Art.
22 Nr.
1 [X.].
Dem steht das Urteil des Gerichtshofs vom 27.
Januar 2000 ([X.], Slg.
2000, [X.] = NJW 2000, 2009

[X.]) nicht entgegen, wonach die Klage aus Ansprüchen des Eigentümers gegen den Mieter eines Ferienhauses auch dann der ausschließlichen Zuständigkeit des Art.
22 Nr.
1 [X.] (vormals Art.
16 Nr.
1 EuGVÜ) unterliegt, wenn diese Ansprüche aus abgetretenem Recht von einem gewerblichen Reiseveranstalter geltend gemacht werden. [X.] ist der vorliegende Fall zu unterscheiden, in dem aus einem Vertrag geklagt wird, in dem sich der gewerbliche Reiseveranstalter selbst zur Ü[X.]lassung der Ferienwohnung verpflichtet hat (vgl. Senat, aaO
Rn.
16)
und dem privaten Kun-den als der zur Durchführung und Abwicklung des Vertrags Verantwortliche

beispielsweise als Adressat von Beanstandungen

gegenü[X.]tritt.
Die damit ü[X.]nommenen vertragsspezifischen Pflichten gehören ebenso zu den weiteren Nebenleistungen, die
ein solcher Vertrag neben der Wohnungsü[X.]lassung
für den Veranstalter "mit sich bringt"
([X.]

Hacker/[X.], aaO
Rn.
14) wie sonstige Zusatzleistungen
hier ausweislich der Buchungsbestäti-gung K1 die
Endreinigung und ausweislich der Beschreibung des [X.] die Bereitstellung
des Gemeinschaftspools der Ferienanlage
und die vom Gerichtshof gleichfalls herangezogenen Auskünfte und Ratschläge bei der Unterbreitung verschiedener Angebote, etwa aus einem Ferienhauskatalog.
d)
Der Senat ist nicht gehalten, den Rechtsstreit gemäß Art.
267 Abs.
3 AEUV dem
Gerichtshof der [X.]
zur Auslegung des Art.
22
Nr.
1 [X.] vorzulegen. Diese Vorschrift entspricht der Vorgängervor-schrift des Art.
16 Nr.
1
EuGVÜ, deren Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend geklärt ist;
sie ist hier lediglich auf den Einzelfall anzuwenden.
13
-
8
-
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
97 ZPO; die Beklagte hat die Kosten des
erfolglosen Rechtsmittels
gegen das Zwischenurteil zu tragen (vgl. [X.] in [X.], ZPO, 29.
Aufl., §
280
Rn.
8 aE).

Meier-Beck
Grabinski
Bacher

[X.]
Schuster
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.12.2011 -
8 C 613/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 11.06.2012 -
1 S 4/12 -

14

Meta

X ZR 88/12

28.05.2013

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2013, Az. X ZR 88/12 (REWIS RS 2013, 5489)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5489

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ZR 88/12

X ZR 157/11

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