Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2013, Az. V ZB 163/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2671

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V
ZB
163/12
vom

18. September 2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
Brüssel I-VO Art. 22 u. 27
Dem Gerichtshof der [X.] wird nach Art.
267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung
vorgelegt:
Ist Art.
27 Abs.
1 der Verordnung ([X.]) Nr.
44/2001 des Rates vom 22.
Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen ([X.].
[X.]
2000 Nr.
L
12/1) dahin auszulegen, dass das später angerufene [X.], das nach Art.
22 [X.] ausschließlich zuständig ist, gleichwohl das Verfahren aussetzen muss, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen [X.]s, zu dessen Gunsten keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art.
22
[X.] besteht, abschließend geklärt ist?
[X.], Beschluss vom 18. September 2013 -
V [X.]/12 -
OLG [X.]

LG [X.]

-
2
-

Der V.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. September 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.]
Lemke, Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Dr.
Roth und die Richterin Dr.
Brückner
beschlossen:

Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde der Beklagten ge-gen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts
.
Zivilsenat om 8.
August 2012 wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der [X.] wird nach Art.
267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art.
27 Abs.
1 der Verordnung ([X.]) Nr.
44/2001 des Rates vom 22.
Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen ([X.].
[X.]
2000 Nr.
L
12/1) dahin auszulegen, dass das später angerufene Gericht, das nach Art.
22 [X.] aus-schließlich zuständig ist, gleichwohl das Verfahren aussetzen muss, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts, zu dessen Gunsten keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art.
22 [X.] besteht, abschließend geklärt ist?

-
3
-

Gründe:
I.
Die Beklagte ist Eigentümerin eines in [X.] ([X.]) [X.] Grundstücks, das mit einer Grundschuld belastet ist, aus der die Klägerin vollstrecken möchte. Mit ihrer seit dem 4.
Mai 2011 bei dem [X.] Klage möchte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten erreichen, die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung über 155.000

nebst Zinsen zu dulden.
Bereits am 2.
Dezember 2010 hatte die Beklagte bei dem [X.] ([X.]) eine Klage sowohl gegen die Klägerin als auch gegen die in [X.] ansässige [X.] (im Folgenden: [X.]) erhoben mit dem Ziel festzustellen, dass die Grundschuld nicht wirksam an die Klägerin abgetre-ten worden, die zwischen den [X.]en geschlossene Sicherungszweckerklä-rung unwirksam und die Beklagte daher nicht zur Duldung der Zwangsvollstre-ckung verpflichtet sei. Mit Blick auf die mitverklagte [X.] macht sie geltend, sie wolle sich an diesem Unternehmen beteiligen und die Investition mithilfe italie-nischer Banken finanzieren; die dafür erforderlichen Sicherheiten könne sie nicht aufbringen, wenn die Stellung der Sicherheit zu Gunsten der Klägerin wirksam sei. Mit Urteil vom 8.
Mai 2012 verneinte das [X.] die Zuständigkeit der [X.] Gerichte. Die gegen die [X.] erhobene Klage diene offensichtlich nur dazu, in missbräuchlicher Weise die
italienische [X.]sbarkeit zu beanspruchen. Eine Entscheidung über die gegen das Urteil eingelegte Berufung steht noch aus.
In dem vorliegenden Rechtstreit möchte die Beklagte zunächst eine Aus-setzung des Verfahrens nach Art.
27 der Verordnung ([X.]) Nr.
44/2001 des Ra-1
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4
-

tes vom 22.
Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Aner-kennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen ([X.].
[X.]
2000 Nr.
L
12/1; im Folgenden: [X.]) wegen anderweitiger Rechtshängigkeit erreichen. Ihr dahingehender Antrag ist in beiden Vorinstan-zen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte den Aussetzungsantrag weiter.
II.
Das Beschwerdegericht verneint die Voraussetzungen für eine Ausset-zung des Rechtsstreits mit der Begründung, der Beklagten gehe es mit der in [X.] erhobenen Klage ausschließlich darum, rechtsmissbräuchlich einen [X.]sstand zu erschleichen, um auf diese Weise die Aussetzung des in [X.] geführten Rechtsstreits nach Art.
27 [X.] zu erreichen. Vor diesem Hintergrund sei bei wertender Betrachtung davon auszugehen, dass sich der vorliegende Rechtstreit weder auf denselben Anspruch noch auf [X.]lben [X.]en wie das in [X.] angestrengte Verfahren beziehe. Es stünde im klaren und offenkundigen Widerspruch zum Zweck der [X.], wenn eine [X.] die Aussetzung durch Erhebung einer willkürlich konstruierten Klage er-reichen könnte, die keinerlei materiellen internationalen Bezug aufweise. [X.] Feststellungen zu treffen, seien die [X.] Gerichte nicht gehindert. Entschieden werde nicht über die Zulässigkeit der in [X.] anhängigen Klage
-
wofür keine Prüfungskompetenz bestehe
-, sondern allein über das Vorliegen der Voraussetzungen des Art.
27 [X.].
III.
Die Begründetheit der nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO statthaften und nach §
575 ZPO auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde
hängt in 4
5
-
5
-

entscheidungserheblicher Weise von der Beantwortung der im Tenor formulier-ten Vorlagefrage durch den Gerichtshof der [X.] (im [X.]: Gerichtshof) ab.
1. Der Anwendungsbereich der [X.] ist eröffnet. Das ergibt sich be-reits aus der
sei es auch rechtsmissbräuchlichen
Klageerhebung in zwei Mit-gliedstaaten (vgl. [X.], [X.]/02
Gasser, Slg 2003, [X.] Rn.
41;
Jenard-Bericht, [X.]. [X.] 1979 Nr.
C
59/1, S.
8; [X.], ZPO, 22.
Aufl., Art.
27 [X.] Rn.
11).
2. Die vorliegende Klage und das in [X.] geführte Verfahren betreffen denselben
Anspruch [X.]. Art.
27 Abs.

n-n-der widersprechende Urteile [X.]. Art.
34 Nr.
3 [X.] zu vermeiden. [X.] ist, ob der Kernpunkt beider Streitigkeiten derselbe ist. Das ist etwa im Verhältnis zwischen negativer
Feststellungs-
und entsprechender Leistungskla-ge der Fall
([X.], 144/86
Gubisch, Slg
1987, 4861 = NJW
1989, 665 Rn.
11, 16, 18
f.; [X.]/92
Tatry, Slg
1994, [X.] = ZIP
1995, 943 Rn.
45, 48; [X.], Urteil vom 8.
Februar 1995

VIII
ZR
14/94, NJW
1995,
1758
f.; Urteil vom 11.
Dezember 1996
VIII
ZR
154/95, [X.]Z
134, 201, 210, jeweils zu Art.
21 [X.]; kritisch [X.], ZPO, 22.
Aufl., Art.
27 [X.] Rn.
45).
So liegt es auch hier. Die Klage in [X.] richtet sich unter anderem auf die Feststellung, dass keine Verpflichtung zur Duldung der Zwangsvollstre-ckung aus der Grundschuld bestehe. Mit der vorliegenden Klage soll eben [X.] Duldung erreicht werden. Dass es im [X.] Verfahren noch um [X.] geht, ist für die Identität des Streitgegenstands unerheblich. Kernpunkt ist jeweils die Frage, ob die Klägerin aus der Grundschuld vorgehen darf; jedenfalls ist der Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits voll-6
7
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-
6
-

ständig vom [X.] Verfahren abgedeckt. Im Übrigen beschränkt sich der Gegenstand der Klage in [X.] nicht auf die Einbeziehung der [X.].
3. Beide Verfahren sind zwischen identischen
[X.]en anhängig. Dabei ist die Identität unabhängig von der jeweiligen [X.]stellung. Auch ist unschäd-lich, wenn in einem Verfahren zusätzlich Dritte beteiligt sind. Das hat lediglich zur Folge, dass sich die Rechtsfolgen des Art.
27 [X.] auf diejenigen Par-teien beschränken, zwischen denen mehrere Verfahren anhängig sind (vgl. [X.], [X.]/92
Tatry, Slg
1994, [X.] =
ZIP
1995, 943 Rn.
31, 33).
4. Entgegen der Auffassung des [X.] kann von einer Aussetzung nach Art.
27 Abs.
1 [X.] zumindest grundsätzlich nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs abgesehen werden. Dies ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bereits hinreichend geklärt.
In der Rechtssache Gasser ([X.]/02, Slg
2003, [X.]) hat der [X.]shof festgestellt, dass von der Aussetzungspflicht auch dann nicht abgewi-chen werden darf, wenn die Verfahrensdauer in dem Mitgliedstaat des [X.] allgemein unvertretbar lang ist. Der Anregung in dem dortigen Verfahren, eine Ausnahme für den Fall zuzulassen, dass eine Klage bösgläubig und mit Blockadeabsicht vor einem unzuständigen Gericht erhoben wird, ist der [X.]shof nicht gefolgt (aaO, Rn.
63; vgl. auch [X.], Vorlagebeschluss vom 1.
Februar 2011 KZR
8/10, ZIP
2011, 975 Rn.
20). In der [X.] Turner ([X.]/02, Slg
2004, [X.] = EWS
2004, 334) hat der [X.], einer [X.] könne die Betreibung eines Gerichtsverfahrens in einem ande-ren Vertragsstaat nicht mit der Begründung untersagt werden, mit der Klage werde wider [X.] und Glauben der Zweck verfolgt, das Verfahren in einem an-deren Mitgliedstaat zu behindern. Die Beurteilung der Angemessenheit der Kla-9
10
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-
7
-

geerhebung sei den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats grundsätzlich ent-zogen.
5. Durch den Gerichtshof klärungsbedürftig ist jedoch, ob die formale Be-trachtungsweise auch dann anzustellen ist, wenn nur das später angerufene Gericht nach Art.
22 [X.] ausschließlich zuständig ist.
a) Vorliegend besteht zugunsten der [X.] Gerichte der ausschließ-liche Gerichtsstand der belegenen Sache nach Art.
22 Nr.
1 [X.]; für eine ebenfalls bestehende ausschließliche Zuständigkeit (dazu Art.
29 [X.]) auch der [X.] Gerichte ist nichts ersichtlich.
aa) Unter die
autonom und eng auszulegende
Vorschrift des Art.
22 Nr.
1 [X.] fallen u.a. Klagen, die darauf abzielen, Umfang oder Bestand eines dinglichen Rechts an einer unbeweglichen Sache
zu bestimmen und den Inhabern dieser Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern
(vgl. Senat, Urteil vom 18.
Juli 2008
V
ZR
11/08, NJW
2008, 3502 Rn.
8
ff.; [X.], [X.]/88
[X.], Slg
1990, [X.], Rn.
11; C-343/04

Land Oberösterreich, Slg
2006, [X.] = EWS
2006, 383 Rn.
30).
[X.]) Diese Voraussetzungen sind bei einer Klage, die auf die Verurteilung zur Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Grundschuld gerichtet ist, nach allgemeiner Meinung erfüllt
([X.]/Schütze, [X.], 3.
Aufl., Art.
22 [X.] Rn.
90; [X.]/von [X.], [X.], 9.
Aufl., Art.
22 [X.] Rn.
15; Adolphsen, Europäisches Zivilverfahrensrecht, S.
114; [X.]/[X.], IPRax
2007, 190, 194; vgl. auch [X.]/[X.] in [X.]/Schütze, [X.] Rechtsverkehr, Stand: Oktober 2011, Art.
22 [X.] Rn.
17; [X.]/[X.], [X.]/[X.] (2011), 12
13
14
15
-
8
-

Art.
22 Brüssel
I-VO Rn.
7; [X.], ZPO, 22.
Aufl., Art.
22 [X.] Rn.
14
f.; Borrás/[X.], [X.] Kommentar Brüssel
I-VO, Art.
22 Rn.
11.
Zur Pfand-klage nach §
466 des [X.] [X.] ebenso: [X.], Beschluss vom 23.
November 1999
7
Ob
286/99f, [X.]. unter [X.], S.
3
u., und ZfRV
2008, 77 m. zust. [X.] [X.]; [X.] in [X.]/Tiefen-thaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands-
und Vollstre-ckungsrecht, 2.
Aufl., Art.
22 [X.] Rn.
14; [X.], [X.], Rn.
II/129; [X.] in [X.]/Konecny, [X.], 2.
Aufl., Art.
22 Rn.
32, 37, auch für die umgekehrte Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Grund-pfandrechts).
Bei der Grundschuld handelt es sich um ein Grundpfandrecht, also ein beschränktes dingliches Recht an einem Grundstück, aufgrund dessen an den-jenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine Geldsumme zu zahlen ist (§
1191 BGB). Die Grundschuld berechtigt den Gläubiger, sich im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Grundstück zu befriedigen (§
1192 Abs.
1, §
1147 BGB). Dieser Duldungsanspruch gegen den Grundstückseigentümer stützt sich allein auf das dingliche Recht, nicht hingegen auf eine persönliche Forderung. Mit der [X.] will sich die Klägerin den Schutz der Vor-rechte sichern, die mit der Rechtsstellung als Inhaberin der Grundschuld ver-bunden sind.
b) Damit kommt es auf die Frage an, ob die Aussetzungspflicht nach Art.
27 Abs.
1 [X.] auch dann gilt, wenn (nur) zugunsten des Zweitgerichts eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art.
22 [X.] besteht. Ist die Frage zu bejahen, so ist die Rechtsbeschwerde begründet und das Verfahren in der Hauptsache auszusetzen; ist sie zu verneinen, so ist die Rechtsbeschwerde unbegründet und das Verfahren in der Hauptsache fortzuführen.

16
17
-
9
-

aa) Die Frage der Aussetzungspflicht bei Bestehen einer ausschließli-chen Zuständigkeit nur des Zweitgerichts ist in Rechtsprechung und Literatur ernsthaft umstritten
(die Frage verneinend
Juzgado de Primera Instancia Mad-rid, [X.]; [X.]] England and Wales, [X.]; [X.] [[X.]], [X.]; Schlussantrag GA
Léger, [X.]/02

Gasser, Slg
2003, [X.], Rn.
51
ff. [ebenso die Auffassung der [X.], wiedergegeben in [X.], aaO Rn.
36, 40]; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., Introduction to Arts.
27-30 Rn.
57; [X.], [X.] Brüssel
I-VO, Art.
27 Rn.
9
f.; [X.] in Ge-imer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Stand: Okto-ber 2011, Art.
27 [X.] Rn.
33; [X.] in [X.]/[X.]/Kodek, Europäisches Gerichtsstands-
und Vollstreckungsrecht, 2.
Aufl., Art.
27 [X.] Rn.
14; [X.], [X.], S.
168
ff., 174; [X.], [X.], 4.
Aufl., Rn.
338-1; [X.], SJZ
1994, 133, 140; [X.]/[X.], IPRax
1993, 21, 24; zu Art.
21 Abs.
1 [X.] in der Fassung des Überein-kommens vom 27.
September 1968 [[X.].
[X.] 1972 Nr.
L
299/32, S.
36], nach dem sich das Zweitgericht grund-sätzlich für unzuständig erklären musste, auch: OLG
Köln, NJW
1991, 1427, 1428 [obiter dictum]; [X.], [X.], S.
1221
f.,

23.08; eingeschränkt [X.], [X.] Bruxel-les du 27
Septembre 1968, Rn.
115; eine Aussetzungs-pflicht bejahend OLG
München, Beschluss vom 16.
Februar 2012

21
W
1098/11, juris Rn.
18 (14); [X.]/Schütze, [X.], 3.
Aufl., Art.
27 [X.] Rn.
18; [X.]/von [X.], [X.], 9.
Aufl., Art.
27 Rn.
19; [X.]/Leible, [X.]/[X.] (2011), Art.
27 Brüssel
I-VO Rn.
16b; [X.]/[X.], ZPO, 9.
Aufl., Art.
27
[X.] Rn.
7; [X.] in [X.]/Konecny, [X.], 2.
Aufl., Art.
27 [X.] Rn.
24 a.E.; [X.] in [X.]/Schlosser, The Brussels
I-Regulation ([X.]) No
44/2001 ([X.] Report), Rn.
356, 403; [X.], [X.], S.
193
ff.; [X.], [X.], S.
122
ff.; [X.], [X.]
-
10
-

rallelverfahren, S.
385
ff.; zum [X.] bzw. [X.] vgl. auch [X.]/[X.], [X.] du 27
Septembre 1968, Rn.
219
ff.; [X.], Die Be-rücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit nach dem [X.], S.
87, 89; BaslerKommentar-[X.]/[X.], Art.
27 Rn.
52, 54; Dasser/Oberhammer
Dasser, [X.], Art.
21 Rn.
35).
[X.]) Der Gerichtshof hat ausdrücklich offen gelassen, ob auch in solchen Fällen nach Art.
16 [X.] (jetzt Art.
22 [X.]) der formalen Betrachtungs-weise der Vorzug zu geben ist
([X.]/02
Gasser, Slg
2003, [X.] Rn.
44
f., 52; [X.]/89
[X.], Slg 1991, [X.] = NJW
1992, 3221 Rn.
20
f.; ebenso [X.], Urteil vom 8.
Februar 1995
VIII
ZR
14/94, NJW
1995, 1758, 1759).
[X.]) Davon abgesehen lassen sich für beide Auffassungen gute Argumen-te ins Feld führen.
(1) In Übereinstimmung mit dem Wortlaut von Art.
27 [X.], der auch bei Bestehen einer ausschließlichen Zuständigkeit keinen Anhaltspunkt für eine einschränkende Auslegung bietet, neigt der Senat zur Bejahung einer Ausset-zungspflicht auch in Konstellationen der vorliegenden Art. Hinzu kommt, dass den Prozessparteien durch eine Aussetzung des [X.] in aller Regel kein unzumutbarer Nachteil entsteht.
Durch die Klärung der [X.] wird die Erlangung effektiven Rechtsschutzes in der Regel allenfalls verzögert, nicht aber endgültig verhindert (vgl. auch [X.], [X.]/95
von [X.], Slg
1997, [X.] = IPRax
1999, 100 Rn.
22 zu [X.]). Bei paralleler Prozessführung besteht demgegenüber die Gefahr eines positiven Kompetenzkonflikts und damit auch die Gefahr widersprüchli-cher Entscheidungen. Dies gilt umso mehr, als die Prüfung, ob eine ausschließ-liche Zuständigkeit vorliegt, ihrerseits nicht stets eindeutig zu beantworten ist, 19
20
21
-
11
-

und damit auch mit guten Gründen über die Frage gestritten werden kann, ob ein Rechtsmissbrauch gegeben ist, wenn eine Klage in einem anderen Mit-gliedstaat als demjenigen erhoben wird, für den eine ausschließliche Zustän-digkeit in Betracht kommt.

(2) Allerdings spricht für die Gegenauffassung, dass die Aussetzungs-pflicht nach Art.
27 [X.] nach ihrem Sinn und Zweck zwar vermeiden soll, dass Gerichtsentscheidungen nach Art.
34 Nr.
3 bzw. 4
[X.] wegen wider-sprechender Entscheidungen zur selben Sache nicht anerkannt werden können (vgl. insoweit [X.], 144/86
Gubisch, Slg
1987, 4861 = NJW
1989, 665 Rn.
8; [X.]/02
Gasser, Slg
2003, [X.] Rn.
41), dieser Zweck aber im Fall einer ausschließlichen Zuständigkeit des Zweitgerichts nach Art.
22 [X.] nicht einschlägig ist. Denn eine unter Verkennung dieser ausschließlichen Zustän-digkeit ergehende Sachentscheidung des Erstgerichts wäre nach Art.
35 Abs.
1 [X.] ohnehin nicht anerkennungsfähig; anders verhält es sich nur bei einer Sachentscheidung unter Verkennung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art.
23 [X.]. Zudem muss sich das Erstgericht nach Art.
25 [X.] von Amts wegen für unzuständig erklären, wenn eine ausschließliche Zuständigkeit des Zweitgerichts nach Art.
22 [X.] besteht. Davon kann weder aufgrund Gerichtsstandsvereinbarung noch aufgrund rügeloser Einlassung des Beklagten abgewichen werden (Art.
23 Abs.
5, Art.
24 Satz
2 [X.]; vgl. insoweit auch [X.], [X.]/10
Solvay, EWS
2012, 347 Rn.
44; C-4/03
[X.], Slg 2006, [X.] = [X.], 382, Rn.
24). Zwar ist die [X.] von dem Anliegen ge-tragen, grundsätzlich eine wechselseitige Überprüfung der Zuständigkeit zwi-schen Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten zu vermeiden (vgl.
dazu [X.], [X.]/89
[X.], Slg 1991, [X.] = NJW
1992, 3221 Rn.
24). [X.] setzt die Anwendung der Regelung des Art.
29 [X.], nach der sich das Zweitgericht bei doppelter ausschließlicher Zuständigkeit für unzuständig erklären muss, eine solche Prüfung durch das Zweitgericht ohne-22
-
12
-

hin voraus. Dasselbe gilt im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung (Art.
35 Abs.
1, Art.
45 Abs.
1 [X.]).
6. Auch wenn die Vorlagefrage bereits Teil eines beim [X.] ist ([X.]/12; vgl. OLG
München, [X.] vom 16.
Februar 2012
21
W
1098/11, juris), erscheint eine erneute Vorlage sachdienlich. Zwar kommt in solchen Fällen eine Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit entsprechend §
148 ZPO in Betracht
(vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Juli 2012
VIII
ZR
13/12, ju-ris Rn.
11
f.; Beschluss vom 30.
März 2005
X
ZB
26/04, [X.]Z
162, 373, 378; OLG
Düsseldorf, NJW
1993, 1661; für eine uneingeschränkte Vorlagepflicht dagegen: [X.]/[X.], ZPO, 29. Aufl., §
148 Rn.
3b).
Dagegen spricht hier aber, dass sich die maßgebliche Rechtsfrage in dem beim Gerichtshof bereits anhängigen Verfahren nur unter Bedingungen stellt. Dort ist nämlich zunächst zu klären, ob überhaupt ein Fall doppelter Rechtshängigkeit [X.]. Art.
27 [X.] vorliegt und ob eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art.
22 [X.] besteht. Sollte der Gerichtshof auch nur eine dieser Vorfragen verneinen, käme es auf die hier maßgebende Frage nicht mehr an. Bei einer Aussetzung entsprechend §
148 ZPO müsste das vorliegen-

23
24
-
13
-

de Verfahren erst
wieder aufgenommen und sodann zur Vorlage gebracht wer-den, was die Beantwortung der Frage nur verzögerte.
Stresemann

Lemke

Schmidt-Räntsch

Roth

Brückner
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 20.06.2012 -
321 O 123/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 08.08.2012 -
13 W 33/12 -

Meta

V ZB 163/12

18.09.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2013, Az. V ZB 163/12 (REWIS RS 2013, 2671)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2671

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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