Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.09.2013, Az. 2 C 52/11

2. Senat | REWIS RS 2013, 2540

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Gegenstand

Verheiratete Beamte; Kappungsgrenze für Familienzuschlag bei Teilzeitbeschäftigung; Billigkeitsentscheidung bei Rückforderung


Leitsatz

Verheiratete Besoldungsempfänger, deren Arbeitszeit zusammen die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten nicht übersteigt, erhalten den Familienzuschlag der Stufe 1 jeweils entsprechend ihrem Teilzeitbeschäftigungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 BBesG. Die in § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG enthaltene Kappungsgrenze findet nur Anwendung, wenn die Arbeitszeit der Ehegatten insgesamt diejenige eines Vollzeitbeschäftigten übersteigt.

Tatbestand

1

Die Klägerin beansprucht den Familienzuschlag der Stufe 1 in der ihrem Teilzeitstatus entsprechenden Höhe.

2

Die 1950 geborene Klägerin ist Stadtoberinspektorin (Besoldungsgruppe [X.]) im Dienst des beklagten [X.] und mit einem ebenfalls dort beschäftigten Beamten verheiratet. Sie war ab 1988 familienbedingt mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit in Teilzeit beschäftigt, seit Juni 2005 ist ihr Altersteilzeit im Blockmodell mit einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit bewilligt. Auch der Ehemann der Klägerin, der zunächst in Vollzeit tätig war, nimmt seit Juni 2005 Altersteilzeit in Anspruch und ist seitdem mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt. Der Beklagte zahlte der Klägerin bis März 2007 die Hälfte des vollen Familienzuschlags der Stufe 1 (52,64 €/monatlich) weiter, danach gewährte er nur noch ein Viertel der Hälfte des Zuschlags (13,16 €/monatlich). Gleichzeitig forderte er den Differenzbetrag ab Juni 2005 zurück.

3

Nach erfolglosem Widerspruch hat das Verwaltungsgericht die Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin ab 1. Juni 2005 ein Viertel des vollen Familienzuschlags der Stufe 1 zu gewähren. Die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. In dem Berufungsurteil ist ausgeführt, die Kürzungsregelung des § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] könne bei verfassungskonformer Auslegung keine Anwendung auf die Klägerin und ihren Ehemann finden. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, die familienbezogene Leistung auch dann nur einmal zu gewähren, wenn beide Ehegatten zuschlagsberechtigt seien und zusammen mehr als die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten erreichten. Dies sei hier nicht der Fall, sodass der Klägerin der Zuschlag anteilig im Verhältnis ihres Teilzeitanteils zur Regelarbeitszeit zu gewähren sei.

4

Mit der Revision beantragt der Beklagte,

die Urteile des [X.] vom 14. Juli 2011 und des [X.] vom 14. Juli 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Revision des Beklagten, ü[X.] die der Senat im Einverständnis der Beteiligten (§ 101 Abs. 2 VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das O[X.]verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, der Klägerin den Familienzuschlag der Stufe 1 aus § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] entsprechend ihrer Teilzeitquote gemäß § 6 Abs. 1 [X.] in Höhe von einem Viertel zu gewähren. Die in § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] für verheiratete Beamte angeordnete Sonderregelung findet nach dem Normzweck dieser Vorschrift keine Anwendung, solange beide Ehegatten zusammen die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten nicht ü[X.]schreiten.

7

1. Nach § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 ([X.]), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2006 ([X.] I S. 1466), erhält ein Beamter den Betrag der Stufe 1 des für ihn maßgeblichen [X.] zur Hälfte, wenn sein Ehegatte auch Beamter ist und ihm ebenfalls ein Familienzuschlag der Stufe 1 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Höchstbetrages der Stufe 1 des Familienzuschlages zustünde. Die Vorschrift galt für die Beamten des Beklagten auch nach dem Ü[X.]gang der Gesetzgebungszuständigkeit für die Besoldung der Landesbeamten auf die Länder nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 ([X.]) seit dem 1. Septem[X.] 2006 zunächst nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG und § 86 [X.] fort. Seit Inkrafttreten des [X.] vom 21. Juni 2011 (GVBl. S. 266) zum 1. Juli 2011 ist sie aufgrund der Verweisung in § 1b Abs. 1 Nr. 1 LBesG Berlin anwendbar.

8

Die Klägerin und ihr Ehemann sind Beamte, die dem Grunde nach Anspruch auf Gewährung eines [X.] der Stufe 1 gemäß § 39 Abs. 1, § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] i.V.m. der Anlage V dieses Gesetzes haben. Die Höhe bemisst sich nach § 40 Abs. 4 Satz 1 und 2 [X.] (vgl. Beschluss vom 25. Septem[X.] 2008 - BVerwG 2 B 104.07 - juris Rn. 8). Die Anordnung aus § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] gilt auch unabhängig davon, ob einem der Ehegatten weniger als die Hälfte des [X.] der Stufe 1 des [X.] zustünde. Das in § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] genannte Tatbestandsmerkmal "in Höhe von mindestens der Hälfte des Höchstbetrages der Stufe 1 des [X.]" bezieht sich ausschließlich auf die 3. Alternative der "entsprechenden Leistungen" (ebenso etwa [X.], Urteil vom 26. Septem[X.] 2012 - 1 A 2699/10 - [X.] 2013, 91 <92> m.w.N.).

9

Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Durch das Achte Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 26. Juni 1978 ([X.] I S. 869) ist zusätzlich zu den bestehenden Varianten "und stünde ihm ebenfalls der [X.] der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zu" die neue 3. Alternative "oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des [X.] zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des [X.]es der höchsten Tarifklasse" eingefügt worden. Die Einschränkung ist daher Bestandteil der neu eingefügten 3. Alternative und bezieht sich ausschließlich auf diese. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschränkung auch auf die [X.]eits zuvor gültigen Varianten erstreckt werden sollte, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen kommt der Bezugnahme auf den Höchstbetrag nur bei der Eingrenzung der Berücksichtigung entsprechender tarifvertraglicher Leistungen eine sinnvolle Begrenzungsfunktion zu (vgl. [X.], Urteil vom 27. April 2006 - 6 [X.] - [X.]E 118, 123 Rn. 18), während sie im Falle der dienstrechtlichen Zuschlags[X.]echtigung sachfremd wäre.

2. Der Anwendungs[X.]eich der in § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] getroffenen Regelung ist angesichts der Entstehungsgeschichte dieser Norm und im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung a[X.] auf die Fälle einzuschränken, in denen die Arbeitszeit beider Ehegatten zusammen die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten erreicht oder ü[X.]schreitet.

a) Dem Familienzuschlag kommt eine [X.], nämlich ehe- und [X.] zu. Er tritt zu den leistungsbezogenen Besoldungsbestandteilen hinzu, um diejenigen Mehraufwendungen auszugleichen, die typischerweise durch Ehe und Familie entstehen. Dadurch erfüllt der Gesetzge[X.] die sich aus dem [X.] gemäß Art. 33 Abs. 5 GG ergebende Verpflichtung, die dem Beamten obliegenden Unterhaltspflichten gegenü[X.] Ehegatten und Kindern realitätsgerecht zu [X.]ücksichtigen. Zugleich kommt er der durch Art. 6 Abs. 1 GG begründeten Pflicht nach, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern (Urteil vom 3. Novem[X.] 2005 - BVerwG 2 [X.] 16.04 - [X.] 240 § 40 [X.] Nr. 35 Rn. 21 f.; vgl. auch [X.], Beschluss vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 - [X.]E 131, 239 <262>).

Der Zweck des [X.] der Stufe 1 rechtfertigt es, dass der anspruchsbegründende Tatbestand der Ehe nur einmal [X.]ücksichtigt wird, auch wenn beide Ehegatten besoldungs[X.]echtigt sind (Urteil vom 1. Septem[X.] 2005 - BVerwG 2 [X.] 24.04 - [X.] 240 § 40 [X.] Nr. 33 Rn. 15). Dies wird dadurch erreicht, dass dieser Zuschlag jeweils halbiert wird (§ 40 Abs. 4 Satz 1 [X.]). Besoldungsempfänger, die miteinander verheiratet sind, können danach nicht mehr als jeweils die Hälfte des für sie maßgebenden [X.] der Stufe 1 erhalten. Der Zuschlag soll den Ehegatten auch nur dann insgesamt einmal zugute kommen, wenn sie aufgrund ihrer Arbeitszeiten nach § 6 Abs. 1 [X.] zusammen höhere Zahlungsansprüche hätten. § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] statuiert eine Kappungsgrenze, die nicht ü[X.]schritten werden darf (Urteil vom 29. Septem[X.] 2005 - BVerwG 2 [X.] 44.04 - BVerwGE 124, 227 = [X.] 240 § 40 [X.] Nr. 34 Rn. 8).

Aus dieser Zweckbestimmung der Vorschrift folgt zugleich, dass die O[X.]grenze nicht unterschritten werden darf, wenn beide Ehegatten zusammen die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten erreichen oder ü[X.]schreiten (Urteil vom 29. Septem[X.] 2005 a.a.[X.] Rn. 20 f.). Entsprechendes gilt auch für Teilzeitbeschäftigungen, die nicht den Umfang einer Vollzeitbeschäftigung erreichen. Auch hier liegt kein Grund für die durch § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] vorgesehene Kürzung vor, weil die Kappungsgrenze nicht erreicht ist.

Das dem Zweck des [X.] entsprechende Verständnis des Satzes 1 des § 40 Abs. 4 [X.] wird durch Satz 2 bestätigt: Danach wird der nach Satz 1 halbierte Zuschlag teilzeitbeschäftigter Beamten nicht zeitanteilig nach § 6 Abs. 1 [X.] gekürzt. Dies verdeutlicht, dass es für die Höhe des Anspruchs auf den Familienzuschlag der Stufe 1 nicht auf den Umfang der Arbeitszeiten der Ehegatten ankommt, solange deren Summe die Regelarbeitszeit zumindest erreicht. Die gesetzliche Kappungsgrenze kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn den Ehegatten ansonsten mehr als 100 v.H. des [X.] der Stufe 1 zustünde. Sie macht keinen Sinn, wenn die Ansprüche bei Anwendung des § 6 Abs. 1 [X.] darunter liegen. Erreicht die Summe der Teilzeitbeschäftigungen beider Ehegatten die Regelarbeitszeit nicht, bedarf es keiner Kappungsgrenze, um dem familienpolitischen Zweck des Zuschlags Rechnung zu tragen. Denn bei Anwendung des § 6 Abs. 1 [X.], d.h. bei zeitanteiliger Gewährung des Zuschlags, wird insgesamt weniger als ein voller Familienzuschlag der Stufe 1 ausgezahlt.

Eine Schlechterstellung der im öffentlichen Dienst teilzeitbeschäftigten Ehepaare, die insgesamt nicht die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten erreichen, gegenü[X.] denjenigen, deren Arbeitszeit diese Schwelle ü[X.]schreitet, wäre mit Art. 3 Abs. 1 GG daher nicht vereinbar. Dem Anliegen, den Familienzuschlag der Stufe 1 nur entsprechend dem tatsächlich geleisteten Arbeitszeitanteil zu gewähren, trägt [X.]eits § 6 Abs. 1 [X.] Rechnung.

b) Diese einschränkende Auslegung entspricht auch der Entstehungsgeschichte der Norm. Die Anordnung des § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] ist durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 18. Dezem[X.] 1975 ([X.] I S. 3091) als damaliger § 40 Abs. 5 Satz 1 [X.] eingefügt worden, um die doppelte Abgeltung desselben Tatbestandes (Heirat bzw. Kinderbetreuung) aus öffentlichen Kassen zu vermeiden (BTDrucks 7/4127, [X.]). In diesem Zeitpunkt kannte das [X.] und der Länder eine unterhälftige Teilzeitbeschäftigung noch nicht. Die im Tatbestand vorausgesetzte Situation, dass beide Ehegatten zuschlags[X.]echtigt sind, konnte daher nur bei einer Gesamtarbeitszeit eintreten, die mindestens derjenigen eines Vollzeitbeschäftigten entsprach. Der eingeführten Regelung lag somit stets die Konstellation zugrunde, dass die Arbeitszeit der Ehegatten zusammen mindestens diejenige eines Vollzeitbeschäftigen erreicht. Dem entspricht die angeordnete Rechtsfolge, die das Erdienen eines vollen [X.] voraussetzt.

Eine Abweichung von dieser Grundannahme ist erst durch Einführung der unterhälftigen Teilzeitbeschäftigung durch das Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24. Februar 1997 ([X.] I S. 322) möglich geworden. Hierdurch konnte es geschehen, dass trotz zweifacher Zuschlags[X.]echtigung insgesamt die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigen unterschritten wurde. Die Anpassung des Familienzuschlagrechts an diese Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts und die Möglichkeit einer unterhälftigen Teilzeitbeschäftigung hat der Gesetzge[X.] unterlassen. Es spricht jedoch nichts dafür, dass der Gesetzge[X.] der von ihm selbst eingeleiteten Entwicklung des Arbeitszeitrechts entgegensteuern wollte, indem die unterhälftige gegenü[X.] der mindestens hälftigen Teilzeitbeschäftigung finanziell ü[X.]proportional schlechter gestellt werden sollte (vgl. Urteil vom 29. Septem[X.] 2005 a.a.[X.] Rn. 16).

c) Schließlich folgt das einschränkende Verständnis des Anwendungs[X.]eichs der Norm auch aus dem systematischen Zusammenspiel der als Regelungseinheit konzipierten Sätze 1 und 2 des § 40 Abs. 4 [X.].

§ 40 Abs. 4 Satz 2 [X.] bezieht sich auf die vorangegangene Anordnung in Satz 1 und enthält eine Sonderregelung für teilzeitbeschäftigte Beamte. Die Anwendung der zeitanteiligen Kürzungsregelung aus § 6 Abs. 1 [X.] wird ausgeschlossen. Damit wird verhindert, dass der halbierte Familienzuschlag der Stufe 1 zusätzlich gequotelt wird. Ein derartiges Ergebnis wäre sachwidrig, weil der von den Ehegatten zusammen erdiente volle Familienzuschlag ohne sachlichen Grund geschmälert würde. Entsprechendes gilt indes auch für die Fälle, in denen die Ehegatten zusammen die Kappungsgrenze [X.]eits nicht erreichen. Hier wird indes nicht die Anwendung des § 6 Abs. 1 [X.] ausgesetzt, sondern [X.]eits die Halbierungsanordnung aus § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.].

In beiden Fällen ist damit sichergestellt, dass der Familienzuschlag der Stufe 1 den im öffentlichen Dienst beschäftigten Ehegatten entsprechend dem Zeitanteil ihrer Beschäftigung, a[X.] maximal in Höhe von 100 v.H. des vollen Zuschlags gewährt wird. Sofern die Ehegatten in Teilzeit beschäftigt sind und zusammen nicht mehr als die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen, werden die jeweiligen [X.] gemäß § 6 Abs. 1 [X.] entsprechend dem Arbeitszeitanteil gekürzt. Ü[X.]steigt der Beschäftigungsanteil der Ehegatten insgesamt die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollbeschäftigung, erhält jeder Ehegatte die Hälfte seines [X.].

3. Die zeitanteilige Gewährung des [X.] der Stufe 1 nach § 6 Abs. 1 [X.] ohne vorherige Anwendung der Halbierungsregelung des § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] trägt dem unionsrechtlichen Grundsatz "pro rata temporis" Rechnung.

Nach § 4 Nr. 2 des Anhangs der Richtlinie Nr. 97/81/[X.] vom 15. Dezem[X.] 1997 zur der von UNI[X.]E, [X.]EEP und [X.] geschlossenen Rahmenvereinbarung ü[X.] Teilzeitarbeit ([X.] vom 20. Januar 1998 S. 9, [X.]. ABl [X.] Nr. L 128 vom 30. April 1998 S. 71) gilt dieser Grundsatz für Teilzeitbeschäftigte, wo dies angemessen ist.

Der genannte Anhang enthält die von der Union der europäischen Industrie- und Arbeitge[X.]verbände, dem [X.] und dem [X.] geschlossene Rahmenvereinbarung ü[X.] Teilzeitarbeit. Aufgrund der Ü[X.]nahme als Anhang in die Richtlinie Nr. 97/81/[X.] stellt diese Vereinbarung einen Bestandteil der Richtlinie dar und nimmt an deren Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten teil. Diese sind verpflichtet, ihr Recht den inhaltlichen Vorgaben der Rahmenvereinbarung anzupassen (Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 2 [X.] 72.08 - BVerwGE 136, 165 = [X.] 239.1 § 6 [X.] Nr. 6 jeweils Rn. 17 f.).

Nach der Präambel des Anhangs der Richtlinie 97/81/[X.] verfolgt die Rahmenvereinbarung den Zweck, Benachteiligungen von Teilzeitbeschäftigten zu beseitigen und einen Beitrag zur Entwicklung der Teilzeitarbeitsmöglichkeiten zu leisten. Dementsprechend schreibt § 4 Nr. 1 vor, dass Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nicht nur deswegen gegenü[X.] vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden dürfen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt. Nach § 4 Nr. 2 gilt, wo dies angemessen ist, der "pro-rata-temporis"-Grundsatz. Daraus folgt, dass sich Teilzeitbeschäftigung nur in quantitativer, nicht a[X.] in qualitativer Hinsicht von gleicher oder gleichwertiger Vollzeitbeschäftigung unterscheiden darf.

Folglich sind ungleiche Beschäftigungsbedingungen nur insoweit zulässig, als die Ungleichbehandlung dem unterschiedlichen zeitlichen Arbeitsumfang Rechnung trägt. Nach dem Zweck des Anhangs umfasst der in § 4 verwendete Begriff der Beschäftigungsbedingungen die Gesamtheit der Rechte und Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis und damit insbesondere auch das Entgelt für die Arbeitsleistung. Nach § 4 Nr. 1 und 2 des Anhangs sind derartige Leistungen Teilzeitbeschäftigten entsprechend dem zeitlichen Verhältnis der Teilzeit zur Vollzeit, d.h. strikt zeitanteilig zu gewähren (Urteile vom 29. Septem[X.] 2005 a.a.[X.] S. 238 und vom 25. März 2010 a.a.[X.] Rn. 19).

Dieses Ergebnis kann bei im öffentlichen Dienst beschäftigten Ehegatten, die zusammen nicht die Regelarbeitszeit erreichen, nur gewährleistet werden, wenn § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] nicht zur Anwendung gelangt.

4. Auch soweit die Rückforderung dem Grunde nach [X.]echtigt ist, weil der Beklagte mehr als den der Klägerin zustehenden Anteil von ein Viertel des [X.] der Stufe 1 ausbezahlt hat, ist der Rückforderungsbescheid rechtswidrig. Zu Recht hat das O[X.]verwaltungsgericht die fehlende Billigkeitsentscheidung des Beklagten beanstandet.

Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden. Damit soll eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung ermöglicht werden. Eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Schuldners modifiziert den Rückzahlungsanspruch. Sie betrifft nicht lediglich die Vollziehung oder Vollstreckung des Rückforderungsbescheids, sondern den materiellen Bestand des Rückforderungsanspruchs und ist deshalb zwingend vor der Rückforderung zu treffen. Ein Rückforderungsbescheid darf nicht ergehen, ohne dass eine Billigkeitsentscheidung getroffen worden ist. Die Festlegungen sind im Bescheid selbst zu treffen; eine bloße Bereitschaft, dem Beamten später entgegen zu kommen und etwa Ratenzahlung zu vereinbaren, genügt nicht (vgl. Urteile vom 26. April 2012 - BVerwG 2 [X.] 15.10 - [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 35 Rn. 23 ff. sowie - BVerwG 2 [X.] 4.11 - Rn. 17 ff.). Die Auffassung des Beklagten, dass eine Billigkeitsentscheidung nach Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse nachträglich - nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens - ergehen könne, trifft daher nicht zu.

Meta

2 C 52/11

24.09.2013

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 14. Juli 2011, Az: OVG 4 B 70.09, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, § 6 Abs 1 BBesG, § 12 Abs 2 S 3 BBesG, § 40 Abs 4 S 1 BBesG, § 40 Abs 4 S 2 BBesG, Anh Rahmenvereinbarung § 4 Nr 2 EGRL 81/97

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.09.2013, Az. 2 C 52/11 (REWIS RS 2013, 2540)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2540

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