Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.05.2013, Az. X ZR 88/12

10. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5486

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Internationale Zuständigkeit für die Geltendmachung von Ansprüchen eines Verbrauchers gegen einen Reiseveranstalter aus einem Vertrag über die zeitweise Überlassung eines in einem andern Mitgliedstaat der Europäischen Union gelegenen und einem Dritten gehörenden Ferienhauses


Leitsatz

Ansprüche eines Verbrauchers gegen einen Reiseveranstalter aus einem Vertrag, in dem sich der Reiseveranstalter zur zeitweisen Überlassung eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gelegenen und einem Dritten gehörenden Ferienhauses verpflichtet hat, können unabhängig vom Umfang der Nebenleistungen, die der Vertrag mit sich bringt, vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Reiseveranstalter seinen Sitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes geltend gemacht werden, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat (Bestätigung des Urteils vom 23. Oktober 2012, X ZR 157/11, NJW 2013, 308 = RRa 2013, 70).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 11. Juni 2012 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte, die ihren Sitz in der [X.] hat, bietet Ferienhäuser auf ihren Internetseiten an. Der in [X.] wohnhafte Kläger buchte bei ihr für die [X.] vom 10. bis 24. Juli 2010 ein Ferienhaus in [X.], das einem Dritten gehörte.

2

Mit der beim Amtsgericht am Sitz der [X.] erhobenen Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung des hälftigen an die Beklagte geleisteten Preises als Minderung und macht geltend, das Ferienhaus habe sich nicht in dem von der [X.] in der Beschreibung zugesagten Zustand befunden und es seien während seines Aufenthalts weitere Mängel aufgetreten. Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und die Ansprüche für nicht begründet erachtet. Das Amtsgericht hat abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und durch Zwischenurteil seine internationale Zuständigkeit bejaht. Die Berufung der [X.] gegen das Zwischenurteil ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der [X.], mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage als unzulässig begehrt.

Entscheidungsgründe

3

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezem[X.] 2000 ü[X.] die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ([X.]. 2001 Nr. L 12, [X.], [X.]. [X.]. Nr. L 307, [X.] und [X.]. 2010 Nr. L 328, [X.]; nachfolgend: BrüsselI-VO).

4

Der [X.] unterliege nicht der ausschließlichen Zuständigkeit gemäß Art. 22 Nr. 1 [X.]. Zwar habe zwischen den Parteien ein Reisevertrag bestanden, der lediglich die Anmietung des Ferienhauses zum Gegenstand gehabt habe und damit rechtlich ein Mietvertrag sei, auf den sich auch der geltend gemachte [X.] beziehe. Doch sei Art. 22 Nr. 1 [X.] nicht weiter auszulegen, als sein Zweck dies erfordere, da er die Parteien dazu zwingen könne, vor einem Gericht zu prozessieren, das für keine von beiden das Gericht am Sitz bzw. Wohnsitz sei. Das Ziel der Vorschrift, dem mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Gericht die Entscheidung zu ü[X.]tragen, erfordere in Fällen wie dem vorliegenden eine Anwendung der Bestimmung nicht. Der [X.] habe die Anwendbarkeit der Art. 22 Nr. 1 [X.] entsprechenden wortgleichen Vorgängerregelung des Art. 16 Nr. 1 des Ü[X.]einkommens der Europäischen Gemeinschaft ü[X.] die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. Septem[X.] 1968 ([X.]. Nr. L 99 vom 31. Dezem[X.] 1972, [X.] ff.; nachfolgend: EuGVÜ) verneint, wenn der gewerbliche Reiseveranstalter sich vertraglich verpflichtet habe, eine ihm nicht gehörende und in einem anderen Vertragsstaat gelegene Ferienwohnung dem Kunden für einige Wochen zu ü[X.]lassen ([X.], Urteil vom 26. Februar 1992 - Rs. [X.]/90, [X.]. 1992, [X.] = NJW 1992, 1029, Rn. 14 f. - Hacker/[X.]). Die vom Gerichtshof angeführten Gesichtspunkte gälten in gleicher Weise für Art. 22 Nr. 1 [X.].

5

II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

6

1. Der [X.] hat als Revisionsgericht die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte ungeachtet der Vorschrift des § 545 Abs. 2 ZPO zu prüfen ([X.], Urteil vom 28. Novem[X.] 2002 - [X.], [X.]Z 153, 82 = NJW 2003, 426).

7

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 BrüsselI-VO ergibt und nicht durch die ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 Nr. 1 [X.] verdrängt wird.

8

a) Wie der Senat in seinem Urteil vom 23. Okto[X.] 2012 ([X.], [X.], 308 Rn. 8 ff.) ausgeführt und näher begründet hat, unterfällt ein Rechtsstreit, in dem ein Verbraucher gegenü[X.] einem Reiseveranstalter Ansprüche aus einem Vertrag geltend macht, in dem sich der Reiseveranstalter zur zeitweisen Ü[X.]lassung eines in einem anderen Vertragsstaat gelegenen und einem Dritten gehörenden Ferienhauses verpflichtet hat, auf der Grundlage der Ausführungen des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache Hacker gegen [X.] nicht der ausschließlichen Zuständigkeit des Art. 22 Nr. 1 [X.]. Der zwischen einem gewerblichen Reiseveranstalter und einem privaten Kunden geschlossene Vertrag bringt - auch wenn er sich nur auf die zeitweise Ü[X.]lassung eines Ferienhauses und damit auf eine einzige Reiseleistung bezieht - typischerweise weitere (Neben)Leistungen "mit sich" (vgl. [X.] - Hacker/[X.], aaO Rn. 14) und trägt damit nicht das Gepräge eines Mietvertrags im Sinne des Art. 22 Nr. 1 [X.].

9

b) Auch im Streitfall ist der Bestimmung des international zuständigen Gerichts zugrunde zu legen, dass der Kläger, ein Verbraucher, gegen die Beklagte, einen gewerblichen Reiseveranstalter, Ansprüche aus einem Vertrag geltend macht, in dem sich der Reiseveranstalter zur zeitweisen Ü[X.]lassung eines in einem anderen Vertragsstaat gelegenen und einem Dritten gehörenden Ferienhauses verpflichtet und die Beklagte nicht lediglich den Abschluss des Mietvertrags zwischen dem Kläger und dem Eigentümer des Ferienhauses vermittelt hat.

aa) Reiseunternehmen können als Erbringer von Reiseleistungen in eigener Verantwortung tätig werden, wobei sie sich Dritter als Leistungsträger bedienen können. Sie können a[X.] auch bloß Vermittler solcher Reiseleistungen sein. Welche Art von Tätigkeit vorliegt, hängt vom Inhalt und den weiteren Umständen der Vertragsverhandlungen ab. Hierbei ist entscheidend darauf abzustellen, wie das Reiseunternehmen aus der Sicht des Reisenden auftritt. Reiseveranstalter und damit Vertragspartner des Reisevertrags ist derjenige, der aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Reisekunden als Vertragspartei Reiseleistungen in eigener Verantwortung erbringt (vgl. [X.], Urteil vom 30. Septem[X.] 2010 - [X.], [X.], 599 Rn. 9 ff.).

bb) Der Kläger hat nach den Ausführungen des Berufungsurteils vorgetragen, die Beklagte sei gewerblicher Reiseveranstalter und er habe mit dieser einen "Ferienhausveranstaltungsvertrag" geschlossen, woraus sich ergibt, dass die Beklagte sich nach Behauptung des Klägers zur Ü[X.]lassung der Ferienwohnung in eigener Verantwortung verpflichtet hatte. Entsprechend hat er gegen die Beklagte und nicht den Eigentümer des Ferienhauses [X.]eits vorgerichtlich Ansprüche wegen der gerügten Mängel des Ferienhauses geltend gemacht. Allein diese schlüssige Behauptung der erforderlichen Tatsachen betreffend die Art der Tätigkeit der Beklagten, die sowohl für die Prüfung der Zulässigkeit als auch der Begründetheit von Relevanz sind, genügt im Rahmen der Prüfung der internationalen Zuständigkeit ([X.], Urteil vom 29. Juni 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1554 Rn. 8; Urteil vom 6. Novem[X.] 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 516 Rn. 14). Zudem hat die Beklagte in Ü[X.]einstimmung hiermit vorgetragen, ungeachtet ihrer Unternehmensbezeichnung "Ferienhausvermittlung" am Markt so aufgetreten zu sein, dass sie nicht lediglich die Gebrauchsü[X.]lassung vermittle, sondern selbst die Leistung der Bereitstellung der Ferienhäuser erbringe.

c) Da Gegenstand des Rechtsstreits damit Ansprüche aus einem Vertrag sind, in dem sich die Beklagte als Reiseveranstalter gegenü[X.] dem Kläger, ihrem privaten Kunden, zur zeitweisen Ü[X.]lassung eines Ferienhauses, das in einem anderen Vertragsstaat gelegen ist und einem Dritten gehört, verpflichtet hat, unterfällt der Rechtsstreit, wie der Senat in seiner Entscheidung vom 23. Okto[X.] 2012 ([X.]) näher ausgeführt und begründet hat, nicht der ausschließlichen Zuständigkeit des Art. 22 Nr. 1 [X.]. Dem steht das Urteil des Gerichtshofs vom 27. Januar 2000 ([X.], [X.]. 2000, [X.] = NJW 2000, 2009 - [X.]) nicht entgegen, wonach die Klage aus Ansprüchen des Eigentümers gegen den Mieter eines Ferienhauses auch dann der ausschließlichen Zuständigkeit des Art. 22 Nr. 1 [X.] (vormals Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ) unterliegt, wenn diese Ansprüche aus abgetretenem Recht von einem gewerblichen Reiseveranstalter geltend gemacht werden. Davon ist der vorliegende Fall zu unterscheiden, in dem aus einem Vertrag geklagt wird, in dem sich der gewerbliche Reiseveranstalter selbst zur Ü[X.]lassung der Ferienwohnung verpflichtet hat (vgl. Senat, aaO Rn. 16) und dem privaten Kunden als der zur Durchführung und Abwicklung des [X.] beispielsweise als Adressat von Beanstandungen - gegenü[X.]tritt. Die damit ü[X.]nommenen vertragsspezifischen Pflichten gehören ebenso zu den weiteren Nebenleistungen, die ein solcher Vertrag neben der Wohnungsü[X.]lassung für den Veranstalter "mit sich bringt" ([X.] - Hacker/[X.], aaO Rn. 14) wie sonstige Zusatzleistungen - hier ausweislich der Buchungsbestätigung [X.] die Endreinigung und ausweislich der Beschreibung des [X.] die Bereitstellung des Gemeinschaftspools der Ferienanlage - und die vom Gerichtshof gleichfalls herangezogenen Auskünfte und Ratschläge bei der Unterbreitung verschiedener Angebote, etwa aus einem Ferienhauskatalog.

d) Der Senat ist nicht gehalten, den Rechtsstreit gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem [X.] zur Auslegung des Art. 22 Nr. 1 [X.] vorzulegen. Diese Vorschrift entspricht der Vorgängervorschrift des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ, deren Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend geklärt ist; sie ist hier lediglich auf den Einzelfall anzuwenden.

III. [X.] ergibt sich aus § 97 ZPO; die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels gegen das Zwischenurteil zu tragen (vgl. [X.] in [X.], ZPO, 29. Aufl., § 280 Rn. 8 aE).

Meier-Beck                         Grabinski                          Bacher

                    Hoffmann                         Schuster

Meta

X ZR 88/12

28.05.2013

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Ellwangen, 11. Juni 2012, Az: 1 S 4/12

Art 15 Abs 1 Buchst c EGV 44/2002, Art 16 Abs 1 EGV 44/2002, Art 22 Nr 1 EGV 44/2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.05.2013, Az. X ZR 88/12 (REWIS RS 2013, 5486)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5486

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X ZR 88/12 (Bundesgerichtshof)


X ZR 157/11 (Bundesgerichtshof)

Gerichtszuständigkeit bei Ansprüchen des Verbrauchers gegenüber einen Reiseveranstalter aus einem Vertrag über die zeitweise Überlassung …


X ZR 157/11 (Bundesgerichtshof)


94 C 812/21 (Amtsgericht Neuss)


I-10 U 142/07 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.